heimliche stars
Fernab großer Städte produzieren deutsche Firmen High-Tech für den globalen Markt
Sie ist die längste Fontänen-Brücke der Welt und das neue Wahrzeichen von Seoul: Banpo Bridge. Mehr als einen Kilometer lang spannt sich die mehrspurige Autostraße über den Han River. In weiten Bögen fallen rechts und links der Fahrbahn Wassermassen in den Fluss. Wie in ein Wasserkleid gehüllt fließt der Verkehr über die Brücke. 60 Tonnen werden pro Minute aus dem Fluss nach oben gepumpt, von wo aus das Wasser durch 380 bewegliche Düsen zurück in die Tiefe schießt, in immer neuen Formationen. Am Abend wird das Wasserspiel in bunte Farben getaucht. "Regenbogen Fontäne" hat die Stadt ihren neuen Touristenmagneten getauft.
Und wer hat's gebaut? Eine kleine Firma aus Hörstel in Westfalen. Oase Living Water: rund 300 Mitarbeiter in Deutschland, etwa 600 weltweit, Weltmarktführer bei Gartenpumpen und außerdem Entwickler spektakulärer Fontänen-Anlagen.
Im Schatten der großen Konzerne wird in Dörfern und Kleinstädten getüftelt und gewerkelt - und häufig entsteht daraus Spitzentechnik für den Weltmarkt. Rund 1.200 sogenannte Hidden Champions hat der Marketingexperte und Unternehmensberater Hermann Simon in Deutschland ausfindig gemacht: mittelständische Unternehmen, die in ihrer Marktnische die Nummer eins in Europa oder unter den Top drei in der Welt sind.
Simon nennt sie "die heimlichen Stars" der deutschen Wirtschaft. Denn diese Unternehmen, die außerhalb der Fachwelt kaum jemand kennt, haben eine Beständigkeit, von der viele Großkonzerne nur träumen können. Mit einem kleinen Mitarbeiterstab, aber einer großen Kundennähe und einer enormen Innovationskraft trotzen sie dem Markt auf ihrem Gebiet Anteile von 50, manchmal sogar bis zu 90 Prozent ab.
Erstaunlich viele dieser Erfolgsfirmen kommen vom Land. Die Friwo AG entwickelt im westfälischen Ostbevern Netzgeräte. Die Mecklenburger Metallguss baut in Waren an der Müritz Schiffsschrauben. Das Unternehmen Bauerfeind stellt im thüringischen Zeulenroda-Triebes medizinische Schuheinlagen, Gelenkstützen und Prothesen her. Der 4.000-Seelen-Ort Windhagen im Westerwald hat gleich drei Hidden Champions: die JK-Gruppe, Hersteller von Solarien, die Firma Geutebrück, Entwickler von Überwachungssystemen, und Wirtgen, Produzent von Straßenfräsen.
Manch eine dieser Firmen hat sich von der kleinen Dorf-Werkstatt zum Global Player hochgearbeitet. So wie Oase: Vor 60 Jahren wurde das Unternehmen als August Wübker und Söhne OHG zur Reparatur von Landmaschinen und Weidepumpen gegründet. Daraus wurde ein Spezialist für Gartenpumpen. Seit einigen Jahren expandiert die Firma, die mittlerweile einem Finanzinvestor gehört, ins internationale Geschäft.
Das Streben nach Wachstum und Globalisierung ist ein Erfolgsfaktor der Hidden Champions, aber das bringt auch Probleme mit sich, erst recht auf dem Land. "Der Vorteil ist, dass wir eine ganz hohe Mitarbeiterbindung haben", sagt Oase-Geschäftsführer Ansgar Paul. "Manche Familien sind seit Generationen bei uns." Doch wer Fontänen-Anlagen entwickelt wie für die Banpo Bridge oder die Musical Fountain im Olympia-Park von Peking und außerdem ständig auf der Suche nach immer besseren Filtertechniken ist, braucht viele Ingenieure und Projektmanager. Und die sind in der 20.000-Einwohner-Stadt Hörstel nicht ausreichend zu finden.
"Das ist der Nachteil eines eher ländlichen Standorts", sagt Paul. "Die jungen Leute, die von der Hochschule kommen, kennen zwar Berlin, Hamburg, München. Wo Hörstel liegt, wissen die meisten nicht." Dabei hat das Arbeitsleben bei den Hidden Champions viele Vorteile: Die Fluktuationsrate ist niedrig, die Chance auf Auslandserfahrung und immer neue Projekte hoch. Auch Oase schickt seine Mitarbeiter regelmäßig um die Welt. Das Leben auf dem Land habe seine eigene Qualität, sagt Paul. Attraktive Städte wie Osnabrück und Münster seien gut zu erreichen, und trotzdem sei es möglich, ein eigenes Haus zu bauen. "Ob man das in München jemals schafft, ist die Frage."