Kandidaten
Den Parteien fehlt mancherorts der Nachschub
Dorfbürgermeister zu sein ist ein Ehrenamt. Doch die Ehre macht viel Arbeit, und davor schrecken immer mehr Menschen zurück. In Mecklenburg-Vorpommern wurde nun erstmals bei Kommunalwahlen in zwei Orten kein Gemeinderat gewählt - aus Mangel an Kandidaten. So gibt es in Rothemühl, knapp 340 Einwohner, und Steesow, gut 200 Einwohner, auch keinen Bürgermeister. "Wenn keiner kandidiert, verspielt die Gemeinde ihr Selbstverwaltungsrecht", sagt Klaus-Michael Glaser vom Städte- und Gemeindebund Mecklenburg-Vorpommern. "Dann werden irgendwann andere über den Ort entscheiden."
(Kandidaten-)Not macht erfinderisch, das bewies die SPD in Naumburg (Sachsen-Anhalt). "Sie wollen aktiv politisch mitentscheiden? Sie haben ein Herz für diese Stadt? Dann werden Sie Stadtrat!" So warb der Ortsverein in einer Zeitungsannonce um Kandidaten für die Kommunalwahl im Juni.
In Bayern schrieb ein Bürgerverein die Kandidatenstelle für das Bürgermeisteramt in Prien am Chiemsee sogar landesweit aus. Jürgen Seifert, der als Stadtkämmerer im 350 Kilometer entfernten Kulmbach arbeitete, las die Stellenanzeige im Internet. Er setzte er sich gegen zahlreiche Mitbewerber durch. Im März 2008 gewann der parteilose Seifert dann auch die Wahl und zog für seinen "Traumjob" von Oberfranken nach Oberbayern.
Über Umwege kam auch Jutta Breitenmoser ins Amt. In Kraftisried im Allgäu hörte ihr Vorgänger Johann Hartmann nach 18 Jahren aus familiären Gründen auf. Monatelang warb der Landwirt um Kandidaten für die Nachfolge. Vergebens, der Wahlzettel blieb leer. Viele Einwohner nutzten daher die im bayerischen Wahlrecht vorgesehene Option, den Namen eines Mitbürgers auf den leeren Zettel zu schreiben. Die Wahl fiel - auf Hartmann. Doch der blieb bei seinem Entschluss.
Da kam Jutta Breitenmoser ins Spiel. "Ich dachte mir, man darf ja nicht immer nur von anderen erwarten, dass sie ein Ehrenamt übernehmen", sagt die 52-Jährige. Und trat bei einer Nachwahl Anfang Juni 2008 an. Sie kündigte ihre Stelle als OP-Schwester, betreibt nun zu Hause eine Fußpflege-Praxis, und engagiert sich für die 740 Einwohner von Kraftisried. "Es ist ein tolles Amt, aber es ist auch sehr arbeitsintensiv", sagt die Bürgermeisterin. "Wenn man wirklich etwas bewegen will, braucht man viel Zeit und viel Idealismus."