Spanien
Der fehlende Regen ist nur eine Ursache für den Wassernotstand. Eine andere ist das Anzapfen der Grundwasserseen für landwirtschaftliche Bewässerung. Nun sind diese Seen in manchen Regionen leer gepumpt
Wenn es nach der spanischen Touristenwerbung geht, dann sind die Tablas de Daimiel ein Feuchtgebiet. Der knapp 2.000 Hektar große Nationalpark nahe der kastilischen Provinzhauptstadt Ciudad Real beherberge "ein eigentümliches und einzigartiges Ökosystem": Sumpfseen, in denen sich Haubentaucher, Fischreiher, Kuhreiher und verschiedene spanische Entenarten tummelten. Doch das staatliche Fremdenverkehrsamt ist nicht auf dem neuesten Stand. Einst stand wirklich der halbe Park, rund 1.000 Hektar, unter Wasser. Heute sind es noch 18 Hektar, "und das nur, weil wir Grundwasser hochpumpen", sagt Nationalparkdirektor Carlos Ruiz. Die Vögel sind längst weitergezogen.
Spanien hat ein Wasserproblem, und daran ist der Himmel nur begrenzt Schuld. Die Tablas de Daimiel liegen am Zusammenfluss von Guadiana und Cigüela. Wenn beide Flüsse reichlich Wasser führen, überschwemmen sie das Uferland und schaffen die Sumpfseen, von denen die spanische Touristenwerbung schwärmt. Der Guadiana speist sich an dieser Stelle weniger aus dem Wasser seines Oberlaufes, sondern hauptsächlich aus Grundwasserquellen, den Ojos del Guadiana. Das heißt: Er speiste sich. Denn die Ojos del Guadiana sind längst versiegt. Seit 1984 liegen sie trocken. Das Flusswasser des Cigüela und aus dem Guadiana-Oberlauf reicht nicht, die Tablas de Daimiel feucht zu halten. Seit drei Jahren sind sie völlig ausgetrocknet, vom künstlich hochgepumpten Grundwasser abgesehen.
Die Probleme für die Ojos del Guadiana und damit für die Tablas de Daimiel begannen 1965, noch zu Zeiten der Franco-Diktatur. Damals hielt die Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen in der Gegend Einzug. Auf den Regen ist in Spanien noch nie Verlass gewesen, und mit der künstlichen Bewässerung konnten die Landwirte sichere Ernten erwarten. Doch dafür mussten sie den gewaltigen Grundwassersee anzapfen, der auch die Ojos del Guadiana zum Sprudeln brachte. Jahr für Jahr entnahmen sie mehr Wasser, als auf natürliche Weise ins Grundwasser zurücksickerte.
Vom Grundwasser allein kann Spanien seinen Durst nicht stillen, das Land würde austrocknen - so wie die Tablas de Daimiel. Um dem Grundwassermangel abzuhelfen, ließ Franco, Staatschef von 1936 bis 1975, in ganz Spanien Talsperren bauen. Die mittlerweile 1.300 Stauseen des Landes sind heute die Hauptquelle der spanischen Trinkwasserversorgung. Die Tageszeitungen zeigen täglich, zu welchem Grad die Stauseen gefüllt sind - das ist der wichtigste Anzeiger, ob wieder Wassernotstand droht oder ob auf absehbare Zeit alles gut ist.
Für dieses Jahr scheinen die ärgsten Nöte überstanden zu sein. Mitte Juni erreichte der Pegel aller Stauseen 60,2 Prozent der maximalen Kapazität. Das war zwar immer noch gut sechs Punkte unter dem Zehnjahresdurchschnitt in dieser Jahreszeit, aber immerhin. Seit Mai 2007 hatte es in Spanien nur noch tröpfelnd geregnet, die üblichen Winter- und Frühjahrsregen fielen aus, und spätestens im Februar begannen sich die Menschen Sorgen zu machen. Am 1. April waren die katalanischen Stauseen im Nordosten Spaniens nur noch zu weniger als 20 Prozent gefüllt. Die Regionalregierung begann Tankschiffe zu buchen, um Wasser aus Frankreich und aus einer Meerwasserentsalzungsanlage an der spanischen Südküste herbeischaffen zu lassen. Die ersten Wassertanker fuhren Mitte Mai im Hafen von Barcelona ein - und dann begann es plötzlich aus vollen Kübeln zu schütten. Einen Monat lang. Kein Mensch konnte sich an einen solch verregneten Mai erinnern.
