NACHWUCHSFÖRDERUNG
Doktoranden und angehende Professoren sollen Zukunft besser planen können
Die Situation der jungen Wissenschaftler hierzulande ist alles andere als gut: Anfang 40, in der Vita nur Zeitverträge, die Familienplanung immer weiter nach hinten geschoben und keine gesicherten Aussichten auf beruflichen Aufstieg. Die Situation junger Wissenschaftler ist gar nicht so schlecht: International anerkannt, mit freier Hand fürs Forschen und einer passablen Perspektive auf eine lange Karriere. Welche Version nun stimmt, darüber gingen die Meinungen am 25. September im Bundestag auseinander. Einig waren sich die Fraktionen in der Debatte um den Bundesbericht zur Förderung des Wissenschaftlichen Nachwuchses ( 16/8491) allerdings darin, dass die Karriereperspektiven für Doktoranden und angehende Professoren nicht immer die besten sind.
"Die berufliche Laufbahn junger Forscher ist zu wenig planbar", bemängelte Kai Gehring (Bündnis 90/ Die Grünen). Deutschland sei in diesem Zusammenhang ein Entwicklungsland, brauche vor allem eine bessere Förderung von Frauen und familienfreundlichere Hochschulen. Um diese und weitere Ziele zu erreichen, forderten die Grünen in einem Antrag ( 16/9104), der an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung überwiesen wurde, die Einführung von Arbeitszeitkonten, Karriereberatung sowie die langfristige Steigerung des Frauenanteils auf 40 Prozent auf allen Ebenen und in allen Fachbereichen. Außerdem sollten mehr Juniorprofessuren eingerichtet und mit einem "tenure track", der aussichtsreichen Option auf eine Festanstellung - wie er aus den USA bekannt ist -, versehen werden. Durch den dadurch festgelegten Karriereweg könnten Wissenschaftler ihre Zukunft besser planen.
Den Ausbau der Juniorprofessur forderte auch Petra Sitte, forschungspolitische Sprecherin der Linksfraktion. Sie beklagte die "prekäre Beschäftigung" des wissenschaftlichen Nachwuchses. Abgesehen davon sei ein Doktorand zu sehr von seinem Doktorvater abhängig, was die wissenschaftliche Freiheit, aber auch die Möglichkeit der Mittelversorgung einschränken könne. Insgesamt müsse das Wissenschaftssystem mehr Geld zur Verfügung haben. "Die Exzellenzinitiative muss auslaufen, dann bleiben auch mehr Mittel für grundständige Forschung und Lehre übrig", zeigte sich Sitte überzeugt. Sie kündigte einen Antrag der Linken für Anfang Oktober an.
"Die Botschaft ist, dass es sich lohnt, heute in Deutschland zu forschen", zeigte sich dagegen Dieter Grasedieck (SPD) überzeugt. Vor kurzem habe ihm ein Juniorprofessor der Universität Bochum bei einer Forscher-Tagung in Boston erzählt, dass er bei seiner Jobsuche das beste Angebot aus Deutschland erhalten habe. Er verwies auf Projekte der Bundesregierung und die Erhöhung der Promotionsstipendien. Auch Grasedieck hielt es aber für notwendig, Wissenschaftlern eine langfristige Karriereplanung zu ermöglichen. Nicht allen Juniorprofessoren werde eine aussichtsreiche Zukunft geboten. 330.000 Akademiker würden bis 2013 in Rente gehen. Auch deswegen müsse man den Nachwuchs fördern, denn "die Jungen müssen den Staffelstab übernehmen." Viele Aufgaben fielen in die Kompetenz der Länder. Doch bei der Weiterbildung und der Clusterbildung zwischen Mittelstand und Hochschulen könne der Bund helfen.
Marion Seib (CDU) lobte ebenfalls den Forschungsstandort Deutschland. Sie hob die Aktivitäten der Bundesregierung wie den Hochschulpakt und den Pakt für Forschung und Innovation hervor. Die Nachwuchsförderung werde durch die Exzellenzinitiative "nachhaltig gestärkt". Seib warb außerdem für ein Wissenschaftsfreiheitsgesetz, denn "wissenschaftlicher Nachwuchs braucht attraktive Rahmen- und Arbeitsbedingungen, um exzellent, effizient und international wettbewerbsfähig arbeiten zu können". Die Promotion sei in Deutschland "häufig eine Verlegenheitslösung", kritisierte dagegen Uwe Barth (FDP). Zu oft diene der Weg zum Doktor als Überbrückung von Wartezeiten auf einen Job. Neben einer erhöhten Zahl von Stipendien für Doktoranden sei es wichtig, dass die Universitäten die Qualität ihrer Lehre weiter verbesserten. Um das zu unterstützen, müssten Bund und Länder die Mittel für den Hochschulpakt erhöhen, forderte Barth. In ihrem Bericht zur Förderung des Wissenschaftlichen Nachwuchses kommt die Bundesregierung zu dem Schluss, Nachwuchswissenschaftler würden "zu lange darüber im Unklaren gelassen, ob sie sich auf eine Karriere in Wissenschaft und Forschung dauerhaft einlassen können". Auch für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf seien klare Karriereperspektiven wichtig. Zu verbesserten Bedingungen für junge Wissenschaftler gehöre auch, nach einer Arbeitszeit in der Wirtschaft problemlos an die Hochschule zurückkehren zu können. Die Ausweitung des "tenure tracks" könne bessere Chancen schaffen. Auf diese Weise könne auch der Frauenanteil an den Universitäten gesteigert werden.
Die Forderungen der Politiker nach mehr Sicherheit stießen auf Zurückhaltung bei Betroffenen. Felix Grigat, Sprecher des Deutschen Hochschulverbands, sagte, der Beruf des Professors werde "immer risikobeladen bleiben". Ein "tenure track" könne eventuell sicherere Perspektiven schaffen. Die Ausweitung der Juniorprofessur könne sinnvoll sein, letztlich müsse aber jede Universität und jeder Fachbereich selbst entscheiden, ob Juniorprofessur oder Habilitation als Einstieg in die höchste Stufe der wissenschaftlichen Karriere sinnvoll sei.