Keine Angst vor großen Tieren, heißt es am 6. September, wenn der Bundestag im Bonner Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig zur Feierstunde anlässlich des 60. Jahrestages der Konstituierung des Parlamentarischen Rates ruft. Denn diesmal dürfen sie dabei sein - die ausgestopften Elefanten, Giraffen und Zebras des Bonner Renommier-Museums. Bundestagspräsident Norbert Lammert und seine 120 Gäste werden in einer künstlichen Savannenlandschaft inmitten von Löwen, Warzenschweinen, Antilopen und Perlhühnern eine Feierstunde begehen, die an die Geburtsstunde des Grundgesetzes, die Anfänge der Bundesrepublik Deutschland und damit an eine 60-jährige Erfolgsgeschichte erinnert.
Der Start in eine neue Zukunft am 1. September 1948 hatte noch mit einer Vertreibung begonnen: Büffel und Zebras wurden hinter Säulen unter großen Vorhängen versteckt, nur die langen Hälse der Giraffen machten Schwierigkeiten. Nichts sollte die Größe und Bedeutung dieses Tages stören, an den hohe Erwartungen und Hoffnungen geknüpft waren. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Karl Arnold, der die Festversammlung eröffnete, formulierte sie so: "Wir beginnen die Arbeit des Parlamentarischen Rates in der Absicht und dem festen Willen, einen Bau zu errichten, der am Ende ein gutes Haus für alle Deutschen werden soll." Ruinen, Zerstörung, Hunger, Vertreibung, Unsicherheit - das war der Boden, auf dem das Neue gerade drei Jahre nach Ende des Krieges entstehen sollte. Es waren die drei Westalliierten, die im Juli 1948 die Initiative ergriffen. Im Frankfurter IG-Farben-Haus, dem Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte, übergaben sie den elf Ministerpräsidenten der westdeutschen Besatzungszonen drei Dokumente mit dem Auftrag, bis zum 1. September eine Verfassungsgebende Versammlung einzuberufen. Damit begann die Uhr der Staatswerdung der Bundesrepublik zu ticken.
Mit dem Museum Koenig und der benachbarten Pädagogischen Akademie - sie wurde später Sitz des Bundestages - hatte die kleine Universitätsstadt Bonn zwei Gebäude anzubieten, die den Parlamentarischen Rat gut beherbergen konnten. Dass Bonn den Zuschlag erhielt, lag wohl auch an Konrad Adenauer, der im nahen Rhöndorf wohnte und schon früh entscheidende Strippen zog. Beengt und einfach ging es trotzdem zu. Bonnern, die Quartier für Mitglieder des Parlamentarischen Rates boten, erhielten als Anreiz pro Monat "zusätzlich 10 cbm Gas, 10 kHwh Strom sowie 80 g Kaffee-Ersatz, 600 g Seifenpulver, 150 g Waschmittel". Neun Monate rangen und feilten die 65 Mitglieder des Parlamentarischen Rates - unter ihnen als herausragende Kräfte Konrad Adenauer, Carlo Schmid und Theodor Heuss - an dem Verfassungsgerüst für ein neues Deutschland. Viele Probleme türmten sich auf: Neben der Kernfrage, wie viel Staat geschaffen werden dürfe, ohne Deutschland als Einheit aufzugeben, ging es vor allem um die Architektur des künftigen Staatsgebildes, um das Kräfteverhältnis zwischen Bund und Ländern und um den Einfluss von Kirche und Staat auf das Bildungswesen. Trotz aller Auseinandersetzungen war man sich im Kern aber einig: Der neue Staat sollte eine starke und wehrhafte Demokratie werden, zugleich offen bleiben für die deutsche Einheit. Das schlug sich auch terminologisch nieder: Keine Verfassungsgebende Versammlung sondern Parlamentarischer Rat, keine Verfassung sondern Grundgesetz.
60 Jahre später ist aus dem Provisorium eine der stabilsten Demokratien der Welt geworden, aus dem westdeutschen Teilstaat ein wiedervereinigtes Deutschland. Am authentischen Ort, dort wo der Anfang gemacht wurde im Bonner Museum Koenig, wollen Bundestagspräsident Lammert und seine Gäste jetzt die Erfolgsstory noch einmal Revue passieren lassen und einen Blick in die Zukunft werfen: Über die Verfassungsentwicklung in Deutschland diskutieren unter anderem der amtierende und ein ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts.