Konflikt
Israelis und Palästinenser verfügen über genügend Wasser und über Ideen, es gemeinsam zu nutzen. Umgesetzt wird davon nichts - aus politischen Gründen
Israel, die Palästinenser und Jordanien beziehen ihr Wasser aus dem Jordanbecken: dem Jordan und seinen Zuflüssen, dem See Genezareth sowie einigen Grundwasserspeichern. Die Region ist durch ein vorwiegend trockenes Klima gekennzeichnet: Dürren kommen häufig vor und strapazieren die natürlichen Wasservorräte. Verschlechtert wird die Situation durch ineffiziente Wassernutzung, steigende Geburten- und Immigrationszahlen sowie kontinuierliche wirtschaftliche Entwicklung und Verstädterung. Eine ausreichende Wasserversorgung wurde so schon mit Beginn der jüdischen Einwanderung zum nationalen Sicherheitsinteresse und Konfliktgegenstand. Allerdings beruht der heutige Wasserkonflikt zwischen Israelis und den Palästinensern nicht auf faktischer Wasserknappheit. Zwar kann man nicht von einem Wasserüberschuss sprechen, doch Galiläa und die Westbank verfügen regional gesehen über ausreichende Wassermengen.
Die Wasserkrise ist rein politisch bedingt. Eine Wasserpolitik, die auf historisch gewachsenen Mythen und innenpolitischen Interessenlagen auf beiden Seiten beruht, verhindert bis heute eine gerechte Verteilung und rationale Nutzung der regionalen Wasserressourcen. Schon seit Jahrzehnten liegen umsetzbare Konzepte zum gemeinsamen, nachhaltigen Management des regionalen Wassers auf dem Tisch. Sie scheitern an politischen Vorbehalten. Fakt ist jedoch, dass die regionalen Wasserressourcen ausreichen würden, um Haushalte und leichte Industrie nicht nur in Israel und den palästinensischen Gebieten, sondern sogar in Jordanien zu ermöglichen. Es mangelt auf beiden Seiten also nicht primär an Wasser, sondern an innenpolitischem Reformwillen und außenpolitischer Verhandlungs- und Kompromissbereitschaft. Die Rechnung zahlen die Endnutzer und die Umwelt.
Israel kontrolliert seit 1967 den Großteil aller regionalen Wasserressourcen. Wie ein Report des parlamentarischen Wasserkomitees unter der Leitung von David Magen, der der Knesset 2002 vorgelegt wurde, kritisiert, werden etwa 60 Prozent dieses Wassers für landwirtschaftliche Zwecke verwendet und deutlich subventioniert. Der Agrarsektor erwirtschaftet dabei lediglich rund zwei Prozent des israelischen Bruttoinlandsprodukts; nur etwa drei Prozent der israelischen Bevölkerung arbeiten in diesem Sektor. Der städtische Wasserverbrauch in privaten Wohnungen und öffentlichen Institutionen liegt zudem bei 240 bis 280 Litern pro Kopf und Tag, und damit deutlich über den von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Standard festgelegten 100 Litern. Der Report moniert außerdem Sprenkleranlagen, die zur Mittagszeit - wenn die Verdunstungsrate bei 90 Prozent liegt - betrieben werden, und Abwasser, das ungeklärt ins Mittelmeer geleitet wird.
Warum betreibt Israel eine so verschwenderische Wasserpolitik? Eine Antwort ist der zionistische Mythos der "blühenden Wüste" in Verbindung mit dem Bild des das Land bewirtschaftenden Chaluz, des prototypischen jüdischen Siedlers im Heiligen Land. Landwirtschaft hat in Israel einen politisch-ideologischen Wert, der weit über ihre wirtschaftliche Bedeutung hinausgeht. Deshalb lehnt der Bericht des Wasserkomitees trotz seiner ansonsten harschen Kritik auch rigoros die Behauptung ab, die "verschwenderische Landwirtschaft" sei der Grund für die israelische Wasserkrise. Dass das für Israels Entwicklung benötigte Wasser und Territorium vor 1948 oftmals von Palästinensern genutzt und bewohnt wurde, spielt in diesem Diskurs keine Rolle.
Für die Palästinenser in der Westbank heißt die israelische Kontrolle über die gemeinsamen Wasserressourcen, dass jede Entwicklungsmaßnahme im Wassersektor von der Zustimmung der israelischen Militärregierung abhängig ist. Nur im Gazastreifen stehen die Wasserressourcen seit dem Abzug der israelischen Siedler 2005 unter palästinensischer Kontrolle. Sie sind allerdings massiv übernutzt und als Trinkwasser meist nicht mehr brauchbar.
