KrisenHerde
Wie Konflikte international bewältigt werden
Zwar wird Wasser in einigen Regionen der Erde immer knapper. Dennoch ist ein Krieg um Wasser zwischen zwei oder mehr Staaten schon aus wirtschaftlichen Gründen unwahrscheinlich: Es ist weitaus günstiger, Wasser zu kaufen oder selbst zu erzeugen, als in den Krieg zu ziehen. Allerdings: Wo Wasser so knapp ist, dass das Überleben gefährdet ist, wo wirtschaftliche, private und politische Interessen kollidieren und wo Lebensräume durch Verschmutzung und Übernutzung zerstört werden, drohen durchaus gewaltträchtige Konflikte, und zwar vor allem auf substaatlicher Ebene.
Kooperatives Wassermanagement und Regelungen sind der beste Schutz vor solchen Konflikten. Sie setzen allerdings den Willen zur Zusammenarbeit, das Zurückstellen nationaler Interessen und den Abschied von der Illusion voraus, eine flüchtige Ressource wie Wasser sei unilateral zu verwalten.
Besonders hoch ist das Konfliktrisiko dort, wo Wasserknappheit und politische Konflikte zusammentreffen. Zum Beispiel im südlichen Afrika, wo gewaltträchtige nationale und internationale Konflikte die Regel sind und große Teile der Bevölkerung bereits unter Wasserknappheit leiden. Sieben der 15 Wasserläufe im subsaharischen Afrika werden von der UN als "in Gefahr" eingestuft; eine Eskalation der Knappheitssituation in den nächsten fünf bis zehn Jahren gilt als wahrscheinlich.
Angola, Botswana, die Demokratische Republik Kongo, Lesotho, Madagaskar, Malawi, Mauri- tius, Mosambik, Namibia, Südafrika, Swasiland, Tansania, Sambia und Simbabwe haben sich trotzdem für eine kooperative Strategie in Bezug auf Wasser entschieden. Sie unterzeichneten 1995 ein multilaterales Abkommen über die gemeinsamen Wasserlaufsysteme und konzipierten einen Aktionsplan für integriertes Wasserressourcenmanagement, der das fortschrittlichste und umfassendste multilaterale Frischwasserprogramm der Welt darstellt und im Jahr 2000 erneuert wurde. Diese Struktur wird durch mehrere Flussbeckenorganisationen, zum Beispiel am Sambesi, ergänzt, die von allen Anrainern des jeweiligen Flussbeckens getragen werden. Pan-afrikanische Institutionen wie der Wasserrat der afrikanischen Minister runden das Bild ab. Diese kooperative, multilaterale Struktur auf kontinentaler und regionaler Ebene zeigt, dass Konflikte um Wasser auch in politisch instabilen Regionen gelöst werden können.
Konfliktpotenzial herrscht außerdem dort, wo die wirtschaftliche Nutzung von Wasser mit der Grundversorgung der Bevölkerung oder Ansprüchen anderer Anrainer kollidiert. Groß angelegte Dammprojekte spiegeln diese Spannung wider. So steht etwa das Südost-anatolien-Projekt in der Türkei, das den Bau von 22 Dämmen und 19 Wasserkraftwerken auf einer Fläche von 75.000 Quadratkilometern im Osten des Landes vorsieht, vor sozialen, kulturellen, ökologischen und politischen Problemen. Dazu gehören die Umsiedlung von rund 180.000 Menschen, die Überflutung historischer Stätten sowie die Gefahr der Bodenversalzung durch zunehmende Bewässerungslandwirtschaft. Am konfliktträchtigsten ist jedoch das Problem der internationalen Wasserverteilung. Syrien und Irak werfen der türkischen Regierung vor, die Wasserversorgung aus Euphrat und Tigris später nach Gutdünken regulieren zu können; die Türkei setzt dagegen, dass sie vom gesamten Wasserdurchfluss der beiden Flüsse weniger als die Hälfte für die eigenen Projekte benötige.
Bisher existieren keine tragfähigen internationalen Regelungen für solche Konflikte. Das UN-Übereinkommen über das Recht der nicht schifffahrtlichen Nutzung internationaler Wasserläufe von 1997 ist nach wie vor nicht ratifiziert. Der Konfliktverlauf ist damit vom politischen Willen der Betroffenen abhängig. Besonders in politisch instabilen Regionen wächst mit steigender Wasserknappheit deshalb auch der Handlungsbedarf.
Sehr langsam setzt sich zudem die Erkenntnis durch, dass der Natur in Verhandlungsprozessen Anerkennung als eigenständiger "Verhandlungspartner" gebührt. Die Beispiele des Aralsees und des Jordans illustrieren, dass der Natur ein eigener Anteil am vorhandenen Wasser zugestanden werden muss, da sonst die gesamte Wasserversorgung, Ökosysteme und Lebensräume gefährdet sind. Der Aralsee ist innerhalb weniger Jahre praktisch verschwunden, und der Jordan erreicht das Tote Meer nur noch als Rinnsal.
Auch die chinesische Umweltkrise verdeutlicht dieses Problem. Bereits im April 2006 sorgte sich Pan Yue, der stellvertretende Umweltminister des Landes, im "Handelsblatt" um die chinesische Wasserversorgung: "Wassermangel und Wasserverschmutzung bedrohen die Wirtschaftsentwicklung, die Stabilität der Gesellschaft und die Gesundheit der Menschen." Das Wasser der sieben größten Flüsse sei nur noch teilweise als Trinkwasser nutzbar; drei Viertel der Seen sei so überdüngt, dass Tiere und Pflanzen dort nicht mehr leben könnten. Mehr als 300 Millionen Bauern bekämen kein sauberes Wasser.
Trotz massiver Investitionen verschlechtert sich die Lage weiter. Um die Umweltkatas-trophe aufzuhalten, müssten Umweltfaktoren in Chinas makroökonomischer Planung eine reale Rolle erhalten. Umweltbeamte müssten mit echten Befugnissen ausgestattet und Schlupflöcher geschlossen werden. Dies kann nur geschehen, indem Gesetze eingeführt werden, die Umweltschützer belohnen und Umweltverschmutzer bestrafen. Und das gilt nicht nur für China.