BUNDESWALDGESETZ
Experten sehen Änderungsbedarf - die Koalition ist in einem Kernpunkt gespalten
Waldbesitzer Hubertus Nücker betrachtet kritisch die Nadeln seiner Bäume. Die Zahl seiner Kiefern und Fichten hat in den vergangenen Jahren weiter abgenommen, Laubbäume und Douglasien finde man hingegen immer häufiger. Nur wenige Kilometer entfernt von ihm hat ein indisches Konsortium den letzten verbleibenden Staatswald in der Region aufgekauft. Aber nicht nur die ausländische Konkurrenz, sondern auch die starken Auswirkungen des Klimawandels bereiten ihm immer größere Sorgen. In Wahrheit aber ist Waldbesitzer Nücker noch gar nicht auf der Welt. Das Szenario ist nach einem Forschungsprojekt konstruiert, das den Zustand des Waldes im Jahr 2100 vorhersagt.
Wissenschaftler und Berater verschiedener Forschungseinrichtungen haben im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung die Frage gestellt, wie der deutsche Wald im Jahr 2100 aussehen könnte. "Wer hätte vor 100 Jahren bei dieser Frage schon an Klimawandel gedacht, an globale Märkte oder Tropenwaldabholzung", sagt Rainer Kiehle, Koordinator des Waldzukünfte-Projekts.
Im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat man einen weniger ambitionierten Zeithorizont. Viele Abgeordnete möchten das bestehende Bundeswaldgesetz (BWaldG) - das ursprünglich aus dem Jahr 1975 stammt - noch in dieser Legislaturperiode ändern.
Die Grünen forderten daher vor der Sommerpause in einem Antrag ( 16/9450) ökologische Mindeststandards für die Waldbewirtschaftung einzuführen. Danach soll beispielsweise bei der Erstaufforstung stärker darauf geachtet werden, dass strukturreiche, standortheimische Wälder und keine Monokulturen entstehen. Die Fraktion Die Linke setzt sich in einem weiteren Antrag ( 16/9075) für eine Neudefinition des Begriffs "ordnungsgemäße Forstwirtschaft" ein. Auch gentechnisch veränderte Bäume und Sträucher soll es in deutschen Wäldern nach dem Willen der Linken nicht geben. Die Anlage von Agroforstsystemen, also Flächen mit schnell wachsenden Bäumen, soll erleichtert werden. Diese Anpflanzungen sollen aber begrifflich klar vom "Wald" abgegrenzt werden. Eine solche Unterscheidung forderte auch die FDP ( 16/8409) in einem Antrag.
Offene Fragen beim Bundeswaldgesetz sieht auch Gregor Breyer vom Naturschutzverband NABU. "Wir stehen vor Problemen, auf die das Gesetz keine Antwort gibt", sagte Breyer bei einer Anhörung im Landwirtschaftsausschuss am 24. September in Berlin. Neben dem Klimawandel und dem Verlust der Artenvielfalt wies er auf die Probleme und den Druck hin, die eine gestiegene Holznachfrage verursache. Er fordert daher, dass die Wälder nach konkreten Vorgaben bewirtschaftet werden sollten.
Zugleich konstatierte er aber auch, dass über die Notwendigkeit einer Novelle des Gesetzes nicht nur zwischen den Experten weitgehend Einigkeit bestehe. So soll beispielsweise in Zukunft der im Gesetz festgelegte Begriff des Waldes von Agroforstplantagen und Schnellwuchsplantagen, so genannten Kurzumtriebsplantagen, abgegrenzt werden. Auch sollen Waldbesitzer, die für ihre Wege im Rahmen der Verkehrssicherheitspflicht verantwortlich sind, künftig in Haftungsfragen entlastet werden. "Wer Wald betritt, handelt auf eigene Gefahr", meint Carsten Leßner vom Deutschen Forstwirtschaftsrat.
Für Streit sorgt aber bislang die Frage der "Guten fachlichen Praxis" (GfP). Bezogen auf den Wald bedeutet die GfP die Vorgabe von Standards für die nachhaltige Bewirtschaftung, die ein verantwortungsbewusster Waldbesitzer anwenden würde.
Momentan sind sich die Koalitionspartner jedoch uneinig darüber, ob diese Standards in einer Novelle des Bundeswaldgesetzes festgelegt werden sollten. "Ökologische Mindeststandards, wie eine verträgliche Wilddichte, nachhaltige Funktionfähigkeit sowie ein hohes Maß an Selbstregulation gehören als Zielstellung in die Bundesgesetzgebung", sagt Gerhard Botz, forst- und waldpolitischer Sprecher der SPD.
Die CDU/CSU-Fraktion kritisiert hingegen, dass die SPD mit dem Beharren auf einer Definition der GfP in der Gesetzesnovelle notwendige Änderungen auf Bundesebene blockiere: "Eine starre bundesweite Regelung würde zu mehr Bürokratie führen und die regionalen Besonderheiten nicht berücksichtigen", erklärt Hans-Heinrich Jordan, der Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion für Forstwirtschaft.
Unter den Experten gehen auch die Meinungen darüber auseinander, welche Regelungen auf Bundes- und welche auf Länderebene erfolgen sollen. Der Vertreter des Deutschen Bauernverbandes und der Arbeitsgemeinschaft deutscher Waldbesitzer, Michael Prinz Salm zu Salm, sprach sich in der Anhörung dafür aus, den Großteil der Regelungen nicht auf Bundes-, sondern auf Länderebene zu vollziehen: "Die Wälder in den Alpen sind anders als die in den Küstenstreifen", so sein Argument.
Umweltschutzverbände halten dagegen, dass es bei Regelungen für den Wald auf Länderebene die Gefahr bestehe, das "automatisch der niedrigste Standard gelte", so Martin Kaiser von Greenpeace. Ob es in dieser Legislaturperiode, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, überhaupt noch zu einer Novelle des Gesetzes kommen wird, ist bislang noch unklar. Sicher scheint aber zu sein, dass sich viele der über zwei Millionen deutschen Waldbesitzer für ihre Tannen, Fichten und Buchen in Zukunft eine größere Planungssicherheit wünschen. Denn, so Prinz Salm zu Salm " Rein und raus aus den Kartoffeln - das geht im Wald so nicht".