59. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 16. September 2010
Beginn: 9.00 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Vorlagen zu erweitern:
ZP 1 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren
Ergänzung zu TOP 2
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Katrin Göring-Eckardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gesundheitliche Risiken des Drogengebrauchs verringern - Drugchecking ermöglichen
- Drucksache 17/2050 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried Hermann, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sofortiger Baustopp für Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm
- Drucksache 17/2893 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Tabea Rößner, Agnes Krumwiede, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kultur und Rundfunk nicht durch die Frequenzumstellung schädigen
- Drucksache 17/2920 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Markus Kurth, Fritz Kuhn, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Bedarfsgerechte Regelsätze und ein zuverlässiges Hilfesystem für Kinder, Jugendliche und Erwachsene statt Experimenten
- Drucksache 17/2921 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Beate Müller-Gemmeke, Fritz Kuhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kein Sachgrund, keine Befristung - Befristete Arbeitsverträge begrenzen
- Drucksache 17/2922 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Daniela Wagner, Bettina Herlitzius, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Heizkostenkomponente beim Wohngeld erhalten
- Drucksache 17/2923 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Haushaltsausschuss
g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine Leidig, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Stuttgart 21, Neubaustrecke Wendlingen-Ulm und Sparpaket der Bundesregierung
- Drucksache 17/2914 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)
Haushaltsausschuss
h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Katja Kipping, Matthias W. Birkwald, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Maßnahmen zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenz- und Teilhabeminimums
- Drucksache 17/2934 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss
i) Beratung des Antrags der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Rainer Arnold, Sören Bartol, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Kein Weiterbau von Stuttgart 21 bis zur Volksabstimmung
- Drucksache 17/2933 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)
Haushaltsausschuss
Dabei soll von der Frist für den Beginn der Beratungen, soweit erforderlich, abgewichen werden.
Außerdem mache ich auf eine nachträgliche Ausschussüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam:
Der in der 55. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden.
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die weitere Bereinigung von Bundesrecht
- Drucksache 17/2279 -
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Ausschuss für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Wir setzen die Haushaltsberatungen - Tagesordnungspunkt 1 - fort:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2011 (Haushaltsgesetz 2011)
- Drucksache 17/2500 -
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2010 bis 2014
- Drucksache 17/2501 -
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
Für die heutige Haushaltsberatung hatten wir bereits am Dienstag eine Redezeit von insgesamt siebeneinhalb Stunden beschlossen. Auch dabei soll es offensichtlich bleiben.
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, Einzelplan 09.
Das Wort erhält zunächst der Bundesminister Rainer Brüderle.
Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Aufschwung hat Flügel bekommen. Das letzte Quartal war das wachstumsstärkste seit 20 Jahren. Ganz Deutschland hat die Wirtschafts- und Finanzkrise schneller verdaut als erwartet. Es gibt zwar noch Risiken, aber wir haben die Kurve bekommen.
Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Wachstumsprognose für Deutschland in den letzten Wochen flächendeckend erhöht. Zwar wird sich die Dynamik im Herbst etwas normalisieren, doch das Bruttoinlandsprodukt könnte aufs Jahr gerechnet um deutlich mehr als 2,5 Prozent wachsen.
Das ist mehr als doppelt so viel, wie wir Anfang des Jahres prognostiziert haben.
Ich habe die Berufspessimisten noch im Ohr. Doch mit Nörgelei kommen wir nicht weiter. Deutschland braucht Zuversicht und Optimismus. Die Zuversicht ist auch berechtigt. Deutschland ist wirtschaftlich wieder die Nummer eins in Europa. Die grün-rote Laterne aus Massenarbeitslosigkeit und jahrelanger Stagnation haben wir längst abgegeben.
Unser Aufschwung ist ein Beschäftigungsaufschwung. Seit Jahresmitte 2009 hat die Beschäftigung zugenommen. Die Arbeitslosigkeit geht stetig zurück.
In Bayern und Baden-Württemberg haben wir quasi Vollbeschäftigung: eine Vier vor dem Komma. Ein Rückgang der Arbeitslosenzahl auf unter 3 Millionen im Herbst dieses Jahres ist erreichbar. Das ist enorm wichtig für die wirtschaftliche Psychologie und die Stimmung.
Das deutsche Jobwunder, wie es im Ausland genannt wurde, löst Hunderttausende persönliche Konjunkturprogramme aus. Das ist besser als jedes staatliche Konjunkturprogramm Nummer drei, vier, fünf oder sechs.
Wir müssen sogar aufpassen, dass wir nicht schon bald ein großes Fachkräfteproblem bekommen. Deshalb brauchen wir in Deutschland auch Fachkräfte aus dem Ausland. Kollege de Maizière hat von der Willkommenskultur gesprochen. Er hat recht. Wir sollten den besten Talenten der Welt den roten Teppich ausrollen.
Wir brauchen ein Umsteuern von unkontrollierter Zuwanderung in die Sozialsysteme hin zur Zuwanderungssteuerung zum Erhalt unserer Sozialsysteme.
Die sehr positive Wirtschaftsentwicklung kommt nicht von ungefähr. Die deutschen Unternehmen haben sich seit Jahren gut aufgestellt. Sie haben sich auf den wachsenden Weltmärkten hervorragend positioniert. Der Aufschwung ist exportgetrieben. Die entscheidenden Impulse kamen aus dem Export. Die Unternehmen haben in der Krise alles darangesetzt, ihre Mitarbeiter zu halten. Bei den ersten Anzeichen der Belebung konnten sie voll durchstarten. Oft haben betriebliche Bündnisse mit den Betriebsräten vor Ort das ermöglicht. Auch wenn jetzt die Lohnfindung im Aufschwung ansteht, muss das einzelbetrieblich bewertet werden. Manche Betriebe verdienen so gut, dass mehr drin ist. Bei anderen heißt es: mehr Maßhalten, damit sie ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht verlieren.
Der Aufschwung zeitigt auch Entlastungen für Bürger und Unternehmen: Circa 10 Milliarden Euro Einkommensteuerentlastung hatte das Bundesverfassungsgericht uns verordnet. 6 Milliarden Euro Entlastungen der alten Regierung haben wir beibehalten, und 8 Milliarden Euro haben wir noch draufgelegt, und zwar genau an den Stellen, wo Bürger, Mittelstand und Wirtschaft gestärkt werden. 24 Milliarden Euro steuerliche Entlastung! Das nenne ich Wachstumsbeschleunigung. So stärkt man die Binnennachfrage
und nicht durch Forderungen nach Steuererhöhungen oder die Wiederbelebung der klassenkämpferischen Vermögensteuer. Das alles sind letztlich Vorschläge, die Wachstum und Dynamik in Deutschland abwürgen. Über 80 Prozent der Unternehmen in Deutschland sind Personengesellschaften. Für sie ist die Einkommensteuer Unternehmensteuer. Diesen Gesellschaften will die SPD 50, 60 Prozent des Gewinns wegsteuern. Ein Unternehmen, das keinen Gewinn hat, kann nicht investieren. Wer nicht investieren kann, kann keine Jobs, keine Arbeitsplätze schaffen.
Diese wirtschaftspolitische Binsenweisheit kennen in der aktiven Sozialdemokratie offenbar nur noch wenige. Einem Klaus von Dohnanyi sind solche Dinge noch geläufig.
Ökonomisch sinnvolle Politik sieht anders aus. Ökonomisch sinnvolle Politik setzt auf Vorfahrt für die soziale Marktwirtschaft und ein großes Stoppschild für staatliche Eingriffe; darum geht es dieser Regierung. Wir haben entschieden, dass die Krisenmaßnahmen jetzt sukzessive auslaufen. Das fängt in der Realwirtschaft mit dem Deutschlandfonds an, und das wird sich auch in der Finanzwirtschaft - bis hin zur Commerzbank - fortsetzen. Auch beim Bundeshaushalt schalten wir vom Krisenmodus auf Wachstummodus um. Vernünftige Prioritäten setzen heißt, alle zu fordern, aber niemanden zu überfordern. Das verstehe ich unter intelligentem Sparen.
Wir bauen den Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums strukturell um, weg von überholten Subventionen, hin zu Innovation und Investition. Wir straffen die Regionalhilfen. Die Steinkohlebeihilfen werden deutlich um 10 Prozent zurückgefahren. In diesem Thema ist derzeit viel Bewegung. Wie auch immer die abschließende Haltung der Europäischen Kommission sein wird, eines ist klar: Es geht um einen Auslaufbergbau in Deutschland.
Überraschend finde ich die Reaktionen der Grünen. In Nordrhein-Westfalen kämpfen sie engagiert für die Fortführung der Kohlesubventionen bis 2018. Hier im Bundestag stellen die Grünen einen Antrag nach dem anderen auf sofortigen Ausstieg aus der subventionierten Kohle.
Der tiefere Sinn dieser ökologisch-ökonomischen Dialektik bleibt mir völlig verschlossen.
?Hauptsache dagegen? reicht nicht für die größte Volkswirtschaft Europas. Deswegen legt die Bundesregierung das erste umfassende Energiekonzept seit über zehn Jahren vor. Wir vereinen Ökonomie und Ökologie. Wir zeigen den Weg in das regenerative Zeitalter auf. Bezahlbare Energien, technologische Machbarkeit und CO2-Minderung müssen sinnvoll miteinander verzahnt werden. Dafür brauchen wir die Laufzeitverlängerung bei den Kernkraftwerken um durchschnittlich zwölf Jahre.
Meine Damen und Herren, unser besonderes Augenmerk gilt dem Mittelstand. Die anwendungsorientierten Programme für kleine und mittlere Unternehmen haben Priorität. Gerade für den Mittelstand ist die erneute hohe Förderung im Außenwirtschaftsbereich notwendig. Ich will, dass alle Programme des Bundeswirtschaftsministeriums zukünftig noch besser auf den Mittelstand zugeschnitten werden. Ich habe deshalb eine Prüfung aller Förderprogramme angeordnet; denn ich bin mir sicher: Mit dem eingesetzten Geld können wir noch mehr erreichen für den Mittelstand und noch mehr Freiheiten für Entscheidungen und für Gestaltung schaffen.
Der jetzige Aufschwung soll keine Eintagsfliege sein. Nein, es geht darum, unser langfristiges Potenzial zu erhöhen. Das ist unser Ziel. Das werden wir auch gemeinsam schaffen: für die Unternehmen, für den Mittelstand, für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - kurzum für die Menschen in unserem Land. Lassen Sie uns deshalb bei den Beratungen wie immer gut und zügig zusammenarbeiten. Das hat Deutschland verdient.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Für die SPD-Fraktion erhält nun der Kollege Hubertus Heil das Wort.
Hubertus Heil (Peine) (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Brüderle, nach Ihrer Rede kann man sagen: Man kann Ihnen viel nachsagen, aber zwei Eigenschaften nicht, nämlich Dankbarkeit und Demut. Sie sollten dankbar dafür sein, dass die Vorgängerregierung die Maßnahmen ergriffen hat, die Deutschland durch die Krise gebracht haben: die Konjunkturpakete, die Regelungen bei der Kurzarbeit. All diese Grundlagen hat die Große Koalition gelegt, und zwar auf Vorschläge von sozialdemokratischen Ministern hin, von Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Olaf Scholz. Jetzt stellen Sie fest, dass wir besser durch die Krise gekommen sind, als zu erwarten war.
Herr Minister Brüderle, Sie sollten demütig sein, weil Sie als Oppositionspolitiker gegen jede dieser Maßnahmen zu Felde gezogen sind. Herr Brüderle, Sie haben mit dem Aufschwung nichts zu tun.
Sich hier mit fremden Federn zu schmücken, ist das eine. Wenn man sich anschaut, was Sie in den letzten Monaten zustande gebracht haben, dann kann man nur sagen, das Brüderle-Prinzip sah bis dato so aus: Sie haben etwas Wildes angekündigt, aber keiner musste sich Sorgen machen, weil es doch nicht gekommen ist.
Ein Beispiel dafür gab es im Herbst letzten Jahres, als es um das Thema Kreditklemme ging. Sie schlugen wie Kai aus der Kiste vor, dass die Kreditanstalt für Wiederaufbau auch ein Hausbankprinzip haben sollte. Alle Fachleute haben den Kopf geschüttelt, aber keiner musste sich Sorgen machen; denn das war ja nur eine Ankündigung.
Ein paar Wochen später kamen Sie auf die glorreiche Idee, ein Entflechtungsgesetz für die Wirtschaft anzukündigen. Gott sei Dank ist das über den Referentenstatus nicht hinausgekommen. Daraus wird auch nichts mehr. Im Sommer dieses Jahres kündigten Sie dann ein ?Begrüßungsgeld für Gastarbeiter? an. Auch daraus ist nichts geworden.
Herr Brüderle, ich muss mich korrigieren. Wir haben Sie in den letzten Monaten immer dafür kritisiert, dass Sie nichts entschieden, sondern nur angekündigt haben. Heute muss ich aber sagen: Das ist immer noch besser als das, was Sie jetzt tun, nämlich das Falsche zu machen. Das sieht man vor allen Dingen im Bereich der Energiepolitik. Ich frage mich angesichts dessen, was Sie im sogenannten Energiekonzept machen, ob Sie bei Ludwig Erhard nur die Klappentexte gelesen haben; denn die verlängerten Restlaufzeiten für alte und abgeschriebene Atommeiler sind nichts anderes als die Verfestigung des Oligopols von vier großen Energiekonzernen. Herr Brüderle, Sie behindern Wettbewerb, und das als liberaler Minister.
Verlängerte Restlaufzeiten für alte, abgeschriebene Atommeiler behindern vor allen Dingen Investitionen in moderne Kraftwerkstechnik, auch in erneuerbare Energien. Wenn Sie das nicht glauben, dann schauen Sie sich an, was die kommunale Energiewirtschaft zu diesem Thema zu sagen hat.
Herr Brüderle, vor allem reicht es überhaupt nicht, sich nur über den Aufschwung zu freuen. Auch wir freuen uns über den Aufschwung. Sie tun aber nichts dafür, dass es ein langfristiger Aufschwung, ein nachhaltiger Aufschwung, ein Aufschwung für alle Menschen in diesem Land, nicht nur für wenige, wird. Sie haben eben eingeräumt, dass der jetzige Aufschwung exportgetrieben ist, weil unsere deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähig ist. Mit den deutschen Produkten, Verfahren und Dienstleistungen sind wir auf den Märkten der Welt erfolgreich.
- Nein, wegen sozialdemokratischer Politik, Herr Kollege. Wir haben die notwendigen Reformen durchgesetzt, die Sie damals in diesem Hause bekämpft haben. Ich kann mich sehr gut daran erinnern. Den Mut, den wir hatten und für den wir viel Prügel bekommen haben, haben Sie nicht.
Wir haben mitgeholfen, dass die deutsche Wirtschaft im Export erfolgreich sein kann. Es ist aber festzustellen, dass Sie ein Problem der deutschen Wirtschaft vollständig aussparen, nämlich dass die Binnennachfrage in diesem Land zu schwach ist. Die Binnennachfrage hängt von privaten und öffentlichen Investitionen ab. Wir brauchen eine höhere Investitionsquote. Ein weiterer Faktor ist die Kaufkraft in diesem Land. Wenn man einen Blick in den Bundeshaushalt wirft, dann fällt auf, dass Sie gerade im Bereich der Investitionen Maßnahmen ergriffen haben, die dazu angetan sind, ganze Wirtschaftszweige zu beschädigen. Wie kommen Sie eigentlich auf die Idee, Mittel für die energetische Gebäudesanierung zu kürzen? Das ist ein Bereich, in dem wir Energiesparen mit sozialer Politik verbinden und gleichzeitig dem Bauhandwerk und der Bauindustrie Impulse geben können. Das ist ein sehr gutes Programm, aber Sie machen es kaputt.
Wie kommen Sie auf die Idee, Mittel für die Städtebauförderung zu kürzen? Unterhalten Sie sich doch einmal mit der Bauindustrie, dem Bauhandwerk und den Kommunen. Jeder in diesem Bereich eingesetzte Euro ist eine sinnvolle Investition, weil durch diese Programme das Achtfache an privaten und öffentlichen Investitionen ausgelöst wird. In Sachen Kaufkraft sprechen Sie, Herr Minister, auf einmal davon, dass man intelligente Tarifabschlüsse braucht. Das wissen auch Arbeitgeber und Gewerkschaften, dafür brauchen sie keinen Brüderle.
Tatsache ist: Wir müssen etwas dafür tun, damit die Kaufkraft in diesem Land wächst und Nachfrage erzeugt wird. Es gilt das alte Wort von Henry Ford: Autos kaufen keine Autos. -
Wenn die Wirtschaft wächst, muss man dafür sorgen, dass auch die Kaufkraft wieder stärker wächst. Die erste Voraussetzung dafür ist, einen Mindestlohn einzuführen, damit Menschen von ihrer Arbeit leben können. Wir könnten uns 11 Milliarden Euro im Haushalt von Frau von der Leyen sparen, wenn wir nicht ergänzendes Arbeitslosengeld II zahlen müssten.
Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass die Kaufkraft nicht weiter eingeschränkt wird, wie Sie das gerade machen.
Herr Minister Brüderle, zusammenfassend muss man feststellen, dass Sie zwar launige Reden auf öffentlichen Veranstaltungen halten, aber bisher so gut wie kein Gesetz zustande gebracht haben. Das Entflechtungsgesetz ist die einzige Reform, die Sie auf den Weg gebracht haben, aber auch die ist im Sand verlaufen. Jetzt versuchen Sie, den Schalter umzulegen. Sie behaupten, die wirtschaftliche Entwicklung, die dem Export und den Entscheidungen der Vorgängerregierung zu verdanken ist, sei Ihr Verdienst. Das glaubt Ihnen kein Mensch. Sie meinen, sich jetzt gegen den früheren Minister für Reaktorsicherheit, Herrn Röttgen, in der Energiepolitik durchsetzen zu müssen. Sie verwechseln an diesem Punkt aber Energie- und Wirtschaftspolitik mit Klientelpolitik.
Die Verlängerung der Restlaufzeiten - ich sage es Ihnen noch einmal - ist nicht nur aus Gründen der Energiesicherheit fragwürdig, sondern auch aus Gründen der Reaktorsicherheit.
Es ist nicht nur ein Ding der Unmöglichkeit, weil das Problem der Endlager nirgendwo hinreichend gelöst ist, Sie aber dafür sorgen, dass es mehr Atommüll gibt, sondern auch deshalb, weil es handfeste wirtschaftliche Gründe gibt, warum die Verlängerung von Restlaufzeiten für alte, abgeschriebene Atommeiler keine gute Idee ist. Die Verlängerung verhindert Investitionen in moderne Kraftwerkstechnik und erneuerbare Energien. Ich sage es Ihnen noch einmal: Sie machen das Geschäft von vier großen Konzernen zulasten des Wettbewerbs im Energiesektor. Deren Profite haben Sie im Blick, aber nicht das volkswirtschaftliche Wohl. Das ist eines Bundeswirtschaftsministers nicht würdig, zumal wenn er in der Tradition von Ludwig Erhard und Karl Schiller stehen will, was Sie immer vorgeben.
Herr Brüderle, Sie sind bisher gut im Ankündigen gewesen. Bitte, bleiben Sie dabei! Denn es ist schlimmer, wenn Sie versuchen, tatsächlich Politik zu beeinflussen. Das zeigt sich wieder dieser Tage beim Energiekonzept. Es gibt keine Vorstellung davon, wie Deutschland auf einen nachhaltigen Wachstumspfad kommen soll, wie wir wettbewerbsfähig bleiben und wie wir neben einem starken Auswärtsspiel ein starkes Heimspiel auf dem Binnenmarkt organisieren können. Es gibt über die Tatsache, dass Sie immer davon sprechen, dass ein Fachkräftemangel in diesem Land droht, und Broschüren und Flugblätter Ihres Ministeriums hinaus keine Vorschläge, wie dieser Entwicklung zu begegnen ist.
Sie behaupten, Sie würden im Bundeshaushalt bei der Bildung nicht kürzen. Das ist falsch; denn Sie haben mit den Klientelgeschenken, die Sie beispielsweise den Hoteliers gegeben haben - es war Ihr Herr Burgbacher in Ihrem Ministerium, Herr Minister Brüderle, der diesen Unsinn mit der ?Hotelsteuer? angerichtet hat -, die öffentlichen Finanzen, vor allen Dingen von Kommunen und Ländern, geschädigt. Dort kann man nun eben weniger in Bildung investieren. Ich weiß gar nicht, warum Sie diesen Zusammenhang nicht begreifen.
Sie können nicht über Fachkräftemangel jammern und gleichzeitig veranlassen, dass der Staat im Bereich Bildung weniger Geld zur Verfügung stellt. Das ist nicht in Ordnung. Stattdessen sollten Sie in diesem Bereich etwas tun. Nicht ein Begrüßungsgeld für sogenannte Gastarbeiter brauchen wir, sondern vor allen Dingen erst einmal Investitionen in die Köpfe und Herzen der jungen Menschen in diesem Land, egal ob mit Migrationshintergrund oder nicht.
Kümmern Sie sich darum! Sie hätten die Gelegenheit.
Sie haben nicht angesprochen, dass es immer noch 70 000 junge Menschen sind, die Jahr für Jahr in Deutschland die Schule ohne schulischen Abschluss verlassen. Wir haben auf dem Arbeitsmarkt eine Entwicklung zu gewärtigen, die in ganzen Regionen zu einem wirtschaftlichen Problem wird. Es gibt einen gespaltenen Arbeitsmarkt: auf der einen Seite Fachkräftemangel, auf der anderen Seite viele junge Menschen - im Übrigen auch ältere Menschen -, die in Langzeitarbeitslosigkeit landen, weil sie den Einstieg in den Arbeitsmarkt nicht geschafft haben. Wo ist die Initiative des Bundesministers für Wirtschaft und der Bundesministerin für Arbeit, um diesem Fachkräftemangel entgegenzuwirken? Wo sind die Maßnahmen, die wir brauchen, um denjenigen, die erst einmal durchgefallen sind, eine zweite und eine dritte Chance zu geben?
Ich habe Sie bei der Verleihung des Gründerpreises gehört. Sie haben immer viel davon geredet. Aber wo sind die konkreten handfesten Ansätze? Ein Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland sollte kein Grußaugust sein, sondern ein Innovator, einer, der Impulse gibt, der den Finger in die Wunde legt, der Vorschläge und Konzepte auf den Tisch bringt und sich nicht in Dampfplauderei auf öffentlichen Veranstaltungen ergeht, Herr Minister Brüderle.
Herr Brüderle, wir werden in diesem Haus, im Ausschuss und auch im Plenum, konkrete Vorschläge machen.
Sie mögen sich hinstellen und alte Vorurteile über Sozialdemokraten verbreiten,
weil es in Ihr beschränktes FDP-Weltbild passt. Aber die Menschen in diesem Land spüren, dass bei der FDP das, was sie für sich reklamiert, nämlich Politik aufgrund wirtschaftlicher Kompetenz, verwechselt wird mit Politik für wenige zulasten von vielen,
Politik für Pharmakonzerne verwechselt wird mit der Sicherung des Gesundheitswesens, Politik für große Hotelketten verwechselt wird mit Initiativen zur Belebung des Tourismus in Deutschland, Politik für große Energiekonzerne, vier Stück, und deren Profite
verwechselt wird mit Politik für einen modernen Energiebereich. Klientelpolitik statt gemeinwohlorientierte Politik, Einzelinteressen statt volkswirtschaftlicher Nutzen, kurzfristige Ankündigungen statt langfristiges Wachstum - diese kurzatmige Politik à la Brüderle ist schon heute gescheitert. Die Menschen sehen das auch so. Sie als FDP werden das nicht nur bei den nächsten Wahlen erleben, sondern erleben das schon jetzt täglich. Sie haben jegliche Glaubwürdigkeit im Bereich der Wirtschaftspolitik verspielt, Herr Minister Brüderle.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Michael Fuchs für die CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Heil, wenn man das Unheil hört, das Sie hier von sich gegeben haben,
kann einem eigentlich nur schlecht werden.
Sie haben bei den Konjunkturpaketen mitgearbeitet - da gebe ich Ihnen recht -,
Sie haben mit uns einiges mit umgesetzt,
aber jetzt sind Sie gerade dabei, alles wieder zurück auf null zu drehen. Ihr Vorsitzender hat soeben beschlossen, dass man die Rente mit 67, die er selber im Kabinett mit beschlossen hat, wieder zurücknehmen sollte. Was ist das für eine Politik? Sie wissen überhaupt nicht, was Sie wollen. Vor vier Jahren haben Sie gesagt: ?Wir brauchen die Rente mit 67; das ist notwendig?, und haben mit uns verantwortungsvolle Politik gemacht. Jetzt können Sie das nicht mehr, weil wir nicht mehr an Ihrer Seite sind. Sie tun mir leid.
Wenn ich mir anschaue, wie die wirtschaftliche Situation sich darstellt, kann ich eigentlich verstehen, dass die Opposition so gequält guckt. Sie guckt deswegen so gequält, weil sie die Zahlen, die wir jetzt erreicht haben, nie erreicht hätte.
Die christlich-liberale Koalition ist der Garant dafür, dass es bei Wachstum und Beschäftigung in Deutschland wirklich vorwärtsgeht. Die EU hat gerade eine Wachstumsprognose für dieses Jahr für uns aufgestellt: 3,4 Prozent Wachstum hätte uns doch vor einem halben Jahr keiner zugetraut. Ich weiß noch, als der Bundeswirtschaftsminister am Anfang des Jahres zögerlich mit 1,4 Prozent plante. Das war sehr niedrig angesetzt, aber wir wollten vorsichtig sein. Jetzt sind wir auf einem Weg, den einzuschlagen uns wirklich keiner in ganz Europa zugetraut hat.
Natürlich haben wir Glück, weil der Export boomt. Das hat auch etwas mit dem weicheren Euro zu tun; so weich ist er allerdings gar nicht: Gestern lag er im Verhältnis zum Dollar bei 1,29. Das ist eine mittlere Zahl und ein vernünftiger Durchschnitt. Es hat auch etwas damit zu tun, dass der Binnenmarkt angesprungen ist. Auch das hätte eigentlich kein Mensch geglaubt. Frau Lagarde hat uns ja vor nicht allzu langer Zeit noch aufgefordert, etwas mehr für den Binnenmarkt zu tun. Ich glaube, die Franzosen wären verdammt froh, wenn sie unser Binnenmarkt- und Exportwachstum hätten. In Frankreich liegt das nämlich bei 1,7 Prozent; bei uns lag es im zweiten Quartal dieses Jahres bei 3,7 Prozent. Kein Industrieland in der Welt, auch nicht die USA, hat solche Wachstumsperspektiven, wie wir sie zurzeit haben. Das sollte man einmal ganz deutlich sagen.
