AFRIKA
Die Wirkung der EU-Fischereiabkommen ist umstritten
Hunger, Krieg und Verfolgung treiben Tausende Afrikaner jedes Jahr zur Flucht nach Europa. Ein weiterer Grund ist die EU-Fischerei vor ihren Küsten. Es gibt keine Statistik darüber, wie viele afrikanische Fischer zu Flüchtlingen oder Schleppern werden, weil EU-Trawler ihre Reviere vor der Küste leer gefangen haben. Béatrice Gorez von der "Coalition for fair Fisheries" (CFFA) schätzt aber, dass ein Fünftel der afrikanischen Flüchtlinge Fischerei-Migranten sind. Die EU-Kommission sieht keinen Zusammenhang zwischen ihrer Fischereipolitik und dem Flüchtlingsproblem. Das eigentliche Problem sei die illegale Fischerei vor Afrika, die stärker kontrolliert werden müsse.
Gruppen wie die CFFA oder die Hilfsorganisation Action Aid stellen die Lage anders da: Weil die europäischen Gewässer überfischt sind, schließt die EU vornehmlich mit afrikanischen Staaten Abkommen ab, um vor deren Küsten zu fischen. Die Part-nerstaaten, so beklagen die Kritiker, erhielten viel zu wenig Geld für die Fangrechte. Ein weiter Kritikpunkt sind fehlende Konzepte für den Erhalt der lokalen Fischerei mit ihren kleinen Booten, die vor Senegal schon von EU-Trawlern versenkt wurden, weil die großen Schiffe widerrechtlich in die Zwölf-Meilen-Zone vor der Küste eingedrungen sind. Darüber hinaus hat die Fischerei vor Westafrika, unterstützt durch die EU-Abkommen, so stark zugenommen, dass die einst üppigen Bestände stark geschrumpft sind. Laut Action Aid ist ein Großteil der Arbeitsplätze der senegalesischen Fischindustrie, in der ein Sechstel der Bevölkerung tätig ist, bedroht. Fischereifirmen hätten bereits 50 bis 60 Prozent ihrer Beschäftigten entlassen. Auch in Mauretanien haben viele Fischer aufgegeben. In Guinea und Guinea-Bissau ist die Situation ähnlich.
Senegal hat das Fischereiabkommen mit der EU 2006 zwar ausgesetzt, doch spanische Unternehmen haben daraufhin Joint-Ventures mit einheimischen Firmen gegründet, wodurch sie weiter auf Fang gehen können. 2008 waren nach CFFA-Angaben 62 Trawler vor Senegal unterwegs - gegenüber 30 Schiffen 2006. "Wir brauchen attraktive Fischereiabkommen, die den Ländern Geld bringen und ihre Küstenfischerei schützen", sagt Béatrice Gorez von der CFFA. "Erst dann wird sich etwas ändern. Was derzeit geschieht, ist ein Desaster."