Es sind hektische Juni-Tage für Edmund Peter Geisen. In Deutschland streiken die Milchbauern: Mit Lieferstopp und Molkereiblockaden protestieren sie gegen die aus ihrer Sicht viel zu niedrigen Milchpreise. Der agrarsozialpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion ist daher viel unterwegs: Treffen mit Landwirten in seinem Wahlkreis Bitburg in der Eifel, dann zurück zu Verhandlungen nach Berlin. Doch trotz des vollen Terminkalenders wirkt Geisen gelassen, als er sein Büro betritt.
"Wir müssen die Landwirte dringend auf der Kostenseite entlasten", sagt Geisen mit Nachdruck. Für deren Situation hat der 59-Jährige viel Verständnis - nicht zuletzt, weil er selbst aus der Landwirtschaft kommt. Aufgewachsen ist er in Lützkampen, in einer elfköpfigen, "kleinbäuerlichen Großfamilie", wie er selbst es nennt. Großeltern, Eltern und sieben Kinder bewirtschafteten damals gemeinsam einen kleinen Hof in der Eifel. Dieses Leben hat ihn geprägt: "Die Naturverbundenheit, die Nähe zu den Tieren...", erinnert er sich lächelnd. "Damals hatten wir noch eine Beziehung zu ihnen. Wurde eine Kuh verkauft, flossen wirklich Tränen!" Gerne hätte er den Hof der Eltern weitergeführt, doch dieser war zu klein, um rentabel zu sein.
So ergreift Geisen einen Beruf, der eng mit der Landwirtschaft verbunden ist: Er wird Berater am Landespflanzenschutzamt in Mainz. Später studiert er in Bonn Agrarwissenschaften mit dem Schwerpunkt Pflanzenproduktion, arbeitet als Lehrer, Berater und Landwirtschaftsdirektor an verschiedenen Lehr- und Versuchsanstalten in Rheinland-Pfalz. In seiner Doktorarbeit beschäftigt sich Geisen mit der "Pflanzensoziologie von Grünlandpflanzen" und erforscht, wie Gräser und Kräuter auf die Praxis von Düngen und Mähen reagieren. "Die wenigsten Menschen wissen, dass auf einer Wiese oft mehr als 20 verschiedene Gräser-, Kräuter- und Klee-Arten wachsen." Edmund Geisens Augen leuchten. Pflanzen sind seine Leidenschaft: "Meine Frau und ich fragen uns gern gegenseitig beim Spazierengehen ab", erzählt er. "‚Wie heißt der lateinische Begriff für Knaulgras? Dactylis glomerata, natürlich!"
Doch so sehr er sich als Pflanzenexperte für den Mikrokosmos einer Wiese begeistern kann, als Agrarpolitiker verliert er dennoch das große Ganze nicht aus dem Blick: Die Stärkung des ländlichen Raums ist schon früh sein Anliegen. 1990 wird er Mitglied der FDP, doch bereits Mitte der 1980er-Jahre forderte er als einer der ersten im Verbandsgemeinderat die Ausweisung von Gewerbegebieten und den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Seine Sorge: Der ländliche Raum, für ihn die "Stütze der Gesellschaft", könne durch das Bauernhof-Sterben langfristig veröden. Dass es nicht so weit kommt, ist eines seiner politischen Ziele. 2001 nimmt seine politische Karriere Fahrt auf: Er wird Mitglied im rheinland-pfälzischen Landtag. 2005 zieht Edmund Peter Geisen in den Bundestag ein.
Die Milchkrise, die ihn im Juni in Atem hielt, sieht er in einem größeren Zusammenhang: "Wie schaffen wir es, Nahrungsmittelsicherheit zu gewährleisten - und Umwelt und Klima weniger zu belasten?" Der Schlüssel ist für ihn eine effiziente und nachhaltige Landwirtschaft. "Das bedeutet auch, standortgerecht anzubauen", betont Geisen. So sei es etwa wenig nachhaltig, überall Weiden umzupflügen und Mais anzubauen.
Effizient müsse aber auch der Umgang mit Ressourcen sein: "Wir verschwenden noch immer zu viel Trinkwasser", kritisiert er. Zwar verbrauchten Landwirte weniger als früher und auch die Belastung der Böden durch präzisere Düngungsmethoden sei heute geringer. Dennoch könne man weit mehr tun - etwa genügsamere Pflanzen anbauen. "Wir brauchen eine grüne Revolution auf dem Acker", fordert Geisen. "Gerade im Hinblick auf eine globale Landwirtschaft!" Der Agrarexperte hat nämlich eine Vision: "Wenn wir uns weltweit gemeinsam für eine nachhaltige Landwirtschaft einsetzen, dann hat das nicht nur ökonomische und ökologische Vorteile", sagt Geisen. "Wir haben sogar die Chance, Nahrungsmittelsicherheit zu gewährleisten und endlich den Hunger in der Welt zu besiegen!"