WasserWerke
Die Preise sind hoch - die Leistungen auch
"Wasser taugt nun mal nicht für den Kapitalismus." Dieser Stoßseufzer eines Managers in einem großen deutschen Energieunternehmen enthielt durchaus eine Prise Neid gegenüber den Kollegen der Strom- und Gaswirtschaft. Denn mit der großen weiten Welt der Energiemanager lässt sich die kleinteilige Welt der Wasserstrategen in den Versorgungskonzernen nicht vergleichen. Weder prunkt die Wasserwirtschaft mit monströsen Pipelines, noch liefert sie sich beeindruckende Übernahmeschlachten. Beim Wasser bleibt das Geschäft bisher eher lokal - in Deutschland zumindest. Es zählt die Kompetenz, sich mit Bürgermeistern, Stadtwerkern und der meist misstrauischen Bevölkerung im Versorgungsgebiet zusammensetzen zu können. Nur sieben Prozent der Städte und Kommunen haben die Wasserversorgung privatisiert, 15 Prozent die Entsorgung. Ebenfalls 15 Prozent planen Umfragen zufolge derzeit die Privatisierung.
Strukturell gesehen ist die deutsche Wasserwirtschaft weitaus parzellierter als die Stromwirtschaft. Es gibt 900 Stadtwerke, die Strom anbieten, aber mehr als 6.400 Wasserbetriebe verteilen ihr Nass an die Verbraucher. Außerdem werkeln knapp 7.000 Kanalisationsbetreiber unter den Gullys. 44 Millionen Kunden werden versorgt, 100.000 Mitarbeiter beschäftigt. Dabei werden zum Teil gigantische Summen in das Leitungsnetz investiert, zuletzt waren es in einem Jahr 6,7 Milliarden Euro.
Das Wassergeschäft weist zudem einige Besonderheiten auf, die es von Versorgern und Vermarktern anderer Ressourcen unterscheidet. Der deutsche Wasserexperte Hans-Jürgen Leist von der Universität Hannover erläutert: "80 Prozent des Wassergeschäfts in Deutschland sind Fixkosten. Diese werden von der Pflege und der Erneuerung der Leitungen aufgefressen. Deutschlands Leitungen haben den geringsten Wasserschwund der Welt." Im Klartext: Bei vielen Leitungen etwa in den USA tröpfelt Wasser ins Erdreich, Schmutz dringt umgekehrt in die Röhren hinein, sodass Wasser kontaminiert wird. In einem Markt wie dem deutschen, in dem gleichbleibend gute Qualität mit hohen Investitionen aufrechterhalten wird, eröffnen sich Managementspielräume deswegen vor allem beim Marketing und beim Personal.
Es gibt auf dem deutschen Markt einige positive Beispiele für Privatisierung und Public-Private-Partnership. So versorgt zum Beispiel das Unternehmen Eurawasser, das zu 100 Prozent dem Suez-Konzern gehört, seit 15 Jahren die Stadt Rostock. Die Zusammenarbeit wird als "Rostocker Modell" gefeiert. Eurawasser betreibt im Versorgungsgebiet zwölf Wasserwerke, 14 Kläranlagen und unterhält 1.340 Kilometer Leitungen.
Doch nicht immer sind die Kommunen mit ihren privatisierten Wasserkonzernen glücklich. So verkaufte vor knapp zehn Jahren der Berliner Senat die Berliner Wasserbetriebe (BWB) zu 49 Prozent an RWE und Veolia. Nun klagen die Berliner, dass sie im Vergleich der Großstädte bundesweit am meisten für Wasser und Abwasser bezahlen. Sogar ein Volksbegehren sollte her, um die Wasserbetriebe-Anteilseigner RWE und Veolia zu zwingen, ihre Kalkulation offen zu legen. Das Land Berlin hat ihnen eine Garantierendite vertraglich zugesichert. Das heißt, dass der Bürger den Wasserunternehmen das Risiko abnimmt. Verständlich, dass der rot-rote Senat das Ansinnen der Initiative abbog.
Ganz unschuldig sind die Stadtoberen am hohen Wasserpreis nicht. So erhebt Berlin eine Wassergebühr in Höhe von 31 Cent pro Kubikmeter - Baden-Württemberg verlangt nur fünf Cent, Nordrhein-Westfalen vier Cent und Bayern gar nichts. Die private Wasserwirtschaft ist also auch eine Gelegenheit für die Kommune, ganz unauffällig am Wasserpreis mitzuverdienen - mit Unschuldsmiene. Deutschland bleibt mit einem Preis von im Schnitt rund 1,80 Euro pro Kubikmeter im internationalen Vergleich das zweitteuerste Wasserland der Welt, überboten von Dänemark. Dort kostet der Kubikmeter sogar zwei Euro.
Andere Kommunen kämpfen für die Rekommunalisierung der Wasserwirtschaft. Roland Schäfer etwa, Bürgermeister der nordrhein-westfälischen Stadt Bergkamen, hat die Nase voll vom regionalen Platzhirsch Gelsenwasser. "Ich befürchte, dass Gelsenwasser, das sich bisher noch mehrheitlich in kommunaler Hand befindet, vom RWE-Konzern aufgekauft wird. Dann wird der Wasserpreis möglicherweise steigen", prognostiziert er.
RWE will offenbar im heimischen Nordrhein-Westfalen einen kleinen Wasserkonzern aufbauen, der auch die RWE-Wassertochter RWW, die zu 80 Prozent RWE gehört, einbinden soll. Noch sträubt sich Gelsenwasser gegen diesen Plan. Bergkamen hat inzwischen die Verträge mit Gelsenwasser zum 31. Dezember 2008 gekündigt, demnächst soll die Wasserversorgung wieder in kommunale Hände gelegt werden. "Wir verdienen am Wasserpreis weit weniger als börsennotierte und aktionärsgetriebene Wasserkonzerne", sagt der kommunale Wasserrebell Schäfer.
Bleibt die Frage: Wird der Wasserpreis in Deutschland steigen? "Hinter dem Schutzwall der Aufregerthemen Gas- und Strompreisexplosion getarnt, können Versorger jährlich einen drei- bis sechsprozentigen Schluck aus der Preispulle nehmen", sagt ein Brancheninsider. Und das gilt für alle - private Anbieter wie Stadtväter in den Kommunen.
Der Autor ist Redakteur der "WirtschaftsWoche".