Berlin: (hib/TEP) Individualisierte Medizin darf nicht zu einem "Zwang zur Gesundheit" führen. Das sagte Regine Kollek, Professorin für Technikfolgenabschätzung der modernen Biotechnologie in der Medizin an der Universität Hamburg, am Mittwochnachmittag bei einem Expertengespräch zum Thema "Individualisierte Medizin und Gesundheitssystem". Kollek wies bei der Diskussion über den gleichnamigen Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag ( 16/12000) darauf hin, dass individualisierte Medizin viel mehr Eigenverantwortung der Patienten verlange. "Da entwickelt sich schnell ein Wunsch, ein Anspruch und dann auch eine Pflicht zur Gesundheitsvorsorge."
Auch die Schuldfrage spiele in diesem Zusammenhang eine Rolle: "Wenn Gesundheit die Folge eines Willens ist, dann liegt die Schuld bei den Kranken selber." Patienten müssten zudem die Potenziale der individualisierten Medizin kennen und die Diagnosen verstehen und umsetzen können. "Da sind Menschen mit einem höheren Bildungsstatus im Vorteil", sagte Kollek. Hagen Pfundner von der Roche Pharma AG forderte, dass auch die Aus- und Weiterbildung der Ärzte an die Möglichkeiten der individualisierten Medizin angepasst werden müsse, um sie richtig nutzen zu können.
Regine Kollek warnte vor den Konnotationen, die der Begriff individualisierte Medizin hervorrufe. Es gehe eben nicht in erster Linie um eine "Hinwendung zum Individuum". Vielmehr sei mit individualisiert eine auf den Einzelnen ausgerichtete Arzneimedizin gemeint. Das unterstrich auch Hugo Katus, Professor für Innere Medizin an der Universität Heidelberg. "Individualisierte Medizin hat nichts mit ganzheitlicher Behandlung zu tun", sagte er.
Die Projektleiterin des TAB-Berichts, Bärbel Hüsing, sagte, dass bislang valide Aussagen über den konkreten Nutzen von individualisierter Medizin im Allgemeinen fehlten. Allerdings, so ergänzte Ivar Roots, Professor für Pharmakologie an der Charité in Berlin, bedeute individualisierte Medizin etwa in der Brustkrebsbehandlung einen Vorteil. So sei ein bestimmtes Medikament für sieben Prozent der Brustkrebspatientinnen nicht geeignet. "Wenn die Patientinnen wissen, dass dieses Medikament ihnen nicht hilft, dann kann man ihnen ein anderes verschreiben", sagte Roots, "und sie nehmen nicht das Falsche."
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