Berlin: (hib/HLE) Der von den Koalitionsfraktionen Union und SPD eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung ( 16/12852) ist von Wirtschafts- und Bankenverbänden äußerst kritisch bewertet worden. In einer Anhörung des Finanzausschusses am Montag erklärte der Zentrale Kreditausschuss, in dem die Spitzenverbände der deutschen Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken zusammengeschlossen sind, der Gesetzentwurf enthalte keine Maßnahmen zur wirksamen Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Allein das Bestehen von Geschäftsbeziehungen zum Ausland rechtfertige keine stärkeren staatlichen Kontrollen, erhöhte Mitwirkungs- und Nachweispflichten oder die Versagung beziehungsweise Kürzung des Betriebsausgaben- oder Werbungkostenabzugs.
Der Gesetzentwurf sieht unter anderem stärkere Mitwirkungspflichten von Steuerpflichtigen vor, die in Staaten, die keine Auskünfte in Steuersachen erteilen, Geschäfte machen. Diese Steuerpflichtigen sollen zur Abgabe von eidesstattlichen Versicherungen verpflichtet werden können, dass ihre Angaben vollständig sind. Werden Informationen oder die Abgabe der Versicherung verweigert, können der Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug verweigert werden. Außerdem sieht der Entwurf die Möglichkeit von Außenprüfungen ohne vorherige Begründung bei Steuerpflichtigen mit Überschusseinkünften über 500.000 Euro pro Jahr vor.
Lars Salzmann vom Bundesverband der Deutschen Industrie bezeichnet den Entwurf als in der Praxis nicht anwendbar, weil er sehr viele unbestimmte Rechtsbegriffe enthalte, was auch von mehreren Experten kritisiert wurde. Der Entwurf sei in der jetzigen Form eine "Black Box" für die deutsche Wirtschaft und führe zu einem immer weniger berechenbaren Steuerrecht. "Die Vorschläge gehen unseres Erachtens weit über das Ziel hinaus und verletzen in bedenklicher Weise rechtsstaatliche Grundsätze", erklärten die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft in einer gemeinsamen Stellungnahme. Schwierigkeiten bei der Amtshilfe mit anderen Staaten würden zum Anlass genommen, unbescholtene Steuerpflichtige, denen keine schuldhafte Pflichtverletzung vorgeworfen werden könne, zu sanktionieren. Die Regelungen könnten auch im Widerspruch zu bereits bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen stehen. Auf dieses Problem wies auch die Bundessteuerberaterkammer hin.
Dagegen erklärte Professor Lorenz Jarass (Rhein-Main-University Wiesbaden), der Entwurf stelle eine "systematische und sehr effektive Maßnahme zur Austrocknung der Steueroasen dar". Der Fall des früheren Post-Chefs Klaus Zumwinkel habe gezeigt, dass es höchst attraktiv sei, Steuern zu hinterziehen. Die Aufdeckungsquote bei Steuerhinterziehung liege im Promillebereich. Der Gesetzentwurf stelle ein Drohpotenzial zur Verfügung. Ohne dieses Drohpotenzial würden andere Länder sich kaum zu einem besseren Informationsaustausch mit den deutschen Behörden bereit finden. Auch Klaus Herrmann (Oberfinanzdirektion Koblenz) erwartet eine höhere Aufdeckungsquote bei Steuerhinterziehung, wenn der Gesetzentwurf umgesetzt wird.
Nach Auffassung des Vorsitzenden der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, ist das Gesetz "notwendig und richtig. Die steuerehrlichen Bürger haben einen Anspruch darauf, dass die steuerunehrlichen an die Kasse geholt werden", sagte Ondracez. Er berichtete von einem anonymen Schreiben von Schweizer Bankmitarbeitern, in dem von 52.000 Tarnkonten allein bei einer Bank die Rede sei. Die Existenz von Tarnkonten bestritt allerdings der Vertreter der Schweizerischen Bankiervereinigung, Urs Roth: "Es gibt keine anonymen Konten in der Schweiz." Er bezeichnete es auch als nicht akzeptabel, dass die EU mit seinem Land einen Vertrag über die Zinsbesteuerung geschlossen habe und jetzt EU-Länder im Alleingang Nachbesserungen vornehmen wollten.
Der Bund der Steuerzahler kritisierte, dass Außenprüfungen der Finanzbehörden in Zukunft ohne Begründung in Privatwohnungen vorgenommen werden könnten. Damit werde der Schutz der Privatsphäre nicht mehr ausreichend gewürdigt.
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