OPPOSITION
Fraktionen verlangen mehr Rechte
Es gibt keine Koalition in der Opposition. Dennoch schweißt der Zwang, parlamentarische Hürden nehmen zu müssen, gelegentlich selbst so unterschiedliche Fraktionen wie die der FDP, Grünen und Linkspartei zusammen. Ein Beispiel: Um einen Untersuchungsausschuss einzurichten, muss ein Viertel der Mitglieder des Bundestages zustimmen. Dieses Quorum schafft keine der drei Oppositionsfraktionen allein.
Grund genug für die drei Parlamentarischen Geschäftsführer Dagmar Enkelmann (Linksfraktion), Volker Beck (Grüne) und Jörg van Essen (FDP) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz die Werbetrommel für bessere Minderheitenrechte zu rühren und eine Absenkung der meist bei einem Drittel liegenden Mindestquoren zu fordern, etwa bei der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen. Beck wies darauf hin, die Große Koalition könne mit ihrer Zwei-Drittel-Mehrheit fast immer bremsen und sogar die Geschäftsordnung des Bundestages außer Kraft setzen. Van Essen sagte, trotz der Erschwernisse werde die Opposition dafür sorgen, dass die Rechtsstaatlichkeit gewahrt bleibe
Allerdings ist die Große Koalition der Opposition in dieser Legislaturperiode etwas entgegengekommen. Zusammen mit den Grundgesetzänderungen im Rahmen des Lissabon-Vertrages wurden die Rechte der Opposition im Bundestag gestärkt. So kann zukünftig nicht nur die Bundesregierung eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof wegen Verletzung des Subsidiaritätsprinzips erheben, sondern auch der Bundestag, wenn ein Viertel der Abgeordneten zustimmt. Von einem Drittel auf 25 Prozent ist auch das erforderliche Quorum gesenkt worden, beim Bundesverfassungsgericht eine Normenkontrollklage zu erheben. Die Opposition fordert auch hier niedrigere Vorgaben.
"Wir haben mit der Ratifizierung des Lissabon-Vertrages die Rechte der Opposition gestärkt", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Hartmut Koschyk, dieser Zeitung. "Wir sehen hier keinen weiteren Handlungsbedarf." Das sei in der Koalition vereinbart, so Koschyk. Man fühle sich auch durch eine Sachverständigenanhörung im Geschäftsordnungsausschuss des Bundestages bestätigt.
Vielleicht ist noch nicht aller Tage Abend. So regte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) an, die Rechte der Opposition in einem anderen Bereich zu stärken. Eine Fraktion müsse eine Sitzung des Bundestages erzwingen können. Eine Sondersitzung gibt es heute nur, wenn ein Drittel der Abgeordneten dies fordert. "Mir erscheint es sinnvoll, auch in diesem Punkt über 25 Prozent nachzudenken", so Lammert.
Der Präsident wird von der Opposition gelobt. Mit Lammert habe das Parlament erstmals seit Langem einen Präsidenten, der "sich als Präsident aller Fraktionen versteht", war sich die Opposition einig.