Dramatischer ist eine Pressemitteilung kaum denkbar: "Wir geben keinen Menschen auf, wir geben kein Dorf auf, wir geben keine Region auf". Mit allem Pathos verteidigte Wolfgang Tiefensee (SPD), Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und Ost-Beauftragter der Bundesregierung, den Primat der Politik gegen die Empfehlungen der Wissenschaft. Die Förderung "verlorener Räume" bedeute "verlorenen Aufwand und sollte nicht erfolgen", hatten die Forscher des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung in einem von Tiefensees Ministerium beauftragten Gutachten geschrieben. Die Wissenschaftler wissen zu provozieren: Entgegen der bisherigen Praxis müsse klar gesagt werden, dass die grundgesetzlich garantierte "Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse" nicht mehr gewährleistet werden könne.
Im Wahljahr kann der Ost-Beauftragte Tiefensee genau das nicht tun, beweist seine Reaktion. Doch warum eigentlich nicht? Die Menschen in den immer leerer werdenden Landstrichen kennen die Wahrheit schon längst. Und die "existenzielle Daseinsvorsorge", die das Berlin-Institut als Minimum staatlicher Intervention vorschlägt, umfasst unter anderem Breitband-Internet für jedes Dorf und damit einen Stand, den sich manche Region seit Jahren wünscht.
Ihren Auftraggeber haben die Forscher lehrbuchartig vorgeführt, darüber hinaus ist ihre Provokation wohlfeil. Und sie versperrt leider, wie es schon bei der Vorgängerstudie geschah, den Blick auf die überlegten und richtigen Vorschläge des Instituts: Keine Förderpolitik von oben, nur lokaler Mut und neue Ideen können den Niedergang stoppen - mehr Kompetenz für die Kommunen, Bürokratieabbau, Öffnungsklauseln. Auch das wissen wir seit Jahren. Zeit, dass es mal jemand ernst nimmt.