Es gibt ein Amt, das nur einmal in vier Jahren verteilt und nicht bezahlt wird, aber als besonders große Ehre gilt. Die Rede ist vom Fahnenträger bei den Olympischen Spielen. Die ganze Welt schaut zu, wer welches Land mit der Fahne in der Hand repräsentiert. Die Eröffnungsfeier gilt als so wichtig, dass sogar Diplomaten darüber in Streit gerieten. Weitgehend vergessen dürfte heute sein, dass das Internationale Olympische Komitee bei den Spielen 1956 in Melbourne, 1960 in Rom und 1964 in Tokio nur jeweils eine deutsche Mannschaft zuließ, obwohl es damals zwei Staaten in Deutschland gab: die Bundesrepublik und die DDR. Die "Wessis", wie man heute sagen würde, durften den Fahnenträger stellen, weil sie in der Überzahl waren. 1968 in Mexiko wurden zwar zwei deutsche Mannschaften zugelassen, aber sie mussten mit der gleichen Fahne einziehen.
Diese Zeiten sind vorbei, die Bedeutung des Fahnenträgers blieb. Und da hatte der deutsche Olympia-Direktor für Peking einen besonderen Kandidaten ausgesucht: den Basketballer Dirk Nowitzki. Für den 2,13 Meter langen Sportler, der in den USA lebt, war es "eine Ehre". Für Leute mit Gedächtnis war es eine merkwürdige Entscheidung von Vesper, ausgerechnet Nowitzki als Repräsentanten des demokratischen Deutschlands ausgerechnet in Peking einziehen zu lassen. Der Basketballer hält nämlich nichts von der Teilnahme an demokratischen Wahlen, wie er der Bild-Zeitung 2005 vor der Bundestagswahl verriet: "Ich gehe nicht wählen! Das habe ich noch nie gemacht. Ich bin politisch nicht so engagiert und in Dallas, wo ich zur Zeit lebe, auch sehr weit weg."
Vesper wollte mit der Auswahl von Nowitzki ein Zeichen setzen, "dass sich junge Leute für die olympische Idee begeistern". Der ehemalige Grünen-Politiker Vesper hätte dabei auch an die Begeisterung für die parlamentarische Demokratie denken können.