Es regnete so heftig, dass der Ebro, Spaniens wasserreichster Fluss, allein bei Saragossa drei Mal über die Ufer trat. Das ist nicht ohne Ironie. In Saragossa findet seit dem 14. Juni und noch bis zum 15. September die Weltausstellung statt. Das Thema der Expo: Wasser und nachhaltige Entwicklung. Um den Besuchern nicht die Festlaune zu verderben, schifft die Expo jedoch an den Untiefen der spanischen Wasserpolitik vorbei - viel mehr als eine allgemeine "Sensibilisierung" für die Kostbarkeit des Wassers wollen die Veranstalter nicht erreichen.
Spanien durchlebt gerade den mühsamen Prozess der Sensibilisierung. Weil der Himmel unberechenbar ist, gerät das Land immer wieder in Wassernot, und vieles spricht dafür, dass sich die Sorgen in Folge des Klimawandels noch verschärfen werden. Das Problem ist erkannt, die magische Lösung aber noch nicht gefunden. Um das Angebot zu sichern, lässt die sozialistische Regierung an den Mittelmeerküsten derzeit Dutzende Entsalzungsanlagen bauen. "Das Wasser der Zukunft, jenes, das eine nachhaltige Entwicklung garantieren kann, kommt aus dem Meer", verkündet das Umweltministerium optimistisch.
In Spaniens Wasserdebatte geht es fast immer nur ums Angebot. Vor allem die Politiker der Mittelmeerregionen Valencia und Murcia rufen laut nach der "Solidarität" des regenreicheren Nordens. Sie fordern eine Überlandleitung, die das Wasser vom Ebro bis nach Almería in Andalusien bringen soll. Doch die wird wohl nie gebaut werden. Vor allem, weil auch die Ebroanrainer nicht immer im Überfluss leben, in Dürreperioden hätte der Norden dem Süden wenig zu bieten.
Woran Valencianer und Murcianer weniger gern erinnert werden, ist ihre eigene Verantwortung für einen rationalen Umgang mit Wasser. In beiden Regionen, wie überall am Mittelmeer, sind in den vergangenen Jahren ohne Sinn und Verstand Apartmentsiedlungen hochgezogen worden. Die regionalen Wasserverbände wären bei jedem Projekt verpflichtet gewesen zu kontrollieren, ob eine ausreichende Wasserversorgung gesichert ist. "Aber in der Praxis wurden Siedlungen ohne Wassergarantie gebaut", sagt ein Sprecher des Umweltministeriums.
Der größte Wasserkonsument aber ist die Landwirtschaft. Auf ihr Konto gehen 80 Prozent des Verbrauchs. Fast 3,4 Millionen Hektar Ackerland werden künstlich bewässert, das sind 6,7 Prozent der Gesamtfläche Spaniens. Hinzu kommen die jeweils hunderte Quadratkilometer großen Gewächshausanlagen im Süden des Landes, die das ganze Jahr die Gemüseabteilungen der europäischen Supermärkte beliefern. Die gute Nachricht ist aber, dass der Wasserbedarf offenbar zu sinken beginnt. Nach den in diesem Juni veröffentlichten Zahlen des Nationalen Statistikinstituts ging der Konsum der Landwirtschaft von 2004 auf 2005 um 3,9 Prozent zurück. Das liegt daran, dass sich die sparsamere Tröpfelbewässerung immer mehr durchsetzt. Die Zeiten, in denen die Bauern ihre Felder einfach überfluteten, gehen dem Ende entgegen.
Das verringert den Durst, aber es stoppt ihn nicht. Leider sind die Landwirte nicht zimperlich, sich das Wasser wenn nötig auf eigene Faust zu besorgen: Rund um die Tablas de Daimiel haben sie zehntausende illegale Brunnen gebohrt, die den Grundwassersee unter ihren Füßen erschöpfen. Die Regionalregierung von Kastilien-La Mancha will jetzt endlich die Bauern kontrollieren. Den Nationalpark Tablas de Daimiel soll wieder das Geschnatter der Zugvögel erfüllen. Frühestens 2018.
Der Autor ist freier Journalist in Madrid.