ENERGIEPOLITIK
Stadtwerke wollen durch den Kauf der Thüga die vier großen Konzerne auf dem Markt herausfordern
Die Vorfreude ist groß. "Große Chancen für mehr Wettbewerb auf dem Energiemarkt" sieht Gudrun Kopp, Energiepolitikerin der FDP-Bundestagsfraktion. Mit einer "Aufwertung der Stadtwerke" rechnet Bernd Scheelen, Kommunalfachmann der SPD im Parlament. Dieses Projekt "kann den Ausbau einer klimafreundlichen Energieversorgung forcieren", meint Britta Haßelmann, kommunalpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. "Eine kommunal geprägte Thüga würde lokale Strukturen stärken und so die Versorgungssicherheit erhöhen", sagt Peter Götz, Kommunalexperte der CDU.
Thüga: So lautet das Zauberwort, das Fachpolitiker im Bundestag parteiübergreifend mobilisiert. Die Thüga - ehemals Thüringer Gas AG - ist eine in München ansässige 100-prozentige Tochter des Eon-Konzerns, die republikweit Minderheitsanteile an mehr als 100 regionalen und kommunalen Versorgern hält. Eon will unter wettbewerbsrechtlichem Druck der EU und des hiesigen Kartellamts diese Beteiligungsgesellschaft verkaufen. Rund ein Dutzend Stadtwerke planen nun, die Thüga mehrheitlich zu erwerben - was im Erfolgsfall eine Zäsur auf dem deutschen Energiemarkt bewirken würde.
Noch ist es nicht so weit, doch vielerorts werden in Gemeinderäten und Unternehmen derzeit die Weichen gestellt. "Sollte es mit dem Einstieg bei der Thüga klappen, dann entstünde als Gegengewicht zu den Konzernen ein starker kommunaler Player", gibt sich Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Verbands Kommunaler Unternehmen, überzeugt. In der Tat könnte neben Eon, RWE, Vattenfall und EnBW demnächst ein fünfter schlagkräftiger Wettbewerber das Spielfeld aufmischen.
Bei der Thüga geht es nicht um Peanuts: Der Wert des Unternehmens wird auf bis zu vier Milliarden Euro geschätzt. Die Versorger, an denen die Eon-Tochter beteiligt ist, beliefern vier Millionen Kunden mit Gas und drei Millionen mit Strom. In den Firmen des Thüga-Verbunds sind mehr als 20.000 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Jahresumsatz der Eon-Tochter beläuft sich auf mehr als 15 Milliarden Euro. Laut einer Mitteilung des Freiburger Rathauses erzielt die Thüga jährlich einen Gewinn vor Steuern von über 300 Millionen Euro.
Den ersten kommunalen Einstieg vollzog die Thüga bereits 1972 bei der Freiburger Energie- und Wasserversorgungs-AG, die 2001 in der Badenova aufging: Unter Führung der Breisgaustadt halten mehrere oberrheinische Gemeinden eine 53-Prozent-Mehrheit bei diesem Regionalversorger, die Thüga besitzt 47 Prozent. Die Badenova hat die Federführung bei einer Gruppe von kleineren Stadtwerken inne, die unter dem Titel "Kom9" als Interessenten für einen Thüga-Kauf agieren. Badenova selbst strebt einen Anteil von 2,5 Prozent an und will diesen Erwerb mit bis zu 100 Millionen Euro finanzieren.
Den größten Brocken beim Thüga-Erwerb sollen allerdings drei mächtige Regionalversorger stemmen, die Frankfurter Mainova, die Stadtwerke Hannover und N-Energie Nürnberg. Als Konsortium wollen diese drei Unternehmen 45 Prozent der Thüga-Anteile kaufen. Sollte "Kom9" wie beabsichtigt 25 Prozent erstehen, blieben noch 30 Prozent offen: Für diese Quote hoffen die kommunalen Strategen auf einen kräftigen Dritten, in Medienberichten wird über den dänischen Konzern Dong spekuliert.
Die FDP-Abgeordnete Kopp sieht im Einstieg eines ausländischen Großinvestors eine "normale Entwicklung in der EU". Ein solcher Anteilseigner könne die wirtschaftliche Power einer neuen Thüga stärken. Skepsis klingt hingegen bei Scheelen an: "Eine rein kommunale Lösung hätte mehr Reiz." Allerdings müsse sie finanziell machbar sein. Mit 30 Prozent habe ein Konzern eine Sperrminorität, warnt der SPD-Parlamentarier. "Gegen den Einstieg eines Großinvestors ist dann nichts einzuwenden, wenn die Mehrheit eindeutig auf kommunaler Seite liegt", meint der CDU-Politiker Götz. Für die Grünen-Fachfrau Haßelmann ist die Minderheitsbeteiligung eines Konzerns "nicht die Toplösung, aber besser als der Status Quo", der durch die Vorherrschaft der vier Oligopole geprägt sei.
Aber werden sich all die hochfliegenden Erwartungen im Blick auf eine kommunale Thüga tatsächlich erfüllen? Bei den Bundestagsabgeordneten ist viel von "Hoffnungen" die Rede. Kopp spricht von "guten Chancen für eine neue Marktaufstellung". Würde sich eine kommunale Thüga als mächtiger Spieler auf dem Markt im Interesse der Verbraucher positiv auf die Preise für Strom und Gas auswirken? "Das muss die Praxis zeigen", meint Scheelen. Götz mahnt die Erschließung neuer Geschäftsfelder an: "Ich setze darauf, dass sich die Stadtwerke über eine neue Thüga verstärkt auch bei der Energieerzeugung engagieren, die bislang von den vier Konzernen beherrscht wird." Dies schwebt auch Haßelmann vor: Mit ihrer finanziellen Power könne eine kommunale Thüga die Stadtwerke in ihrem Bemühen unterstützen, eine umweltverträgliche Energieversorgung vor Ort zu puschen.
Als Investor einsteigen bei der Thüga will auch ein in Freiburg gegründeter Bürgerfonds, der eine ökologisch und sozial orientierte Energieversorgung aufwerten möchte. Die sogenannten "Stromrebellen" der Initiative "Energie in Bürgerhand", die bei den bürgereignen Elektrizitätswerken Schönau das Sagen haben, wollen bundesweit 100 Millionen Euro an Eigenkapital einsammeln. Auf dieser Basis sollen ihnen dann Banken zusätzliche Bürgschaften gewähren.
Kopp findet das Engagement des Bürgerfonds "sehr positiv", glaubt jedoch nicht, dass die Initiative genügend Anteile an der Thüga erstehen kann, um Einfluss auf die Geschäftspolitik zu nehmen. Britta Haßelmann hingegen gibt sich optimistischer: "Die Schwarzwälder Stromrebellen waren bisher erfolgreich und denen traue ich auch dieses Mal viel zu."