Das Weltwirtschaftsforum in der Schweiz hat gerade festgestellt, dass Deutschland hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit auf Platz eins in Europa liegt. Die deutsche Wirtschaft hat ihre Hausaufgaben gemacht, die Arbeitgeber haben ihre Hausaufgaben gemacht und zusammen mit den Gewerkschaften dafür gesorgt, dass es wieder Wachstum in Deutschland gibt. Als wir im letzten Jahr beim Wachstum ein Minus von fast 5 Prozent hatten, konnte sich kaum einer vorstellen, dass wir so schnell wieder aus dieser Krise herauskommen. Das hat kein anderes Land geschafft.
Das beste Konjunkturprogramm, Herr Heil, das Sie völlig ausgeblendet haben, ist die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze,
Leuten, die Chance zu geben, am Wirtschaftswachstum teilzuhaben.
Wir haben mittlerweile nur noch 3 Millionen Arbeitslose. Als Schröder aufgehört hat, waren es 5 Millionen. Sie konnten es nicht. Sie haben uns gebraucht.
Auf dem Weg dahin haben wir mit Ihnen richtige Entscheidungen getroffen.
Aber mittlerweile wird es noch besser; denn wir können darauf hoffen, dass die 3-Millionen-Grenze bei den Arbeitslosen vielleicht schon im September nach unten durchbrochen wird. Das hieße, dass wir dann die niedrigste Arbeitslosenquote seit der Wiedervereinigung haben würden. Das ist wirklich eine Erfolgsgeschichte. Da können Sie erzählen, was Sie wollen.
Ich weiß, dass Sie das nicht gerne hören.
Aber das ist das beste Konjunkturprogramm für alle.
Schauen wir uns einmal die Arbeitslosenquoten weltweit in den großen Industrieländern an: Bei der EU-27 liegt sie bei 9,2 Prozent, in Spanien bei 18,7 Prozent, in Frankreich bei 9,6 Prozent und in den USA, wo sie bisher immer deutlich unter der unsrigen gelegen hat, bei 9,7 Prozent, während sie in Deutschland zurzeit bei 7,6 Prozent, Tendenz fallend, liegt. Man spricht im Ausland vom ?German Job Wonder?. Das ist mehr als positiv. So sollten wir das jedenfalls sehen. Wenn wir weiterhin die richtigen Entscheidungen treffen, dann funktioniert das auch noch länger.
Wir haben richtige Entscheidungen getroffen, von denen Sie heute vielfach gar nichts mehr hören wollen. Sie haben ja noch mit uns das Bürgerentlastungsgesetz auf den Weg gebracht. Wir haben dieses um das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ergänzt. Beide Gesetze zusammen haben dazu geführt, dass wir sowohl beim Binnenwachstum als auch bei der wirtschaftlichen Entwicklung wieder nach vorn kommen. Das ist in Ordnung. Das brauchen wir so.
Es war auch richtig, die Rettungsschirme, die wir für Griechenland und den Euro gespannt haben, zu beschließen. Sie als Opposition aber haben diesen Rettungsschirmen Ihre Zustimmung verweigert.
Das war falsch. Sie sehen ja jetzt - -
- Es stimmt, nicht alle. In diesem Falle haben Sie sich sogar ausgesprochen positiv verhalten, Frau Künast. Das möchte ich loben. Entschuldigung! Aber die Herrschaften auf der linken Seite des Hauses haben sich verweigert, und das war falsch.
Die Weltwirtschaft wächst in diesem Jahr um 4 Prozent. Wenn es uns tatsächlich gelingt, ein Wirtschaftswachstum in einer Größenordnung von 3,4 Prozent, wie es uns die OECD voraussagt, zu erzielen, dann wäre dieses Jahr das erste Jahr seit annähernd 20 Jahren, wo wir ungefähr im Gleichschritt mit der Weltwirtschaft wachsen. Auch diese positive Entwicklung hat uns keiner zugetraut.
Die Binnennachfrage ist ausgesprochen stark. Warum? Weil wir eine Menge an Maßnahmen im Wachstumsbeschleunigungsgesetz ergriffen haben - Sie, Herr Heil, hören das ja nicht so gerne -, die für die Bürgerinnen und Bürger positiv waren. Wir haben die Kinderfreibeträge und das Kindergeld erhöht und dafür gesorgt, dass die Krankenkassenbeiträge steuerlich absetzbar sind.
Wir haben Familien mit Kindern um 4,6 Milliarden Euro entlastet. Außerdem haben wir etliche Maßnahmen für die Unternehmen ergriffen, um das zu korrigieren, was wir aufgrund Ihrer falschen Positionen in der letzten Regierung falsch gemacht haben. Beispielsweise sind die geringwertigen Wirtschaftsgüter jetzt wieder voll steuerlich absetzbar, wie das von Anfang an der Fall war. Das war richtig.
Das Ganze haben wir parallel zu einem sehr ambitionierten Programm gemacht. Der Finanzminister hat vollkommen recht: Wir müssen den Pfad der Konsolidierung des Haushaltes einhalten. Ich erinnere daran: Als Herr Steinbrück letztes Jahr den ersten Entwurf des Haushaltes für dieses Jahr vorgelegt hat,
waren darin noch 86 Milliarden Euro Neuverschuldung enthalten. Wir werden, lieber Herr Finanzminister Schäuble, dieses Jahr auf rund 60 Milliarden Euro kommen. Wir machen dies, weil Konsolidierung unser zentrales Ziel ist, das wir dringend erreichen müssen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Lieber Kollege Fuchs, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Peter Friedrich?
Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU):
Von mir aus.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Bitte schön.
Peter Friedrich (SPD):
Lieber Kollege Fuchs, danke, dass Sie mir Gelegenheit zu einer Frage geben.
Sie haben gerade davon gesprochen, dass es Konsolidierungsanstrengungen brauchte. Zuvor haben Sie Ihr sogenanntes Wachstumsbeschleunigungsgesetz gelobt. In diesem Gesetz ist der abgesenkte Mehrwertsteuersatz für die Hotellerie enthalten. Knapp 1 Milliarde Euro hat es gekostet. Dieses Geld steht jetzt nicht mehr für die Konsolidierung zur Verfügung. Ich frage Sie, wie Sie folgenden Satz, der von der DEHOGA stammt, beurteilen - ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten -: Mit 208 Millionen Euro lag das konkret belegbare Investitionsvolumen der einheimischen Hotellerie bereits Anfang August deutlich über dem Niveau kompletter Normaljahre von 118 Millionen Euro. - Müssen wir das so verstehen, dass Sie 1 Milliarde Euro eingesetzt haben, damit 100 Millionen Euro an zusätzlichen Investitionen auf den Weg gebracht werden? Halten Sie das für eine sinnvolle Wirtschafts- und Konjunkturpolitik?
Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU):
Wir haben gesagt - das ist Ihnen bekannt -, dass wir die Regelungen zu den Mehrwertsteuersätzen in einer Kommission komplett überarbeiten werden.
Wir werden uns dann ansehen, ob das vernünftig war. Wenn die Zahlen so sind, wie Sie sie gerade genannt haben, dann wurde eben nicht ausreichend investiert. Gestern Abend hat mir der Präsident der DEHOGA mitgeteilt, es seien bereits 750 Millionen Euro investiert worden. Wir wollen die Zahlen überprüfen und abwarten, was am Ende des Jahres dabei herauskommt.
Wir haben das Konsolidierungsprogramm auf den Weg gebracht. Ich möchte einige Zahlen nennen, die zeigen, dass Ihre Argumentation, dieses Programm habe eine gewaltige soziale Schieflage, völlig aus der Luft gegriffen ist. Im Jahr 2000 - damals regierte Gerhard Schröder - betrug der Anteil der sozialen Sicherung am Bundeshaushalt 41,2 Prozent. Letztes Jahr, als wir noch gemeinsam regierten, Herr Heil, betrug er rund 50,3 Prozent. In diesem Jahr beträgt er 54,5 Prozent. Das heißt, noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hatten wir einen solch hohen Anteil der sozialen Sicherung wie jetzt. Dann von sozialer Schieflage zu sprechen, halte ich schon für sehr verwegen.
Am Sparpaket hat der Bereich Soziales einen Anteil von etwa einem Drittel. Aber der Anteil am Haushalt liegt über 40 Prozent. Das heißt, wir sparen im sozialen Bereich unterproportional im Vergleich zu allen anderen Bereichen. Das ist richtig und eine vernünftige Politik, die wir da machen. Das soll auch so bleiben.
Wenn ich die Opposition predigen höre, wir müssten noch mehr Deficit Spending machen - diese Forderung kommt vor allen Dingen vom ganzen linken Teil dieses Hohen Hauses -, dann kann ich mich nur noch wundern. Sie haben Keynes anscheinend nur bis zum ersten Kapitel gelesen. Im zweiten Kapitel sagt er genau, was man in Aufschwungphasen tun sollte. Sie sollten das ganze Buch lesen; das hilft Ihnen weiter.
Was wir in der Energiepolitik machen, ist verantwortliche Politik. Ich halte es für richtig, dass wir die Laufzeiten um durchschnittlich zwölf Jahre verlängern. Ich halte es auch für richtig, dass wir die großen Erträge in hohem Maße abschöpfen.
In den ersten zwei Jahren zahlen die Kernkraftwerksbetreiber 2,6 Milliarden Euro pro Jahr. 2,3 Milliarden Euro gehen direkt in den Haushalt und 300 Millionen Euro in den Fonds. In den vier Folgejahren zahlen sie 2,5 Milliarden Euro, wovon wiederum 2,3 Milliarden Euro in den Haushalt und 200 Millionen Euro in den Fonds fließen.
Wir sind auf diese Art in der Lage, viel Geld in den Einstieg in erneuerbare Energien, in Speichertechnologien, in Forschung, in Netzausbau etc. zu investieren.
Zum Thema Netzausbau darf ich Ihnen einmal eines sagen: Sie alle fordern hier erneuerbare Energien. Auch ich tue das; ich finde das auch richtig. Nur, wir wissen, dass erneuerbare Energien dezentral entstehen.
Wenn Sie dezentral entstehen, dann brauchen wir Leitungsnetze, damit sie dahin kommen, wo sie gebraucht werden.
Und wer macht etwas gegen Leitungsnetze? Verehrte Frau Künast, kommen Sie in meinen Wahlkreis. Da soll eine 380-kVA-Leitung gebaut werden. Wer ist dagegen, dass diese Leitung gebaut wird?
Die Grünen, Greenpeace, NABU, BUND. Das ist doch keine verantwortliche Politik. Dann gehen Sie bitte hin und fördern mit uns den Leitungs- und Netzbau, und versuchen Sie nicht, ihn zu verhindern.
Ich sage Ihnen noch eines. Wir wollen Offshorewindanlagen bauen. Dafür bin ich absolut. Da stören sie nicht; da sieht man sie nicht. Sie sind irgendwo draußen. Das ist eine komplizierte Geschichte und sehr teuer. Auch das wird in Zukunft mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz gefördert werden. Aber der Strom wird nicht in der Nordsee gebraucht. Nach meiner Kenntnis lieben Fische keinen Strom.
Wenn es uns nicht gelingt, ein vernünftiges Leitungsnetz von der Nordsee und der Ostsee in die Gegenden zu bauen, in denen wir den Strom brauchen - zum Beispiel in das Ruhrgebiet oder nach Bayern, wo man heute noch 65 Prozent Kernkraftstrom nutzt -, dann funktioniert das ganze System nicht. Deswegen brauchen wir ein Leitungsnetz, das wirklich vernünftig ist. Dieses Leitungsnetz müssen wir aufbauen. Ich erwarte von den Grünen, dass sie ihre Kameraden in den Ländern zurückpfeifen und dafür sorgen, dass diese Dinge auch umgesetzt werden können.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Fuchs, darf Ihnen der Kollege Lenkert noch eine Zwischenfrage stellen?
Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU):
Nein, es reicht jetzt. - Wir werden durch diese Möglichkeiten auch in der Lage sein, den Strompreis in Schach zu halten. Es ist in den Energieszenarien, die wir erstellt haben, bewiesen, dass der Strompreis sinken wird und dass die erneuerbaren Energien besser ausgebaut werden.
Das ganze Geschwätz, dass der Kernkraftstrom die Leitungen verstopfen würde, zeigt doch, dass entweder keinerlei Ahnung vorhanden ist oder demagogisch falsch argumentiert wird.
Wie soll denn, bitte schön, Atomkraft die Leitungsnetze verstopfen, wenn erneuerbare Energien einen Leitungsvorrang haben?
Die erneuerbaren Energien werden zuallererst durchgelassen, und nichts anderes passiert. Das wissen Sie ganz genau. Deswegen sollten Sie hier auch nicht solche Unwahrheiten verbreiten; denn das verunsichert die Bevölkerung. Wir wollen der Bevölkerung Sicherheit geben. Wir wollen dafür sorgen, dass die erneuerbaren Energien ausgebaut werden, aber zu Preisen, die die Bürgerinnen und Bürger bezahlen können,
und vor allen Dingen zu Preisen, die die Unternehmen nicht aus Deutschland vertreiben. Das ist uns wichtig. Wir brauchen in Deutschland die Industrie.
Mein Bild von Deutschland ist ein Industrieland. Wir sind deswegen so gut aus der Krise gekommen, weil unsere Industrie Arbeitsplätze aufgebaut hat und weiter gewachsen ist, und das muss auch so bleiben.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Für eine Kurzintervention erhält der Kollege Lenkert das Wort.
Ralph Lenkert (DIE LINKE):
Herr Kollege Fuchs, eine kurze Frage: Ist Ihnen bekannt, dass die Netzbetreiber verpflichtet sind, eine Leitung zu legen, egal wohin ein Kraftwerksbetreiber sein Kraftwerk bauen will, dass dies volkswirtschaftlich relativ sinnlos ist und dass es in früheren Zeiten, bevor Sie Netze und Betreiber getrennt haben, üblich war, die Kraftwerke zum einen dorthin zu bauen, wo Strom gebraucht wurde, damit man nicht so viele Leitungen bauen musste, und zum Zweiten, wo Leitungen frei waren? Dieses Prinzip ist außer Kraft gesetzt. Würden Sie mir zustimmen, dass das natürlich die Akzeptanz der Bevölkerung für Leitungsneubauten deutlich reduziert?
Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU):
Ist Ihnen denn bekannt, dass Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien dort gebaut werden, wo der Betreiber es wünscht, dass deshalb natürlich Netze vorhanden sein müssen? Wir haben einen Einspeisevorrang für erneuerbare Energien; die Netze müssen ihn gewährleisten.
Ich halte es übrigens für richtig, dass die Netzbetreiber von den Kraftwerksbetreibern getrennt sind. Dieses Unbundling ist auch europäische Politik. Die Grünen sollten sich damit beschäftigen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich vermute, dass ein größerer Teil dieser außergewöhnlich geistreichen wechselseitigen Zwischenrufe gar nicht das Protokoll erreichen, sodass sich für einen solchen Fall eine rechtzeitige Absprache empfiehlt, damit sie überhaupt aufgenommen werden können.
Nun hat die Abgeordnete Sahra Wagenknecht für die Fraktion Die Linke das Wort.
Sahra Wagenknecht (DIE LINKE):
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn eine Regierung jeden Bezug zur Realität verliert,
ist das in der Regel nicht besonders gut für das Land.
Herr Brüderle, Sie träumen vom Wirtschaftsaufschwung mit Flügeln. Ich will Ihnen nicht Ihre Träume nehmen; aber eigentlich sollten Sie wissen, auf welch wackeligen Fundamenten das Wachstum, das wir aktuell in Deutschland haben, beruht. Sie träumen von einem Jobwunder, aber wissen ganz genau, dass Sie die Statistik fälschen, weil Sie etwa 1 Millionen Menschen, die in diesem Lande verzweifelt nach Arbeit suchen, schlicht nicht mehr erfassen und einrechnen.
Noch eine andere Zahl ist interessant: Die Summe der Löhne und Gehälter liegt heute in der Bundesrepublik inflationsbereinigt auf dem Niveau von 1991. Das muss man sich einmal vergegenwärtigen. Diese Zahl ergibt sich trotz der ganzen gefeierten tollen neuen Jobs, die angeblich geschaffen wurden: Billigjobs, Minijobs sowie Leiharbeit, die wieder auf Vorkrisenniveau boomt. All das sind Jobs, von denen Menschen eben nicht leben können. Das ist das Grundproblem.
Im Gegenzug sind die Einkommen aus Gewinnen und Vermögen in diesem Jahr schon wieder nach oben geschossen, und zwar um 22 Prozent. Herr Brüderle, das ist Ihr Aufschwung, aber er trägt nicht. Denn diejenigen, die diese dicken Einkommen beziehen, schieben das Geld nur in die Finanzmärkte, während der Binnenmarkt und der Konsum unverändert am Boden liegen.
Gerade deshalb ist Ihr Sparpaket eben nicht nur ein sozialer Skandal, sondern auch ein wirtschaftspolitischer Irrsinn. Sie können doch nicht im Ernst glauben, dass Sie die Wirtschaft dadurch stabilisieren, dass Sie denen, die nun wirklich jeden Euro für ihre dringendsten Lebensbedürfnisse brauchen, das letzte Geld aus der Tasche ziehen.
Hören Sie doch endlich auf, uns zu erzählen, das sei ein Sparpaket. Sie sparen doch gar nicht. Die annähernd 40 Milliarden Euro, die Sie Hartz-IV-Empfängern, Arbeitslosen und Geringverdienern in den nächsten Jahren aus der Tasche ziehen wollen, haben Sie doch schon vorab bei der HRE versenkt.
Das ist doch keine Sparpolitik. Das machen Sie wirklich: Sie arbeiten daran, den Sozialstaat im Interesse einer ungebremsten und ungehemmten Profitmacherei endgültig zu entsorgen. Das ist doch das, was hier läuft; das läuft leider seit Jahren in diesem Land.
Ich muss allerdings auch sagen, dass ich immer wieder wirklich verblüfft bin, mit welcher Selbstgefälligkeit die SPD hier den Robin Hood der sozial Entrechteten gibt. Ja, wann hat das denn alles angefangen mit Billigjobs, Rentenkürzungen, Leiharbeit und Hartz IV?
Das alles fing doch im Wesentlichen bei Ihnen an, unter Rot-Grün: Arbeitslose werden in übelster Weise gedemütigt, Banken finanzieren lieber Finanzwetten als innovative Mittelständler, die Löhne sinken,
Dividenden sind wichtiger als Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Die Weichen in diese Sackgassen wurden doch im Wesentlichen unter Beteiligung der SPD gestellt.
Nun will ich jeder Partei zubilligen, dass sie sich korrigieren kann.
Das Erschreckende ist aber: Sie korrigieren sich gar nicht. Sie tun einfach nur so, als hätten Sie mit dem in diesem Lande angerichteten sozialen Desaster einfach nichts zu tun. Da kann ich Sie nur fragen: Merken Sie überhaupt nicht, wie unglaubwürdig diese Inszenierung ist, die Sie hier immer wieder abziehen?
Ich komme zurück zur Regierung. Für Walter Eucken,
einen der geistigen Väter des Konzepts der sozialen Marktwirtschaft - den Sie wahrscheinlich alle wieder nicht gelesen haben -,
war das Prinzip der Haftung die Voraussetzung für eine funktionierende Wettbewerbsordnung. Eucken wörtlich: ?Wer den Nutzen hat, muss auch den Schaden tragen.? Herr Brüderle, wir verlangen nicht, dass Sie auf uns, die Linke, hören, aber hören Sie wenigstens auf Walter Eucken und sorgen Sie dafür, dass diejenigen, die aus der Spekulationsparty und dem Dividendenregen den Nutzen gezogen haben, jetzt auch den Schaden tragen und nicht Arbeitslose und Geringverdiener.
Aber diese Regierung hat noch nicht einmal das Kreuz, eine Politik zu machen, wie sie im Sinne von Walter Eucken wäre.
Kennen Sie übrigens den Urheber von folgendem schönen Satz:
Der Tatbestand der sozialen Marktwirtschaft ist ? nur dann als voll erfüllt anzusehen, wenn entsprechend der wachsenden Produktivität ? echte Reallohnsteigerungen möglich werden.
Es ist schon interessant, dass niemand auf die Idee kommen würde, diesen Satz irgendeinem Mitglied der aktuellen Bundesregierung zuzuordnen. Der Satz stammt von Ludwig Erhard. Wenn man seine Aussage ernst nimmt, dann ist völlig klar, dass wir in unserem Lande seit vielen Jahren definitiv keine soziale Marktwirtschaft mehr haben. Was wir tatsächlich haben, ist ein gewissenloser und zunehmend rabiater Kapitalismus, von dessen wenigen Profiteuren Sie sich die Agenda Ihrer Politik diktieren lassen: von der Atomlobby, von den Banken, von den Konzernen und von einer kleinen steinreichen Oberschicht, die Sie alle, wie Sie hier sitzen - von SPD und Grünen bis FDP und CDU/CSU -,
mit Ihrer neoliberalen Politik gemästet haben und immer noch mästen.
Das ist das Grundproblem. Das ist schlimm für die Demokratie und gefährlich für die Zukunft. Es wird Zeit, dass sich die Menschen gegen Ihre verhängnisvolle Politik mit gleicher Vehemenz zur Wehr setzen, wie es die Stuttgarter gegenwärtig mit gutem Grund bei diesem aberwitzigen Tunnelbahnhof tun.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort jetzt dem Kollegen Fritz Kuhn für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Wagenknecht, eine Partei bzw. eine Fraktion, die sich in den letzten Monaten nur mit den Reallohnsteigerungen ihres Vorsitzenden beschäftigt hat und mit sonst gar nichts, sollte etwas weniger aufs Blech hauen, als Sie es gemacht haben.
Herr Brüderle, zu dem, was Sie vorgetragen haben, kann ich nur sagen: Ich muss mich schon wundern. Selten hat sich ein Minister, der in dem bis jetzt knapp einen Jahr seiner Amtszeit so gut wie nichts gemacht hat - bisher haben Sie nur Ankündigungen gemacht -,
die wirtschaftliche Entwicklung so sehr auf die Fahnen geschrieben, wie Sie das eben getan haben. Alle Experten im In- und Ausland schreiben,
dass der Umstand, dass wir schneller bzw. gut aus der Krise gekommen sind, im Wesentlichen arbeitsmarktbegründet ist. Das hat mit der Kurzarbeiterregelung und den Konjunkturprogrammen zu tun. Gegen beides sind Sie kräftig zu Felde gezogen.
Ihr Weltbild ist klar: Geht es der Wirtschaft schlechter, ist Rot-Grün schuld; geht es der Wirtschaft besser, sind Sie dafür verantwortlich.
- Das ist das Schöne bei euch. Solange ihr das glaubt, seid ihr harmlos ohne Ende. Ihr solltet euch aber gelegentlich mit der Frage beschäftigen, wieso ihr von rund 14 Prozent auf etwa 5 Prozent geschrumpft seid, wo doch der Aufschwung so großartig und FDP-geschuldet ist. Irgendwie verstehen die Menschen draußen nicht, wie toll ihr seid.
Wir müssen aufpassen, dass der Aufschwung eine nachhaltige Ergänzung auf dem Binnenmarkt erfährt. Ich kenne die Zahlen. In diesem Bereich sieht es besser aus, aber ich halte die Entwicklung nicht für nachhaltig, weil die Menschen lange mit Konsumausgaben gezögert haben, die sie jetzt dringend tätigen müssen. Die Binnenmarktentwicklung muss nachhaltig sein, sonst bekommen wir erneut die Leistungsbilanzprobleme, die uns die EU ins Stammbuch geschrieben hat. Wann wäre die Stunde, wenn nicht jetzt, den Binnenmarkt zu stabilisieren, indem man vernünftige Mindestlöhne in Deutschland einführt?
Bei diesem Thema sind Sie der Oberbremser, weil Sie den Kabinettsvorbehalt nutzen, wie jüngst bei der Zeitarbeit, um immer wieder auf die Bremse zu treten. Ich kann nur sagen: Mit dem ordnungspolitischen Kernkonzept einer sozialen Marktwirtschaft ist das, was Sie bei den Löhnen machen, nicht vereinbar. Wenn Löhne von Menschen, die ganztags arbeiten, nicht ausreichen, um eine Familie zu ernähren, wenn diese Menschen zusätzlich zur Arbeitsagentur gehen müssen, dann ist das keine soziale Marktwirtschaft mehr. Von jemandem, der in der Tradition Ihres Hauses steht, verlange ich, dass er sich endlich einmal um das Soziale bei der sozialen Marktwirtschaft kümmert. Herr Brüderle, gehen Sie runter von der Bremse beim gesetzlichen Mindestlohn und bei den branchenspezifischen Mindestlöhnen, die wir anstreben!
Eine kurze Bemerkung, weil wir über den Haushalt reden. Den Kreditmediator brauchen wir nicht. Dafür haben Sie wieder, wie schon im letzten Jahr, 5 Millionen Euro in den Haushalt hineingeschrieben. Hinter diesen Posten sollten Sie schreiben: Abwickeln. Ich hoffe, dass das, was da angesagt ist, Ihrem rheinland-pfälzischen Freund, Herrn Metternich, vermittelbar ist.
Für das, was man nicht braucht, gibt man auch nichts aus. Das ist eine relativ vernünftige kaufmännische Regel.
Ich komme zu dem, was Sie im Bereich der Energiepolitik, für die Sie eine genuine Zuständigkeit haben, angerichtet haben bzw. anrichten wollen. Zunächst einmal: Dass ein Wirtschaftsminister ein Energiekonzept mitträgt - dabei geht es auch um Arbeitsplätze und Energiesicherheit -, dessen wissenschaftliche Grundlagen, wie das ja in den Gutachten nachgelesen werden kann, so fragwürdig sind, kann ich nicht nachvollziehen. Dass Sie verschiedene Szenarien untersuchen und bei den Szenarien mit einer Laufzeitverlängerung hohe Einsparpotenziale beim Energieverbrauch unterstellen, aber beim Referenzszenario ohne Laufzeitverlängerung davon ausgehen, dass weniger Energie eingespart wird, ist doch völlig skurril und politisch unglaubwürdig. Gerade wenn Sie die Laufzeiten nicht verlängern und nicht länger Atomstrom ins Netz speisen, werden Sie für die Effizienzsteigerung doch umso mehr tun. Das ist nicht logisch, was in Ihrem Konzept steht.
Dass Sie es auf so etwas gründen, können wir wirklich nicht nachvollziehen.
Dass wir nach Ihrem Laufzeitverlängerungsszenario im Jahr 2050 einen Stromimport von 30 Prozent haben - was hat das mit Energiesicherheit und einer fortschrittlichen Energierevolution zu tun?
Das ist einfach blanker Unsinn, und wer auf Unsinn gründet, kommt nicht zu vernünftigen politischen Vorschlägen.
