"Man, hat der ein Wissen", flüstert eine junge Frau dem Mann neben ihr ins Ohr. Beide hören Volker Köhler zu, der gerade davon erzählt, welche Entwicklungen im Jahr 1933 zum Ermächtigungsgesetz geführt haben. Er schildert die Auswirkungen detailreich, beschreibt das Ende der Gewaltenteilung und die Gleichschaltung von Ländern und Reich. Köhler ist Historiker und er führt Besuchergruppen wie diese aus Zwickau, zu der die beiden staunenden Zuhörer gehören, durch die Ausstellung "Wege - Irrwege - Umwege" im Deutschen Dom in Berlin.
Seit 2002 hat die Dauerausstellung dort am Gendarmenmarkt unter diesem Namen ihren Platz. Auf fünf Etagen wird die Entwicklung der parlamentarischen Demokratie gezeigt: vom deutschen Frühparlamentarismus und der Revolution 1848/49, über den Parlamentarismus im Kaiserreich, die Weimarer Republik, die Zeit des Nationalsozialismus, die DDR bis zur Europäischen Integration. Unter der Kuppel des Kirchengebäudes findet man außerdem Modelle der Parlamentsarchitektur in Deutschland und eine Sonderausstellung über die Geschichte des Deutschen Doms selber.
"Zum Konzept der Ausstellung gehörte von Anfang an, dass interessierte Gruppen eine Führung durch die Ausstellung bekommen sollen", erzählt Wolfgang Kaiser, der als Referent für den Besucherdienst des Deutschen Bundestages die Ausstellung betreut. Eineinhalb Stunden dauern die Führungen, zu der sich Gruppen im Vorfeld anmelden können - oft sind es Schulklassen aus Deutschland, viele auch aus Großbritannien oder Besuchergruppen aus den Wahlkreisen der Bundestagsabgeordneten. Seit Oktober 2008 werden auch halbstündige Führungen für unangemeldete Einzelbesucher und kleine Gruppen angeboten. "In kleineren, intimeren Gruppen trauen sich die Leute eher, Fragen zu stellen, und es kommen leichter Gespräche zustande", so Kaiser.
Bevor es in die Ausstellung geht, verschaffen die Historiker den Besuchern einen Überblick über die Themen, die die Ausstellung bietet. "Meistens einigen wir uns vorher auf einen oder zwei Schwerpunkte", sagt Kaiser "je nach dem, was gewünscht wird." Die einen möchten beispielsweise etwas über die Bedeutung der Farben Schwarz, Rot, Gold wissen, andere etwas über die Entstehung der Grundrechte. "Meine Devise ist: Weniger, dafür gründlicher", sagt Kaiser.
Die 50 Besucher aus Zwickau haben sich in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine interessiert sich besonders für die Anfänge der DDR. "Viele Besucher, die in der DDR gelebt haben, möchten einfach sehen, wie ihr Teil der Geschichte hier präsentiert wird", beschreibt Köhler seine Erfahrungen. Er geht mit der zweiten Gruppe zu den Schautafeln über das Ende der Weimarer Republik. Als Themenschwerpunkt hat die Gruppe den Nationalsozialismus gewählt. "Um die Zeit zu verstehen, muss man auch einen Einblick in die Vorgeschichte bekommen", sagt er und führt die Gruppe dann eine Etage höher, um dort anhand von Auszügen aus dem Reichsgesetzblatt von 1933 den Weg der "illegalen Legalisierung des Antisemitismus und des Einparteienstaates" nachzuzeichnen.
Köhler und seine Kollegen müssen nicht nur viele Themen beherrschen. "Wir müssen sie auch zielgruppengerecht an die Leute bringen", beschreibt Kaiser ihre Aufgabe. Schulklassen müssten beispielsweise anders angesprochen werden als die Besuchergruppen aus den Wahlkreisen.
Seine schönste Führung habe er mit einer Sonderschulklasse aus Baden-Württemberg erlebt. "Die haben einfach ungefiltert alles gefragt, was sie wissen wollten. Nachdem ich den Schülern etwas über das Kaiserreich und die Zeit um 1871 erzählt hatte, fragte einer: ,Warum tragen Sie einen Bart?'", erinnert er sich. "In dem Teil der Ausstellung hängen eben viele Bilder mit bärtigen Abgeordneten." Die Schüler wollten wohl einfach wissen, ob es da einen Zusammenhang gibt.