Wasser
Das Gold des 21. Jahrhunderts ist allgegenwärtig, aber trotzdem immer öfter Mangelware
Hasta la vista, Baby" ist wohl das berühmteste Zitat von Arnold Schwarzenegger. Was der einstige Terminator und heutige Gouverneur von Kalifornien allerdings Mitte Juni sagte, ist weitaus bedeutsamer. Nichts sei "überle- benswichtiger für unsere Wirtschaft, unsere Umwelt und unsere Lebensqualität", so Schwarzenegger, als die Versorgung mit Wasser - nicht Öl oder Energie, nicht die Terrorabwehr, nicht einmal der Klimaschutz. Und das aus gutem Grund.
In Kalifornien herrscht Dürre. Der bevölkerungsreichste Staat der USA hat den trockensten Frühling seit 88 Jahren hinter sich; erst Mitte Juli wurde das Gebiet um den Nationalpark Yosemite, ein beliebtes Urlaubsziel, von Waldbränden verwüstet. Das Colorado-Becken, aus dem Kalifornien große Teile seines Wassers bezieht, erreichte trotz einer leichten Entspannung 2008 mittlerweile das Jahr Neun einer historisch beispiellosen Trockenperiode. Und die Schneedecke der Sierras lieferte den Kaliforniern in diesem Jahr gerade einmal zwei Drittel des langjährigen Mittels an Schmelzwasser.
Kaliforniens Wasserkrise ist nur eine von vielen weltweit. Durch Industrialisierung und Intensivierung der Landwirtschaft gräbt sich der Norden Chinas derzeit das eigene Wasser ab. Ebenfalls Mitte Juni rief die neuseeländische Regierung ihre Bürger auf, Energie zu sparen wo nur möglich, weil die Stauseen, die das sonst so regenreiche Land mit Energie versorgen, leer sind wie nie zuvor. Bilder vom Schrumpfen und Verschwinden von Binnengewässern vom Aralsee über das Tote Meer bis hin zum Delta des Colorado River grüßen seit Jahrzehnten in schöner Regelmäßigkeit von den Seiten der Hochglanz-Wissensmagazine. In Spanien sieht man sich mit der kaum vermeidlichen Verwüstung weiter Landesteile konfrontiert. Selbst in Deutschland scheinen sich die Niederschlagsmuster so zu verschieben, dass Dürreperioden wie jene von 2003 in Zukunft weit häufiger auftreten werden als bisher.
Wasser als Mangelware - paradoxer geht es kaum. Die Erde ist zu zwei Dritteln mit der flüssigen Variante des aus Sauerstoff und Wasserstoff bestehenden Moleküls bedeckt. Gasförmiges Wasser aus der Luft ist jedem Atemzug inne. Festes bedeckt als Gletscher Grönland und die Antarktis. Normalerweise müsste kein Mensch verdursten, nicht einmal in den trockensten Gebieten der Erde. Wasser ist der universale, universelle, allgegenwärtige, in unvorstellbaren Massen vorhandene Stoff.
Doch im Jahr 2008 gehört er zu den knappsten Gütern. Und das wird sich in absehbarer Zukunft nicht ändern. Wasser ist Ursache unzähliger politischer, sozialer, wirtschaftlicher Konflikte. Das hat vor allem drei Gründe: Von all dem Wasser auf der Erde ist nur ein winziger Teil ökonomisch sinnvoll nutzbar. Das meiste, 97 Prozent, ist versalzen im Meer, ein Großteil des Süßwassers lagert als Eis unerreichbar weit im Süden oder Norden. Zum zweiten ist nutzbares Wasser ebenso wie Öl, Bodenschätze oder fruchtbares Land auf dem Globus extrem ungleich verteilt - 50 Prozent des Süßwassers findet sich in gerade einmal einer guten Handvoll Länder. Und drittens wird es knapper, weil ein wachsender und in den vergangenen Jahren auch zunehmend die Armut hinter sich lassender Teil der Weltbevölkerung mittlerweile mehr Wasser braucht, als es gibt. Die Nachfrage übersteigt das erneuerbare Angebot.
Eine andere weltweite Wasserkrise betrifft die im Vergleich zu industrieller und landwirtschaftlicher Nutzung verschwindend geringe Menge, die Menschen täglich zum Trinken, Kochen und für die persönliche Hygiene nutzen. Fast eine Milliarde Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Wasser. An Krankheiten, die auf schmutziges Wasser zurückzuführen sind, sterben nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation täglich Tausende Kinder.
