Deutschland
Das Wassersparen stellt die Versorger vor große Probleme. Man sollte es dennoch tun, fordern Umweltschützer
Trink Wasser!, Drink Water!, Bois de l'eau!", hieß es noch bis vor kurzem ganz weltläufig auf großen blau-weißen Werbeplakaten der Berliner Wasserbetriebe. So als hätten die Hauptstädter noch nie etwas gehört von Klimawandel, sich ausbreitenden Dürreregionen und Wassersparen. Oder sind die Wasserversorger etwa so sehr auf Profit bedacht, dass Naturschutz sie kalt lässt?
Wassersparen sei gar nicht notwendig, sagt Stephan Natz, Sprecher der Berliner Wasserbetriebe. Die Stadt würde "ersaufen" in Grundwasser und habe Grundwasserstände wie in der vorindustriellen Zeit. Zudem sinke der Wasserverbrauch seit gut 20 Jahren stetig: "In Berlin hat sich die Wassernutzung seit 1989 halbiert."
Ein Trend, der in abgeschwächter Form für das gesamte Bundesgebiet gilt: Der Pro-Kopf-Verbrauch an Trinkwasser in privaten Haushalten und Kleingewerbe ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes von 1991 bis 2004 um 12,5 Prozent zurückgegangen. Lag er 1991 bei 144 Litern pro Person und Tag, waren es 2004 noch 126 Liter. 2006, so der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), verbrauchten die Deutschen 125 Liter täglich.
Das ist ein vergleichsweise niedriger Wert. Norwegen etwa hat einen rund doppelt so hohen Pro-Kopf-Verbrauch, auch in der Schweiz und Italien sind es mehr als 200 Liter. Deutschland liege in Europa unter den Top drei beim Wassersparen, sagt Martin Geiger, Wasserexperte beim World Wide Fund For Nature (WWF).
Dabei geht der größte Anteil für Baden und Duschen drauf: etwa 45 Liter Wasser. Zweitgrößter Posten sind rund 34 Liter für die Toilettenspülung, während für Essen und Trinken jeder Bürger nach Angaben des BDEW nur fünf Liter täglich verbraucht.
Ursachen für den Rückgang sind die demografische Entwicklung, das gewachsene Umweltbewusstsein, Anreize zum geringeren Verbrauch und technischer Fortschritt. Sparsamere Wasch- und Spülmaschinen, Duschköpfe mit niedrigerem Wasserdurchlauf, der Toilettenspülkasten mit Sparfunktion sind inzwischen fast gang und gäbe. Und wer traut sich noch, beim Zähneputzen einfach so das Wasser weiter laufen zu lassen? Vor 20 Jahren seien zwölf Liter Wasser für die Toilettenspülung benutzt worden; heute reichten bei Gebrauch der Spartaste drei, vier Liter, nennt Sebastian Schönauer, Wasserexperte beim Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND), ein Beispiel.
Und der Trend gehe weiter in Richtung weniger Wasserverbrauch, ist sich Jörg Rechenberg, Leiter des Fachgebietes Grundsatzfragen und Wasserwirtschaft beim Umweltbundesamt, sicher. Die Technik werde sich weiter verbessern, die Verbraucher wollten Geld sparen und die Bevölkerung in Deutschland schrumpfe. "Wir haben in Deutschland kein Wassermengenproblem", sagt Rechenberg. Dennoch sei Verschwendung nicht angesagt. "Man braucht zwar nicht den letzten Tropfen zu sparen; aber da, wo man sinnvoll reduzieren kann, sollte man es tun."
Umweltverbände können mit beschwichtigenden Hinweisen zum Wasserverbrauch wenig anfangen. "Die sparsame Verwendung von Wasser ist weiter notwendig, weil die Entnahme aus dem Grundwasser in punktuellen Bereichen zu hoch ist", sagt Sebastian Schönauer. Der Grundwasserspiegel senke sich dann ab und die darüberliegenden Landschaften würden ausgetrocknet. Die Folge: Feuchtgebiete und Seen verschwänden von der Landkarte. In der Lüneburger Heide, im Hessischen Ried und in Westmittelfranken komme es beispielsweise immer wieder vor, dass Gewässer "trocken fielen" und Brunnen versiegten.
Ein besonderes Problem sei die Intensivlandwirtschaft, klagt Schönauer. Sie bedeute "ungebremste Grundwasserentnahme für die Beregnung" und vor allem Giftstoffbe-lastung, die durch die Bekämpfung von Schädlingen und Überdüngung entstehe. Pestizide und Nitrate seien "Grundwasserkiller Nummer eins", stellt der BUND fest. Nicht eine zu niedrige Wassermenge sei das Problem, sondern die Verunreinigung des Wassers durch Nitrat, betont auch WWF-Experte Geiger. Die Aufforderung zur Reinhaltung des Wassers geht jedoch nicht nur an die Landwirtschaft: "Wenn Wasser verwendet wird, dürfen keine Substanzen - wie Lacke oder andere Chemikalien - reingegeben werden", fordert Jörg Rechenberg vom Umweltbundesamt.
