Deutschland engagiert sich zu wenig bei der Förderung von Grundbildung in den Entwicklungsländern. Zwar gehöre die Bundesrepublik neben Frankreich und Japan zu den größten Geberländern auf dem Feld der Bildung insgesamt, die Mittel flössen aber vorwiegend in die Sekundarstufe und die Weiterbildung, so die Analyse von Aaron Benavot von der Unesco, der am 13. Februar im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung den EFA-Report 2008 (Education for All Global Monitoring Report) vorstellte. Benavot unterstrich, dass andere Geberländer insgesamt weniger Mittel für Bildung ausgeben, aber dafür mehr in die Grundbildung investieren. Die schulischen Grundlagen wie Lesen, Schreiben und Rechnen spielten aber eine Schlüsselrolle für den weiteren Bildungsweg.
Das Programm "Bildung für alle" ist 2000 auf dem Weltbildungsforum in Dakar beschlossen worden und hat unter anderem zum Ziel, bis 2015 allen Kindern weltweit die Möglichkeit der Grundbildung zu sichern und Gleichheit zwischen den Geschlechtern beim Zugang zur Bildung zu erreichen.
Um dies zu verwirklichen, müssten weltweit bis 2015 18 Millionen Lehrer ausgebildet werden, rechnete Benavot vor. Dies sei eine der kritischen Fragen für die kommenden Jahre. Es gebe dennoch auch positive Entwicklungen. Seit Beginn des EFA-Programms habe sich die Zahl der Kinder ohne Schulzugang weltweit um 25 Millionen verringert. Die größten bildungspolitischen Herausforderungen ortet Benavot in Südostasien, in Afghanistan und in der Region der Sub-Sahara. Dort sei der Bedarf an Hilfe am größten, diese Regionen bekämen aber nur 50 Prozent der Hilfe.
Die Ausschussmitglieder interessierten sich vor allem für die Entwicklung auf dem Sektor der beruflichen Bildung und für die Möglichkeiten, das deutsche duale Berufsbildungssystem als Vorbild für Entwicklungsländer zu nutzen. Es zeige sich zunehmend, so die SPD, dass die berufliche Bildung elementar sei, um den Menschen in den wenig entwickelten Ländern Perspektiven anzubieten. Die Übertragung des deutschen Systems in Entwicklungsländer müsse den örtlichen Bedingungen angepasst werden, meinte daraufhin Georg Sticker von der Internationale Weiterbildung und Entwicklung GmbH (InWEnt). Es müsse adaptiert und übersetzt werden. Ähnlich wertete das Aaron Benavot: Das deutsche Modell sei über Generationen gewachsen. Die meisten Entwicklungsländer hätten aber sehr junge Bildungssysteme. So ließen sich nur bestimmte Aspekte des "deutschen Exportschlagers" übernehmen.
Dass dieser Exportartikel in abgewandelter Form durchaus erfolgreich sein kann, zeige die Kooperation deutscher Firmen mit Südafrika, meinte Sticker. Die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Karin Kortmann (SPD), verwies in diesem Zusammenhang auf die gelungene Zusammenarbeit der Hamburger Industrie- und Handelskammer mit Madagaskar: "Hut ab! Es wäre schön, wenn auch andere einsteigen würden." Beispielhaft auf dem Feld der beruflichen Bildung sei auch die Zusammenarbeit Deutschlands mit Indien, so Kortmann weiter.
Union, FDP und die Linksfraktion sprachen in der Diskussion auch das Problem der Privilegierung bestimmter Schichten und ein gravierendes Stadt-Land-Gefälle bei der Bildung in armen Ländern an. Aus Sicht der Union muss die Entwicklungspolitik dazu führen, dass die Führungseliten und die jeweiligen Regierungen die Bildung breiter Bevölkerungskreise als ihre eigene Aufgabe ansehen - erst dann seien nachhaltige Ergebnisse zu erwarten. Bislang entstehe oft der Eindruck, dass sie wenig daran interessiert seien, die Ressource Bildung allgemein zugänglich zu machen. Man müsse auch mehr auf die Qualität der Bildung und nicht nur auf die Zahl der Schulkinder achten. "Mehr als erschütternd" seien in dieser Hinsicht die Beispiele Südafrika und Namibia, so die Union. Zwischen 50 und 80 Prozent der Schüler, diese Angaben schwankten je nach Quelle, schafften den Schulabschluss nicht. Man könne von Glück sprechen, wenn junge Menschen nach jahrelangem Schulbesuch ihre Namen schreiben könnten. Nicht selten komme es vor, dass die Lehrer betrunken seien und Mädchen sexuell belästigt würden.
"Die Qualität der Bildung ist das Schlüsselthema", so auch Benavot. "Ein gesundes und sicheres Lernumfeld" sei aber die Voraussetzung dafür, sagte der Unesco-Vertreter. "Sind die Lehrer selbst qualifiziert genug, haben die Kinder Hunger, sind die Wege zur Schule zumutbar?" Dies seien wichtige Fragen. Aber auch die verantwortlichen Politiker in den Nehmerländern müssten mehr zur Rechenschaft gezogen werden. Lippenbekenntnisse und Statements reichten da nicht.