Jetzt muss ich fragen: Herr Brüderle, wo ist eigentlich Ihr marktwirtschaftlicher Kompass? Einer der elementarsten Grundsätze der deutschen sozialen Marktwirtschaft, von den Gründervätern angefangen bis jetzt, war immer: Es ist Aufgabe des Staates, den Wettbewerb zu stärken, Oligopole und Monopole zurückzudrängen und dafür zu sorgen, dass wir stets einen freien Wettbewerb als Voraussetzung für wirtschaftliche Kreativität haben. Das ist das Kerncredo der sozialen Marktwirtschaft. Am Anfang haben Sie mit dem Ansatz für ein Entflechtungsgesetz - den haben Sie still und heimlich in die Tüte getan - den Eindruck erweckt, als würde Ihnen das Thema ordnungspolitisch am Herzen liegen. Das gehört ja zur Grundrhetorik der Marktwirtschaftler. Und jetzt? Was machen Sie jetzt mit den Laufzeitverlängerungen? Sie geben den vier Oligopolisten zusätzliche Marktvorteile. Die vier Großen, die den Markt beherrschen, erhalten durch Ihr Energiekonzept mindestens 60 Milliarden Euro, die sie nicht an den Staat oder an Fonds geben müssen.
Das heißt, Sie machen die marktbeherrschenden Akteure am Energiemarkt um ein Vielfaches stärker, als sie es heute sind. Ich frage: Wo ist da der Wettbewerbshüter Rainer Brüderle?
Sie verschlechtern die Wettbewerbsmöglichkeiten, anstatt sie zu verbessern. Sie reden zwar über den Wettbewerb, helfen aber denen, die ihn kaputtmachen und weiter kaputtmachen werden.
Diese Kritik am Wirtschaftsminister betrifft nichts Nebensächliches, sondern bedeutet klipp und klar, dass Sie die Kernaufgabe ?Hüter des Wettbewerbs und Kämpfer gegen die Monopole? auch nicht einmal im Ansatz wahrnehmen, sondern ins Gegenteil verkehren. Deswegen stehen Sie nicht in der Tradition der sozialen Marktwirtschaft, die besagt, für Wettbewerb einzustehen und ihn nicht kaputtzumachen.
Mir gefallen ja die elektronischen Anzeigetafeln gut, die wir jetzt im Plenarsaal haben. Bei Ihren Reden müsste in Zukunft dort stehen: Rainer Brüderle, sponsored by RWE, EnBW, Eon und Vattenfall. - Denn nichts anderes machen Sie in der Energiepolitik.
Jetzt muss man natürlich die FDP-Rhetorik sehen: Hüter des Mittelstands wollen Sie sein. Aber Sie machen Folgendes: Sie streichen bei den Programmen zur energetischen Gebäudesanierung, die im Etat von Herrn Ramsauer sind, und fördern die Atomlobby. Das heißt, diejenigen, die von den Energieeinsparungsprogrammen profitieren - das sind die kleinen Betriebe, der Mittelstand und das Handwerk -,
werden durch Ihre Politik behindert. Sie schaffen eine Innovationsbremse. Es ist doch völlig klar, dass das Marktsignal Ihrer Politik, das Sie jetzt aussenden, ist: Aha, es geht wieder in die alte Richtung, zu Atomkraft und Kohlekraft, und die neue Energiepolitik wird erst einmal gebremst. - Die Brücke zu den erneuerbaren Energien ist ja keine wirkliche Brücke. Vielmehr haben Sie mit Ihrer Politik einen Sperrriegel aufgestellt.
Ich glaube, es ist bei den Leuten deutlich angekommen, dass man nicht sagen kann, man wolle die erneuerbaren Energien fördern, und dann erst einmal eine Politik macht, die die alten Energieformen stabilisiert.
Selbstverständlich kommt es im Netz zu einer Konkurrenz. Herr Fuchs, ich wundere mich über Ihre Naivität. Natürlich ist der Ausdruck vom Verstopfen nur eine politische Metapher, aber es ist tatsächlich so, dass wir in Deutschland schon heute an vielen Tagen unseren Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien beziehen können. Doch dann passiert Folgendes: Die Atomkraftwerke können nicht kurzfristig heruntergefahren werden, weil sie nicht wie kleine Gaskraftwerke von heute auf morgen flexibel regulierbar sind. Daher haben Sie das Problem, dass es eine Konkurrenz zwischen den großen Kraftwerken einerseits und den erneuerbaren Energien andererseits gibt. Die Definition von Grundlast wird sich in den nächsten Jahren massiv verschieben. Deswegen gibt es keine Koexistenz zwischen den großen Kraftwerken und der dezentralen Energieversorgung.
Über das, was Sie zum Leitungsbau gesagt haben, brauchen wir uns nicht zu streiten. Aber dann machen Sie auch eine vernünftige Energiepolitik! Dann sprechen wir über die Frage, wie man vor Ort in den Landkreisen auftreten muss, damit Leitungen dort akzeptiert werden. Und: Zeigen Sie bei Blockaden nicht immer auf die Grünen!
Ich sage Ihnen: Bei Ihrer ach so geliebten CCS-Technik, dem Verbringen von CO2 in die Erde, sollten Sie einmal Peter Harry Carstensen in Schleswig-Holstein fragen, wie begeistert die CDU dort von dieser Idee ist. Sie führt dort den Widerstand an; also Vorsicht bei solchen Geschichten. Klar ist doch: Sie müssen die Bevölkerung überzeugen, wenn Sie etwas Notwendiges machen wollen. Sie können sie nur mit einem vernünftigen Gesamtkonzept überzeugen, mit einer echten Brücke in die erneuerbaren Energien, aber nicht mit Lobbypolitik für die Atomkraft.
Ich komme zum Schluss. Herr Brüderle, mit Marktwirtschaft hat das, was Sie gepredigt haben, nichts zu tun. Sie haben nicht erklärt, warum der Entwurf Ihres Entflechtungsgesetzes jetzt plötzlich in der Schublade ist. Natürlich haben Sie zum Beispiel auch in der Gesundheitspolitik gemerkt, dass Sie auf die eine oder andere Problematik bei den PKVs stoßen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege.
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wir werden hier in diesem Hause nicht mehr durchgehen lassen, dass Sie die Erbschaft der sozialen Marktwirtschaft für sich reklamieren und gleichzeitig die Macht der Oligopole stärken, wie Sie es jetzt bei Ihrem Energiekonzept tun.
Ich danke Ihnen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ulrike Flach ist die nächste Rednerin für die FDP-Fraktion.
Ulrike Flach (FDP):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kuhn, wie sich ein Vertreter einer Fraktion, die nun wirklich eine alles andere als ausgereifte Vorstellung von der Energieversorgung in den nächsten Jahrzehnten hat, an dieser Stelle so äußern kann, wird mir ewig unklar sein. Sie wollen Atomkraft nicht, Sie wollen Kohlekraft nicht, Sie wollen kein CCS. Was wollen Sie eigentlich? Sie wollen dieses Land vor allen Dingen abhängig machen von Importen aus anderen Ländern.
Ich muss an dieser Stelle etwas zu dem Vorwurf, den Sie immer so wohlfeil in die Welt setzen und in dem von Lobbyismus die Rede ist, sagen: Wo sind denn eigentlich die führenden Köpfe der Grünen und der SPD geblieben? Sie sind ohne eine Schamfrist zu den Energieversorgern gegangen, nachdem sie aufgehört haben zu regieren. Das war Lobbyismus pur und hat mit dem, was hier heutzutage läuft, überhaupt nichts zu tun.
Meine Damen und Herren, der Haushalt 2011 stellt die Weichen neu. Die Wirtschafts- und Finanzkrise ist zwar noch nicht für alle Branchen überwunden, aber es ist Zeit, die Rettungsschirme zu schließen und den Wirtschaftsfonds auslaufen zu lassen. Das war richtig; denn wir leben in einer Zeit, in der wir sicherstellen müssen, dass unsere Kinder ohne Schulden leben. Wir müssen sehen, dass wir die Schulden, die Sie hinterlassen haben, abbauen. Wir wissen alle, dass Kinder nicht auf Schuldenbergen spielen können. Das können Sie vielleicht in Nordrhein-Westfalen machen, aber nicht hier in Berlin.
Der Einzelplan 09 von Rainer Brüderle beteiligt sich übrigens in einem sehr beträchtlichen Maße an der Konsolidierung. Er leistet allein in diesem Jahr einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung von 67 Millionen Euro und setzt gleichzeitig auf Bildung und Innovation. Das ist der Unterschied zwischen dem linken Teil dieses Hauses und dem rechten Teil dieses Hauses. Wir sparen und investieren in die Zukunft. Das tun wir auch mit diesem Haushalt.
Rainer Brüderle hat vorhin zu Recht darauf hingewiesen, dass er gleichzeitig neue Akzente gesetzt hat. An dieser Stelle möchte ich auf die Fachkräftesicherung zu sprechen kommen. Wo waren eigentlich die Vorschläge von Rot, von Grün und von ganz Rot zum Thema ?fehlende Fachkräfte?? Was ist denn mit dem Zuwanderungskonzept, das wir seit vielen Jahren einfordern? Was ist denn mit den vielen Punkten, wo man ansetzen könnte, damit qualifizierte Menschen in dieses Land kommen und keine Zuwanderung in die Sozialsysteme erfolgt? All das ist von diesem Wirtschaftsminister thematisiert worden. Sie werden erleben, dass wir das in den nächsten Monaten auf den Weg bringen werden.
Denn unsere Wirtschaft kann nur boomen, wenn wir qualifizierte Köpfe haben. Ansonsten laufen wir ins Leere.
- Herr Heil, Sie sollten sich den Haushalt einmal anschauen, bevor Sie hier so herumlärmen. Lesen hilft immer: 9 Millionen Euro allein für die Vermittlung von Jugendlichen aus geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen.
9 Millionen Euro für die Hilfe von Kammern bei der Bewertung ausländischer Qualifikationen. Vergleichen wir das doch einmal mit dem, was Sie gemacht haben. Sie haben in diesem Bereich nichts unternommen. Deswegen ist das ein deutlicher Fortschritt.
Dieses Ministerium ist übrigens auch ein Technologieministerium. An dieser Stelle will ich namens der Innovationspolitiker der FDP deutlich sagen: Wir drängen seit vielen Jahren auf eine steuerliche Forschungsförderung. Sie sehen daran, dass wir sehr wohl in der Lage sind, die politischen Bereiche - -
- Gerne.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Dazu fällt einem manches ein. Jedenfalls wünscht und erhält nun der Kollege Heil die Gelegenheit zu einer Zwischenfrage.
Hubertus Heil (Peine) (SPD):
Geschätzter Herr Präsident, herzlichen Dank. - Liebe Frau Flach, wir haben zum Thema ?steuerliche Forschungsförderung? eine Anfrage an diese Bundesregierung gestellt.
Die Antwort lautet: Wir werden das, was wir im Koalitionsvertrag beschrieben haben, nicht umsetzen. - Warum verschwenden Sie also Ihre Redezeit mit der Forderung nach etwas, das Sie selbst nicht umsetzen? Das ist durchaus vernünftig; aber dazu gibt es laut Angaben der Bundesregierung kein Konzept und keine Unterfütterung.
Ulrike Flach (FDP):
Lieber Herr Heil, ich habe vorhin schon darauf hingewiesen, dass es gut wäre, wenn Sie ein bisschen warten und sich erst dann äußern würden. Ich war gerade dabei, zu erläutern, warum wir auf die steuerliche Förderung in dieser Legislaturperiode verzichten, nämlich aus dem einfachen Grund, weil wir im Gegensatz zu Ihnen über den Haushalt nachdenken, weil wir im Gegensatz zu Ihnen wissen, an welcher Stelle es entscheidend ist, mit erfolgreichen Programmen weiterzumachen
und die Mittel dafür aufzustocken. Wir haben uns auf den mittelständischen Bereich konzentriert, weil wir wissen, dass Mittel im erforderlichen Umfang nicht vorhanden sind. Deshalb haben wir allein 500 Millionen Euro zusätzlich für ZIM, das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, bereitgestellt, das übrigens unter Ihrer werten Führung eingeführt wurde.
Dieses Programm haben wir immer als gut gepriesen. Die Mittel für dieses Programm stocken wir auf, weil wir wissen, dass wir die steuerliche Förderung in dieser Periode nicht umsetzen können.
Sie fordern von uns doch immer Realismus ein.
Jetzt ist Realismus da, und Realismus heißt, dass man eine Förderungsform nicht einführen kann, wenn die Mittel im Haushalt nicht vorhanden sind. Das unterscheidet uns von Ihnen. Aus diesem Grunde kommen wir zu einem nachhaltigen Haushalt. Wir kommen zu einer sinkenden Neuverschuldung. Gleichzeitig kommen wir zu einer erhöhten Förderung im mittelständischen Bereich. Ich denke, selbst Kollege Riesenhuber, der immer so gern zur steuerlichen Förderung spricht, wird damit zufrieden sein.
Das Ende des Konsolidierungspfades bedeutet für uns auch, dass wir erneut eine Debatte über andere Instrumente führen müssen; darüber haben wir gerade gesprochen.
Ich will zum Schluss auf einen weiteren Aspekt hinweisen: Die Steinkohleförderung wird unter dieser Regierung erneut abgesenkt, und sie wird - die Haushälter haben sich das vorgenommen - noch weiter abgesenkt werden. Auch dies ist übrigens ein Punkt, der uns deutlich von Ihnen, Herr Kuhn, unterscheidet. Es wäre schön gewesen, wenn wir in den Zeiten der rot-grünen Regierung auch nur einmal erlebt hätten, dass eine Kürzung von Subventionen in ?alten? Bereichen wie der Steinkohle, die Sie ja immer einfordern, durchgeführt worden wäre.
Wir tun das, und in den nächsten Jahren werden wir das fortführen.
Der Technologieminister Rainer Brüderle wird die Programme straffen. Er hat gerade darauf hingewiesen: Es wird Zeit. Wir haben von der Großen Koalition und von der rot-grünen Koalition einen Bauchladen übernommen. Dieser Bauchladen wird nun zusammengeführt. Er wird zu einem effektiven, schlagkräftigen Instrument gemacht. Im nächsten Jahr werden wir darüber diskutieren, wie man Technologie in diesem Land mit einem stringenten Konzept durchgehend fördern kann. Das ist der große Unterschied zur Politik unserer Vorgängerregierungen.
Ich wünsche uns allen eine gute Haushaltsberatung und dass wir den Haushalt so auf den Weg bringen können.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Garrelt Duin für die SPD-Fraktion.
Garrelt Duin (SPD):
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundeswirtschaftsminister Brüderle, zunächst einmal nachträglich herzlichen Glückwunsch! Heute und Stern haben Ihnen im Juli einen Titel verliehen: ?König des Sommerlochs?. Diesen Eindruck hatte man in der Tat. Mit Vorschlägen wie einer Begrüßungsprämie für - Zitat - ?Gastarbeiter? oder der Abschaffung der Rentengarantie haben Sie medial für viel Wirbel gesorgt. Tatsächlich passiert ist aber nichts. Insofern hat Bundesgesundheitsminister Rösler, der jetzt leider nicht hier ist - allerdings kenne ich ihn aus vielen Jahren in Niedersachsen gut und kann deswegen auch seine Reden gut einschätzen, insbesondere dann, wenn er, was ihn durchaus auszeichnet, gelegentlich ins Humoristische verfällt -, in der Rede, die er letzte Woche gehalten hat, in einem Punkt absolut recht. Er hat gesagt: Wir haben zehn Monate nichts getan. - Dann fügte er hinzu:
Das waren genau die zehn Monate, die die Wirtschaft gebraucht hat, um sich zu erholen.
Da kann man ihm wirklich nicht widersprechen.
Diese Bundesregierung hat mit dem Aufschwung und den positiven Zahlen, die in vielen Prognosen zum Ausdruck kommen, nichts zu tun. Deswegen können Sie sich auch nicht darauf ausruhen. Vielmehr wäre es dringend erforderlich, dass Sie sich einmal fragen: Was waren eigentlich die Ursachen der Krise? Ich meine, es waren der Irrglaube an die Effizienz unregulierter Märkte, der Druck auf Löhne zugunsten rapide wachsender Vermögenseinkommen und vor allen Dingen die weltwirtschaftlichen Ungleichgewichte: Auf der einen Seite gibt es Länder, die nur auf Pump gelebt haben, und auf der anderen Seite gibt es Länder - zu diesen würde ich Deutschland zählen -, die eher unter ihren Verhältnissen und nicht über ihre Verhältnisse gelebt haben,
wie es vonseiten Ihrer Regierung immer dargestellt wird.
Sie als Wirtschaftsminister müssten sich endlich mit folgenden Fragen befassen: Wie bekomme ich globale und europäische Ungleichgewichte in den Griff? Wie kann ich das erreichen, indem ich die Stärkung der Binnennachfrage, also der Kaufkraft in Deutschland, in den Blick nehme, insbesondere durch gerechtere Löhne? Wie kann ich durch eine kräftige und nachhaltige Unterstützung das Technologieland Deutschland voranbringen? Wie kann ich unsere Städte und Gemeinden wieder zu starken Helfern im Hinblick auf die Wirtschaft vor Ort und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft machen?
Es ist schon gesagt worden: Die jetzigen Erfolge, die Früchte, die jetzt geerntet werden, sind auf vergangene Entscheidungen zurückzuführen, auf Entscheidungen in der Arbeitsmarkt-, der Finanz-, der Wirtschafts- und der Energiepolitik. Eines wird dabei aber immer wieder vergessen - deswegen will ich es Ihnen in Erinnerung rufen; Frau von der Leyen, die neben Ihnen sitzt, wird das möglicherweise bestätigen können -: Einen ganz wesentlichen Anteil daran, dass wir so gut durch die Krise gekommen sind, hat das Modell der Mitbestimmung. Ohne Betriebsräte und Gewerkschaften, die mit dafür gesorgt haben, dass passgenaue Lösungen gefunden wurden, wären wir nicht so gut durch die Krise gekommen.
Deswegen, Herr Brüderle, ist es gefährlich, wenn Sie, wie heute Morgen in Ihrer Rede, davon sprechen, dass wir wieder einzelbetriebliche Lösungen brauchen. Wir Sozialdemokraten sagen klipp und klar: Das Instrument des Flächentarifvertrages ist ein ganz wichtiger Bestandteil unserer Politik und muss auch in Zukunft erhalten bleiben. - Das wird in Ihrem Programm und in Ihren Reden natürlich nicht erwähnt.
Die Konjunkturprogramme laufen jetzt aus, die Investitionstätigkeit bleibt schwach - ich komme darauf gleich noch einmal zurück -, und die weltwirtschaftliche Lage - insbesondere in den USA, aber auch die Zeichen aus China deuten darauf hin - ist nach wie vor schwierig. Wer in Deutschland allein auf den Erfolg von Exporten und damit auf Außenhandelsüberschüsse setzt, der macht sich von den Risiken und Schwankungen des Weltmarktes in zu starkem Maße abhängig. Deswegen ist es so wichtig, die Binnennachfrage zu stärken. Dazu sagen Sie aber eigentlich nichts. Das, was Sie ankündigen, ist Subventionsabbau. Frau Flach hat das gerade anders formuliert und gesagt, die Dinge würden zusammengeführt. Ich will Ihnen etwas sagen - noch einmal mit Bezug auf Ihre Kollegin Frau von der Leyen -: Der wichtigste Subventionsabbau in Deutschland wäre der, endlich mit der Subventionierung von zu niedrigen Löhnen aufzuhören, indem man sich für Mindestlöhne entscheidet. Die Milliarden, die dort verschenkt werden, könnten in andere, sinnvolle Dinge investiert werden.
Herr Brüderle, Sie nehmen weniger hier am Pult, aber in anderen Gesprächen und auch im Ausschuss gerne Bezug auf die Erfahrungen, die Ihr Vater, ein, wie ich fest überzeugt bin, ehrbarer Kaufmann, im Einzelhandel gemacht hat. Das Instrument des Mindestlohns dient dazu, den normalen, ehrbaren Kaufmann, der, wie Ihr Vater, als Einzelhändler oder in anderen Branchen tätig ist, vor Dumpingkonkurrenz zu schützen. In diesem Bereich tun Sie nichts. Sie lassen den sogenannten ehrbaren Kaufmann, der im Mittelstand tätig ist, im Regen stehen; er sieht sich dieser Konkurrenz tagtäglich ausgesetzt. Wir müssen dort endlich etwas tun. Das Bundeswirtschaftsministerium sieht dieser Entwicklung aber tatenlos zu.
Aus der Geschichte der Wirtschaft wissen wir, dass sich wirtschaftliche Eliten nicht automatisch der Demokratie, dieser Gesellschaft, dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und irgendwelchen Standorten verpflichtet fühlen. Dazu bedarf es der Einflussnahme, und dafür - das glaube ich jedenfalls - machen wir alle hier überhaupt Politik. Wir wollen Einfluss nehmen; wir wollen Ordnungsrahmen setzen, und wir wollen Orientierung und Regeln geben. Lieber Herr Brüderle, lieber Herr Röttgen und andere, so herum wird ein Schuh daraus: Wir müssen als demokratisch legitimierte Vertreter unseres Volkes Einfluss nehmen auf die Wirtschaftseliten und auch auf die wirtschaftlichen Abläufe in unserem Land. Es darf nicht andersherum sein: dass Sie sich von der Wirtschaft aufschreiben lassen, was Sie zu tun haben. Das ist der falsche Weg, und es würde das Vertrauen in unsere Demokratie erschüttern, wenn Sie auf dem Weg, den Sie in der Energiepolitik beschritten haben, weiter vorangehen würden.
Wir müssten stattdessen Dinge tun, die wir hier schon häufig diskutiert haben, zum Beispiel die Förderung von Investitionen in die Zukunft. Wir alle wissen: Der Schlüssel zur Schaffung von Arbeit für morgen ist die gezielte Erhöhung der Investitionsquote im öffentlichen und im privaten Bereich. Die Nettoinvestitionsquote in Deutschland ist mit 4 Prozent zurzeit auf einem historisch niedrigen Stand. Die anderen positiven Zahlen sollten uns den Blick nicht vernebeln. Jede Investition in Wissenschaft, Forschung und Bildung ist eine Investition, die dieses Land voranbringen würde.
Sie haben daher unsere Zustimmung dafür - auch wenn Sie danach gar nicht gefragt haben -, dass Sie in den Koalitionsvertrag aufgenommen haben, dass Sie zusätzlich zu der bisherigen Projektförderung ein neues Instrument auf den Weg bringen wollen, nämlich die steuerliche Forschungsförderung. Frank-Walter Steinmeier hat dieses Instrument in seinem ?Deutschland-Plan? ebenfalls vorgeschlagen und gesagt: Wir müssen noch darüber diskutieren, ob wir das auf die mittelständischen und kleinen Betriebe konzentrieren oder ob auch größere mit dabei sein sollen. - Man kann hier über viele Details sprechen. Auch mit den Abgrenzungsschwierigkeiten werden wir uns, wenn wir es denn machen, befassen müssen.
Frau Flach sitzt gerade bei Herrn Riesenhuber. Ich gehe davon aus, dass Ihre soeben getätigte Aussage, Frau Flach, dass Herr Riesenhuber einverstanden sei, auf sehr tönernen Füßen gestanden haben dürfte. Es gibt viele wie Herrn Riesenhuber in der Koalition, die mit uns gemeinsam dafür gestritten haben, dass wir das Instrument der steuerlichen Forschungsförderung endlich bekommen. Sie haben heute zugegeben, dass Sie heimlich, still und leise etwas, was in Ihrem Koalitionsvertrag steht, zu Grabe tragen. Das werden wir nicht hinnehmen. Wir werden weiterhin für die steuerliche Forschungsförderung in diesem Land kämpfen. Wir brauchen sie für Innovationen.
Subventionsabbau war ein weiteres Stichwort. Sie sagen - auch mit Blick auf das Haushaltsbegleitgesetz, das wir noch diskutieren werden -, dass man im Bereich der Energiesteuern kürzen müsse. Ich bin ganz bei Ihnen, wenn Sie sagen: Dort, wo es zu Mitnahmeeffekten kommt, kann man kürzen. - Aber wir reden hier über ein Volumen von insgesamt ungefähr 1,3 Milliarden Euro. Das, was wir an Mitnahmeeffekten konkretisieren können, sind lediglich 300 Millionen Euro. Die andere Milliarde geht zulasten ganz normaler, aber im internationalen Wettbewerb stehender Unternehmen, den sogenannten energieintensiven Unternehmen. Sie als Wirtschaftsminister hätten die Aufgabe - Herr Fuchs, Sie gucken gerade ganz verkniffen; Sie nämlich auch -, sich an die Seite dieser Unternehmen zu stellen. Wir müssen ihnen abverlangen, dass Energieeffizienzpläne aufgestellt werden.
Wir müssen ihnen abverlangen, dass sie sorgsamer mit Material und anderen Energieressourcen umgehen. Aber wir dürfen sie in dieser schwierigen Wettbewerbssituation nicht hängen lassen und riskieren, dass sie ins Ausland abwandern, wenn wir diese Einsparungen vornehmen. Das ist eine falsche Politik. Ich verstehe nicht, wie das mit Ihren ordnungspolitischen und wirtschaftspolitischen Vorstellungen in Einklang zu bringen ist, lieber Herr Brüderle. Das ist industriefeindlich und diesem Standort nicht zuträglich.
Ich bin ganz sicher, dass wir in den nächsten Monaten eine Debatte darüber brauchen, wie qualitatives Wachstum in Zukunft aussehen muss. Sie berauschen sich an den BIP-Wachstumszahlen; das allein wird für dieses Land aber nicht ausreichen. Wir brauchen einen anderen Wachstumsbegriff. Wir werden gemeinsam mit den Grünen eine Enquete-Kommission auf den Weg bringen, die das zum Thema hat; denn wir streben einen Wohlstand an, der sich nicht nur am Bruttoinlandsprodukt, sondern auch an der Lebensqualität einer möglichst großen Zahl von Menschen bemisst. Deswegen ist die Einrichtung einer Enquete-Kommission richtig.
Lassen Sie mich abschließend Folgendes sagen, lieber Herr Brüderle: Wir alle sind froh darüber, dass es diese Wachstumszahlen, diese Prognosen gibt. Sie haben sich nicht nur im Sommer, sondern bis heute an diesen Wachstumszahlen berauscht. An den Zahlen, die die FDP in Umfragen bekommt, können Sie das nicht.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege!
Garrelt Duin (SPD):
Der Zusammenhang ist ganz eindeutig: Die Menschen wissen, dass es in diesem Land wieder aufwärtsgeht. Aber die FDP und diese Bundesregierung, namentlich dieser Bundeswirtschaftsminister, haben damit nichts zu tun.
Herzlichen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Dr. Joachim Pfeiffer ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland ist in der Tat durch eine Kombination von kluger Politik und gemeinsamen Anstrengungen von Unternehmern und Arbeitnehmern besser durch die Krise gekommen, als wir uns dies vorgestellt haben und als wir es noch vor zwei Jahren auch hier im Deutschen Bundestag gehofft haben.
Deshalb verstehe ich nicht, warum wir uns nicht alle darüber freuen.
