Terrorismus
Peter Waldmanns Buch über Islamisten in Europa kann nicht überzeugen
Peter Waldmann, emeritierter Professor für Soziologie an der Universität Augsburg, hat ein weiteres Buch zum islamistischen Terrorismus veröffentlicht - versehen mit einer 18-seitigen Laudatio des Soziologen Peter Imbusch. Er kürt seinen Kollegen Waldmann, Autor von 40 "Monografien und Herausgeberschaften", zu den "bedeutendsten Gegenwartssoziologen in Deutschland". Umso erstaunter stellt der Leser bei der Lektüre von "Radikalisierung in der Diaspora" jedoch fest, dass es sich um ein an handfesten Aussagen armes Buch handelt. Waldmann begnügt sich damit, zahlreiche Veröffentlichungen zu referieren und zu interpretieren. Danach präsentiert er seine eigenen, mit vielen Fragezeichen versehenen Thesen.
Das Buch greift das in Forschung und Publizistik gut untersuchte Thema des Terrorismus, die Problematik der islamischen Diaspora und deren Radikalisierung auf. Waldmann will wissen, warum in den USA - aus Sicht der Islamisten die Verkörperung des westlichen Imperialismus - die dort beheimateten Muslime bislang keinen Terroranschlag verübten. Im Gegensatz zu ihren in Großbritannien lebenden Glaubensbrüdern. Liegen die Ursachen vielleicht in der multikulturalistischen Migrationspolitik Londons?
Wenig überzeugend klingen Waldmanns Aussagen zu den religiösen Gründen der Radikalisierung. Er belässt es dabei, die von ihm ausgewählten Schriften kritiklos nachzuerzählen: Danach ist der Islam, "verglichen mit den beiden anderen abrahamitischen Religionen, dem Judentum und dem Christentum, eine Religion, die eher auf die Herstellung von Frieden und Ausgleich ausgerichtet und um die Begrenzung der Gewalt bemüht war".
Einigen Passagen des Buches merkt man deutlich an, dass der Autor nicht qualifiziert genug ist, um mit Islam-Experten wie Olivier Roy, der über ausgezeichnete Kenntnisse der islamischen Gemeinde in Frankreich verfügt, sachkundig zu diskutieren. Dennoch meint Waldmann ihn kritisieren zu können, weil Roys Beobachtungen zur De-Islamisierung und zur Verwestlichung der zweiten und dritten Generation der islamischen Jugendlichen in Frankreich nicht zu seinen eigenen Thesen passen. Tatsächlich beschreibt Roy aber die Realität. Vielleicht sollte Waldmann einmal nach Paris oder Berlin-Kreuzberg fahren und dort mit jungen Migranten persönlich Kontakt aufnehmen. Waldmann begegnet Roy mit dem Hinweis, die Beobachtungen des Franzosen ließen sich nicht "generalisieren", schließlich gebe es zahlreiche Jugendliche aus dem islamischen Kulturkreis in Europa, die sich für den globalen Dschihad engagierten. Diese Aussage ist so allgemein gehalten, dass sie ernsthaft niemand bestreiten würde. Auch inmitten der drei Millionen Muslime in Deutschland finden sich bis zu 40.000 Islamisten.
In Waldmanns Schlussbemerkungen findet man nichts als Allgemeinplätze: Einerseits sei es richtig, dass sich die Demokratien schützen würden, andererseits seien den Möglichkeiten des Staates aber "enge Grenzen gesetzt", den Terrorismus durch vermehrte Prävention und Kontrolle zu bekämpfen. "Ein Übermaß an Repression kann sich sogar kontraproduktiv auswirken, dem militanten Radikalismus zusätzlichen Auftrieb verleihen, anstatt ihn einzudämmen." Und dann kommt das gewohnte Aber: "Auf der andere Seite darf man keine übertriebenen Hoffnungen an Verhandlungsangebote (...) knüpfen".
Wie sieht die Zukunft aus? "Wahrscheinlicher" sei es, schreibt Waldmann, dass "in der ständigen Auseinandersetzung mit dem Westen die adaptiven Kräfte die Oberhand gewinnen (...) Wie rasch dies geschieht, hängt nicht zuletzt von der Migrationspolitik in den einzelnen Ländern ab". Es sei denn, der Westen würde den Dschihadisten - wie während des Irak-Kriegs - die Chance eröffnen, die Stimmung in der Diaspora zu radikalisieren. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, muss man jedoch gewiss nicht dieses Buch lesen.
Radikalisierung in der Diaspora. Wie Islamisten im Westen zu Terroristen werden.
Murmann Verlag, Hamburg 2009; 248 S., 16 ¤