Der Friedensprozess der 1990er-Jahre hat an dieser Abhängigkeit nur sehr wenig geändert. Die zu Beginn des Prozesses bereits seit Jahrzehnten bestehende ungleiche Verteilung der Wasserressourcen wurde nur leicht modifiziert, indem den Palästinensern ein gewisser zusätzlicher Bedarf bescheinigt wurde. Dieses Zugeständnis wurde allerdings bis heute, 13 Jahre nach dem Oslo-II-Abkommen, nicht umgesetzt. In den Friedensverhandlungen wurden lediglich die bestehenden Verhältnisse zementiert: Alle seine Wasserressourcen zusammengenommen nutzt Israel auch nach Oslo etwa zehn mal mehr Wasser als die Palästinenser und verfügt über eine hoch entwickelte Wasserinfrastruktur, während etwa 40 Prozent der palästinensischen Dörfer in der Westbank gar nicht an die Wasserinfrastruktur angebunden sind. Ihre Einwohner müssen Wasser zu extrem hohen Preisen über Tanker beziehen. Die palästinensische Bevölkerung wird durch verschiedene Restriktionen an der Entwicklung der gemeinsamen Wasserressourcen gehindert. So dient die Mauer, die seit Beginn der Zweiten Intifada gebaut wird, zwar nicht, wie oft behauptet, dazu, palästinensisches Wasser unter israelische Kontrolle zu bringen - dazu ist die Menge viel zu unerheblich. Aber sie führt dazu, dass viele palästinensische Bauern ihre Felder und Brunnen nicht mehr erreichen können und so ihren Lebensunterhalt verlieren.
Zur Lösung des Konflikts setzt Israel auf Meerwasserentsalzung. Mit ihrer Hilfe könne, so die Argumentation, die Wasserknappheit relativiert und die innen- und außenpolitischen Konflikte um knappe Wasserressourcen gelöst werden. Im August 2005 wurde die erste große Entsalzungsanlage in Aschkelon in Betrieb genommen. Sie soll bei voller Ausschöpfung ihrer Kapazitäten pro Jahr fünf bis sechs Prozent des israelischen Wasserbedarfs erzeugen. Der israelische "Desalination Master Plan" sieht zudem eine ganze Serie von Entsalzungsanlagen entlang der Mittelmeerküste vor: Bis 2020 sollen mehr als 35 Prozent des israelischen Wasserbedarfs durch entsalztes Wasser gedeckt werden.
Dadurch könnten die maßgebliche Verkleinerung des ideologisch wichtigen und politisch einflussreichen israelischen Agrarsektors vermieden und innenpolitische Probleme umgangen werden. Die Diskussion um eine Neudefinition der Wasserrechte, vor allem bezüglich der Grundwasserleiter unterhalb der Westbank, wäre überflüssig: Statt den Palästinensern die Kontrolle über dieses Wasser zu gewähren, könnte Israel sie mit entsalztem Wasser entschädigen. Israel müsste sich nicht vom Gutdünken seiner arabischen Nachbarländer abhängig machen, indem es die Kontrolle über die Oberläufe wichtiger Wasserressourcen aufgäbe, die Versorgung beider Bevölkerungsgruppen wäre gewährleistet und die ideologische Basis des jüdischen Staates nicht in Gefahr.
Doch eine nachhaltige und dauerhafte Lösung des Wasserkonfliktes kann auf diesem Weg nicht erreicht werden. Weder ist es ökologisch oder wirtschaftlich vertretbar, fossile Ressourcen zu verwenden, um ein so bewegliches und volatiles Element wie Wasser zu erzeugen. Noch ist es sinnvoll, die großen Wassermengen, die der israelische Agrarsektor verbraucht, unangetastet zu lassen. Zudem blockieren auch auf palästinensischer Seite neben fehlender Wirtschaftskraft politisch-ideologische Interessen eine Annäherung in dem Konflikt. Die Autonomiebehörde ist der Meinung, entsalztes Wasser von Israel anzunehmen käme einer Aufgabe jeden Anspruchs auf die "palästinensischen" natürlichen Wasserressourcen gleich.
Die Autorin ist Friedens- und Konfliktforscherin. Sie forscht seit 2003 zu Wasserkonflikten, insbesondere im Nahen Osten.