Nur weil der Wähler letztes Jahr die SPD aus der Regierung entlassen hat, distanzieren Sie sich heute von Maßnahmen und Instrumenten, die Sie damals mit beschlossen und die uns auf den richtigen Weg gebracht haben.
Wir haben es geschafft, durch Stabilisierung mit den Konjunkturprogrammen Vertrauen zu schaffen. Gleichzeitig haben wir aber auch entlastet. Man muss sich noch einmal in Erinnerung rufen, dass wir zu Beginn dieses Jahres die größte Entlastung in Deutschland hatten, die es jemals gab.
Durch das Bürgerentlastungsgesetz und das Wachstumsbeschleunigungsgesetz wurden Bürger und Wirtschaft in diesem Land um 23 Milliarden Euro entlastet. Auch das ist ein Grund dafür, dass wir wieder solche Wachstumszahlen haben.
Wir haben, wie schon erwähnt wurde, eine kluge Arbeitsmarktpolitik gemacht. Statt der befürchteten 5 Millionen liegen wir jetzt bei 3 Millionen Arbeitslosen. Für den Bundeshaushalt bedeutet das, dass rund 40 Milliarden Euro weniger in die Sozialetats fließen. Das sind 40 Milliarden Euro, die für das Wachstum zur Verfügung stehen. Deshalb ist es richtig, wenn wir diese beschäftigungsorientierte Lohnpolitik weiterverfolgen. Die Arbeitnehmer werden in diesem Jahr von den Maßnahmen und Erfolgen profitieren. Es wird dieses Jahr kräftige Reallohnsteigerungen geben, allein deshalb, weil die Kurzarbeit zurückgeht.
Durch die Ausweitung des Arbeitsvolumens wird es zu Reallohnsteigerungen kommen, und durch eine beschäftigungsorientierte Lohn- und Arbeitsmarktpolitik wird - auch das müssen wir uns vergegenwärtigen - im Wachstum die Binnennachfrage gestärkt. Die Zahlen sagen ganz klar - Adam Riese lässt sich auch durch die Linken nicht widerlegen -: 0,1 Prozent Lohnsteigerung bedeutet 0,3 Prozent Zuwachs der Binnenmarktnachfrage. Eine Beschäftigungsausweitung um 1 Prozent bedeutet 0,8 Prozent Zuwachs der Binnenmarktnachfrage. Das heißt, die beste Binnenmarktpolitik ist eine beschäftigungsorientierte Arbeitsmarktpolitik, die das Arbeitsvolumen erhöht und die Menschen in Arbeit bringt.
Das ist die Politik, die wir verfolgen, und wir werden damit das Wachstum verstetigen. Wir werden nicht nach der Rasenmähermethode sparen; wir werden Deutschland mit intelligentem Sparen fitmachen.
Wie werden wir das Wachstum verstetigen? Wir werden nicht nur blindlings sparen. Vielmehr wird der Bereich ?Forschung und Entwicklung? weiter gestärkt und aufgebaut. Im Haushalt 2011 stehen mehr Mittel zur Verfügung als bisher.
Das Programm ZIM ist bereits angesprochen worden. Es ist ein maßgeschneidertes Programm für den Mittelstand in Industrie und Wirtschaft. Wir werden es außerhalb der Konjunkturprogramme weiter auf die alten Bundesländer ausdehnen, verstetigen und bei einem Aufwuchs auf über 500 Millionen Euro auf höchstem Niveau fortführen.
Wir werden - da können Sie sicher sein - in dieser Legislaturperiode die steuerliche Forschungsförderung einführen.
Wir werden aber nicht alles auf einmal machen können. Deshalb werden wir sie nicht im Jahr 2011 einführen können. Wir sind noch mitten in den Haushaltsberatungen, sodass sich noch das eine oder andere ändern wird. Aber wir werden in dieser Legislaturperiode mit der steuerlichen Forschungsförderung weiterkommen.
Bei allen Sparnotwendigkeiten wollen wir die Chancengleichheit und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie nicht gefährden. Deshalb werden wir im weiteren Haushaltsverfahren Änderungen bei der Ökosteuer vornehmen, durch die die Mitnahmeeffekte beschränkt, die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrie aber nicht gefährdet wird. Wenn Sie dabei mithelfen, dann ziehen wir gemeinsam an einem Strang in dieselbe Richtung.
Neben den Maßnahmen einer wachstumsorientierten modernen Regulierung im Bereich ?Post und Telekommunikation? werden wir mit intelligenten neuen Produkten weitere Arbeitsplätze schaffen. Auch in den Bereichen Bahn, Strom und Gas werden wir uns in neuen Sphären bewegen, vor allem im Energiebereich. Diese Regierung legt gerade einen energiepolitischen Marshallplan vor, der den Umbau der deutschen Energiewirtschaft grundlegend angeht. Rot-Grün hat kein Energieprogramm zustande gebracht. Das letzte Energieprogramm ist 20 Jahre alt; es datiert noch aus der Regierung Kohl. Man hat Rumpfprogramme und Rumpfmaßnahmen auf den Weg gebracht. Zum ersten Mal seit 20 Jahren werden wir ein Programm auf den Weg bringen, das nicht nur isoliert einzelne Sektoren oder nur die Angebots- und Nachfrageseite betrachtet, sondern wir werden sowohl den Stromsektor als auch den Gebäudesektor und die Mobilität entsprechend berücksichtigen und den Umbau mit über 60 Maßnahmen und Instrumenten beschleunigen.
Die Kernenergie ist Mittel zum Zweck. Sie wird unser Ziel, den Hauptanteil der Energieversorgung aus erneuerbaren Energien zu bestreiten, im Gegensatz zu dem, was bisher auf den Weg gebracht wurde, beschleunigen statt ausbremsen. Der volkswirtschaftliche Nutzen der Kernenergie wird diesem Umbau zugutekommen. Otto Schily hat recht: Die Kernenergie und ihr volkswirtschaftlicher Nutzen sind in der Tat so etwas wie ein Lastwagen voller Geld, den Sie verbrennen wollen.
Wir werden ihn nicht verbrennen. Wir werden vielmehr den volkswirtschaftlichen Nutzen und das Geld für den Umbau einsetzen und ihn beschleunigen, indem wir Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz, des Netzausbaus - Stichwort ?intelligente Netze? -, der Speicherung, der Energieforschung und im Gebäudebereich finanzieren. Der Gebäudebereich wird ein zentraler Punkt des Energieprogrammes werden. 40 Prozent des Endenergieverbrauchs sind schließlich gebäudebezogen. Sie werden sehen, was herauskommt. Wir werden im Vergleich zu den bisherigen Ansätzen mehr Geld für die energetische Gebäudesanierung ausgeben. Wir werden das Maßnahmenpaket in diesem Bereich weiterentwickeln.
- Warten Sie doch ab, was als Ergebnis herauskommt!
Wir werden steuerliche Möglichkeiten aus der Vergangenheit entsprechend nutzen. Von den 30 Milliarden Euro - so hoch ist der volkswirtschaftliche Nutzen der Kernenergie; ohne sie hätten wir dieses Geld nicht - werden wir bis zu 3 Milliarden Euro pro Jahr einsetzen, um den Umbau umzusetzen und zu beschleunigen.
Sie haben von Verträgen gesprochen. Ich darf daran erinnern: Die Ersten, die in diesem Land einen Vertrag mit der Energiewirtschaft geschlossen haben - und zwar über den Ausstieg -, waren Sie von Rot-Grün, nicht wir. Aber Sie haben einen Vertrag zulasten der deutschen Volkswirtschaft geschlossen. Wir schließen nun einen Vertrag zugunsten der deutschen Volkswirtschaft
und werden die volkswirtschaftlichen Potenziale nutzen.
Lieber Herr Kuhn, was Sie machen, ist nicht zu überbieten. Sie stellen sich hierhin und sagen: Jawohl, wir brauchen Netze und erneuerbare Energien. - Das höre ich nicht nur von Ihnen, sondern auch von Ihren Kollegen. Wenn man aber vor Ort geht, stellt man fest, dass Sie die Fähnleinführer und Rädelsführer derjenigen sind, die gegen den Ausbau der Netze sind. Wenn man nach Baden-Württemberg geht, stellt man fest, dass die Grünen an der Spitze der Bewegung gegen Pumpspeicherkraftwerke sind, obwohl diese Kraftwerke die Speicherung von Strom aus regenerativen Energiequellen ermöglichen und die Netzintegration verbessern. Wenn man nach Baden-Württemberg geht, stellt man fest, dass die Grünen gegen den Ausbau von Kraftwerken im Kleinwasserbereich sind, weil sie der Meinung sind, dass das zum Beispiel für die Fische nicht gut ist. Die Grünen vor Ort sind in der Regel gegen Biogasanlagen und Biomassekraftwerke. Das, was Sie hier im Deutschen Bundestag für notwendig erachten, sollten Sie auch vor Ort vertreten. Leider ist das bislang nicht der Fall.
Wir werden mit diesem Haushalt in einem Dreiklang aus Konsolidieren, Reformieren und Wachsen einen Beitrag dazu leisten, dass Deutschland aus der Krise nicht nur gestärkt hervorgeht, sondern in einigen Jahren in allen Bereichen deutlich besser dasteht als zu Beginn dieser Legislaturperiode. Dann wird abgerechnet. Ich bin sicher: Deutschland wird dann entscheiden, dass es gut regiert worden ist. Wir werden sehen, wohin wir dann gekommen sind. Wir sehen jedenfalls den kommenden Entwicklungen gelassen entgegen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Michael Schlecht für die Fraktion Die Linke.
Michael Schlecht (DIE LINKE):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Brüderle, ich finde es immer gut, wenn Menschen fröhlich und guter Laune sind. Aber Ihre gute Laune betreffend den Aufschwung kommt mir fast so vor, als ob sich Ihr Geist so stark beflügelt wie bei Ikarus, der bekanntlich die beste Laune hatte, kurz bevor er abgestürzt ist. Ich hoffe nicht, dass dies auch der Konjunktur so ergeht. Aber man muss die Lage realistisch einschätzen.
Die wirtschaftliche Verbesserung, die wir im zweiten Quartal dieses Jahres erleben, ist zu einem Drittel einzig und allein darauf zurückzuführen, dass der Lageraufbau deutlich zugenommen hat. Das, was dann an Aufschwung bleibt, ist nicht Ihr Aufschwung, Herr Brüderle, nicht der Aufschwung der Bundesregierung, sondern zuallererst der Aufschwung von Obama und den Chinesen; denn diese haben in der Krise milliarden- bzw. billionenschwere Konjunkturprogramme aufgelegt. Solchen Programmen hat man sich hier in Deutschland verweigert.
Das, was hier gelaufen ist, war relativ mickrig. Die deutsche Exportindustrie profitiert bislang von den Konjunkturprogrammen in anderen Ländern. Diese Programme werden aber zurückgefahren. In den USA steht die weitere wirtschaftliche Entwicklung auf wackligen Beinen.
Insoweit stehen wir in der Frage, wie es weitergeht, vor einem sehr großen Risiko. Es wird bereits eine Abschwächung prognostiziert. Wir bräuchten dringend eine deutliche Steigerung der Binnennachfrage, um diesen Gefahren vorzubeugen.
Ein ganz wichtiges Instrument ist die Steigerung der Löhne. Nebenbei gesagt: Bei der SPD wird immer so getan, als ob die SPD mit der Lohndepression, der deutlich verschlechterten Lohnentwicklung der letzten zehn Jahre, nichts zu tun hat. Man muss klar sagen, es ist genau umgekehrt., Der eigentliche Täter - die CDU hat das fortgesetzt - der schlechten Binnennachfrage war die rot-grüne Koalition mit den Agenda-Gesetzen, die dazu geführt haben, dass die Lohnentwicklung in Deutschland in den Keller gefahren worden ist und wir in Deutschland den großen Niedriglohnsektor haben. Das ist ein Skandal. Hier wäre bei Ihnen wirklich eine ganze Menge an Vergangenheitsbewältigung notwendig, nicht immer diese fröhlichen Sprüche.
Darüber hinaus muss die Binnennachfrage durch massive Besteuerung Reicher gestärkt werden, damit der Staat wieder mehr ausgeben kann und damit nicht gespart werden muss, denn das führt dazu, dass den Ärmsten der Armen Geld genommen wird, dass sie weniger Geld haben.
Es gibt einen Punkt, für den wir sehr wohl Kürzungsvorschläge haben. Dieser Punkt heißt: Stoppen Sie Stuttgart 21.
Dieses aberwitzige Eisenbahnprojekt, das offiziell 7 Milliarden Euro kosten soll,
wird voraussichtlich, nach bahnunabhängigen Experten, auf 10,13 oder noch mehr Milliarden hochlaufen. Die vielen vermeintlich demokratischen Beschlüsse für Stuttgart 21 basieren alle auf Halbheiten und Falschmeldungen.
Seitdem die Fakten in Stuttgart bekannt sind, leisten die Menschen breit Widerstand. Seit Ende Juli wird mehrmals in der Woche auf Demonstrationen dagegen protestiert. Zuletzt waren 70 000 Menschen auf der Straße. Das kommt faktisch einem Volksaufstand nah. Es wäre auch der Demokratie halber angezeigt, dass dort endlich korrigiert wird.
Viele lehnen Stuttgart 21 deshalb ab,
weil es auch in der relativ reichen Schwabenmetropole viele soziale Missstände gibt. In Schulen bröckelt der Putz von den Decken. In Stuttgart sind vier Turnhallen wegen Baumängeln geschlossen. Die Kinderarmut ist hoch, und es fehlen 3 000 Kitaplätze. Jetzt soll auch noch im Rahmen Ihres Sparprogramms das Elterngeld für Erwerbslose gestrichen werden. Das passt alles nicht zusammen mit der Verpulverung von Milliarden und Abermilliarden Euro für ein wahnsinniges Bahnprojekt.
Eines ist auch klar: Spätestens am 27. März wird es in Stuttgart und in Baden-Württemberg in der Tat eine Volksabstimmung geben. Die Kanzlerin hat das gestern fröhlich angekündigt. Bei dieser Volksabstimmung am 27. März werden die Tunnelparteien SPD, CDU und FDP mit Sicherheit abgestraft. Es ist zynisch, wenn die Bürgerinnen und Bürger - wie gestern von der Kanzlerin - verhöhnt werden. Wer Stuttgart 21 - so ihr Zitat - zu einem Symbol der Zukunftsfähigkeit Deutschlands erklärt und alle Gegner als rückwärtsgewandte Technikfeinde beschimpft, der hat unrecht. Das Volk in Stuttgart würde auf solche Behauptungen ganz anders reagieren. Die Stuttgarter würden sagen: Lügenpack!
Das ist dort die Hauptparole.
Danke schön.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Dr. Georg Nüßlein ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Herr Schlecht, es fällt mir schon ein bisschen schwer, auf das einzugehen, was Sie hier an Unsäglichkeit vorgetragen haben. Sie geben, was die wirtschaftliche Entwicklung angeht, eine düstere Prognose, als wollten Sie daraus einen parteipolitischen Nutzen ziehen. Sie machen falsche Vorschläge, wie man dem Ganzen auf die Sprünge helfen könnte, als ob höhere Steuern jemals zu Wachstum geführt hätten. Dann machen Sie Einlassungen zu Stuttgart 21, die ich beim allerbesten Willen nicht nachvollziehen kann. Bemerkenswert war insbesondere Ihr Hinweis auf - wie haben Sie sich ausgedrückt? - ?vermeintliche? Demokratie. Eine vermeintliche Demokratie gab es in der DDR, da, wo Sie hingehören, aber sicher nicht in Stuttgart und in der Bundesrepublik Deutschland.
Ich möchte jetzt einmal die Berufsdemonstranten und diejenigen, die versuchen, Großprojekte in Deutschland, die uns wirtschaftlich voranbringen, kaputtzumachen, beiseite lassen. Ich möchte auch wegen der Landtagswahl - auch darum ging es in Ihrem Beitrag - und um vom Parteigezänk wegzukommen, ein, zwei nachdenkliche Töne anschlagen. Das Wort ?alternativlos? war das Wort, das uns wie kein anderes zwei Jahre lang in der Krise begleitet hat. Wir waren von dieser Krise getrieben und wussten bei vielen Entscheidungen, dass wir keine andere Chance haben, das Vertrauen in der Wirtschaft wieder zurückzugewinnen. Es ist uns gelungen, dieses Vertrauen wiederherzustellen. Ich glaube, dass viele von uns, die meisten und die Vernünftigen jedenfalls, nicht damit gerechnet haben, dass sich dieser Erfolg so schnell und in diesem Ausmaß einstellt.
Wenn Herr Heil von Demut spricht, hat er durchaus recht. Es geht aber nicht um Demut untereinander, sondern es geht um Demut gegenüber denjenigen, die den Rahmen, den wir mit Bürgschaften, Verlängerung der Kurzarbeit und Konjunkturprogrammen geschaffen haben, intelligent und mutig ausgefüllt haben. Es waren die Unternehmer, die Handwerker, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und viele Mittelständler, die ihre Aufgabe gut erfüllt haben. Ihnen gegenüber müssen wir demütig sein.
Ich möchte unterstreichen: Zu dieser Demut gehört auch, dass man zugibt, dass wir nicht damit gerechnet haben, dass alles so gut läuft.
Wenn man jetzt feststellt, dass Deutschland wieder Konjunkturlokomotive in Europa ist und die Arbeitslosenzahlen zurückgehen - demnächst werden sie unter 3 Millionen liegen -, dann sollte man auch mit diesen Zahlen - das gebe ich offen zu - mit einer gewissen Demut umgehen. Man sollte den Optimismus jetzt nicht übertreiben.
Ich erkenne an, sehr geehrter Herr Brüderle, dass wir aufgrund der demografischen Entwicklung und der wirtschaftlichen Zahlen, die uns vorliegen, irgendwann mit einem Fachkräftemangel rechnen müssen. Ich will auch unterstreichen, dass Sie recht mit der Aussage haben, dass wir, wenn wir Zuwanderung brauchen, die Zuwanderung von qualifizierten Menschen brauchen und nicht eine Zuwanderung in unser Sozialsystem. Wenn aber das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung gleich fordert, 500 000 Zuwanderer pro Jahr zuzulassen, dann ist das übertrieben. Mit einer solchen Zuwanderung würden wir die Bundesrepublik Deutschland und ihre Bürgerinnen und Bürger deutlich überfordern.
Ich sage das auch in dem Bewusstsein, dass wir die Voraussetzung für einen Fachkräftezuzug haben. Spitzenkräfte können schon heute von überall auf der Welt zu uns kommen, wenn sich ihr Fachwissen in ihrem Gehalt niederschlägt und sie mehr als 66 000 Euro jährlich zu verdienen in der Lage sind. Das ist die Sachlage. Deshalb muss man an dieser Stelle gar nichts tun. Wir müssen uns vielmehr darum kümmern, dass es keine Zuwanderung in die Sozialsysteme gibt. Ich unterstreiche, dass es dazu einer intelligenten Politik in einer Phase bedarf, in der Deutschland über Integration diskutiert, wobei ich zu bedenken gebe, dass diese Diskussion von jemandem angestoßen wurde, der als SPD-Finanzsenator in Berlin keinen Beitrag dazu geleistet hat, dass sich die Verhältnisse hier in Berlin bessern, aber im Nachhinein schlaue Bücher schreibt. Auch darüber sollte man einmal nachdenken.
Lassen Sie mich etwas zu dem ausführen, was hier über das Thema Kernkraft gesagt wurde.
Es steht ganz klar fest - Herr Kuhn, natürlich kann man über die Szenarien diskutieren -, dass uns die Laufzeitverlängerung einen volkswirtschaftlichen Nutzen bringt, dass sie für Arbeit und Beschäftigung sorgt, preisdämpfend wirkt und die Chance bietet, eine Brücke zu den erneuerbaren Energien zu schlagen, und zwar in doppeltem Sinne. Zum einen, weil wir die Chance haben, die höheren Preise - Sie werden nicht bestreiten, dass die Einführung der erneuerbaren Energien teuer ist - durch die preisdämpfende Wirkung der Laufzeitverlängerung auszugleichen, zum anderen, weil wir diesen Fonds auflegen.
Etliche Vorredner haben gesagt, man habe den Konzernen zu wenig abgeknöpft. Wir sind hier unter Wirtschaftsfachleuten. Ich darf Ihnen dringend empfehlen, die aktuellen Analystenberichte zu lesen. Die Analysten schreiben nämlich: In Anbetracht der Tatsache, dass so viel abgeschöpft wird, ist nicht sicher, wie sich die Kurse entwickeln. - An der Börse zeichnet sich das ab. Die Kurse sind in den letzten Tagen gesunken. Wenn es so wäre, wie Sie behaupten, dass wir den Konzernen große Geschenke gemacht hätten, wären die Kurse gestiegen. Auch das bitte ich zu berücksichtigen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege.
Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU):
Letzter Satz, Herr Präsident.
Die Geschichte mit dem Wettbewerb ist ein Märchen. Was ist denn das für eine Argumentation? Die Stadtwerke sagen uns: Wir brauchen höhere Preise, die preisdämpfende Wirkung der Kernenergie
muss unterbunden werden, damit unsere Anlagen wirtschaftlich sind.
Das ist etwas, was wir so nicht akzeptieren können. In diesem Sinne bitte ich Sie, über die Argumentation in Sachen Kernenergie im Fachausschuss noch einmal nachzudenken.
Vielen herzlichen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Letzter Redner zu diesem Geschäftsbereich ist der Kollege Dr. Michael Luther für die CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Michael Luther (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin nun schon eine Weile im Parlament, nämlich seit 20 Jahren. Wenn man am Ende einer solchen Debatte resümiert, was gesagt worden ist, kann man feststellen: Das Ritual ist immer dasselbe. Der Bundeswirtschaftsminister legt einen Haushalt vor - aus meiner Sicht einen guten -, die Regierungsfraktionen, in diesem Fall CDU/CSU und FDP, loben das, was vorliegt, und die Opposition sagt das Gegenteil. Das ist klar; das ist nichts Neues.
Besonders schwierig wird es allerdings für diejenigen, die sagen: ?Wir haben richtige Maßnahmen auf den Weg gebracht?, aber zukünftig - das erkennt man, wenn man die aktuellen Beschlüsse ansieht - genau das Gegenteil machen wollen und - das prognostiziere ich für den Fall, dass sie irgendwann wieder an der Regierung sind - genau das Gegenteil machen werden.
Das ist das, was Politik unglaubwürdig macht. Es wäre viel besser, wenn wir einen Moment bei dem Zustand, den wir heute haben, bleiben würden und feststellen würden: Wir können uns auf die Schulter klopfen. Wir haben das, was infolge der größten Krise nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland passiert ist, mit klugem politischen Handeln wirklich gut begleitet. Deswegen können wir heute sagen: Wir haben Wachstum. Wir haben die Krise überwunden. Die Arbeitslosigkeit liegt nicht, wie wir befürchtet haben, bei 5 Millionen,
sondern bei 3 Millionen oder weniger. Das müssen wir, denke ich, einmal sagen können.
Wir, die Regierung von CDU/CSU und FDP, sind jetzt ein Jahr im Amt.
Wir haben diesen Prozess auch nachträglich unterstützt.
Deswegen ist es doch ein Gemeinschaftswerk.
Es kommt als Nächstes darauf an - jetzt rede ich als Haushälter -, dass wir uns um die Zukunft unseres Landes kümmern, das heißt konsolidieren. Wenn man wiederum einen Blick in die Geschichte wirft, muss man sagen: Wir haben einen sehr hohen Schuldenstand, wir haben eine hohe Neuverschuldung, und wir haben entsprechend hohe Zinszahlungen im Haushalt. Wir müssen da einfach runter. Alle, die hier im Haus sitzen, haben letztendlich daran mitgewirkt, dass wir so hohe Schulden haben. Wir sollten für die Zukunft einmal darüber nachdenken: Wie schaffen wir es gemeinsam, da herunterzukommen?
Diejenigen, die als Erstes darüber nachdenken, die Neuverschuldung dadurch zu senken, dass man die Steuern erhöht, sind auf dem Holzweg. Das Erste, was wir tun müssen, ist, Ausgabensenkung durchzuführen. Ich komme aus Sachsen - das ist bekannt -, und Sachsen zeigt seit Jahren, dass das funktioniert.
Eine solche Politik ist letztendlich gut für die Wirtschaft und für die Menschen.
Zur Schuldensenkung muss auch das Wirtschaftsministerium seinen Beitrag leisten. Das zu sagen, fällt mir natürlich besonders schwer. Wer den Haushalt des Wirtschaftsministeriums anschaut, wird feststellen, dass darin sehr viele Förderprogramme sind - das wird manchmal despektierlich als Bauchladen bezeichnet -, die aber genau die Leistungsträger unserer Gesellschaft, die Basis, nämlich den Mittelstand, auf verschiedene Art und Weise unterstützen und fördern. Der Mittelstand ist wichtig. Deswegen haben wir die positive Entwicklung in Deutschland. Deswegen müssen wir aufpassen, ob es richtig ist, wenn wir dort Veränderungen vornehmen, insbesondere wenn wir dort sparen.
Ich bin erst einmal froh, dass es gleichwohl gelingt, Schwerpunkte zu setzen. Ein paar sind genannt worden: ZIM als Programm für den Mittelstand oder Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel. Ich gehe einmal näher auf den Bereich Luft- und Raumfahrt ein. Da geht es nicht in erster Linie um den Flug zum Mond, sondern darum, dass Hochtechnologie in unserem Land entwickelt wird, die dann auch vielen zugutekommt und wodurch sich Deutschland als Hochtechnologiestandort auszeichnen kann.
Es geht auch um Zukunftsthemen wie die Energieforschung. Wir wissen, dass die Energiebasis in Zukunft anders aussehen muss als heute. Wir können uns auch trefflich darüber streiten, wie wir dieses Ziel erreichen. Ich denke, es ist erst einmal wichtig, dass hier noch viel Know-how hereingesteckt wird, um unabhängig von fossilen Energieträgern zu werden. Das Energiekonzept, was Union und FDP jetzt vorgelegt haben, zeigt ja einen Weg hin zu einer Energieversorgung ohne fossile Energieträger.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Duin?
Dr. Michael Luther (CDU/CSU):
Gerne.
Garrelt Duin (SPD):
Vielen Dank, Herr Kollege, für die Gelegenheit. - Sie weisen darauf hin, dass Sie im Haushalt eine Reihe von Maßnahmen ergreifen, die Positives bewirken sollen. Teilen Sie die Einschätzung, dass in der Vergangenheit insbesondere die Mittel, die für die Gemeinschaftsaufgabe ?Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur? aufgewendet wurden, sehr erfolgreich eingesetzt wurden?
