Die globale Finanzkrise trifft auch die Entwicklungs- und Schwellenländer hart. Das berichteten Sachverständige am 11. Februar in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Allerdings seien nicht alle Länder gleichermaßen betroffen, betonten sie, da diese unterschiedlich in den globalen Handel und die Finanzmärkte integriert seien.
Peter Wolff vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) in Bonn, bezeichnete die Krise als "außergewöhnlich". Man könne davon ausgehen, dass sich die Wachstumsraten in den Entwicklungs- und Schwellenländern in diesem Jahr "in etwa halbieren" werden, sagte er. Die Gründe seien vielfältig. Zum einen hätten sich die Finanzierungsmöglichkeiten auf den internationalen Kapitalmärkten drastisch verschlechtert. Die Risikoaufschläge seien deutlich erhöht worden und ausländische Direktinvestitionen gingen zurück. Diese Probleme träfen vor allem Schwellenländer, weil sie sich stärker auf den Kapitalmärkten refinanzierten. Zum anderen gebe es einen starken, weltweiten Nachfragerückgang, der besonders jene Länder massiv treffe, die stark in den Welthandel integriert seien und Rohstoffe exportierten. "Bei den ostasiatischen Ländern gibt es mit 30 bis 40 Prozent die größten Rückgänge", so Wolff.
Louis Kasekende von der Afrikanischen Entwicklungsbank in Tunis betonte, viele afrikanische Länder hätten in den vergangenen Jahren vom weltweiten Handel profitiert. Nun jedoch seien viele Preise, etwa für Öl, Kaffee, Diamanten und Grunderzeugnisse gesunken. Daher habe die Krise große Auswirkungen etwa auf ölexportierende Länder wie Angola und Nigeria, aber auch auf andere exportierende Staaten wie Ägypten, Kenia, Südafrika und Uganda . Nicht zuletzt ginge vielerorts der Tourismus stark zurück und Investoren würden Projekte aufschieben. "All das ist mit enormen Arbeitsplatzverlusten verbunden", sagte Kasekende. Yash Tandon vom South Center in Genf warf den westlichen Industrieländern vor, die schwere Krise in den vergangenen 30 Jahren durch eine "Kapitalisierung der Produktion" ausgelöst zu haben. Bankgeschäfte und Finanzen seien wichtiger gewesen als Arbeitsplätze und Produktion. Als Beispiel nannte er die Spekulationen auf Nahrungsmittel, die zu den massiv gestiegenen Nahrungsmittelpreisen geführt hätten.
Wolfgang Kroh von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) beurteilte die Situation als nicht ganz so dramatisch. Bisher seien die Entwicklungsländer im Vergleich zu den Industrieländern "noch relativ gering betroffen". Vielen von ihnen hätten in den vergangenen Jahren ein hohes Wachstum erzielt, hätten ihre Entschuldung vorangetrieben und Reformen durchgeführt, die zu einer stärkeren institutionellen Handlungsfähigkeit geführt haben. Zwar seien die Direktinvestitionen zurückgegangen. Jedoch sei derzeit schwer einzuschätzen, wie sich die Dramatik weiterentwickeln werde."Die Entwicklungsländer sind heute besser gewappnet als noch vor einigen Jahren", sagte Kroh. Eine ganze Reihe von Ländern verfügten inzwischen über eigene Mittel und Wege, um die Krise zu bekämpfen und täten dies zum Teil auch erfolgreich.
Dem widersprach Peter Wahl von der Nichtregierungsorganisation "Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung" (WEED) in aller Deutlichkeit. "Wenn man sich einmal die Stellungnahmen der letzten Monate von führenden Finanzpolitikern und führenden Repräsentanten der Finanzindustrie ansieht, dann ist das eine einzige Kette von Irrtümern, Unterschätzungen und Gesundrederei der Krise gewesen", sagte Wahl. Die Wirtschafts- und Finanzkrise schwappe gerade in vollem Maße in die Entwicklungsländer über, die Prognosen seien dramatisch. "Circa 120 Millionen Menschen sind allein durch die Preisblase bei der Nahrungsmittelpreisentwicklung im vergangenen Jahr unter die Armutsgrenze zurückgedrückt worden", betonte Wahl. Zudem seien die Milleniumsentwicklungsziele sind in unerreichbare Ferne gerückt.