Rolle der FRauen
In den Dublin-Leitprinzipien wurde der entscheidende Beitrag der Frauen zur Wasserversorgung anerkannt. Ein Beispiel aus Südafrika
Dichte Nebelwolken und kalter Tau liegen auf den grünen Hügeln der Provinz KwaZulu-Natal, im Osten Südafrikas. Während Khombisiles Geschwister noch schlafen, macht die Elfjährige in ihrer Hütte Feuer. Sie muss Wasser abkochen, um den Frühstücksbrei zuzubereiten und Trinkwasser zu gewinnen. Gleichzeitig fallen den drei kleineren Geschwistern bei ein wenig Wärme Aufstehen und Waschen leichter.
"Das Wasser hole ich von einem Brunnen im Nachbarort. Ich gehe mehrmals in der Woche mit meinen Freundinnen dorthin", sagt Khombisile. "Meist treffen wir uns nach der Schule mit unseren Plastikeimern und nutzen den langen Weg zum Tratschen." Allein für die Wasserbeschaffung ist sie täglich eineinhalb Stunden auf den Beinen. Den schweren 10-Liter-Eimer trägt sie - wie traditionell in Südafrika - auf dem Kopf.
In der Provinz KwaZulu Natal haben mehr als die Hälfte der Einwohner keinen Zugang zu fließendem Wasser, sanitären Anlagen und Elektrizität. Die eigentlich wasserreiche Provinz schnitt im südafrikanischen Vergleich bei der Grundversorgung am schlechtesten ab, erst vor kurzem wurden die Schulen mit eigenen Brunnen und Toiletten versorgt.
Die Schule ist es auch, wo Khombisile Energie für den Rest des Tages tankt. Schließlich stehen noch das Kochen weiterer Mahlzeiten, Waschen am Fluss und Holzsammeln im Wald an. Ein Wasserhahn mit kaltem und warmen Wasser würde ihr mindestens drei Stunden mehr Freizeit pro Tag schenken, doch darüber denkt Khombisile nicht nach. Sie versucht zu lernen oder einfach nur abzuschalten.
"Wir Mädchen müssen viel mehr machen, als die Jungen", sagt sie, "denen fällt höchstens ein, uns zu necken, wenn wir für Holz, Wasser oder saubere Wäsche viele Kilometer weit laufen müssen." Die Provinz KwaZulu Natal erstreckt sich auf einer Fläche, die drei Mal so groß ist wie Nordrhein-Westfalen. Schätzungsweise die Hälfte der Menschen hier lebt in Armut, in den ländlichen Gegenden sind es bis zu 74 Prozent. Die Erwachsenen suchen daher in den Großstädten Durban und Johannesburg nach Arbeit, die Jungen entziehen sich den Verpflichtungen, meist sind es die erstgeborenen Mädchen, die sich um das tägliche Überleben der Familie kümmern müssen.
"Von der Versorgung mit Wasser hängen Wirtschaftswachstum und Entwicklung unseres Landes ab," sagt die südafrikanische Ministerin für Wasser und Forstwirtschaft, Lindiwe Hendricks, "dabei konkurrieren industrielle Landwirtschaft und Touristenorte, die zahlreichen Natur- und Tierreservate und die kleinen, einkommensschwachen Haushalte um das knappe Gut." Und der in Südafrika seit Jahren zu beobachtende Klimawandel, der zu längeren Trockenzeiten und heftigeren Wetterextremen führt, hat den Kampf um das teure Nass noch verschärft.
Auf zahlreichen Konferenzen, national wie auch international, haben sich Regierungen, Wirtschaftsvertreter, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen daher auf vier Prinzipien im Umgang mit Wasser geeinigt. In Dublin 1992 gelang der Durchbruch, Wasser als endliches und verletzliches Gut anzuerkennen, einen gemeinschaftlichen Ansatz bei der Verwaltung von Wasser zu bestimmen und die entscheidende Rolle von Frauen hervorzuheben. Lediglich in dem Punkt, ob Wasser nun ein Menschenrecht darstellt oder aber ein wirtschaftliches Gut ist, blieben die Dubliner Prinzipien vage.
Für Khombisile bedeuten die Dublin-Leitprinzipien, dass ihr und ihren Geschwistern die Nutzung des Brunnens garantiert ist. Für die Zukunft hat sich die südafrikanische Regierung verpflichtet, das Eimersystem abzuschaffen. Khombisile ist erleichtert, auch wenn sie die Gründe nicht wirklich durchschaut hat. Denn als die Lehrerin der elfjährigen Schülerin davon berichtete, schlief sie erschöpft ein.
Der Autor ist freier Journalist in Hamburg. Er bereist regelmäßig den afrikanischen Kontinent.