Ausweislich der vom Ministerium veröffentlichten Daten ist es nämlich so, dass zum Beispiel im Zeitraum von 2007 bis 2009 mit insgesamt 4,1 Milliarden Euro GA-Mitteln Investitionen in Höhe von 26,2 Milliarden Euro angestoßen wurden und in den geförderten Betrieben ein Beschäftigungszuwachs von 4,6 Prozent und ein Lohnzuwachs von 6 Prozent zu verzeichnen gewesen ist. Teilen Sie angesichts dieser Zahlen - ich gehe einmal davon aus, dass sie stimmen - die von uns vertretene Auffassung, dass es ein Fehler ist, im Haushalt die Fördermittel für diese Gemeinschaftsaufgabe zu kürzen? Herr Brüderle hat in seiner Rede eben geradezu mit einem gewissen Stolz verkündet, dass das vorgesehen ist.
Dr. Michael Luther (CDU/CSU):
Ich warte noch, ich wollte den Beifall abklingen lassen.
- Noch ein zweiter. Schön.
Ich möchte nun gerne auf Ihre Frage antworten: Man kann natürlich einen Haushalt nicht konsolidieren, wenn man nirgendwo Geld kürzen will. Jetzt gibt es einen Haushaltsentwurf, in dem zu meinem Bedauern auch die genannte Gemeinschaftsaufgabe von Kürzungen betroffen ist. Wir sind allerdings erst bei der ersten Lesung und nicht am Ende der Haushaltsberatungen. So plädiere auch ich dafür, in den weiteren Beratungen zu schauen, ob man es bei der Kürzung der Mittel für dieses Förderinstrument belassen oder ob man sie zurücknehmen sollte.
Bevor ich dazu Weiteres sage, möchte ich noch einen anderen Aspekt ins Spiel bringen: Manchmal ist es auch gut, zu versuchen, andere Schwerpunkte zu setzen. Wir setzen jetzt insbesondere einen Schwerpunkt bei ZIM. Auch die Fördermittel aus diesem Programm fließen zu einem Großteil in die neuen Bundesländer. Der Mittelaufwuchs bei diesem Programm ist vom Umfang her sogar höher als die Einsparungen bei der Gemeinschaftsaufgabe. Hier wird nun ein neuer Weg eingeschlagen, um Forschung und Entwicklung neuer Technologien zu fördern.
Wir müssen aber - deshalb bin ich auch so dankbar für die Frage - uns eines in diesem Hause sehr wohl immer wieder bewusst machen: Wir haben in den letzten 20 Jahren in den neuen Bundesländern - das Land war vorher ja geradezu ruiniert worden waren - viel erreicht. Die Wirtschaftsleistung beträgt jetzt ungefähr 80 Prozent der der alten Länder; sie liegt also noch nicht bei 100 Prozent. Wir werden hier also noch eine ganze Weile einen besonderen Schwerpunkt setzen und die richtigen Instrumente finden müssen, um den sogenannten Aufbau Ost fortzusetzen. Lassen Sie uns im Rahmen der Haushaltsberatungen prüfen, ob man, um dieses Ziel zu erreichen, vielleicht doch noch anders vorgehen müsste.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, vor der Zwischenfrage hatte ich eine Reihe von Schwerpunkten, die ausgebaut werden sollen, genannt. Ich war bei der Energieforschung stehen geblieben. Zu nennen ist noch die Elektromobilität. Ich habe auch davon gesprochen, dass es Kürzungen geben muss. Das Thema Gemeinschaftsaufgabe ist in diesem Zusammenhang aus meiner Sicht zu Recht schon angesprochen worden. Ich habe das dazu Notwendige bereits gesagt.
Ich will noch einen Punkt hervorheben, der ebenfalls schon erwähnt worden ist. Das sind die Subventionskürzungen für sogenannte energieintensive Unternehmen. Hier müssen wir im Rahmen der Haushaltberatungen prüfen, ob das, was wir momentan haben, tatsächlich so gewollt ist. Wir müssen uns überlegen, ob die Subventionen für diejenigen, die viel Energie verbrauchen - das ist die Grundstoffindustrie; dazu gehört zum Beispiel auch die Chipindustrie; AMD in Dresden hat ein eigenes Kraftwerk, weil für die Reinräume viel Energie gebraucht wird -, richtig sind oder ob wir es anders machen müssen.
Für mich - das will ich ganz klar sagen - bleibt das Ziel der Haushaltskonsolidierung bestehen. Aber eine Haushaltsberatung ist eben nicht dazu da, das abzunicken, was die Regierung vorgibt, sondern dass man darüber redet, wie man den Haushalt vernünftig ausgestaltet.
Dazu wünsche ich uns allen viel Kraft in den nächsten Wochen.
Danke schön.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Weitere Wortmeldungen zu diesem Geschäftsbereich liegen nicht vor.
Ich rufe nun auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Einzelplan 11.
Ich erteile als erster Rednerin der Bundesministerin Frau Dr. Ursula von der Leyen das Wort.
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Haushaltsentwurf, über den wir heute debattieren, steht immer noch sehr deutlich unter den Auswirkungen der Krise. Wir haben auf der einen Seite viel Geld investiert, gerade um den Arbeitsmarkt zu stabilisieren. Ich nenne die Konjunkturprogramme und die Ausgaben für das Kurzarbeitergeld. Das hat sich ausgezahlt. Wenn man die Arbeitslosendaten im August nimmt, dann sieht man, dass es gerade aus dem verarbeitenden Gewerbe, also der Branche, die am stärksten unter den Auswirkungen der Krise gelitten hat, weniger Zugänge in Arbeitslosigkeit gibt. Gleichzeitig wird die Kurzarbeit abgebaut. Das heißt, die Menschen gehen aus der Kurzarbeit wieder in die volle Beschäftigung. Dieses Prinzip, die Kurzarbeit als Brücke über die Krise zu nutzen, hat sich bewährt.
Wir sehen auch, dass wir am Arbeitsmarkt auf einem Niveau aus der Krise herauskommen, das niemand für möglich gehalten hätte. Experten haben uns noch im Jahr 2008 Arbeitslosenzahlen um 5 Millionen vorhergesagt. Wenn der positive Trend dieses Jahres weitergeht, dann könnte es gelingen, gegen Ende des Jahres die 3-Millionen-Marke zu unterschreiten.
Auch im internationalen Vergleich hat sich der deutsche Arbeitsmarkt gut gehalten. Die Arbeitslosigkeit ist in der Krise bei den EU-27 im Durchschnitt um 28 Prozent gestiegen, in Spanien um 60 Prozent, in Frankreich um 23 Prozent und in England um 35 Prozent. Aber in Deutschland ist die Arbeitslosigkeit nur um 3 Prozent gestiegen. Das, meine Damen und Herren, ist eine Bilanz, die sich sehen lassen kann.
Das alles wirkt sich natürlich positiv auf den Sozialhaushalt aus. Für das Jahr 2011 liegen wir in der Gesamtsumme der Ausgaben des Einzelplanes 11 mit rund 131,8 Milliarden Euro deutlich unter dem alten Finanzplan, nämlich um 14,6 Milliarden Euro. Der größte Batzen in Höhe von 10 Milliarden Euro sind Einsparungen aufgrund des Anziehens der Wirtschaft und des Absinkens der Arbeitslosigkeit. Diese konjunkturellen Einsparungen sind nicht, wie sie so gerne bezeichnet werden, Windfall Profits. Nein, sie sind Einsparungen auf der Grundlage eines beherzten Krisenmanagements der Regierung. Sie beruhen auf richtigen politischen Entscheidungen, aber vor allem auch auf dem außergewöhnlichen Zusammenhalt von Gewerkschaften und Arbeitgebern. Das ist in der Tat etwas, was dieses Land auszeichnet.
So weit die Auswirkungen der Krise am Arbeitsmarkt. Im Prinzip gibt es eine positive Entwicklung durch ein gutes Krisenmanagement.
Wir wissen natürlich auch, dass die Krise ihre Spuren im Staatshaushalt durch eine exorbitant hohe Verschuldung hinterlassen hat. Deshalb reichen die Verbesserungen, die ich eben geschildert habe, durch sinkende Arbeitslosigkeit, was automatisch zu Einsparungen im Sozialetat führt, nicht aus. Unser Haushalt ist damit nicht nur Bilanz der guten Krisenbewältigung, sondern auch schon Vorbote für die nächsten Herausforderungen, nämlich der ganz klaren Ansage: Dieses Land muss strukturell konsolidieren.
Es gibt deshalb zu den Einsparungen in Höhe von 10 Milliarden Euro weitere 4,3 Milliarden Euro an strukturellen Einsparungen, die für die Schuldenbremse relevant sind. Das sind 3 Prozent des Sozialhaushalts. Das ist schmerzhaft, aber das ist nicht unverhältnismäßig. Natürlich ist es im Sozialhaushalt immer schwierig, wenn man Prioritäten setzen muss. Was tun in einem Etat, der von Ausgaben für Rentnerinnen und Rentner, von Leistungen für Menschen mit Behinderungen, von Leistungen für Langzeitarbeitslose und ihren Lebensunterhalt dominiert ist?
Wir haben bewusst nichts bei den Renten der Rentnerinnen und Rentner und bei den Leistungen für Menschen mit Behinderungen verändert, und auch bei dem Etat für den Lebensunterhalt und die Warmmiete für Arbeitslose hat sich nichts verändert. Wir sparen aber da ein, wo nach reiflichen Überlegungen das eingesetzte Geld kaum Wirkung hat. Der Bund zahlt zum Beispiel jährlich 1,8 Milliarden Euro dafür, dass ein Langzeitarbeitsloser später gerade einmal 2 Euro Rente mehr im Monat hat. Daran sieht man: Man kann es drehen und wenden, es reicht für den Einzelnen in Zukunft niemals für eine auskömmliche Rente. Deshalb ist die Entscheidung gefallen, dafür heute nicht Milliarden einzusetzen, wenn es später keine Wirkung hat, sondern dies heute strukturell einzusparen. Das wird auch für die späteren Generationen die richtige Rendite sein.
Eine einfache Wahrheit lässt sich an diesem Beispiel auch ablesen: Aus Langzeitarbeitslosigkeit kann man keine Rente erwirtschaften. Die einzige Möglichkeit, Altersarmut zu vermeiden, sind möglichst viele Beitragsjahre in Arbeit.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Ministerin, darf die Kollegin Hagedorn Ihnen eine Zwischenfrage stellen?
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
Gerne.
Bettina Hagedorn (SPD):
Frau Ministerin, Sie haben die 1,8 Milliarden Euro, die nach Ihren Vorschlägen für die Arbeitslosengeld-II-Empfänger künftig nicht mehr in die Rentenkasse eingezahlt werden sollen, eben als Einsparung bezeichnet. Stimmen Sie mir zu, dass man unter Sparen gemeinhin versteht, dass man etwas für die Zukunft zurücklegt? Stimmen Sie mir weiterhin zu, dass diese 1,8 Milliarden Euro, die in Zukunft nicht mehr aus Ihrem Etat bezahlt werden, vor allem den Effekt haben, dass es ein Loch in der Rentenkasse von jährlich 1,8 Milliarden Euro geben wird, und dass darum die Schwankungsreserve, die wir haben, früher aufgebraucht sein wird, was de facto ein Verlagern von Kosten in die Zukunft ist, weil die Beiträge für die Rente früher ansteigen müssen, als es bisher geplant war?
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
Frau Hagedorn, die Reduktion der Einzahlungen in die Rentenversicherung wird nicht die Auswirkung haben, dass sie - das sind Ihre Worte gewesen - ein Loch in die Rentenkasse reißen wird, sondern sie ist dank der demografiefesten Leitplanken, die die Rente jetzt hat, durchaus verkraftbar.
Aber ich finde den zweiten Gedanken noch wichtiger, den Sie angesprochen haben. Sie haben zu Recht gesagt, die gängige Vorstellung ist, dass man, wenn man etwas spart, etwas zurücklegt, damit man in der Zukunft etwas hat. Ich muss ganz deutlich sagen: Ich wäre froh, wenn Deutschland in dieser Situation wäre. Aber unsere Haushalte sind weiß Gott nicht so, dass wir, wenn wir etwas einsparen, mehr auf der hohen Kante für die Zukunft haben; denn auch aufgrund der Politik einer hohen Verschuldung, die die Regierungen in den Jahren von Rot-Grün zu verantworten haben, ist die Verschuldung jetzt so hoch, dass wir es gerade eben schaffen können, ein Anwachsen der Schulden zu verhindern. Das heißt, Sparen bedeutet eigentlich nur, Ausgaben nicht wieder mit neu aufgenommenen Schulden tätigen, die sich drei- und vierfach negativ in den Haushalten der nächsten Jahre und damit zulasten der Kinder auswirken werden.
Es ist ganz entscheidend, in den kommenden Jahren die Geschichte eines robusten Arbeitsmarktes fortzuschreiben.
Wir kehren bei den Mitteln der aktiven Arbeitsmarktpolitik auf das Vorkrisenniveau zurück: 9,5 Milliarden Euro für 2011. Das sind 400 000 Euro mehr, als 2008 zur Verfügung standen, obwohl das Niveau der Arbeitslosigkeit von 2008 schon heute wieder erreicht ist. Das heißt, dieser Haushaltsansatz ist vertretbar. Er ist mit Blick auf den Arbeitsmarkt verhältnismäßig. Zugleich ist er verantwortlich gegenüber dem Gesamthaushalt.
Der Etat meines Hauses für den Arbeitsmarkt beträgt auch jetzt noch rund 48 Milliarden Euro. Hinzu kommen die Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung. Das ist - keine Frage - noch immer viel Geld. Aber die Rahmenbedingungen der Vermittlung von Arbeitslosen verändern sich: Die Wirtschaft fasst wieder Tritt; die Zahl der offenen Stellen wächst. Wir fangen schon an, die Auswirkungen eines kommenden Fachkräftemangels in zahlreichen Branchen zu spüren. Das bedeutet aber auch: Wenn man passgenaue Maßnahmen zur Vermittlung in Arbeit und zur Weiterqualifizierung entwickelt, dann kann es gelingen, ein neues Fenster der Chancen für genau diejenigen Arbeitslosen zu öffnen, die in der Vergangenheit abgehängt waren, weil sie einfach durch die Konkurrenz der vielen Menschen, die in den Arbeitsmarkt hineindrängten, fast keine Chancen gehabt haben.
Es gibt einen weiteren positiven Punkt. Wir haben jetzt mit der Jobcenterreform die Grundlage für ein modernes, effizientes, selbstlernendes System der Vermittlung geschaffen. Deshalb wird es jetzt notwendig sein, sich in der aktiven Arbeitsmarktpolitik auf die Programme und Maßnahmen zu konzentrieren, die nachweislich Menschen in Arbeit bringen. Eine Maßnahme, die wenig wirkt und viel Geld kostet, zementiert letztlich Arbeitslosigkeit. Deshalb werden wir auf der Grundlage wissenschaftlicher Evaluationen im nächsten Jahr prüfen: Wo können wir wirksamer werden? Welche Maßnahme bewirkt in der Tat eine zügige Vermittlung in Arbeit? Worauf können wir verzichten?
Wenn wir einen Teil der unwirksamen Maßnahmen aufgeben, dann können wir im Ergebnis beides tun, nämlich deutlich zur Haushaltssanierung beitragen und mit den bewährten Mitteln, mit erfolgreichen Maßnahmen, Menschen gezielt wieder in Arbeit bringen. Gute Arbeitsmarktpolitik hängt nicht von der absoluten Summe der eingesetzten Mittel ab, sondern zuallererst von der Qualität der Maßnahmen.
Arbeitslosigkeit entsteht aber vor allem durch schlechte und fehlende Ausbildung. Es ist ganz fatal, wenn sich Bildungsarmut und Benachteiligung von einer Generation in die nächste vererben und so Langzeitarbeitslosigkeit in Familien zementiert wird. Das Bundesverfassungsgericht hat hier mit seinem Urteil im Februar den Finger in eine Wunde gelegt: Der Bund hat bei Kindern von Langzeitarbeitslosen und Sozialhilfeempfängern, die von der schwierigen Situation ihrer Eltern genauso betroffen sind, eine Fürsorgepflicht. Die Fürsorgepflicht des Bundes bedeutet: Ja, Kinder müssen zur Schule gehen; aber sie müssen auch eine Chance haben, in der Schule mitzukommen und an den Aktivitäten der Gleichaltrigen im Alltag teilzunehmen.
Wir wissen doch zu gut, wie sehr sich der Kreislauf von wenig Bildung, wenig Chancen am Arbeitsmarkt und Transferabhängigkeit von einer Generation in die nächste fortsetzen kann, wenn man nicht von Anfang an gegensteuert. Man kann da mehr tun. Wir brauchen keinen teuren Reparaturmechanismus später, sondern reelle Chancen für die Kinder von Anfang an; das muss unser leitendes Prinzip sein.
Wir werden deshalb für Kinder, deren Eltern langzeitarbeitslos sind oder von Sozialhilfe leben, zusätzlich zum Lebensunterhalt, der wie bisher gezahlt wird, ein Bildungspaket entwickeln. Es geht um Lernförderung für Kinder, die in wichtigen Schulfächern nicht mitkommen. Es geht um das notwendige Schulmaterial. Es geht um ein warmes Mittagessen in der Schule oder in der Kita. Es geht um Teilhabe außerhalb der Schule bei Sport und Spiel.
Entscheidend ist, dass diese Kinder nicht länger ausgegrenzt werden und nicht bereits in den allerersten Lebensjahren den Anschluss an ihre gleichaltrigen Kameradinnen und Kameraden verlieren. Man könnte all das auf lange Sicht unkompliziert und unbürokratisch über eine Bildungskarte abrechnen. Manche sehen das als Stigmatisierung an. Ich sage: Die Stigmatisierung findet schon heute statt, nämlich wenn Kinder von Langzeitarbeitslosen nicht beim eintägigen Schulausflug mitmachen können, wenn bedürftige Kinder nicht am gemeinsamen, warmen Mittagessen in der Schule teilnehmen können, wenn bedürftige Kinder nicht mit ihren Klassenkameraden im Fußballklub sind, beim Turnen oder bei der ?Kindermucke?. Eine solche Stigmatisierung findet bereits heute statt, und der wollen wir ein Ende bereiten.
Ich möchte die logistische Aufgabe nicht kleinreden. Sie ist sicher nicht trivial. Man kann es auch umgekehrt sagen. Die kurzfristig bequemste, aber meines Erachtens langfristig teuerste, da wirkungsärmste Variante wäre: Geldbetrag erhöhen, aufs Konto überweisen, das Thema Bildungschancen erledigt. Das ist nicht mein Verständnis von nachhaltiger Politik.
Es ist unsere vornehmliche und verantwortungsvolle Aufgabe, uns der Mühe zu unterziehen, etwas zu unternehmen, indem wir es organisieren, dass im Zusammenspiel aller vor Ort die Lebensperspektiven bedürftiger Kinder verbessert werden. Die Anstrengung lohnt sich. Sie zahlt sich aus, nicht nur für eine Wirtschaft mit zunehmendem Fachkräftemangel, nicht nur für eine Gesellschaft im demografischen Wandel, nicht nur für eine Gemeinschaft, die heute eher teure Reparatursysteme bezahlt, sondern vor allem für das einzelne Kind, das bessere Lebenschancen und Lebensperspektiven hat. Lassen Sie uns deshalb diese Aufgabe gemeinsam angehen.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Elke Ferner für die SPD-Fraktion.
Elke Ferner (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Frau von der Leyen, Sie haben eben gesagt, die Kürzungen in Ihrem Haushalt seien nicht unverhältnismäßig. Ich muss sagen: Ein Stück weit wundert mich das schon.
Kürzungen bzw. Streichungen beim Elterngeld für SGB-II-Empfängerinnen und -Empfänger und auch für diejenigen vorzunehmen, die arbeiten und Aufstockungsleistungen in Anspruch nehmen müssen, weil sie nicht genug Geld bekommen, während die nichtarbeitende Bankiersgattin das Elterngeld weiterhin bekommt - wenn das nicht unverhältnismäßig ist, dann weiß ich nicht mehr, was verhältnismäßig sein soll.
Es ist unverhältnismäßig, dass der Heizkostenzuschuss beim Wohngeld gekürzt werden soll, dass die KdU pauschaliert werden sollen, mit all dem Bürokratieaufwand und den Ungerechtigkeiten. Ich sage voraus, dass es die nächste Verfassungsklage provozieren wird, wenn jemand keine Wohnung findet, die er mit seinem Budget bezahlen kann, und er die Miete aus dem Lebensunterhalt bestreiten muss.
Ich kann die Koalition nur davor warnen, diesen Weg zu gehen. Unsere Zustimmung dafür werden Sie auf alle Fälle nicht bekommen.
Gerade beim Eingliederungstitel wird Geld gespart. Man kann sagen: Gut, es gibt weniger Arbeitslose. Aber bei den Langzeitarbeitslosen ist die Arbeitslosigkeit viel verfestigter als bei denen, die im Regelkreis des SGB III sind. In diesem Bereich zu sparen, den Menschen Chancen zu nehmen und dann noch die Arbeitsmarktleistungen, auf die man bisher Rechtsansprüche hatte, in Ermessensleistungen umzuwandeln, sozusagen nach Haushaltslage oder Qualifizierungsmaßnahmen in den Jobcentern nach Gutdünken zu verteilen, ist keine nachhaltige Politik, sondern Politik à la Gutsherrenart. Das ist möglicherweise auch so etwas wie Klientelpolitik, wie das in vielen anderen Bereichen der Fall ist. Für den Arbeitsmarkt ist das alles andere als stimulierend. Vor allen Dingen bedeutet sie für die Betroffenen weniger Chancen, wieder in den regulären Arbeitsmarkt einzusteigen.
Wir haben heute festgestellt, dass wir gut durch die Krise gekommen sind. Das sind wir, insbesondere wegen der Maßnahmen, die wir gemeinsam in der Großen Koalition beschlossen haben. Aber natürlich hatten die Tarifpartner einen großen Anteil daran. Die Sozialpartnerschaft hat sich bewährt, gerade in der Krise. Deshalb ist dieses Land so gut durch die Krise gekommen.
In Ihrer Rede fehlte einiges. Sie haben einen Gesetzentwurf zur Leiharbeit eingebracht. Darüber haben Sie nicht gesprochen. Sie haben auch nicht über das Thema Mindestlohn gesprochen. Allein das zeigt, wohin die Reise geht. In Ihren Koalitionsvertrag haben Sie hineingeschrieben, dass Sie die Kombilöhne ausweiten wollen. Sie wollen sogar die Minijobregelung ausweiten. Das produziert aber gleichzeitig neue Hilfsbedürftigkeit: Je mehr Leute im Niedriglohnsektor arbeiten, umso geringer ist das Einkommen, umso eher muss aufgestockt werden, umso weniger Geld fließt in die Steuerkasse und in die Sozialversicherungskassen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Ein flächendeckender Mindestlohn sorgt bei vielen dafür, bei den Alleinstehenden ohnehin, dass sie keine aufstockenden Leistungen mehr benötigen, die Sozialversicherungskassen mehr Beitragseinnahmen und auch die Steuerkassen mehr Einnahmen haben und die Binnennachfrage zusätzlich stimuliert wird. Insofern gehen Sie genau den falschen Weg.
Frau von der Leyen, in der letzten Wahlperiode waren Sie auch für das Thema Gleichstellung zuständig. Sie haben nichts dazu gesagt, wie die Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt ist. Wir haben noch immer einen sehr geschlechterspezifischen Arbeitsmarkt. Die Frauen arbeiten vielfach Teilzeit. Wenn sie Vollzeit arbeiten, sind sie deutlich schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen. Was ist denn mit dem Thema Entgeltgleichheit und Durchsetzung der Entgeltgleichheit? Was ist mit dem Thema ?gleiche Teilhabe an Karriere und Beruf?? Was ist mit partnerschaftlicher Teilhabe von Männern und Frauen? Was ist mit der Zeit, sich um Familie zu kümmern, nicht nur um Kinder, sondern auch um pflegebedürftige Angehörige? Was ist damit, dass existenzsichernde Erwerbsarbeit der beste Schutz vor Armut im Erwerbsleben, im Alter und vor allen Dingen vor Kinderarmut ist? Kinder sind arm, weil ihre Eltern arm sind. Das fällt ja nicht vom Himmel. Das hat mit fehlender Beschäftigung und fehlenden Mindestlöhnen zu tun. Auch dazu haben Sie nichts gesagt.
Zum Thema Rente haben Sie nur gesagt: Es ist vertretbar, 1,8 Milliarden Euro Zuschuss für die Rentenversicherung zu streichen.
- Das haben wir auch schon einmal gemacht. Deshalb muss es nicht richtig sein. Das ist damals nicht richtig gewesen, und Sie machen es auch jetzt nicht richtig, Herr Kolb.
Der Rentenversicherung fehlen jedes Jahr 1,8 Milliarden Euro. Mit Ihrer Beitragserhöhung bei der Krankenversicherung kommen noch einmal weitere 300 Millionen Euro hinzu, die zusätzlich ausgegeben werden müssen. Das heißt, jedes Jahr fehlen 2,1 Milliarden Euro. Die Beitragssatzsenkung ab 2014 bei der Rentenversicherung können Sie schon einmal knicken. Sie wird nicht mehr möglich sein, und die darauffolgende auch nicht. Das viel Schlimmere an der Tatsache, dass der Zuschuss jetzt komplett gestrichen wird, ist aber, dass Anwartschaftszeiten unterbrochen werden. Diejenigen, die noch keine Anwartschaft auf eine Erwerbsminderungsrente komplett haben, verlieren sie. Wenn sie wieder Arbeit haben, müssen sie von vorne anfangen. Das ist der Punkt. Die Riester-Förderung ist davon betroffen. Daran sieht man, dass Sie mal eben mit einem Federstrich versuchen, etwas - ich sage das in Anführungszeichen - ?einzusparen?. In Wahrheit ist das eine Verschiebung auf die kommenden Jahre; denn dadurch werden mehr Leute im Alter in die Grundsicherung fallen als bisher. Die Folgen, die damit zusammenhängen, bedenken Sie nicht.
Frau von der Leyen, über das Thema Regelsätze haben Sie sehr ausführlich gesprochen. Das Verfassungsgerichtsurteil ist ganz klar. Ich kann Neugierige nur davor warnen, zu glauben, man könne sich die Regelsätze schönrechnen. Wir haben ein Drei-Säulen-Modell vorgelegt. Wir wollen Regelsätze, die transparent berechnet sind, die bedarfsgerecht sind, die die Bedarfe abdecken und nicht künstlich heruntergerechnet werden, wie man gestern in der Süddeutschen Zeitung und heute in der taz lesen konnte. Da steht die Überschrift: ?Regierung rechnet sich die Hartz-IV-Sätze passend?. Davor kann ich nur warnen. Wir sind im Interesse der Betroffenen bei diesem Thema gesprächsbereit.
Ich kann Neugierige nur davor warnen, zu glauben, man könnte bei der Festsetzung der Referenzgruppe einfach statt der unteren 20 Prozent die unteren 15 Prozent heranziehen, weil sich die Regelsätze nach der Kassenlage zu richten hätten und nicht so bemessen sein müssten, dass das Existenzminimum gesichert wird; denn das war die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts. Dafür werden Sie - das kann ich Ihnen hier sagen - von uns keine Zustimmung bekommen, weder von uns noch von den SPD-geführten Bundesländern.
