SPORTBERICHT
Der Streit um Doping und Meinungsfreiheit dominiert die Debatte
Volker Beck war sauer. Dass der Sport am 5. Juni vom unteren Ende der politischen Agenda in die Kernzeit des Bundestagsbetriebs aufgestiegen war, fand bei dem parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen wenig Verständnis. "Durch die Diskussion des Sportberichts wird auf dieser Welt nichts passieren", hatte Beck am Vortag prognostiziert. Doch irgendwann während der Debatte schien auch er zu spüren, dass er sich möglicherweise geirrt haben könnte.
Nachdem der CDU-Abgeordnete Eberhard Gienger erklärt hatte, warum er die Haltung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) teilt, den Sportlern während der Olympischen Wettkämpfe zu verbieten, Armbänder mit der Aufschrift "Sports for Human Rights" zu tragen, intervenierte Beck. Er mahnte, der Bundestag müsse klar machen, dass "ein Bekenntnis zu den Menschenrechten" von anderen politischen Demonstrationen (die laut olympischer Charta verboten sind) zu trennen sei. "Wir müssen hier die Zivilcourage der Sportlerinnen und Sportler, der Olympioniken unterstützen", sagte der Grünen-Politiker.
Mit dem Armschmuck, der gewiss nicht nur von deutschen Olympiateilnehmern getragen werden würde, ließe sich eine sanfte aber doch deutliche Form der Kritik am chinesischen Regime kommunizieren. Da war er doch, der von Beck vermisste Link zur großen Weltpolitik. Denn über die in allen Fernsehübertragungen sichtbaren Bändchen würden die Zweifel an Chinas Regime bis in die hintersten Winkel der Welt sichtbar werden. Es wäre ein viel stärkeres Signal als die eventuell in Mixed Zones und auf Pressekonferenzen geäußerte freie Meinung von Athleten, die erlaubt ist. Gienger blieb dennoch bei seiner Position. So ein Bändchen sei laut olympischer Charta "ähnlich zu werten, als wenn ein Teilnehmer mit einem Foto seines Staatspräsidenten einmarschieren würde", argumentierte er. Es gebe eben Regeln und das sei auch gut so. Es war der wohl emotionalste Moment der Debatte.
Wenig später lieferte Stephan Mayer (CSU) eine mögliche Erklärung für die Haltung Giengers und anderer Abgeordneter gegenüber dem IOC und dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB): Er hielt ein leidenschaftliches Plädoyer für Olympische Winterspiele 2018 in München und stellte ein mögliches "Wintermärchen" in Aussicht.
Das eigentliche Thema der Debatte, nämlich der 11. Sportbericht ( 16/3750, 16/7584), der noch aus dem Herbst des Jahres 2006 stammt und eine Bilanz der vergangenen Legislaturperiode zieht, geriet angesichts vieler aktueller Aspekte in den Hintergrund.
Vielmehr zog sich das Thema Doping als roter Faden durch die beiden Diskussionsstunden. Von allen Seiten kritisiert wurde, dass sogar staatliche Institutionen wie die Freiburger Universitätsklinik in illegale Praktiken verwickelt waren. Ein grundsätzliches Umdenken sei erforderlich, sagte FDP-Sportexperte Detlef Parr, "die Bedeutung des Wettkampfes muss über dem Rekordstreben stehen". Schuld an der Entstehung der Probleme hätten mehrere Akteure, so Parr. "Mehr Gelassenheit und Sachlichkeit tun dem Sport gut", plädierte der Politiker.
Was den eigenen Beitrag zur Bekämpfung des Dopings betrifft, zeigten sich alle Fraktionen zufrieden. Die Ausstattung der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) sei verbessert und die modifizierte Gesetzgebung passender auf den Kampf gegen die illegale Leistungssteigerung zugeschnitten worden. Gleichwohl warnte Dagmar Freitag (SPD) vor den Folgen: "Viele Medaillen und sauberer Sport: Diese Gleichung kann in Zeiten des Hightech-Dopings nicht aufgehen".
Inmitten all dieser Diskussionen um die Licht- und Schattenseiten des Spitzensportes, hob Die Linke eine andere Seite des Themas, den Breitensport, aufs Tableau. Die Fraktion legte den Entwurf eines Sportfördergesetzes vor ( 16/9455), welches dem Bund Kompetenzen zusichern sollte, die derzeit bei den Ländern und Kommunen liegen. Der Vorschlag wurde abgelehnt, weil es "schlicht an der verfassungsrechtlichen Grundlage" fehle, wie der Sportausschussvorsitzende Peter Danckert feststellte. Man müsse die richtige Reihenfolge einhalten, so der SPD-Abgeordnete: "Zuerst muss der Sport aufgrund seiner vielseitigen gesellschaftlichen Bedeutung als Staatsziel ins Grundgesetz aufgenommen werden."
Die entsprechende Modifizierung des Grundgesetzes sei "längst überfällig", auch die Gründungsväter hätten den Sport nach dem Zweiten Weltkrieg in ihr Werk aufgenommen, so Danckert, "wenn sie nicht andere Sorgen gehabt hätten". Der Koaltionspartner sieht das anders. Als Begründung erläutert das Büro von Klaus Riegert, sportpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, auf Nachfrage gegenüber dieser Zeitung, die Fraktion sei grundsätzlich gegen die Aufnahme weiterer Staatsziele, da sonst die Gefahr bestehe, dass das Werk "als Überbau verwässere". Der Bund solle sich demnach weiterhin vorwiegend mit dem Spitzensport auseinandersetzen, während der Breitensport in den Händen der Länder und Kommunen bleibe.
Bundesinnenminister Schäuble (CDU) begrüßte, dass die Unterstützung des Sports gemeinsam betrieben werde. So hätten beispielsweise in den Haushaltsberatungen deutlich erhöhte Sätze erreicht werden können. Doch der Staat allein könne nicht alles leisten, sagte der Sportminister. Fraktionsübergreifend wurde auf Mangelbereiche hingewiesen. Beispielsweise lasse die Qualität des Sportunterrichts an Schulen zu wünschen übrig, in strukturschwachen Gegenden reichten die Mitgliedsbeiträge nicht mehr aus, um Sportvereine am Leben zu halten, und die Anzahl der Übergewichtigen nehme dramatisch zu. Sport sei von größter Bedeutung für die Zukunft des Gesundheitssystems, hieß es.
Dennoch würden die klammen Kassen der Kommunen zu Kürzungen in der Breitensportförderung führen, klagten die Linken. Sportstätten könnten deshalb nicht in Stand gehalten werden. Derzeit seien "70 Prozent der Sportanlagen im Osten und 40 Prozent der Stätten im Westen" sanierungsbedürftig, sagte Katrin Kunert.
Am Ende der kontroversen Sport-Debatte hat so wohl auch Volker Beck erkannt, dass im Sport doch einige Stellschrauben verborgen sind, über die sich die Welt verbessern lässt.