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Seit anderthalb Jahren gilt das Informations- freiheitsgesetz. Die erste Bilanz fällt durchwachsen aus
Es ist wohl einer der sagenumwobensten Papierstapel der ganzen Bundesrepublik: Der Vertrag zwischen der Bundesregierung und Toll Collect, dem Konsortium für die Erhebung der Lkw-Maut. Seit ihrer Einführung im Januar 2005 war sie von einer beispiellosen Pannenserie begleitet. Daraufhn verklagte die Regierung Toll Collect auf Schadenersatz. Nun gibt es offenbar viele Bürger, die sich gern einmal in den knapp 200-seitigen Vertrag mit etwa 17.000 Seiten an Nebenvereinbarungen vertiefen und sich ein eigenes Bild machen würden.
Sie sahen ihre Stunde mit dem Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) gekommen. Seit dem 1. Januar 2006 ermöglicht es den Bürgern den "freien und voraussetzungslosen Zugang" zu den Akten, Unterlagen und Informationen der öffentlichen Verwaltung. Allerdings nur dann, wenn dieser Akteneinsicht nicht "öffentliche Belange" oder der Schutz von Daten und Betriebsgeheimnissen entgegenstehen. Und genau damit argumentiert das Bundesverkehrsministerium gegenüber allen, die Einsicht in den Toll-Collect-Vertrag nehmen wollen - die Aktendeckel bleiben zu.
Peter Schaar ärgert sich darüber. "Man hat schon das Gefühl, dass hier die Auskunftserteilung auf ein Mindestmaß beschränkt werden soll", sagt der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, dessen Behörde auch für die Informationsfreiheit zuständig ist, im Gespräch mit "Das Parlament". Das hat Schaar auch in seinem Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit in den Jahren 2006 und 2007, der dem Bundestag am 5. Juni gemeinsam mit dem Bericht zur Tätigkeit des Datenschutzbeauftragten als Unterrichtung ( 16/8500, 16/4950) vorgelegt wurde, so festgehalten. In einigen Behörden seien Vorbehalte gegen die Informationsfreiheit teilweise "deutlich spürbar", heißt es darin.
Schaar ist davon nicht überrascht: "Wir haben es hier ja mit einem gravierenden Wechsel in der Verwaltungstradition zu tun. Dort, wo lange Zeit das Amtsgeheimnis herrschte, soll jetzt Transparenz hergestellt werden. Daran müssen sich alle Beteiligten erst noch gewöhnen."
Nach einer Statistik des Innenministeriums gingen bei den Bundesbehörden im Jahr 2006 insgesamt 2.278 IFG-Anträge ein. In etwa der Hälfte der Fälle wurde der Informationszugang ganz oder teilweise gewährt. Dass es so viele Fälle von Ablehnungen gebe, habe an "verschiedenen Ausnahmengründen" gelegen, so das BMI.
Schaar sieht darin allerdings den Versuch der Verwaltung, über - teils unzutreffende -Ausnahmeregelungen die Verschwiegenheit aufrechtzuerhalten. An ihn haben sich 2006 insgesamt 196 Bürger gewandt, die meisten von ihnen, weil die Verwaltung ihrem Auskunftsanliegen nicht nachgekommen ist oder weil es auf ihre Anfragen keine Reaktionen gab. 2007 hat Schaar allein 122 Eingaben aus dem Themenbereich des IFG bekommen. Obwohl er keine Sanktionsmöglichkeiten hat, um auskunftsunwillige Ministerien und Behörden zur Offenheit zu zwingen, konnte er in vielen Fällen erreichen, dass die Bürger wenigstens Teilauskünfte erhielten. "In einigen Fällen wurde ich auch in Gerichtsverfahren befragt, in denen die Kläger letztlich erfolgreich waren."
Er zieht anderthalb Jahre nach Inkrafttreten des IFG eine "gemischte Bilanz". Die Befürchtung der Gesetzesgegner, es könne zu einem "Tsunami von Anfragen" kommen, der die Verwaltung lahm legen werde, habe sich nicht bewahrheitet. Während sich etwa das Verkehrministerium und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht durch besondere Verschlossenheit ausgezeichnet hätten, habe etwa die Agentur für Arbeit bisher vertrauliche Weisungen ins Internet gestellt. "Das ist natürlich ein ganz positives Beispiel", so Schaar. Insgesamt wünsche er sich, dass das IFG künftig häufiger in Anspruch genommen wird. "Viele Bürger wissen über dieses Recht einfach zu wenig", sagt Schaar.
Dabei ist der Zugang zu den Informationen verhältnismäßig simpel: Wer Auskünfte will, muss bei der zuständigen Behörde einen Antrag nach dem IFG stellen und soll diese Informationen innerhalb eines Monates schriftlich, mündlich oder elektronisch erhalten. Während mündliche Auskünfte in aller Regel kostenlos sind und für einfache schriftliche 30 bis 250 Euro Gebühren anfallen, kann es bis zu 500 Euro kosten, wenn man sich Auskünfte geben lässt, die einen großen Verwaltungsaufwand erfordern. Die Befürchtung, dass einige Behörden über die Ankündigung exorbitanter Gebühren dafür sorgen könnten, dass Bürger ihre Anfragen zurückziehen, hat sich nicht bestätigt.
Dass vielen Informationsbegehren stattgegeben worden sei, bezeichnete Beatrix Philipp (CDU) in der Bundestagsdebatte als "erfreulich". Ihr Koalitionspartner Michael Bürsch (SPD) betonte, mit dem IFG sei Deutschland der "Anschluss an die moderne Zeit des 21. Jahrhunderts" gelungen. Auch für die FDP sei das IFG "unerlässlich", wenn auch noch "verbesserungswürdig", so Gisela Piltz.
In welchem Umfang das Gesetz künftig geeignet sein wird, Licht ins Dunkel der tiefen Aktenschränke der öffentlichen Verwaltung zu bringen, liegt allerdings nicht mehr in den Händen der Politik. Das IFG garantiert ein neues Bürgerrecht - und ob das ein stumpfes oder ein scharfes Schwert wird, liegt in den Händen derer, die es führen: der Bürger.