Die Frage, wie wir Teilhabe gewährleisten, ist wichtig. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie schon vor August mit den Ländern gesprochen hätten; denn die Umsetzung muss vor Ort passieren. Der Finanztransfer ist dabei nur ein Punkt. Stattdessen werden Diskussionen über die Einführung einer Chipkarte aufgemacht, und gestern war zu lesen, dass Sie die Umbenennung von Hartz IV planen. Wissen Sie, Frau von der Leyen, uns ist es wichtig, was drin ist, wie wir die Bildungsteilhabe ermöglichen, wie wir die soziokulturelle Teilhabe für Kinder, aber auch für Erwachsene ermöglichen. Uns ist weniger wichtig, wie nachher das Geld fließt oder was draufsteht. Frau von der Leyen, ich kann Sie nur auffordern, uns frühzeitig und umfassend die Informationen zur Verfügung zu stellen, die wir alle hier im Parlament brauchen, um eine transparente und sachgerechte Bewertung der Zahlen des Statistischen Bundesamtes vorzunehmen und eine parlamentarische Beratung durchzuführen, die den Vorgaben des Verfassungsgerichtes entspricht.
Wenn ich mir anschaue, dass von Ihrem Haus verschiedene Varianten in Auftrag gegeben worden sind, liegt der Verdacht nahe, dass die Regelsätze je nach Kassenlage angepasst werden sollen. Herr Fuchs fordert beispielsweise eine härtere Gangart gegenüber integrationsunwilligen Migranten. Anfang dieses Jahres hat er gesagt, das dürfe alles nicht mehr kosten, sondern müsse im Hartz-IV-Bereich umgeschichtet werden. Das wird mit uns nicht möglich sein. Um das Zitat von Herrn Fuchs bezüglich der integrationsunwilligen Migranten noch einmal zu bemühen: Ich frage mich wirklich, ob in dieser Koalition einige noch alle Tassen im Schrank haben. Er fordert:
Wenn etwa die Kinder nicht in die Kita oder die Schule geschickt werden,
- wir haben eine Schulpflicht -
dann muss das mit Hartz-IV-Kürzungen sanktioniert werden.
Das heißt, die Regelleistungen sollen dann gekürzt werden. Gleichzeitig will diese Koalition ein Betreuungsgeld einführen, das genau für die Menschen gedacht ist, die ihre Kinder nicht in Kitas schicken, das heißt, die Bildungsteilhabe verhindern. Wie soll das zusammenpassen?
- Natürlich, in Ihrem Koalitionsvertrag steht, dass diejenigen Betreuungsgeld erhalten sollen, die darauf verzichten, ihre Kinder in eine Einrichtung zu schicken.
- Ich traue den Eltern zu, dass sie ihre Kinder erziehen. Ich traue aber auch den Einrichtungen zu, dass sie den Kindern guttun, besonders den Kindern, die einen Migrationshintergrund haben oder aus bildungsferneren Schichten kommen. Dabei geht es um die Frage der späteren Bildungsteilhabe in der Kita und in der Schule.
Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns: Sie wollen, dass die Kinder aus den Einrichtungen herausgehalten werden. Wir wollen es den Eltern ermöglichen, dass die Kinder einen Zugang dazu haben.
Wichtig ist für uns bei der Frage der Bildungsteilhabe auch der kostenfreie Zugang zur Infrastruktur, zu einem Mittagessen und natürlich auch zu Sport- und Musikvereinen sowie anderen Freizeitmöglichkeiten jenseits der Schule. Aber ich kann auch da nur davor warnen, das alles auf diejenigen zu beschränken, die im SGB-II-Bezug sind. Was ist denn mit den Kindern von den Eltern, die so eben jenseits der Grenzen sind? Wollen wir diese ausgrenzen? Auch da muss es Möglichkeiten geben. Deshalb, Frau von der Leyen, brauchen wir ganz schnell eine Verständigung mit den Ländern und der kommunalen Ebene, wie wir das bewerkstelligen können.
Ich kann nur dafür werben, bestehende Strukturen zu nutzen, sie auszubauen und vor allen Dingen mit der Ganztagsbetreuung sowohl im schulischen als auch im vorschulischen Bereich schneller voranzukommen, damit die Infrastruktur zur Verfügung steht. Das alles ist zeitlich sehr knapp bemessen. Insofern hoffe ich, dass wir da zu einem guten Ergebnis kommen. Ich sage Ihnen auch: Die Lösungen müssen alle verfassungskonform sein, zu etwas anderem werden wir die Hand nicht reichen.
Schönen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Für die FDP-Fraktion spricht nun die Kollegin Claudia Winterstein.
Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf die Schwarzmalerei von Ihnen, Frau Ferner, und der Opposition, will ich jetzt gar nicht weiter eingehen; denn wir können positiv nach vorne schauen. Es geht wieder aufwärts, meine Damen und Herren.
Es kann gar nicht oft genug gesagt werden: Die Wirtschaft boomt. Deutschland ist wieder die Wachstumslokomotive in Europa. Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit 18 Jahren nicht mehr. Die Erwerbstätigkeit ist nahe am Rekord des Jahres 2008. Auch beim Haushalt sind wir auf einem guten Wege. Ich bitte die Opposition, dies endlich einmal zur Kenntnis zu nehmen.
Bei der ersten Lesung des Haushalts 2010 hatten wir es beim Einzelplan 11 mit einem Etatentwurf der negativen Rekorde zu tun. Sein Volumen belief sich damals auf 19 Milliarden Euro mehr als im Jahr zuvor. Der aktuelle Etatentwurf hingegen ist auf dem klaren Weg zur Konsolidierung; denn sein Volumen liegt 11,3 Milliarden Euro unter dem Soll des Jahres 2010, nämlich bei 131,8 Milliarden Euro.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Hagedorn?
Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Nein. Ich glaube, Sie werden mehr lernen, wenn Sie jetzt erst einmal weiter zuhören, Frau Hagedorn.
Das ist keineswegs nur ein Ergebnis der gut laufenden Konjunktur. Das ist auch das Ergebnis des aktiven politischen Handelns.
Unter SPD-Ministern kannte der Haushalt des Arbeitsministeriums immer nur eine Richtung, nämlich: Erhöhung der Ausgaben. Das galt insbesondere bei den Ausgaben für die Arbeitsmarktpolitik im Bereich von Hartz IV. Ob steigende Arbeitslosigkeit oder sinkende Arbeitslosigkeit, das Rezept hieß immer: mehr Geld.
Diese Entwicklung haben wir gestoppt. Ich bin der Ministerin sehr dankbar, dass auch ihr Haus den notwendigen Beitrag zum Sparpaket leistet.
Im nächsten Jahr wollen wir bei den Ausgaben des Bundes für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und Hartz-IV-Verwaltung 500 Millionen Euro gegenüber dem alten Finanzplan einsparen. Das ist angesichts der sinkenden Arbeitslosenzahlen vertretbar.
Im Haushaltsentwurf werden für das sogenannte Eingliederungsbudget im nächsten Jahr insgesamt 9,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. In den Folgejahren werden weitere Einsparungen möglich sein, nämlich durch die Evaluation der arbeitsmarktpolitischen Instrumente, die die Koalition vereinbart hat.
Ziel des Sparpakets ist es, das Eingliederungsbudget bis 2013 auf 8 Milliarden Euro zurückzuführen. Auf diesem Niveau lagen die Ausgaben schon einmal im Jahr 2006. Dazu muss man wissen, dass die Arbeitslosenzahlen im Jahr 2006 bei 4,5 Millionen lagen. Jetzt sind wir bei 3,2 Millionen Arbeitslosen und sind auf dem Weg, unter die 3-Millionen-Grenze zu gelangen. Das heißt, wir können das Absenken der Mittel sehr wohl vertreten und bleiben weiterhin bei einem hohen Leistungsniveau.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Kollegin, darf ich Sie noch einmal unterbrechen? Die Kollegin Mast möchte Ihnen eine Frage stellen.
Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Ich habe es schon einmal gesagt: Ich glaube, es ist besser, Sie hören erst einmal zu, weil Sie dann mehr dazulernen können
und sich Ihre Schwarzmalerei vielleicht ändern wird, weil Sie dann mehr verstehen und die Zahlen zur Kenntnis nehmen.
Rechnet man die Bundesmittel im Eingliederungsbudget auf die Zahl der Arbeitslosen nach SGB II um - das ist für Sie sehr interessant -, so ergibt sich, dass im Jahr 2006 pro Arbeitslosen 2 860 Euro zur Verfügung standen, während im kommenden Jahr 4 400 Euro zur Verfügung stehen werden. Von einem sozialen Kahlschlag kann also weiß Gott nicht die Rede sein, meine Damen und Herren von der Opposition. Nehmen Sie das einmal zur Kenntnis: 2 860 Euro und jetzt 4 400 Euro.
Einen zweiten großen Sparbeitrag erbringt dieser Haushaltsentwurf beim Arbeitslosengeld II. Das Sparpaket sieht zwei Maßnahmen vor, nämlich die Abschaffung des befristeten Zuschlags und den Wegfall der Rentenversicherungsbeitragszahlung. Frau Ferner, ich wundere mich, was Sie schon alles dazu gesagt haben und was Sie schon alles wissen. Wir sind dabei, dieses Gesetz zu entwerfen. Insofern wollen wir doch einmal sehen, wie es dann letztendlich ausgestaltet wird.
Tatsache ist, dass 1,8 Milliarden Euro pro Jahr ausgegeben werden und dass das so nicht sonderlich sinnvoll ist. Ich denke, man kann mit dem Geld effektiver umgehen. Man muss dazusagen: Altersarmut lässt sich mit solchen Instrumenten ganz sicher nicht verhindern, sondern das geht nur mit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung, meine Damen und Herren.
Für die Einsparungen im Bereich der Sozialleistungen gilt, was der Bundesfinanzminister schon bei der Präsentation des Haushaltsgesetzes gesagt hat: Wir haben den - ich zitiere - ?Sinn sozialer Leistungen dort hinterfragt, wo sie weder zum Schutz vor existenziellen sozialen Bedrohungen nötig sind noch soziale Aufstiegschancen eröffnen?. Kurzum, unser Ziel ist es nicht, Hartz IV zu optimieren. Unser Ziel ist es, optimale Chancen zum Ausstieg aus Hartz IV zu schaffen.
Angesichts der guten Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wird die Bundesagentur für Arbeit schon in diesem Jahr ein deutlich geringeres Defizit aufweisen als zunächst befürchtet; es wird wahrscheinlich bei 8 bis 9 Milliarden Euro liegen. Auch durch die Anhebung des Beitragssatzes von 2,8 auf 3 Prozent wird sich die Finanzgrundlage für die BA bessern. Deshalb bleibt es dabei: Wir haben in diesem Jahr einen Zuschuss gewährt. Im kommenden Jahr wird aber ein Darlehen gewährt. Das muss zurückgezahlt werden. Es gibt keinen Zuschuss mehr.
Meine Damen und Herren, mit diesem Haushaltsentwurf liegt zum ersten Mal seit Jahren ein echter Sparhaushalt vor. Das ist ein ganz entscheidender Wendepunkt. Dem Vorwurf der sozialen Schieflage, der immer wieder geäußert wird, können wir ganz gelassen begegnen.
51,7 Prozent des Bundeshaushaltes,
158,8 Milliarden Euro,
sind im Jahre 2011 für den Bereich der sozialen Sicherung vorgesehen.
Das ist mehr als jemals unter der rot-grünen Regierung, meine Damen und Herren.
Wir gehen in dieser Regierung den verantwortungsvollen Weg einer dauerhaften und echten Konsolidierung des Haushalts, indem wir die Ausgaben tatsächlich senken. Das sind wir auch der jungen Generation schuldig; denn Kinder können auf Schuldenbergen nicht spielen.
Danke.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Das Wort zu einer Kurzintervention hat nun die Kollegin Hagedorn.
Bettina Hagedorn (SPD):
Frau Kollegin Winterstein, ich habe mich gemeldet, weil Sie meine Zwischenfrage bedauerlicherweise nicht zugelassen haben.
Da wir von der medialen Öffentlichkeit beobachtet werden, sollten wir dazu beitragen, dass aufgeklärt und nicht versucht wird, die Menschen zu verdummen.
Sie haben vorhin einen sehr kruden Vergleich angestellt, als Sie gesagt haben, die Neuverschuldung sei 2009 gegenüber 2008 enorm gestiegen und 2011 werde sie im Vergleich zu 2010 gesenkt. Damit haben Sie in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, der vorliegende Haushalt sei ein Sparhaushalt.
Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass der Haushalt, der 2010 aufgestellt worden ist, die höchste Neuverschuldung der Nachkriegszeit bedeutet hat. Auch wenn wir, was wir alle hoffen, aufgrund der guten Konjunkturlage und des gestiegenen Wachstums, das vermutlich 3,4 Prozent betragen wird, bei einer Neuverschuldung von gut 50 Milliarden Euro landen, wird sich das Haushaltsjahr 2010 diesen Spitzenplatz in der gesamten Nachkriegszeit mit dem Haushaltsjahr 2011 teilen, weil Sie jetzt eine Neuverschuldung in Höhe von 57 Milliarden Euro vorgesehen haben.
Geben Sie mir außerdem recht, dass den dritten Platz der Haushalt 1996 von Theo Waigel einnimmt und dass das Haushaltsjahr, das Sie herangezogen haben, das Haushaltsjahr nach der Finanz- und Wirtschaftskrise war, also nach dem Fall von Lehman Brothers?
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Kollegin Winterstein, bitte.
Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Liebe Bettina Hagedorn, ich will gerne auf diese Fragen antworten. Vor allen Dingen möchte ich darauf hinweisen, dass es schon ein Leben vor der Krise gab. Es gab Zeiten, in denen wir sprudelnde Steuereinnahmen zu verzeichnen hatten, in denen wir sehr wohl in der Lage gewesen wären, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen,
in denen wir sehr wohl auch in der Lage gewesen wären, für den Bereich Arbeit und Soziales einen wesentlich besseren Haushalt vorzulegen. Diese Chance ist von Ihnen vertan worden.
In guten Zeiten sollte man etwas zurücklegen, damit man in schlechten Zeiten etwas hat.
Diese wahnsinnig hohe Neuverschuldung haben wir auch Ihrer schlechten Regierungszeit zu verdanken;
sonst würden wir uns heute nicht in dieser Situation befinden.
Nehmen Sie insofern doch bitte auch zur Kenntnis, dass wir jetzt - das habe ich auch gesagt - auf einem sehr guten Weg sind, weil wir bei uns sparen und diesen Haushalt durch eigene konsequente und dauerhafte Sparmaßnahmen sozusagen wieder auf die gerade Schiene bringen wollen und nicht über Steuereinnahmen versuchen, zu sanieren. Es ist leider so, dass das jetzt Zeit benötigt, weil die Verschuldung derartig hoch ist. Damit müssen wir leben. Umso wichtiger ist aber, dass wir jetzt wirklich intensiv sparen. Auf diesem Wege sind wir.
Insofern sind die Maßnahmen, die wir ergriffen haben, sehr ausgewogen: Auf der einen Seite sorgen wir eben tatsächlich für Einsparungen, auf der anderen Seite haben wir aber sehr wohl auch die soziale Komponente im Blick. Dementsprechend haben wir unsere Sparmaßnahmen sozialverträglich angelegt.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nun hat der Kollege Klaus Ernst für die Fraktion Die Linke das Wort.
Klaus Ernst (DIE LINKE):
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir erleben eine Ministerin, die ihre Arbeit selbstverständlich gut darstellt. Dafür habe ich Verständnis. Trotzdem müssen wir schon ein bisschen genauer hinschauen, Frau von der Leyen.
Wenn Sie sagen: ?Es geht wieder aufwärts?, dann stellt sich natürlich die Frage, für wen. Ich zitiere aus Spiegel Online vom 4. September 2010. Dort heißt es - Zitat -:
Die Verluste aus der Finanzkrise sind laut einer DIW-Studie inzwischen komplett ausgeglichen. Davon profitieren besonders die Reichen: Noch nie gab es hierzulande so viele Vermögensmillionäre.
Es geht aufwärts, aber nicht für die Bevölkerung.
Frau von der Leyen, wenn ich mir Ihren Haushalt ansehe, dann stelle ich fest: Das Elterngeld für Hartz IV-Bezieher wird um 500 Millionen Euro gekürzt, bei der Rentenversicherung wird um 1,8 Milliarden Euro gekürzt, und die Ausgleichszahlungen für den Übergang vom Arbeitslosengeld I zum Arbeitslosengeld II sinken um 200 Millionen Euro. - Daneben stellen wir fest, dass die Eingliederungstitel gekürzt werden, die für die Menschen gedacht sind, die Hilfe brauchen, um tatsächlich wieder Arbeit zu bekommen. Das alles passt überhaupt nicht mit dem zusammen, was Sie hier darstellen. Es geht offensichtlich nicht allen besser. Vielmehr wird bei den sozial Schwachen ganz besonders gekürzt.
Es wurde von dem Prinzip des sozialen Ausgleichs gesprochen, und die Bundeskanzlerin sagte, als es um das Kürzungspaket ging, es sei ausgewogen. Die Ausgewogenheit ist schon deshalb nicht gegeben, weil in Ihrem Haushalt, Frau von der Leyen, letztendlich 37 Prozent der gesamten Kürzungen vorgenommen werden. Ich kann Ihnen nur sagen: Es ist falsch, das mit dem Prinzip der Ausgewogenheit zu erklären.
Warum verfahren Sie eigentlich nicht nach dem Verursacherprinzip?
Es wird unter anderem deshalb eine hohe Verschuldung im Haushalt ausgewiesen, weil wir eine Bankenkrise zu finanzieren haben, für all diejenigen, die Sie jetzt belasten, nicht die geringste Verantwortung haben, und das ist falsch an Ihrem Haushalt, Frau von der Leyen.
Von der Beachtung des Verursacherprinzips sind wir weit entfernt. Wir sind aber auch weit weg von einer einigermaßen vernünftigen Verteilung dessen, was in diesem Land erwirtschaftet wird. Auch dafür ist die Bundesregierung aus meiner Sicht mitverantwortlich.
Wir haben festgestellt, dass die Situation bei den Arbeitgebern, bei den Reichen wieder dieselbe ist wie vorher.
Jetzt sagen Sie: Der Aufschwung kommt an. - Frau Winterstein, ich habe gerade von Ihnen gehört, es gehe aufwärts.
Ich sage Ihnen: Es geht aufwärts, weil die Industrieunternehmen wieder die Leiharbeiter einstellen, die sie vorher entlassen haben. Es geht nicht aufwärts im Bereich der normalen Vollzeitjobs. Im Gegenteil: Wir stellen bei Betrachtung eines längeren Zeitraums fest - diese steht ja durchaus zur Verfügung -, dass die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten, die es 2000 noch gab, inzwischen um 2,3 Millionen gesunken ist. Die Anzahl anderer Jobs ist demgegenüber gestiegen: Die Anzahl der Menschen in Leiharbeit, der Menschen in befristeten Beschäftigungsverhältnissen und der Menschen in prekärer Beschäftigung hat zugenommen. - Nicht zugenommen hat jedoch die Anzahl der Menschen mit einer vernünftigen Beschäftigung in diesem Land. Dafür sind Sie mitverantwortlich, unter anderem deshalb, weil Sie, Frau von der Leyen, eine vernünftige Regelung für den Bereich der Leiharbeit nach wie vor verhindern.
Beim Thema Leiharbeit geht es nicht nur darum, den Drehtüreffekt zu verhindern, dass Menschen zunächst entlassen und anschließend im selben Betrieb wieder eingestellt werden. Vielmehr geht es beim Thema Leiharbeit um ein ganz einfaches Prinzip - das müsste doch für uns selbstverständlich sein -, nämlich dass man bei gleicher Arbeit das gleiche Geld bekommt, dass Equal Pay gilt. Aber das machen Sie in Ihrem Gesetz nicht. Damit sind Sie für eine ungleiche Verteilung in diesem Land verantwortlich, Frau von der Leyen.
Dasselbe Problem gibt es bei befristeten Arbeitsverhältnissen. Inzwischen sind 40 Prozent aller neu abgeschlossenen Arbeitsverhältnisse - das trifft natürlich auch jetzt für die Zeit des Aufschwungs zu - nur noch befristet. Betrachten Sie das als Aufschwung? Betrachten Sie es als Aufschwung, wenn die überwiegend jungen Leute, die nach der Krise wieder einen Job bekommen und vorher möglicherweise als Leiharbeiter beschäftigt waren, jetzt nur noch solche Beschäftigungsverhältnisse bekommen, bei denen sie von vornherein wissen, dass dieses Arbeitsverhältnis in kürzester Zeit wieder beendet ist? Ich kann Ihnen sagen: Damit geben Sie den Menschen in diesem Land keine Zukunft. Im Gegenteil: Damit tragen Sie dazu bei, dass die Menschen eine Zukunft haben, die aus Unsicherheit, schlechten Arbeitsbedingungen und Niedriglöhnen besteht.
Angesichts der Feststellung, dass mit diesem Aufschwung die Gewinne wieder deutlich steigen - Sie freuen sich darüber natürlich ganz besonders; wir freuen uns vor allem darüber, dass die Krise vorbei ist -, hätte ich erwartet, dass wir hier von Ihnen etwas hören, wie Sie dazu beitragen wollen, die ungleiche Vermögensverteilung, die ungleiche Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums zu beenden. Dazu habe ich keinen einzigen Satz von Ihnen gehört, Frau von der Leyen.
Ich könnte gerne noch den einen oder anderen Punkt aufzählen, der für Ihren Haushalt noch von Bedeutung wäre.
Frau von der Leyen, wir haben viel über Mindestlöhne und Aufstocker diskutiert.
Dazu nenne ich Ihnen folgende Berechnung: In den letzten Jahren wurden 50 Milliarden Euro an Lohnsubventionen gezahlt, weil Sie die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns verhindern. Wären wir in der Lage, die Menschen in diesem Lande tatsächlich auf einem vernünftigen Lohnniveau zu bezahlen, dann hätten Sie in Ihrem Haushalt das, was Sie machen, nämlich diese Kürzungsorgien, überhaupt nicht nötig.
Verweigern Sie sich deshalb an der Stelle nicht länger! Schaffen Sie einen gesetzlichen Mindestlohn! Regeln Sie Leiharbeit mit gleichem Lohn für gleiche Arbeit! Sorgen Sie dafür, dass die Menschen eine unbefristete Beschäftigung haben und dass wir kein Prekariat erleben müssen.
Ich danke fürs Zuhören.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Redner ist der Kollege Markus Kurth für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dieser Haushalt präsentiert sich zwar als Sparhaushalt, aber tatsächlich verschiebt er Lasten auf andere Zweige der Sozialversicherung und in die Zukunft. Dies ist kein Sparhaushalt.
Es werden Lasten auf die Rentenversicherung und auf die Bundesagentur für Arbeit verschoben, die sich jetzt verschulden können soll und die einen Schattenhaushalt begründen wird. Am Schlimmsten ist: Auch zulasten der Arbeitslosen werden finanzielle Belastungen in die Zukunft verschoben, indem Sie beim Eingliederungstitel, bei der Qualifizierung, bei der Weiterbildung und bei der Förderung von Langzeitarbeitslosen einsparen.
Erst kürzlich - Herr Schiewerling, auch Sie waren dabei - hat das Institut der deutschen Wirtschaft eine Evaluation vorgelegt, in der die Berufsbildungswerke untersucht wurden, die sehr teure Weiterbildungs-, Qualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen anbieten. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat festgestellt, dass die Rendite aus den Investitionen in Weiterbildung 11,7 Prozent beträgt, erwirtschaftet durch eingespartes Arbeitslosengeld II, durch zusätzliche Steuereinnahmen und durch zusätzliche Sozialversicherungsbeiträge. Sie rechnen kurzsichtig und nicht nachhaltig und langfristig.
Dramatisch finde ich auch, dass Sie blind sparen. Sie sparen ins Blaue hinein. Frau von der Leyen hat hier ausgeführt, dass sie eine Evaluation der arbeitsmarktpolitischen Instrumente in Auftrag gegeben hat und dass sie im nächsten Jahr die Ergebnisse erwartet. Warum warten Sie denn die Ergebnisse nicht ab, um dann festzustellen, was das effektivste Instrument ist? Dann könnte man den Einsparungen unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten noch zustimmen. Aber Sie sparen einfach drauflos, weil Sie unter Druck gesetzt worden sind, Frau von der Leyen.
Der Vergleich mit dem Jahr 2006 hinkt überdies. Nicht nur dass im Jahr 2006 der Eingliederungstitel nicht vollständig ausgeschöpft wurde, sondern auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen, die einer besonders intensiven und qualifizierten Förderung bedürfen, ist gegenüber 2006 nicht gesunken.
An diesem Punkt müssen wir ansetzen.
Im Ergebnis ist die Folge klar absehbar: Diese Sparpolitik wird immer kurzatmigere Maßnahmen seitens der Bundesagentur für Arbeit erzwingen, weil diese ihre sogenannten Aktivierungsquoten hochhalten wird, und im Ergebnis den Druck auf Langzeitarbeitslose und Beschäftigte erhöhen. Unterm Strich kann man sagen: Dieser Haushalt vergrößert die soziale Verschuldung in diesem Lande.
Wenn Sie den Haushalt schon so offensiv in den Kontext der Staatsverschuldung stellen, Frau von der Leyen, dann frage ich Sie, warum Sie Stimmen wie die von Gerhard Cromme nicht ernst nehmen. Gerhard Cromme, Aufsichtsratsvorsitzender von Siemens, Multimillionär und früherer Vorstandschef des Konzerns ThyssenKrupp, ist dafür bekannt, dass er kein Kind von Traurigkeit ist, wenn es um harte Sanierungseinschnitte in Unternehmen geht. Derselbe Gerhard Cromme sagt in einem Interview mit einer angesehenen deutschen Tageszeitung in der Sommerpause, er könne sich eine befristete Vermögensabgabe vorstellen, um einen Beitrag zur Überwindung der Krise zu leisten. Warum greifen Sie diese Bereitschaft, die viele Menschen in diesem Lande zeigen, nicht auf?
Die Verteilungswirkungen sind das eine. Das andere ist die Wirkung auf die Menschen, die davon betroffen sind. Ich werfe Ihnen vor, dass Sie - ob willentlich oder unbewusst - eine Politik der Diskriminierung gegenüber denjenigen betreiben, die Unterstützung benötigen. Am augenfälligsten wird das bei der Streichung des Elterngeldes für Eltern, die Grundsicherung beziehen müssen. Sie diskriminieren gezielt die Bezieher einer bestimmten Sozialleistung und entziehen diesen die Familienförderung. Deutlicher kann man, ob gewollt oder nicht, die Botschaft nicht aussenden: Wir wollen nicht, dass ihr Kinder bekommt.