Energie, und hier speziell Erdöl, wird gerne als der entscheidende Faktor für Wirtschaft und Wohlstand dargestellt. Doch Wasser spielt mindestens eine ebenso zentrale Rolle. Tatsächlich sind Energie- und Wasserwirtschaft untrennbar miteinander verwoben. Wasser ist nötig, um Energie zu produzieren - von der Kühlung von Kraftwerken über hydroelektrische Turbinen bis hin zu jenem Nass, das Raps, Zuckerrohr oder Mais als Rohstofflieferanten für Biokraftstoffe zum Wachsen brauchen. Auf der anderen Seite ist Energie nötig, um Wasser nutzen zu können - etwa Trinkwasser aufzubereiten, es in trockene Gegenden zu pumpen, Felder zu berieseln, Haushalte zu versorgen oder Meerwasser zu entsalzen. Dieser so genannte Wasser-Energie-Nexus ist die wahre zentrale Achse der globalen Wirtschaft, des weltweiten Wohlstandes, der weltweiten Armut, der weltweiten Nahrungsmittelversorgung. Der jüngste Preisanstieg bei Lebensmitteln ist zum Teil Folge der gestiegenen Energiepreise und des Anbaus von immer mehr Biotreibstoff-Pflanzen. Er ist aber auch auf Dürreereignisse zurückzuführen, etwa den nahezu völligen Ausfall der australischen Reisernte im vergangenen Jahr.
Was tun? Auch bei den Möglichkeiten, mit Wasserkrisen umzugehen, zeigen sich erstaunlich viele Gemeinsamkeiten zum Energieproblem. Die nahe liegenden Lösungen sind stets zentrale, teure Infrastruktur-Großprojekte - neue Kernkraftwerke, Prospektion neuer Ölvorkommen, neue Pipelines, Staudämme, Kanäle. Doch diese nach wie vor dominierende Herangehensweise stößt an ihre Grenzen. Öl gibt es nicht unbegrenzt, Kernkraftwerke produzieren hochgefährlichen Müll, Staudammprojekte haben oft katastrophale soziale und ökologische Folgen.
Die Alternative wäre ein regional angepasster, sparsamerer Einsatz der Ressourcen, ein Fokus auf deren Erneuerbarkeit und eine Dezentralisierung von Produktion und Management. Peter Gleick, Direktor des Pacific Institute in Oakland und einer der weltweit führenden Wasserexperten, predigt seit Jahren einen solchen "Soft Path", eine Strategie jenseits des traditionellen betonharten Wegs der Pipelines und Staumauern. Sie solle "nach wie vor auf sorgfältig geplante zentrale Infrastruktur zurückgreifen, aber diese mit kleinteiligen dezentralen Anlagen ergänzen". Auf diese Weise könnte die Verfügbarkeit von sauberem Trinkwasser verbessert und die Produktivität der Wassernutzung erhöht werden, anstatt zu versuchen, immer neue Versorgungsquellen zu erschließen.
Das Potenzial ist offenbar riesig. In Industrienationen wie den USA oder Deutschland etwa ist seit den 1970er-Jahren der Gesamtwasserverbrauch von Haushalten durch sparsamere Toiletten, Duschköpfe und Ähnliches bereits gesunken. Dass für die Produktion einer Tonne Stahl vor 70 Jahren noch etwa 100 Tonnen Wasser nötig waren, mittlerweile aber fünf ausreichen, ist nur ein Beispiel für die Einsparmöglichkeiten der Industrie. Auch auf Agrarflächen sind bessere Ernten mit deutlich weniger Litern pro Hektar möglich, wenn das Wasser effektiver genutzt wird.
Kann man hoffen, dass Politik und Wirtschaft weltweit auf die Wasserkrise mit mehr Weitsicht reagieren werden als einst auf die Prognosen schwindenden Öls oder des Klimawandels? Internationale Institutionen müssten etwa bei der Frage, welche Art Projekte sie fördern, in vielerlei Hinsicht umdenken. Nationen mit viel Wasser müssten bereit sein, es zunehmend als globales Gemeingut zu betrachten und mit den nicht so gesegneten Ländern zu teilen. Die Expo dieses Jahr in Saragossa, also ausgerechnet im von Trockenheit geplagten Spanien, hat Wasser zum Thema. Man kann das als Zeichen wachsenden Bewusstseins werten, ebenso wie die jüngsten Worte des Gouverneurs aus Sacramento. Wenn er sinnvolle Taten folgen lässt und sich die alte Weisheit "Where California leads, America will follow" bestätigt, wären die Aussichten auch für den Rest der Welt vielleicht gar nicht so schlecht.