VON ANNETTE SACH
Fernsehen bringt oft schlechte Nachrichten. Jetzt gibt es immer öfter schlechte Nachrichten über das Fernsehen: Der Bezahlsender Premiere hat vergangene Woche Rekordverluste eingeräumt, öffentlich-rechtlichen Sendern wie dem RBB fehlen Gebührengelder in zweistelliger Millionenhöhe und die Mitarbeiter der Pro-SiebenSat.1 Media AG müssen unter dem Druck von Milliardenschulden schmerzhafte Einsparungen befürchten. Immer heftiger wird der Quoten- und Konkurrenzdruck zwischen den Sendern. Den klassischen TV-Anbietern laufen die Zuschauer weg - und in Zeiten der Finanzkrise die Werbekunden. Alte Fernsehrituale sind bei jungen Zuschauern passé. Sie bestimmen ihr Programm immer häufiger selbst, sehen was, wann, und wo sie es wollen.
"Das Parlament" zeigt in dieser Ausgabe, dass es sehr unterschiedliche Sichtweisen auf die "Zukunft des Fernsehens"gibt. Wer über die Chancen, Probleme und Perspektiven des umstrittensten Massenmediums urteilen möchte, sollte dessen Vergangenheit und dessen Gegewart kennen: Einer unserer Autoren hat sich daher einem 24-Stunden-Fernseh-Dauertest unterzogen und zeigt, wie die "Fernsehrepublik Deutschland" an einem ganz normalen Montag aussieht. Tröstlich ist hingegen, dass früher im Fernsehen nicht wirklich alles besser war. Das zeigt ein Blick in die Historie. Im Laufe der Zeit hat, wie kaum eine andere Technik zuvor, die Digitalisierung - und damit auch der Siegeszug des Internets - die Fernsehlandschaft verändert. Die Ausgabe beschreibt, wie Onlineportale schon heute die Dimension des "bewegten Bildes" revolutioniert haben. Und gleichzeitig wird die Frage gestellt, wie unsere Medien künftig finanziert und kontrolliert werden können. Klar ist: Die neuen technischen und damit auch inhaltlichen Entwicklungen haben etablierte Strukturen verändert und - auch im Bundestag - viele neue Fragen aufgeworfen. Darauf hat die Politik Antworten finden müssen.
Die Debatte um den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag hat gezeigt, dass die bisher zwischen ARD und ZDF und den privaten Sendern austarierte TV-Landschaft ins Wanken geraten ist. EU-Medienkommissarin Viviane Reding spricht sich im Interview für"sachkundige Schiedsrichter" bei ARD und ZDF aus. RBB-Intendatin Dagmar Reim und der Präsident der privaten Rundfunkanbieter, Jürgen Doetz, streiten hingegen darüber, was die Beschlüsse der EU für die deutsche Rundfunklandschaft bedeuten. Wer mehr über die Zukunft des Mediums Fernsehen wissen möchte, sollte aber über die Grenzen schauen - vor allem in die USA: Hier werfen Bürgerjournalisten, die selbstgedrehtes Material als "Nachrichten" ins Netz stellen, neue Fragen auf.
Bis heute ermöglicht das Fernsehen, ein Gemeinschaftserlebnis zu produzieren und Zeitzeuge zu sein. Auch wenn viele das klassische Fernsehen für ein Auslaufmodell halten, bleibt es uns voraussichtlich noch lange erhalten - getreu dem Motto "Totgesagte leben länger".