Genau diesem Muster folgt die Tonlage im Hintergrund, wenn es um die Idee eines elektronisch gestützten Gutscheinsystems für Kinder aus Arbeitslosengeld-II-Haushalten geht. Die Botschaft lautet: Wir trauen den langzeitarbeitslosen Eltern von Kindern die Erziehung und eigenständige Lebensführung nicht wirklich zu. Zumindest wird dies von nicht wenigen Abgeordneten und Akteuren aus der schwarz-gelben Koalition so orchestriert.
Damit wir uns nicht missverstehen: Es spricht alles dafür, statt rechnerisch 1 Euro für das Mittagessen eines Kindes im Regelsatz anzusetzen, ein vollwertiges Essen als reguläre Sachleistung in der Schule anzubieten. Ich füge hinzu: wenn es denn in allen Schulen einen Mittagstisch gibt.
Oder nehmen wir das Beispiel Bildung, von dem Sie ausführlich gesprochen haben: Es wäre mehr als sinnvoll, die 4 Euro im Monat, die für Nachhilfe angesetzt sind, aus dem Regelsatz herauszunehmen. Für 4 Euro im Monat kann man sich ohnehin keine Nachhilfestunden leisten. Es wäre sinnvoll, stattdessen einen eindeutigen Rechtsanspruch auf Nachhilfe festzuschreiben, der als einmalige Leistung im notwendigen Umfang zu gewähren ist.
Aber was tun Sie? Zunächst sehen Sie tatenlos zu, wie die Bundesagentur für Arbeit den Nachhilfeanspruch, der seit Februar durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts besteht, maximal einschränkt. Anstatt den Richterspruch zum Anlass zu nehmen, auf einem Gebiet den Bildungsanspruch und Bildungsziele durchzusetzen, lassen Sie zu, dass der vom Verfassungsgericht definierte Bildungsanspruch in kleinlicher und geradezu beschämender Weise kleingerechnet wird und nur dann geltend gemacht werden kann, wenn ein Todesfall oder eine schwere Krankheit in der Familie vorliegt. Dann gönnen Sie sich im Sommer einen großen Auftritt zur Präsentation einer Bildungschipkarte, die finanziell voraussichtlich so kläglich ausgestattet sein wird, dass sie auch nur für fünf Stunden Nachhilfe im ganzen Jahr reicht. Das ist ein politisches Täuschungsmanöver.
Ich empfinde es auch als Täuschungsmanöver, wenn der Eindruck erweckt wird, mit der Chipkarte stünde jetzt allen der Weg zur Musikschule und zur künstlerischen Bildung offen. Was ist denn in den letzten Jahren in den Kommunen mit solchen Bildungsangeboten passiert? Ihre Zahl ist um mehr als ein Drittel verringert worden, und die verbleibenden sind mit Gebühren versehen worden, die Ihre Chipkarte nicht einmal zu einem Bruchteil abdecken wird. Diese Bundesregierung drückt durch Steuergeschenke den Städten und Gemeinden finanziell die Gurgel zu und präsentiert dann einen Gutschein, den man vielerorts überhaupt nicht mehr einlösen kann, weil die Angebote fehlen.
Weil Sie dies wissen, entwerfen Sie eine Szene von der Einbindung der Privatwirtschaft bei der Finanzierung der Chipkarte. Aber diese Finanzierungsbeteiligung der Privatwirtschaft ist noch nicht einmal am Horizont zu sehen. Darüber hinaus kann man getrost die Frage stellen, ob wir eine öffentliche Regelfinanzierung von Kinderförderung an Institutionen durch private Almosengewährung an diese Institutionen ersetzen wollen. Wir jedenfalls wollen dies nicht. Im Ergebnis laufen Ihre Pläne auf Bevormundung und weniger Freiheit für Langzeitarbeitslose und alle anderen hinaus, die auf das Arbeitslosengeld II angewiesen sind.
Das korrespondiert mit anderen Vorhaben wie der sogenannten Bürgerarbeit. Hier sollen fünfmal mehr Bürger aktiviert werden, als überhaupt Plätze in der Bürgerarbeit zur Verfügung stehen. Das heißt - das scheint offenbar von vornherein das Ziel zu sein -, ein Großteil der zu Aktivierenden soll letzten Endes aus dem Leistungsbezug ausgesteuert werden. Ich finde, dass sich dies alles in Richtung des vormodernen Sozialstaats bewegt, wo Armenpolizei und Arbeitshaus die Armen zu Objekten eines Obrigkeitsstaates machten und wo nur der sittliche Arme Anspruch auf öffentliche Fürsorge hatte. Ich erlebe eine erstaunliche Renaissance dieses Denkens. Michael Fuchs etwa sagt - das wurde schon erwähnt -: Eltern, die ihre Kinder nicht erziehen, müssen ALG-II-Kürzungen hinnehmen. - Ich will ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1967 zitieren, ein Urteil, das ich wirklich wegweisend finde. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Urteil, das das Ende der Arbeitshäuser im Nachkriegsdeutschland besiegelte, gesagt: Es ist nicht die Aufgabe des Staates, seine Bürger zu bessern. - Das ist ein wichtiger und zentraler Satz, an den wir uns in der Sozialpolitik öfter erinnern sollten.
Es geht um die Stärkung und die Befähigung von Menschen, die zeitweise nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbstständig zu erwirtschaften. Wir Bündnis 90/Die Grünen wollen die Menschen ernst nehmen. Wir wollen ein Wunsch- und Wahlrecht, Möglichkeiten, sich die Angebote selber auszusuchen. Miteinander statt Obrigkeit, das erzielt die besten Ergebnisse. Das ist am effektivsten. Wir stehen für einen Ausbau der Infrastruktur zur Bildung und Förderung von Kindern sowie Jugendlichen. Wir stehen für Teilhabe und Selbstbestimmung statt Verhaltenskontrolle durch Nannys im Sozialministerium.
Danke.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun das Wort die Kollegin Ingrid Fischbach.
Ingrid Fischbach (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wer aufhört zu werben, um Geld zu sparen, kann ebenso seine Uhr anhalten, um Zeit zu sparen.
Diese Worte hat Henry Ford einmal gesprochen. Sie sind wohl wahr. Wenn wir jetzt aufhören, zu sparen und den Haushalt zu konsolidieren, können wir gleich einpacken. Sie haben recht, Frau Hagedorn: Wir haben hohe Schulden. Da ich ein bisschen länger dabei und gut bei Verstand bin und mein Erinnerungsvermögen vorhanden ist, erinnere ich mich noch an einen Sparminister - ich glaube, er kam aus Ihrer Fraktion, meine Damen und Herren von der SPD -, der im Jahr 2004, als sich der damalige Kanzler rühmte, den Aufschwung habe er allein durch seine Kandidatur und sein Kanzlersein erwirtschaftet, eine Neuverschuldung in Höhe von 43 Milliarden Euro auf den Weg gebracht hat. Theo Waigel, den Sie angesprochen hatten, war 1996 bei 40 Milliarden Euro angelangt.
Die Zuschauer vor den Bildschirmen können nun errechnen, wer eine höhere Neuverschuldung zu verantworten hatte. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.
Die Situation 2004 war anders als die heutige. Deswegen ist das, was Sie hier machen, unfair, unsozial und effekthascherisch. Wir haben eine so hohe Neuverschuldung, weil wir eine noch nie dagewesene Krise bewältigen müssen. Das mussten Sie nicht. Um den Menschen Sicherheit zu geben und die Zahl der Arbeitslosen nicht wieder auf 5 Millionen steigen zu lassen, sorgen wir dafür, dass die Menschen in Arbeit bleiben und nicht arbeitslos werden; das ist doch gut. Deshalb war es richtig, das Geld zur Verfügung zu stellen. Das bedeutet aber nicht, dass wir jetzt aufhören können, diese Schulden zurückzufahren.
Herr Kurth, deshalb ist es auch nicht richtig, dass Sie sagen, dieser Haushalt sei kein Sparhaushalt. Wir reduzieren, und das ist wichtig - -
- Dann hören Sie zu, vielleicht erfahren Sie doch noch, was Sparen heißt, wenn Sie selbst es noch nicht wissen und noch nicht können.
Wir haben eine Aufgabe, nämlich die Neuverschuldung zurückzufahren und Einsparungen vorzunehmen. Das bedeutet: Alle Ministerien sind gefordert, auch das Sozialministerium. Ich möchte an dieser Stelle deutlich machen, dass wir bisher 12 Prozent des Bundeshaushaltes allein für Zinszahlungen ausgeben. Davon müssen wir runter, weil wir das Geld für andere Dinge brauchen. Mittlerweile ist jeder fünfte Euro kreditfinanziert. Sie tun hier so, als hätten wir ein Wunschkonzert nach dem Motto: Wer noch etwas haben möchte, der soll sich melden, dann packen wir noch ein bisschen drauf.
Das haben wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten getan, und das war falsch. Sie monieren Kürzungen, statt zuzuhören, warum gekürzt wird und an welchen Stellen gekürzt wird.
- Darüber, ob die Stellen richtig sind oder nicht, können wir reden.
Ich bin jetzt bei dem Punkt der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. Frau Hagedorn, Sie gehen doch wie ich in Ihrem Wahlkreis mal zu den Arbeitsagenturen. Sie reden auch mit den Bürgerinnen und Bürgern, auch mit denen, die länger arbeitslos sind.
Ich höre von vielen Kolleginnen und Kollegen und von vielen Bürgerinnen und Bürgern die Frage bzw. Aussagen: ?Wieso gibt es eigentlich so viele Maßnahmen, die uneffektiv sind??, ?Jetzt schicken die mich schon in den dritten Computerkurs.? ?Ich muss jetzt wieder eine Umschulung für einen Beruf machen, der dann, wenn ich fertig bin, überhaupt nicht? - -
- Jetzt hören Sie doch einmal gut zu. Was wir mit Recht wollen, ist doch, dass wir kontrollieren und nach Zielgenauigkeit und Effizienz auswählen und an dieser Stelle den Menschen - -
- Sie können sich gern melden und eine Zwischenfrage stellen; aber immer reinzurufen, ist unsinnig, weil die Zuhörer draußen nicht hören, was Sie rufen. Wenn ich Ihnen dann antworte, dann ist meine Rede nicht so logisch; das finde ich nicht so prickelnd.
Also, wir haben gemeinsam beschlossen, die Schuldenbremse ins Grundgesetz aufzunehmen und daran zu arbeiten. Ich sage an dieser Stelle noch einmal: Der Abbau von Schulden ist zukunftsorientierte Politik. Das ist eine Politik für unsere Kinder, für unsere Nachfolger und für unsere Enkelkinder, und daran halten wir fest.
Mit den Einsparungen und Kürzungen bei den Ausgaben des Sozialministeriums sind wir bei Zahlen, die wir im Jahr 2008 hatten. Wir liegen sogar noch darüber. Frau Hagedorn, hatten Sie, als wir in der Großen Koalition waren, bei 123 Milliarden Euro Ausgaben im Sozialetat den Gedanken, wir hätten den sozialen Kahlschlag verabreicht? Das habe ich von Ihnen in der Diskussion nicht gehört.
Wir sind heute bei 143 Milliarden Euro. Sie sprechen vom sozialen Kahlschlag, wenn wir von 143 Milliarden Euro auf 131 Milliarden Euro heruntergehen. Sie müssen bei Ihrer Argumentation ein bisschen darauf aufpassen.
Die Außenwirkung ist wichtig. Wir geben trotz der Kürzungen immer noch 131,8 Milliarden Euro für den Sozialhaushalt aus. 131,8 Milliarden Euro! Ich sage das so deutlich und so oft, weil ich glaube, dass viele nicht verstehen, über welche Summe wir reden. Das ist ein Anteil am gesamten Bundeshaushalt von weit über 50 Prozent. Wenn ein Drittel der gesamten Einsparungen von diesem Teil erbracht werden muss, dann ist das richtig, dann ist das vertretbar.
Wir müssen diesen Weg gehen, weil wir Politik für unsere Kinder machen und weil wir wollen, dass die Schulden heruntergehen. Das werden wir anders nicht hinkriegen; das ist richtig, Frau Ferner.
Frau Ferner, jetzt bin ich bei Ihnen. Sie haben bei der Aussage der Ministerin moniert, dass sie im Bereich der Kinderregelsätze einiges auf den Weg bringe, was nicht richtig sei. Darf ich Sie bitte noch einmal daran erinnern, wer die Hartz-IV-Regelung auf den Weg gebracht hat?
- Frau Ferner, ich unterstelle Ihnen jetzt nicht, dass Sie damals den Anteil für die Bildung der Kinder bei der Berechnung der Eckregelsätze absichtlich herausgelassen haben. Das sage ich jetzt nicht. Ich vermute, Sie haben nicht daran gedacht.
Wenn ich der Verursacher wäre, dann wäre ich ganz ruhig. Ich würde nicht damit argumentieren, was alles falsch läuft. Sie haben nicht daran gedacht.
Sie haben das auch nicht auf den Weg gebracht. Sie hätten damals an dieser Stelle sagen müssen, das sei wichtig. So wie Sie heute sagen, das werde vor dem Verfassungsgericht keinen Bestand haben, hätten Sie es damals genauso sagen können.
- Sie haben das doch mitgetragen.
- Ich persönlich war nicht im Vermittlungsausschuss,
aber Sie waren vielleicht darin. Ich sage nur: Sie haben ein Gesetz auf den Weg gebracht und den Bildungsanteil nicht berücksichtigt. Ich habe nicht gesagt, dass Ihnen das bewusst war - diese Einschätzung überlasse ich Ihnen -, aber Sie haben ihn nicht berücksichtigt.
Jetzt haben wir gesagt: Wir machen es transparent, und dieser Anteil muss vorhanden sein. - Das Verfassungsgericht gibt uns den Auftrag, nicht nur für diesen Anteil zu sorgen, sondern auch dafür zu sorgen, dass er bei den Kindern ankommt. Deshalb halte ich die Idee der Ministerin, eine Bildungschipkarte einzuführen, für eine sehr gute. Dass wir noch schauen müssen, wie das im Detail geht, ist klar. Das werden wir klären. Das ist aber kein gänzlich neues Instrument. Einige tun so, als sei das eine Erfindung über Nacht und als müssten wir schauen, wie wir das auf den Weg bringen. Die Bildungskarte gibt es als ergänzende Familienhilfekarte in vielen Kommunen, wo sie sich sehr gut bewährt hat. Wir übernehmen das, was gut läuft, und notwendige Verbesserungen werden wir vornehmen. Ich finde, das ist ein guter und richtiger Schritt; denn in die Kinder zu investieren, ist eine Investition in die Zukunft. Das ist christlich-liberale Politik. Daran werden wir festhalten, und wir werden uns von Ihnen nicht von unserem Weg abbringen lassen.
Ich möchte kurz auf die Situation der Langzeitarbeitslosen eingehen. Herr Kurth verbreitet hier, die Zahlen seien nicht rückläufig. Sie sind aber zurückgegangen und liegen jetzt unter 1 Million. Sie können die Zahlen abrufen und werden feststellen, dass sie zurückgegangen sind. Ich habe heute Morgen die aktuellsten Zahlen abgerufen. Wir müssen vor allem die Menschen in Arbeit bringen, die schon lange keine Arbeit mehr haben. Dazu sind manche Maßnahmen - das habe ich vorhin schon gesagt - nicht geeignet, weil sie nicht effizient sind und die Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit halten.
Die beste Vorsorge für das Alter und die besten Mittel gegen Altersarmut sind Arbeit
und ein vernünftiger Lohn. Deshalb müssen die Menschen in Arbeit gebracht werden. Wir werden im Rahmen der Reform viel stärker auf die individuellen Bedürfnisse der Arbeitslosen eingehen können. Das werden wir auch tun. Wir werden uns auch über die Hinzuverdienstgrenzen unterhalten müssen. Ich höre oft von Langzeitarbeitslosen - vielleicht höre nur ich das immer in meinem Wahlkreis und Sie nicht -, wenn es darum geht, einen 400-Euro-Job anzunehmen: Ich darf nur 160 Euro dazuverdienen. - Ich frage dann: Wieso dürfen Sie nur 160 Euro dazuverdienen? Die Antwort lautet: Der Rest wird mir angerechnet. - Ich entgegne dann, dass der Langzeitarbeitslose 400 Euro und den anderen Teil selber verdient und damit nicht auf Sozialtransfers angewiesen ist. Ich glaube, wir müssen etwas tun, damit das Verständnis, selbst etwas zum Lebensunterhalt beizutragen, wächst. Deshalb werden wir uns über die Hinzuverdienstgrenzen noch unterhalten müssen. Es ist ein richtiger Weg, Anreize zu schaffen, eine Arbeit aufzunehmen. Es muss aber auch deutlich werden, dass diejenigen, die in Arbeit sind, mehr Geld haben müssen als diejenigen, die nicht arbeiten. Das Lohnabstandsgebot wird immer das Credo unserer Politik sein. Daran halten wir fest. Die christlich-liberale Koalition wird dafür sorgen, dass die Menschen, die lange Zeit arbeitslos sind, in Arbeit kommen.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Frau Kollegin.
Ingrid Fischbach (CDU/CSU):
Die Prognosen für das nächste Jahr stimmen uns optimistisch. Ein Wirtschaftsinstitut hat heute gemeldet, dass es 2011 2,8 Millionen Arbeitslose geben wird. Wir sind auf einem guten Weg.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Frau Kollegin.
Ingrid Fischbach (CDU/CSU):
Ich höre jetzt auf, Frau Präsidentin.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Bettina Hagedorn hat das Wort für die SPD-Fraktion.
Bettina Hagedorn (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sie von Schwarz-Gelb versuchen seit Tagen, uns von der SPD zu unterstellen, dass wir die Verschuldung auf die leichte Schulter nehmen würden.
Dazu sage ich Ihnen hier ganz klipp und klar: Die SPD steht selbstverständlich zur Schuldenbremse.
Die SPD nimmt die Verantwortung gegenüber künftigen Generationen mindestens so ernst wie Sie. Das Problem ist, dass Sie das, was Sie hier vorgelegt haben, täglich mindestens 20-mal Sparhaushalt nennen, es aber in Wirklichkeit kein Sparhaushalt ist; denn Sie sparen nicht, sondern Sie verschieben Lasten auf die nächste Generation, und Sie schichten zulasten der sozialen Sicherungssysteme um. Wir werden uns in wenigen Jahren damit zu beschäftigen haben, dass sowohl die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung als auch die zur Rentenversicherung nicht stabil gehalten werden können. Das alles haben Sie zu verantworten. Sie organisieren mit diesem Haushalt in allererster Linie eine gigantische Umverteilung von unten nach oben.
Es ist richtig - das wurde schon mehrfach gesagt -: Wir reden hier über 132 Milliarden Euro. Das ist knapp die Hälfte des Bundeshaushalts. Aber die Größe an sich sagt noch gar nichts darüber aus, wie viel soziale Gerechtigkeit davon ausgeht. Vor diesem Hintergrund will ich mit einem Ammenmärchen aufräumen: Indem Sie immer wieder vorbringen, der prozentuale Anteil des Einzelplans am Gesamthaushalt habe sich in den letzten Jahren vergrößert, versuchen Sie, deutlich zu machen - das hat Michael Fuchs versucht, das hat Frau Dr. Winterstein versucht, und das ist auch von Frau Fischbach versucht worden -, dass Sie doch so sozial seien. Dazu muss ich Ihnen sagen: Verdummen Sie die Menschen bitte nicht! Der größte Brocken in diesem Einzelplan ist mit über 80 Milliarden Euro der Zuschuss zur Rentenversicherung.
Ich möchte in Erinnerung rufen, dass dieser Steuerzuschuss 1990 noch bei 30 Milliarden Euro lag, 1998 bei 52 Milliarden Euro und dass es in den letzten zwölf Jahren einen Aufwuchs von 28 Milliarden Euro gegeben hat, für den gesetzliche Grundlagen bestehen, die wir alle miteinander geschaffen haben und die auch richtig sind. Wenn Sie die 80 Milliarden Euro in Ihre prozentuale Rechnung einbeziehen, verkennen Sie aber völlig, dass die Einschnitte, Frau von der Leyen, die übrigens in keinem Einzeletat so groß sind wie in Ihrem Etat, sich - richtigerweise - nicht bei der Rente abspielen, sondern sich auf die übrigen 51 Milliarden Euro konzentrieren. Das sind genau die Milliarden, mit denen für die anderen Generationen in unserer Gesellschaft Chancen im Bereich Arbeit geschaffen werden sollen.
Sie und vor allen Dingen Ihre Kollegen stellen sich hin und sagen, hier werde etwas für Kinder und für Familien geleistet. Das ist einfach absurd und infam, weil die wirklichen Zahlen etwas anderes besagen. Dieser Haushalt schmälert die Chancen von Kindern, von Alleinerziehenden und von Familien
- das ist sehr wohl wahr -, und das ist genau die falsche Stelle. Sie sparen sogar bei der Bildung!
Sie streichen bei Familien und Alleinerziehenden, die schlechtbezahlte oder gar keine Jobs haben, die 300 Euro Erziehungsgeld. Dabei waren Sie es, Frau von der Leyen, die mit uns Sozialdemokraten das Elterngeld ausdrücklich einkommensunabhängig eingeführt hat. Mit der FDP zusammen kassieren Sie es jetzt bei circa 85 000 geringverdienenden Paarhaushalten und bei circa 50 000 Alleinerziehenden wieder ein, während die Millionärsgattin es behält. Wie können Sie als Christin nach diesem Rückwärtssalto eigentlich noch in den Spiegel schauen?
Welche Wertvorstellungen liegen einer solchen Politik eigentlich zugrunde?
Das sind übrigens die gleichen Familien mit Kindern, die schon von Ihrer vielgepriesenen Kindergelderhöhung ab Januar dieses Jahres nicht einen einzigen Cent erhalten haben.
Das sind die gleichen Familien mit Kindern, die durch die Streichung des Heizkostenzuschusses pünktlich zum bevorstehenden Winter eiskalt betroffen sein werden. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist soziale Kälte pur.
Das ist menschenverachtend und kinderfeindlich.
Die Frage ist gar nicht, ob gespart wird - darauf können wir uns, glaube ich, verständigen -; die Frage ist, wie gespart wird und zu wessen Lasten. In Ihrem sogenannten Sparpaket
sind allein für 2011 Kürzungen im Bereich von Arbeit und Soziales in Höhe von 4,7 Milliarden Euro geplant. Das ist fast die Hälfte des kompletten Pakets. Bis 2014 werden es nahezu 32 Milliarden Euro sein. Bei der anderen Hälfte der Maßnahmen, die sich bei der Wirtschaft abspielen sollen, handelt es sich um unseriöse Luftbuchungen. Sie sparen de facto - nein, ?sparen? ist nicht der richtige Ausdruck -,
Sie kürzen de facto lediglich bei denjenigen, die unserer Unterstützung am meisten bedürfen,
und das, obwohl wir alle diese jungen Menschen als gutausgebildete Arbeitskräfte in unserem Land brauchen, und zwar unabhängig davon, ob sie einen Migrationshintergrund haben oder nicht.
Genau denen und ihren Eltern fallen diese Kürzungen nämlich auf die Füße.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Frau Kollegin, Sie haben schon das Ende der Redezeit erreicht.
Bettina Hagedorn (SPD):
Dann war das das Ende meiner Rede.
Ich danke.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Der Kollege Dr. Heinrich Kolb hat das Wort für die FDP-Fraktion.
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie mich morgens um 7 Uhr suchen, finden Sie mich regelmäßig auf meinem Heimtrainer. Dort habe ich heute Morgen radelnd und Frühstücksfernsehen schauend die für mich wichtigste Nachricht des Tages schon vernommen:
In 2011, so lauten die Prognosen, wird die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland auf durchschnittlich 2,8 Millionen sinken. Das sind im Durchschnitt 400 000 weniger als noch in diesem Jahr.
Das zeigt mir - das will ich an der Stelle einmal sagen -, dass die Maßnahmen zur Belebung der Konjunktur, die diese Regierung nach ihrem Regierungsantritt unternommen hat, auch tatsächlich wirken.
Das muss man hier einmal sagen. Sie sollten so ehrlich sein, das auch anzuerkennen.
Sie konzentrieren sich immer nur auf eine Maßnahme; wir haben aber viele entlastet, vor allen Dingen Familien mit Kindern und Arbeitnehmer.
Der Taxpayer?s Day, der Tag, ab dem die Menschen in diesem Lande für sich selbst und nicht mehr für den Staat arbeiten, lag in diesem Jahr zehn Tage früher. Damit steht mehr Geld zur Verfügung. Das belebt die Konjunktur. So macht man das. Das muss in diesem Land auch einmal gesagt werden.
Liebe Frau Hagedorn, wir haben die Schuldenbremse gemeinsam in die Verfassung hineingeschrieben.
Jetzt muss man auch zu dem Versprechen stehen, das mit Aufnahme der Schuldenbremse in die Verfassung gegeben worden ist.
Man muss doch einmal klar sagen, dass es einen Sinn hat, dass wir die Schuldenbremse eingeführt haben. Mit jeder weiteren Entscheidung, Konsum schuldenfinanziert anzustoßen,
engen wir die Spielräume in der Zukunft ein. Aber die Kinder können in der Zukunft nicht auf Schuldenbergen spielen. Deswegen ist heute der Zeitpunkt gekommen, wo wir Ansätze kürzen und Einsparungen vornehmen müssen.
Im Grundsatz sind wir uns ja einig, dass gespart werden muss. Sie jedoch sagen: Aber nicht so. Da fällt mir ein Wort von Graf Lambsdorff ein: Wenn es darum geht, den Gürtel enger zu schnallen, fummelt jeder am Gürtel des anderen. Wir wollen einmal schauen, wie das konkret gehen kann. Der größte Einzelposten im Sozialbereich, bei dem wir sparen,
betrifft Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 1,8 Milliarden Euro für ALG-II-Empfänger. Hier können Sie sich nicht ganz unschuldig fühlen, Frau Kollegin Hagedorn.
Genau so etwas haben auch Sie schon getan. Die Behauptungen der Kollegin Ferner, da würden keine Anspruchszeiten mehr entstehen, sind so nicht zutreffend; das sollten wir einmal abwarten. Das Gesetz ist noch nicht geschrieben.
Den Einsparsachverhalt als solchen haben Sie selbst in diesem Hause mehrheitlich beschlossen. Sie, Frau Hagedorn, können sich jetzt nicht hierhin stellen und sagen: An dieser Stelle wollen wir keine Einsparungen vornehmen.
Jetzt wollen wir uns das Ganze noch etwas konkreter anschauen, insbesondere weil der Kollege Ernst, der ja der bekannteste Aufstocker in diesem Land ist,
hier gesagt hat, alle unsere Maßnahmen gingen immer nur zulasten der Ärmsten.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kolb, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schaaf?
