WETTBEWERB
»Unser Dorf hat Zukunft« legt Wert auf Soziales, Wirtschaft und Umwelt
Ralf Ühlin vergleicht sich und seine Mitbewohner gerne mit Asterix und Obelix. Die findigen Comic-Gallier stemmten sich bekanntlich mit aller Kraft gegen die Übermacht der Römer. Mit dem gleichen Engagement stemmen sich Ühlin und Kollegen gegen die Probleme ihrer Region: Wegzug junger Familien, Leerstand, wenig Einkaufsmöglichkeiten, Einöde. Doch im Gegensatz zu Asterix und Co. haben der Dorfvorsteher und die 700 Einwohner von Gersbach im Schwarzwald keinen Druiden, der ihnen einen Zaubertrank braut. Sie müssen ihre Herausforderungen mit viel Einfallsreichtum und Muskelkraft bewältigen. Doch auch damit lässt sich viel bewegen: Gersbach erreichte beim Wettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft" im Jahr 2004 die höchste bisher vergebene Punktzahl, 98 von 100 möglichen Punkten.
Der Wettbewerb fand zum ersten Mal 1961 auf Bundesebene statt, damals noch unter dem Titel "Unser Dorf soll schöner werden". Hintergrund war schon damals die Angst vor der Abwanderung der Menschen in die Städte und das Aussterben der Dörfer. Der Ansatz lautete: Die Orte vor allem durch Blumenrabatten und gepflegte Wiesen, Hecken und ähnliches attraktiver machen, damit sich die Bewohner wohler fühlen. Spätestens seit der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro im Jahr 1992 rückten umfassende Maßnahmen zur Steigerung der Lebensqualität in den Vordergrund. Unter dem Eindruck der Konferenz, bei der unter anderem auch das entwicklungs- und umweltpolitische Programm Agenda 21 beschlossen wurde, wurde der Name des Wettbewerbs 1998 in "Unser Dorf soll schöner werden - Unser Dorf hat Zukunft" geändert.
Seit 2007 heißt der vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ausgeschriebene Wettbewerb schlicht "Unser Dorf hat Zukunft". Teilnehmen dürfen alle Orte mit bis zu 3.000 Einwohnern. Wichtig ist vor allem das Engagement möglichst vieler Menschen und ein Konzept, mit dem die Bewohner ihr Dorf für die Zukunft attraktiv machen können. Aktivitäten für Tourismus und Wirtschaft, wie die Unterstützung bei der Ansiedelung von Unternehmen oder den Ausbau von Straßen und Schulen, werden ebenfalls berücksichtigt.
Und natürlich bleibt die Pflege von Häusern und öffentlichen Plätzen ein wichtiger Punkt. Bewertet werden die Mühen der Bewohner von einer Kommission, die die Dörfer besucht. Die Teilnehmer des Bundeswettbewerbes haben sich bereits gegen Konkurrenz auf Kreis-, Bezirks- und Landesebene durchgesetzt.
Als die Gersbacher beschlossen, sich zu bewerben, holten sie sich zunächst Rat von ihren Vorgängern. Danach begannen sie ihr umfangreiches Projekt. "Wir haben Vorträge und Kurse über Bauerngärten und Rosenpflege organisiert, einen Leitfaden zum Bauen im Dorf entwickelt, uns um den Wald bemüht und um die Abwasserreinigung", holt Ortsvorsteher Ühlin aus. Die gesamte Gemarkung ist in Schutzzonen wie Biotope und Vogelschutzwälder aufgeteilt, ein Drittel der von Dorfkühen produzierten Milch wird vor Ort zu Käse verarbeitet, die Bewohner nutzen Solarzellen und Pelletheizungen, um Kohlendioxid einzusparen.
"Besonders der Tagestourismus ist gestiegen", freut sich Ühlin. Ein Hotel, ein Café und ein Reitstall wurden eröffnet, es gibt eine Bücherei, einen Arzt, einen Apothekendienst, und der Kindergarten ist in die Schule integriert. Selbst einen Pfarrer gibt es wieder. "Es sterben aber noch mehr Bewohner als geboren werden", sagt Ühlin. Ein Kaufhaus gibt es auch nicht mehr. "Die Herausforderungen hören nicht auf, ein Dorf ist eben nie fertig."