ISLAND
Der Inselstaat hat offiziell die Mitgliedschaft in der EU beantragt. Nicht alle Isländer sind darüber begeistert
Nachdem Island am 23. Juli offiziell ein Beitrittsgesuch an die Europäische Union gerichtet hat, wird das Land Verhandlungen mit dem Staatenbund aufnehmen. Über einen Beitritt, der frühestens 2011 erfolgen könnte, soll die Bevölkerung entscheiden. Die parlamentarische und außerparlamentarische Debatte gibt Hinweise darauf, welche Punkte bei den Beitrittsgesprächen besonders wichtig sein werden und woran ein Beitritt letztlich auch scheitern könnte.
"Oft wird im Ausland angenommen, dass nur die Finanzkrise Island in die EU getrieben hat, doch das ist falsch", sagt der Politikwissenschaftler Audunn Arnórsson. Diese Fokussierung auf die Krise habe zur Folge, dass beispielsweise die CSU nun Angst vor Island in der EU habe. Er weist darauf hin, dass die Sozialdemokratische Allianz bzw. deren Vorgängerpartei schon seit den 1990er Jahren für den EU-Beitritt Islands geworben haben. "Damals wie heute argumentieren sie damit, dass es zu wenig ist, bloß Teil des Europäischen Wirtschaftsraumes zu sein", so Arnórsson.
Nur als EU-Mitglied könne Island wirklich mitbestimmen, meinen die Sozialdemokraten. Bei der Abstimmung im Parlament Mitte Juli war die sozialdemokratische Fraktion auch die einzige, die in dieser Frage nicht gespalten war. Einstimmig gab die größere der beiden Regierungsparteien ein Votum für die sofortige Aufnahme von Beitrittsverhandlungen ab. Anders sah es beim Koalitionspartner, den Linksgrüne, aus. Hier versagten einzelne Parlamentarier der eigenen, rot-grünen Regierung die Unterstützung. Die Linksgrünen wünschen sich ein weitgehend autarkes Island, die Mitgliedschaft in der EU kommt daher bei einigen Parlamentariern nicht einmal aus Gründen der Koalitionsräson in Frage. Der Regierungsvorschlag konnte mit 33 von 63 Stimmen nur gewinnen, weil Abgeordnete des Bürgerbündnisses und der liberalen Fortschrittspartei mit den Sozialdemokraten stimmten.
Neben dem Wunsch nach Autarkie ist ein weiteres Argument gegen den Beitritt, dass mit der Mitgliedschaft im Staatenbund die Macht über die Fischgründe verloren ginge. Schließlich müsse man sich dann der gemeinsamen Fischereipolitik anschließen und ausländische Schleppfischer in den eigenen Gewässern zulassen. Fisch ist eine der wichtigsten Exportgüter des Inselstaates. Noch ist Island nur Teil des Europäischen Wirtschaftsraumes, zu der Landwirtschaft und Fischerei nicht zählen. Doch es ist umstritten, ob dieses Argument wirklich zählt. Politikwissenschaftler Arnórsson, meint dass die Bedeutung überschätzt werde. Schließlich seien große Teile der Fischschwärme so genannte lokale und dürften deshalb auch weiterhin nur von isländischen Booten gefangen werden. Carsten Schymik, Nordeuropaexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik ist da anderer Meinung: "Anfangs wird Island durchsetzen können, dass die gleichen Regeln gelten wie jetzt. Aber längerfristiger wird das Land als EU-Mitglied nicht alleine bestimmen können, wer im Meer vor der isländischen Küste fischt." Er hält die Sorgen der EU-Gegner in Sachen Fischerei deshalb für begründet. Vor allem in der oppositionellen Unabhängigkeitspartei hat die Lobby der Fischer einen großen Einfluss. Die Unabhängigkeitspartei war auf Island Jahrzehnte an der Macht und ist jetzt größte Oppositionspartei. Wegen ihrer dubiosen Privatisierungspolitik mit Verkäufen von Staatsunternehmen an Parteifreunde und der laschen Finanzmarktkontrolle gilt die Partei als politisch Hauptverantwortliche für die derzeitige Krise.
Aus der Fraktion der Unabhängigkeitspartei kam wohl auch das polemischste Argument gegen die EU. "Wir Isländer sind nicht dazu geboren, aufzugeben. Darum haben wir in der neuen Sowjetunion nichts zu suchen", polterte Parlamentarier Árni Johnsen. Die EU, sei eine Zwangsvereinigung von Staaten, wie früher die Sowjetunion. Solche Argumente kommen im ländlichen Island an. Schließlich stand Island Jahrhunderte unter Fremdherrschaft, nach Norwegen übernahm Dänemark die Macht. Erst 1944 konnte die Unabhängigkeit von Dänemark deklariert werden. Diese Historie spielt bei der Entscheidung für oder gegen die EU eine Rolle.