BND-AUSSCHUSS
Das Bundesverfassungsgericht stärkt die Rechte des Parlaments und rügt die Regierung
Verweigerte Aussagen und geschwärzte Akten in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen gehören der Vergangenheit an. Diese Hoffnung verbinden die Oppositionspolitiker im BND-Untersuchungsausschuss mit dem am 23. Juli veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Anfang 2007 hatte die Opposition eine Organklage in Karlsruhe eingereicht, da sie die Arbeit des Parlamentes durch die Bundesregierung behindert sah. Das bewertet das Gericht ebenso. Laut Beschluss war die Weigerung der Bundesregierung, dem Ausschuss bestimmte Akten zu übermitteln, "zum Teil verfassungswidrig". Gleiches gilt für die Beschränkung der Aussagegenehmigungen von Zeugen. Die Regierung darf Unterlagen nicht pauschal mit der Begründung zurückhalten, es sei der "Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung oder das Staatswohl betroffen", heißt es in dem Beschluss. Es hätte dem Ausschuss "nachvollziehbar" dargelegt werden müssen, warum ihm bestimmte Beweismittel vorenthalten werden sollten (siehe Stichwort).
Der Grünen-Obmann im Ausschuss, Hans-Christian Ströbele, zeigte sich "sehr erfreut" über das Urteil. "Das ist eine schwere Niederlage für Bundesregierung und Große Koalition", sagte er und forderte: "Die Bundesregierung muss sofort zurückgehaltene Akten zur Verfügung stellen." Das sieht auch Linken-Obmann Norman Paech so. Durch den Beschluss sei eine neue Sachlage eingetreten, die eine Fortsetzung der Arbeit erforderlich mache. Max Stadler (FDP) begrüßte die höchstrichterliche Entscheidung ebenfalls. "Die Kontrollmöglichkeiten des Parlamentes sind deutlich verbessert worden", sagte er. Gemeinsam haben die Oppositionsfraktionen am 24. Juli einen Antrag auf eine "zeitnahe" Sondersitzung des Ausschusses eingereicht.
Eine solche zusätzliche Sitzung ist grundsätzlich möglich, wie ein Blick in das Untersuchungsausschussgesetz zeigt. Laut Paragraf 8 nämlich dann, wenn "ein entsprechendes Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses unter Angabe der Tagesordnung vorliegt und der Präsident oder die Präsidentin des Bundestages hierzu die Genehmigung erteilt hat". Umstritten ist jedoch, ob der Ausschuss, nachdem der Bundestag dessen Abschlussbericht am 2. Juli zur Kenntnis genommen hat, als aufgelöst gilt oder weiterexistiert. Paech sieht "keine Rechtshindernisse", die einer Fortsetzung der Arbeit des Ausschusses entgegenstünden. Ströbele wie auch Stadler vertreten die Ansicht, dass die Arbeit des Ausschusses noch nicht beendet ist, da diese Beendigung unter dem Vorbehalt gestanden habe, dass die Entscheidung des Gerichts eine Fortsetzung erforderlich mache. Sie stützen sich auf eine Formulierung auf Seite 24 des Abschlussberichts. Dort heißt es: "Die Vernichtung (der Untersuchungsakten) darf frühestens zwei Monate nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erfolgen."
Union und SPD sehen für weitere Beweisaufnahmen keine Notwendigkeit. Der Ausschussvorsitzende Siegfried Kauder (CDU) stellte fest: "Das Gericht sagt nicht, die Regierung muss mehr Fakten liefern, sondern es sagt, sie muss das Sperren von Akten besser begründen."
SPD-Obmann Michael Hartmann begrüßte das Urteil. Es sei nun für zukünftige Untersuchungsausschüsse klargestellt, "dass die Bundesregierung in jedem Einzelfall sehr genau begründen muss, weshalb sie gewisse Akten nicht vorlegen will oder Aussagen beschränkt". Für den BND-Ausschuss habe die Entscheidung jedoch keine Relevanz: Die Arbeit des Ausschusses sei abgeschlossen. "Eine Fortsetzung kommt nicht infrage", sagte er.
Weniger eindeutig äußert sich die Unions-Obfrau im Ausschuss, Kristina Köhler. Sie könne sich durchaus vorstellen, sich die einstmals geschwärzten Akten wiedervorlegen zu lassen.
Wenn der Ausschuss beendet ist - was die meisten Experten annehmen - könnte der Bundestag am 26. August einen Folgeausschuss einsetzen. So könnte in den dann verbleibenden vier Wochen bis zur Bundestagswahl erneut in die Beweisaufnahme eingetreten werden.
Für den Zweiten Untersuchungsausschuss, der sich mit der Fast-Pleite der Hypo Real Estate Bank beschäftigt, hat das Urteil keine Bedeutung - sagt zumindest der Ausschussvorsitzende Hans Ulrich Krüger (SPD). Es gebe "keine Probleme" bei der Bereitstellung von Akten. Würden diese als "vertraulich" oder "geheim" eingestuft, behandle der Ausschuss die Sachverhalte in nichtöffentlicher Sitzung. Grünen-Obmann Gerhard Schick erhofft sich hingegen "Rückenwind" durch das Urteil. "Die Regierung geht bei der Einstufung von Akten viel zu restriktiv vor", kritisiert Schick. Geheime Akten dürfe er zwar lesen, die dabei erlangten Erkenntnisse bei der Befragung von Zeugen jedoch nicht nutzen. "Ich gehe davon aus, dass künftig weniger Akten als geheim eingestuft werden können."