Noch ein anderes umweltpolitisches Argument spricht gegen den bedenkenlosen Wasserverbrauch: Das Wasser muss in die Leitungen gepumpt und zum Teil erwärmt werden - das kostet Energie. Rechenberg bezeichnet denn auch das Energiesparen durch geringeren Wasserbrauch als die eigentliche, die "echte Umweltkomponente" beim Wassersparen.
Den dürstenden Menschen in Afrika bringt das Wassersparen in Deutschland allerdings nichts. Wasser sei eine "lokale Ressource", die nicht so einfach in andere Regionen exportiert werden könne, sagt Firmensprecher Natz. Sein Fazit: "Wasser zu sparen um des Wassers willen ist absurd."
Aus seiner Sicht ist das verständlich: Denn den Wasserversorgern bringt der geringe Verbrauch handfeste Probleme: Die kilometerlangen Rohrsysteme der Kanalisation werden nicht mehr hinreichend durchspült. "Es fließt zu wenig Wasser, und es fließt zu langsam", sagt Natz. Je länger das Wasser bis zum Verbraucher unterwegs sei, desto eher komme es zu Qualitätseinbußen. Zudem bildeten Spurenelemente wie Calcium und Magnesium "Wasserstein", der die Rohre verstopfe.
Im Abwassersystem sind die Folgen noch gravierender: Es kommt zu Fäulnisprozessen, weil die Fäkalien die Klärwerke nicht schnell genug erreichen. Schwefelwasserstoff entsteht. "Das gibt diesen Geruch nach faulen Eiern", beschreibt Natz. Aus dem Schwefelwasserstoff entstehe wiederum Schwefelsäure, die die Betonwände der Einstiegsschächte angreife: "Die Abwasserinfrastruktur fault uns unter den Händen weg."
Die Berliner Wasserbetriebe versuchen, mit zusätzlichen Spülungen gegenzusteuern. In die Kanalisation gegebener Eisenschlamm soll den Schwefel binden, Duftgelmatten den üblen Geruch neutralisieren. Doch: "Egal, was getan wird, es kostet", sagt Natz. Immer mehr Rohre müssten immer früher ersetzt werden wodurch die Instandhaltungskosten stiegen.
Wie viel Wasserverbrauch wäre nötig, damit der Durchfluss durch die Kanalisation ausreicht? "Das ist von Versorgungsgebiet zu Versorgungsgebiet unterschiedlich", sagt Rechenberg. Unternehmenssprecher Natz hält wenig von Zahlenspielen: "Wir sind die Spezialisten, die mit der gesunkenen Menge klarkommen müssen und es auch können. Aber es kostet eben etwas."
Sebastian Schönauer vom BUND machen Argumente für mehr Wasserverbrauch wütend: Sie seien eine "Frechheit", die die Menschen unnötig verunsicherten. "Die Forderung kommt vor allem aus der Berliner Wasserszene, um mehr Geld zu verdienen." Er verweist auf die 335 Millionen Euro Profit, die die teilprivatisierten Berliner Wasserbetriebe 2007 gemacht hätten. "Wenn Millionengewinne eingefahren werden und die Wasserbetriebe nicht in der Lage sind, Kanäle zu spülen und den Abwasserbereich in Ordnung zu bringen, dann stimmt was nicht", sagt der Umweltschützer. Wenn die Kanalisation zu überdimensioniert für die abnehmende Bevölkerung sei, müsse sie eben verkleinert werden. Querschnittsverkleinerungen seien heute technischer Standard, ohne Neuverlegung möglich und kostengünstig.
So einfach sei das nicht, entgegnet die Industrie und bekommt Hilfe vom Umweltbundesamt. "Für die Wasserversorger ist das ein ziemlicher Kraftakt, der mit Geld und Ressourcen verbunden ist", sagt Rechenberg. In dünn besiedelten Gebieten könne ein Rückbau der Kanalsysteme sinnvoll sein. Aber: "Eine flächendeckende Infrastruktur ist nicht ohne Weiteres veränderbar." Zudem würden die Kosten auch auf die Verbraucher zurückfallen. Und so kann es sein, dass die Kosten für Wasser, egal, wie viel man spart, steigen.
Die Autorin ist freie Journalistin in Berlin.