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Er kann gerne später fragen; ich möchte meinen Gedankengang zu den Ausführungen des Kollegen Ernst gerade noch zu Ende bringen. - Kollege Ernst sagt, das, was wir machen, gehe immer zulasten der Ärmsten. Wenn zum Beispiel der Zuschuss für die einigungsbedingten Leistungen nach § 291 c SGB VI gekürzt wird, dann bekommt keiner derjenigen, die entsprechende Leistungen erhalten, auch nur 1 Cent weniger. Es handelt sich vielmehr um einen geringeren Zuschuss an die Rentenversicherung. Die Betroffenen erhalten weiterhin genau die Beträge, die sie bisher bekommen haben.
Es ist also falsch, wenn Sie sagen, es werde zulasten der Ärmsten gespart.
Nun reden wir einmal darüber, dass durch die Kürzung dieser Rentenversicherungsbeiträge den Langzeitarbeitslosen weniger Ansprüche entstehen.
Aus heutiger Sicht ist das für die allermeisten Betroffenen in diesem und im nächsten Jahr mit hoher Sicherheit irrelevant.
Aber es stellt sich natürlich die Frage der Altersarmut. Diese möchte ich nicht kleinreden. Wir sind angetreten, hier etwas zu tun. Das können Sie in unserem Koalitionsvertrag nachlesen.
Wir werden im nächsten Jahr eine Expertenkommission einberufen und beraten, was man da tun kann, und wir werden noch in dieser Legislaturperiode Ergebnisse präsentieren. Aber durch einen zusätzlichen Rentenanspruch von 2,09 Euro pro Jahr Langzeitarbeitslosigkeit wird man das Problem nicht lösen können. Auch das muss man hier einmal klar sagen.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kolb, wäre jetzt der Moment, wo Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schaaf zulassen würden?
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Ja, das wäre jetzt der Moment, wo eine Zwischenfrage gestellt werden kann. -Bitte schön, Herr Schaaf.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Bitte schön.
Anton Schaaf (SPD):
Weil Sie mich so freundlich darum gebeten haben, verlängere ich mit dieser Frage Ihre Redezeit. Frau Winterstein hat sich den Fragen ja noch verweigert.
Herr Kolb, ich gebe Ihnen recht: Wir sind, was die Zuschüsse an die Rentenversicherung für Langzeitarbeitslose angeht, nicht ganz unschuldig. Aber wir haben in den Wahlkämpfen der letzten Jahre auch nicht immer wieder gebrüllt, dass die Menschen mehr Netto vom Brutto haben sollen. Wie verhält sich diese Forderung zu Ihrer Politik heute?
Die Nachhaltigkeitsrücklage in der Rentenversicherung soll für einen Ausgleich sorgen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben dieses Geld gleichermaßen eingezahlt. In der mittelfristigen Planung der Rentenversicherung ist die Absenkung der Beiträge vorgesehen, damit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Arbeitgeber einen Teil des angesparten Geldes zurückbekommen. Aber diese 1,8 Milliarden Euro werden sie nicht zurückerhalten. Was hat das Ganze mit ?Mehr Netto vom Brutto? zu tun? Das müssen Sie den Menschen einmal erklären.
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Herr Kollege Schaaf, es gilt der altbekannte Satz: Das Schwierige an der Prognose ist die Vorhersage des Zukünftigen.
Das können Sie sehr genau erkennen, wenn Sie sich die Entwicklung der Überschüsse bzw. der Defizite in der Rentenversicherung ansehen. Es ist nur wenige Jahre her, dass wir in Zeiten einer sehr guten Konjunktur satte Überschüsse in der Rentenversicherung erzielt haben. Im letzten Jahr hatten wir den schwersten Einbruch in der Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik mit einem ebenso satten Defizit in der Rentenversicherung, weil Kurzarbeiter weniger Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Wenn Sie sagen, Sie wüssten schon heute sicher, wie sich die Rentenbeiträge in den Jahren 20 13/2014 entwickeln werden, dann sagen Sie einfach nicht die Wahrheit.
Wir setzen darauf, über die Stärkung der Wirtschaft sowie über die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen ein möglichst hohes Erwerbspotenzial zu erreichen. Eine möglichst hohe Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter ist immer noch die beste Bestandsgarantie für alle Sozialkassen und insbesondere für die Rentenversicherung.
Herr Kollege Ernst, ich will mit zwei Beispielen weitermachen. Wo sparen wir denn?
Wir haben konkrete Vorschläge vorgelegt. Wo es bisher Pflichtleistungen gibt, wollen wir Ermessensleistungen. Ist es denn wirklich sinnvoll, dass wir demjenigen, der dreimal erfolglos eine Firmengründung versucht hat, auch noch ein viertes Mal 10 000 Euro hinterherwerfen? Ich sage: Das macht keinen Sinn.
Der Berater vor Ort muss die Möglichkeit haben, an dieser Stelle Nein zu sagen. Auch das gehört dazu.
Ein letztes Beispiel, Herr Kollege Kurth. Wenn es darum geht, sozialpolitische Hecken zu pflanzen, dann sind Sie alle da. Aber wenn es darum geht, die sozialpolitischen Hecken zu schneiden, will keiner die Schere in die Hand nehmen. Andere haben in Zeiten, als die Energiekosten auf einem Rekordniveau waren, einen Heizkostenzuschuss für Hartz-IV-Empfänger eingeführt. Ich frage Sie: Wenn wir unsere Haushaltsverantwortung ernst nehmen, ist es dann nicht unsere Pflicht in Zeiten, in denen die Energiepreise gesunken sind, die Heizkostenzuschüsse zurückzunehmen?
Genau das halten Sie uns vor. Aber ich halte das für notwendig.
Das sind mehrere Beispiele, die zeigen, wo wir konkret und verantwortlich handeln werden.
Zum Schluss noch eine Bemerkung zu den Regelsätzen. Frau Ferner, wir müssen Ihre Scherbenhaufen wegräumen.
In zwei Urteilen haben Sie vom Bundesverfassungsgericht Ohrfeigen bekommen, nämlich bei der Organisationsreform der Jobcenter und auch bei den Regelsätzen.
Es ist doch nicht so, dass wir das falsch gemacht hätten. Sie haben damals ins Blaue hinein Regelsätze festgesetzt. Deswegen wundere ich mich über das, was Sie heute schon wieder alles wissen.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kolb, Sie sind jetzt schon fast am Ende Ihrer Redezeit. Aber Herr Ernst würde Ihnen gerne noch eine Zwischenfrage stellen.
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Bitte sehr, Herr Ernst.
Klaus Ernst (DIE LINKE):
Herr Kolb, sozusagen von Aufstocker zu Aufstocker.
Wird es Ihnen nicht ein wenig mulmig und macht es Sie nicht ein wenig nachdenklich, wenn man feststellen muss, dass am Ende dieser Krise die Klientel, die Ihnen besonders zugewandt ist - das sind die Besserverdienenden, Hoteliers und andere -, offensichtlich wieder auf demselben Niveau ist wie vor der Krise? Auf der anderen Seite haben nach der Krise ausgerechnet diejenigen, die schon vor der Krise am wenigsten hatten, noch weniger. Da können Sie auf die einzelnen Punkte so viel eingehen, wie Sie wollen. Sie müssen doch feststellen, dass als Ergebnis Ihrer Politik - ich nenne beispielsweise die Streichung des Übergangsgelds für den Übergang vom Arbeitslosengeld I zum Arbeitslosengeld II - den Leuten ganz konkret Geld fehlt, wenn sie ihren Job verlieren. Auch in Zukunft wird es Leute geben, die ihren Arbeitsplatz verlieren. Sie können nicht davon ausgehen, dass es keine Kündigungen mehr gibt.
Ist es nicht so, dass die Kürzungen, die wir insbesondere beim Elterngeld für die Bezieher von Arbeitslosengeld II haben, massive Einschränkungen ausgerechnet für die bedeuten, die schon vorher weniger hatten? Sind Sie nicht auch der Meinung, dass die fehlende soziale Ausgewogenheit bei dem, was Sie da machen - wir sind der Meinung, die Verursacher der Krise, also Ihre Klientel, soll dafür zahlen -, die Politikverdrossenheit in diesem Land fördert?
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Herr Kollege Ernst, dazu, was Politikverdrossenheit in diesem Sommer befördert hat, habe ich meine eigene Meinung. An dieser Stelle will ich gar nicht persönlich werden.
Die Verhältnisse treiben natürlich auch uns um. Wenn Sie in der Sommerpause aufmerksam Zeitung gelesen haben, wird Ihnen nicht verborgen geblieben sein, dass die FDP zum Beispiel aus Sorge um die Einkommenssituation von Personen, die einer Zeitarbeit nachgehen, einen Vorschlag gemacht hat. Wir sehen die von Ihnen angesprochene Problematik also schon. Wir wünschen uns natürlich ebenfalls, dass möglichst viele Menschen Arbeitslosengeld I oder II überhaupt nicht in Anspruch nehmen müssen. Sie verwenden unglaublich viel Energie auf die Frage: Was machen wir, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist? Wir hingegen verfolgen einen präventiven Ansatz. Wir wollen erreichen, dass die Rahmenbedingungen für möglichst viel Arbeit in diesem Land geschaffen werden.
Ich komme auf den Anfang meiner Rede zurück, Herr Ernst. 2,8 Millionen Arbeitslose im Jahresdurchschnitt 2011 werden immer noch 2,8 Millionen Arbeitslose zu viel sein. Aber es werden 400 000 weniger als in diesem Jahr sein, und es werden rund 2,2 Millionen weniger als das sein, was die Prognosen für das Jahr 2011 besagten. Das heißt, man kann etwas tun. Es geht darum, dass wir gute Rahmenbedingungen schaffen, damit möglichst viele Menschen ihr Einkommen aus eigener Kraft erwirtschaften können. Das ist das Ziel unserer Politik. Sie kaprizieren sich mit mehr oder weniger großem Erfolg auf andere Felder. Da unterscheiden wir uns. Dass es Unterschiede zwischen der Linken und der FDP gibt, ist auch gut so.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Katja Kipping hat für die Fraktion Die Linke das Wort.
Katja Kipping (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute läuft vor dem Bundestag die Aktion ?Das letzte Hemd? von Campact. Diese Aktion zeigt, dass das Kürzungspaket so manchem wirklich ans letzte Hemd geht. Die Botschaft ist klar: Die Interessen der Atom- und Spekulationslobby sind Schwarz-Gelb wichtiger als das letzte Hemd der Erwerbslosen und Geringverdienenden.
Der Sozialhaushalt 2011 weist 20,9 Milliarden Euro für das Arbeitslosengeld II aus. Das sind 3 Milliarden Euro weniger als in diesem Jahr. Eigentlich kann die Regierung gar nicht wissen, wie viel Geld sie für das Arbeitslosengeld II braucht; denn - erinnern wir uns - im Februar hat das Bundesverfassungsgericht die Hartz-IV-Regelsätze, das Arbeitslosengeld II, als verfassungswidrig eingestuft,
und wir haben alle den Auftrag bekommen, die Grundsicherung verfassungskonform auszugestalten. Angeblich weiß die Bundesregierung noch gar nicht, wie hoch die Regelsätze ausfallen sollen. Also sollten wir festhalten: Der Titel für das Arbeitslosengeld II im Sozialhaushalt ist entweder eine reine Luftbuchung, oder das Ganze ist das Eingeständnis, dass hier Manipulationen geplant sind. Beides ist skandalös.
Der Auftrag des Verfassungsgerichts lautet, die Regelsätze nachvollziehbar neu zu berechnen. Die zentrale Kritik des Gerichts war, dass man damals unter Müntefering bei der Berechnung den Eindruck gewinnen musste, dass es sich um eine politisch gewollte Punktlandung bei einer Zahl, die vorher politisch ausgehandelt war, gehandelt hat. Insofern wäre es richtig gewesen, zunächst die Methode festzulegen und erst danach auf Grundlage der vorliegenden Daten nachzurechnen, wie hoch der Betrag ist.
Doch wie agiert das Haus von Frau von der Leyen? Frau von der Leyen, Sie verweigern uns bisher die Herausgabe der Rohdaten. Ich habe diese Herausgabe in einem Brief angefragt. Sie haben sich geweigert, diese Daten herauszugeben. Sie halten damit das Parlament bewusst in Unwissenheit. Frau von der Leyen, ich fordere Sie wirklich auf: Geben Sie die Rohdaten für das Parlament frei. Machen Sie Schluss mit dieser Geheimniskrämerei.
Diese Daten sind nicht Ihre Privatangelegenheit; sie gehen auch den Gesetzgeber an.
Wenn Sie mit dieser Geheimniskrämerei so weitermachen, dann muss man wirklich den Eindruck gewinnen, dass Sie erst dann etwas herausrücken wollen, wenn das Ergebnis vorliegt. Hier wird so agiert, als würde man beim Pokern die Regeln erst dann festlegen, wenn alle Karten ausgeteilt sind und der Bestimmende weiß, was für Karten er hat.
Inzwischen ist aus vertraulichen Quellen in die Medien gelangt, dass das Ergebnis zwar längst vorliegt, dass es der CDU aber nicht in den Kram passt, weil der Regelsatz - würde man ihn wie bisher berechnen - wohl bei deutlich über 400 Euro liegen würde. Inzwischen gibt es - auch das ist herausgekommen - die klare Ansage: Hier muss gerechnet werden, bis der Regelsatz deutlich unter 400 Euro liegt.
Bisher erfolgte die Berechnung wie folgt - nur zur Erläuterung -: Es werden die Ausgaben derjenigen gemessen, die zu den ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung zählen. Schon damit haben wir Linke Probleme. Wir können uns im Ausschuss einmal detaillierter über die Methode der Berechnung unterhalten. Weil jetzt der Regelsatz zu hoch erscheint, werden nicht mehr die ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung in die Berechnung einbezogen, sondern nur noch die ärmsten 10 oder 15 Prozent. Das ist Manipulation pur.
Frau Ministerin, Sie schlittern mit dieser Methode direkt in einen Verfassungsbruch. Ich fordere Sie auf: Geben sie die Rohdaten frei! Machen Sie Schluss mit dieser Manipulation!
Die Linke meint: Wir müssen das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ernst nehmen. Dazu gehört, dass wir endlich anerkennen, dass es sich hier um ein Grundrecht handelt: um das Grundrecht auf soziale und kulturelle Teilhabe. Ich höre hier immer, man müsse auf die Schuldenbremse und auf die Kassenlage Rücksicht nehmen. Bei einem Grundrecht kann man aber nicht nach Lust und Laune oder nach Kassenlage verfahren. Das wäre so, als wenn Sie das Grundrecht auf freie und geheime Wahlen nur dann gewährten, wenn Ihnen die Umfragewerte gefielen.
- Ich hoffe, ich habe Sie jetzt nicht auf dumme Gedanken gebracht. -
Der Regelsatz muss also das soziale und kulturelle Existenzminimum garantieren. Das muss sich auch im Haushalt widerspiegeln.
Zum Ernstnehmen des Urteils gehört es aber auch, festzustellen, dass die Sanktionen im Hartz-IV-Bereich endlich abgeschafft werden müssen,
weil das Grundrecht im Grunde nicht verfügbar ist.
Da ein Hilfsbedürftiger bei der Garantie des Grundrechtes - das ist jetzt ein Zitat aus dem Urteil - ?nicht auf freiwillige Leistungen ? Dritter verwiesen werden? darf, gehört auch die Bedarfsgemeinschaft auf den Prüfstand.
Um es zusammenzufassen: Sollte sich der Posten für das Arbeitslosengeld II im Haushalt nicht ändern, dann ist dieser Haushalt ein klares Indiz für einen geplanten Verfassungsbruch. Ich hoffe, das Parlament lässt sich nicht entmündigen und geht diesen Weg nicht mit. Ich hoffe auf eine Allianz gegen den geplanten Verfassungsbruch. Ich hoffe auf eine Allianz für das Grundrecht auf soziale und kulturelle Teilhabe.
Danke.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Der Kollege Max Straubinger spricht jetzt für die CDU/CSU-Fraktion.
Max Straubinger (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, die heutige Botschaft muss sein: Die Menschen können sich auf unseren Sozialstaat verlassen. Diese Bundesregierung wird den Sozialstaat stärken,
insbesondere mit dem Haushalt für das Jahr 2011.
Heute wurden hier in einer gemeinsamen Front der Oppositionsfraktionen SPD, Grüne und Linke Zweifel gesät. Dies zeigt sehr deutlich, dass Sie den Sozialstaat letztendlich nicht stärken, nicht zukunftsfest machen wollen. Im Klartext: Sie sind nicht bereit, ihn nachhaltig in die Zukunft zu führen.
Es muss, auch für die Öffentlichkeit, immer wieder dargestellt werden: Über 50 Prozent des Bundeshaushaltes, das heißt über 150 Milliarden Euro, fast 160 Milliarden Euro, stehen für die sozialen Belange der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland zur Verfügung. Das zeigt sehr deutlich: Deutschland ist das sozialste Land, das es in Europa und auf der Welt gibt.
Damit die Leistungen aller sozialen Sicherungssysteme - Rente, Pflege, Gesundheit, Arbeitslosigkeit, familiäre Unterstützungsleistungen - gewährt werden können, brauchen wir als Fundament eine tragfähige Wirtschaft. Die Wirtschaft entwickelt sich gut. Dadurch wird insbesondere die Arbeitslosigkeit bekämpft. Hier sind wir sehr erfolgreich. Unter Rot-Grün gab es 5 Millionen Arbeitslose; dank dieser bürgerlich-liberalen Koalition gibt es in Zukunft 2,8 Millionen Arbeitslose. Das sind 2,8 Millionen zu viel; aber wir arbeiten daran, dass diese Zahl weiter sinkt. Wir verstehen eine konsequente Wirtschaftspolitik als Grundlage für die Finanzierung unseres Sozialstaates.
Werte Kolleginnen und Kollegen aus dem linken Spektrum dieses Parlaments, es ist entscheidend, dass wir auch für Zukunftsinvestitionen, für moderne Technologien stehen. Wenn die Bundesregierung ein Energiekonzept bis zum Jahr 2050 verabschiedet hat, dann gilt es, dies zu unterstützen und nicht zu bekämpfen, weil mit einem solchen Konzept Arbeitsplätze in unserem Land gesichert werden. Alle Ausstiegsszenarien aus der linken Ecke bedeuten für unser Land Arbeitsplatzverluste und keine Arbeitsplatzgewinne. Das muss deutlich gesagt werden.
Das gilt auch für strukturpolitische Entscheidungen. Sobald eine strukturpolitische Entscheidung für die Zukunft, etwa beim Bahnhof in Stuttgart,
getroffen wird - dieser Bahnhof soll nach den Vorstellungen der Linken nicht mehr gebaut werden -, zeigt sich, dass die Fraktionen des linken Spektrums dieses Hauses arbeitsplatzfeindlich handeln.
Sie alle haben gegen den Flughafenneubau in München demonstriert. Jetzt ist dieser Flughafen zu einem Jobmotor in unserem schönen Bayernland geworden.
Das ist eine Auszeichnung. Sie sind letztendlich gegen jeden Straßenbau und gegen jeden Schienenausbau.
Früher hat die rot-grüne Stadtregierung in München den Transrapid bekämpft, jetzt wird gejammert, dass es keine Schnellbahnverbindung zum Flughafen gibt.
Das zeigt deutlich, dass sich SPD, Grüne und Linke bei strukturellen Entscheidungen in unserem Land verweigern und Arbeitsplatzvernichter sind. Damit untergraben sie die soziale Sicherheit der Menschen.
In unserem Sozialstaat geht es auch darum, dass wir das Prinzip ?Fordern und Fördern? umsetzen.
Die Redebeiträge des Herrn Kollegen Kurth und verschiedener Redner der SPD zeigen, dass Sie die Rückabwicklung der Politik, wie sie unter Schröder gemacht wurde, im Sinn haben. Sie wollen nicht mehr fordern, sondern nur noch fördern.
Das zeigt sich bei den jetzigen Haushaltsplanungen in Nordrhein-Westfalen. Frau Kollegin Hagedorn wirft uns ständig vor, dass wir die Verschuldung angeblich in zu geringem Maße abbauen. Was ist mit Nordrhein-Westfalen? Dort ist eine Neuverschuldung in Höhe von 6 Milliarden Euro geplant. Das zeigt deutlich, dass Sie eine unverantwortliche Politik zulasten der nachfolgenden Generationen betreiben.
Bei der SPD tritt das noch stärker in den Vordergrund. Auf dem Parteitag wird die Rente mit 67 diskutiert. Letztendlich soll eine Rückabwicklung erfolgen; vielleicht unterstützt der Kollege Toni Schaaf das nicht, aber die anderen schon. Das zeigt sehr deutlich, dass die SPD keine Verlässlichkeit in der Rentenpolitik gewährleistet. Sie verfahren wieder nach dem gleichen Schema wie 1998. Norbert Blüm und die christlich-liberale Koalition hatten zuvor vor dem Hintergrund der schon damals absehbaren demografischen Entwicklung den demografischen Faktor in die gesetzliche Rentenversicherung eingeführt.
Sie haben das aus billigen, parteipolitischen Gründen bekämpft, sind in den Wahlkampf gezogen und haben angekündigt, dass Sie diesen Faktor aussetzen werden. Sie haben das hinterher auch getan. Nach zwei, drei Jahren hat Bundeskanzler Schröder festgestellt: Das war das Dümmste, was die neue Koalition machen konnte.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege Straubinger, möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schaaf zulassen?
Max Straubinger (CDU/CSU):
Ja, gerne. Das machen wir sofort.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Sie sind auch am Ende Ihrer Redezeit.
Anton Schaaf (SPD):
Lieber Max Straubinger, ich komme auf die Behauptung zu sprechen, wir würden auf dem Parteitag beschließen, die Rente mit 67 zurückzunehmen. Wir haben in der Großen Koalition gemeinsam ein Gesetz verabschiedet, in dem eine Klausel enthalten ist, die festlegt, dass die Bundesregierung in diesem Jahr einen Bericht dazu abgeben muss, wie die arbeitsmarkt- und sozialpolitische Situation der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tatsächlich ist und ob vor diesem Hintergrund die Rente mit 67 ab 2012 eingeführt wird. Haben wir das gemeinsam vereinbart? Ist es daher nicht richtig, dass wir diese Überprüfungsklausel, die Teil dieses Gesetzes ist - von Ihnen wird das gern ignoriert; aber wir nehmen sie ernst -, inhaltlich gefüllt haben?
Ich finde im vorliegenden Positionspapier keinen einzigen Satz dazu, dass ein höheres Renteneintrittsalter in Zukunft unnötig oder falsch ist. Wir haben die Überprüfungsklausel inhaltlich gefüllt, im Gegensatz zur Ministerin, die, ohne dass eine Überprüfung stattgefunden hat, gesagt hat: Wir können die Rente mit 67 ab 2012 einführen.
Max Straubinger (CDU/CSU):
Lieber Kollege Schaaf, ich bin sehr dankbar für diese Frage, weil sie mir Gelegenheit gibt, hier etwas klarzustellen:
Erstens. Die Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer steigt.
Das zeigen die Zahlen. 1999 waren in der Altersgruppe der 60- bis 65-Jährigen 32 Prozent sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Im Jahr 2009 waren es bereits 44 Prozent, die eine Beschäftigung fanden. Das zeigt sehr deutlich, dass die ältere Generation wieder wesentlich stärker am Arbeitsmarkt teilnimmt.
Zweitens. Wenn die SPD in ihrem Parteiprogramm möglicherweise beschließt, dass eine Rente ab 67 Jahren für sie erst dann akzeptabel ist, wenn in der Altersgruppe der 60- bis 65-Jährigen eine Quote an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von über 50 Prozent zu verzeichnen ist - zumindest habe ich es so den Zeitungen entnommen -, so möchte ich Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD, darauf hinweisen, dass nach Eurostat die Beschäftigungsquote der 40- bis 60-Jährigen in Deutschland - wohl gemerkt; es geht um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse - derzeit bei gerade einmal 48,6 Prozent liegt. Das zeigt sehr deutlich: Die SPD will sich ganz scheinheilig aus der Rente mit 67 verabschieden,
die sie richtigerweise mit Franz Müntefering als damaligem Bundesminister für Arbeit und Soziales an der Spitze mit beschlossen und mit durchgesetzt hat, weil das Generationengerechtigkeit bedeutet.
Bis zum Jahr 2029 rechnen wir - und das ist schön für die Menschen - mit einer Steigerung der Lebenserwartung um bis zu drei Jahre. Wir verlängern die Lebensarbeitszeit um nur zwei Jahre. Das ist der einzig vernünftige Weg. Die Erhöhung des Beitrages, die Sie vorhin bereits kritisiert haben,
die Kürzung der Rente und die Verlängerung der Wochenarbeitszeit sind weitere Parameter, an denen man ansetzen könnte. Das wollen wir aber nicht, und das werden wir auch nicht tun. Diese Bundesregierung steht in diesem Sinne zum Generationenvertrag und für Generationengerechtigkeit. Das muss man so sehen.
Man kann nicht populistisch ein Renteneintrittsalter von 67 Jahren ablehnen, wie SPD und Linke es tun, und gleichzeitig den jungen Bürgerinnen und Bürgern exorbitant hohe Zukunftslasten aufhalsen. Das darf unserer Gesellschaft nicht zugemutet werden.
Wir werden dafür sorgen, dass dieser Sozialstaat auch in der Zukunft generationengerecht gestaltet ist.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Die Kollegin Katja Mast hat das Wort für die SPD-Fraktion.
Katja Mast (SPD):
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrter Kollege Straubinger, als Baden-Württembergerin muss ich kurz etwas zu Stuttgart 21 sagen. Sie sind doch nur sauer, dass es uns von der SPD mit der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg ernst ist.
Sie sind doch nur sauer, weil Sie es nicht hinbekommen haben, in den letzten Monaten inhaltlich für dieses Projekt zu kämpfen, weil Sie stattdessen nur die Gegner lautstark haben demonstrieren lassen und weil Ihre Landesregierung, zu der auch die FDP gehört, jetzt - endlich einmal - kämpfen muss für dieses Projekt. Das ist Ihr Problem beim Thema Stuttgart 21.
Heute geht es aber nicht um Stuttgart 21. Ich möchte nicht weiter über Themen philosophieren, die nicht den Haushalt für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik betreffen. Mir geht es um das, was in dem Haushalt, den Ursula von der Leyen uns als Sozialministerin vorlegt, steckt. Ich sage Ihnen: Darin steckt erstens ein Wortbruch Ihrer Koalition und Ihrer Regierung, zweitens sozialer Kahlschlag - das wurde heute schon ausreichend begründet -, drittens weniger Netto vom Brutto, viertens ist es ein Bildungskürzungsprogramm,
und fünftens ist es ein Chancenabbauhaushalt.
Der Wortbruch ist schnell erklärt. Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, zitiere ich aus einem Interview mit Angela Merkel, abgedruckt in der FAZ vom 11. Juni 2010:
Deshalb sparen wir nicht bei Bildung und Forschung, sondern erhöhen diese Ausgaben ?
Die Haushaltskürzungen im Bereich Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik betreffen ausschließlich fördernde Arbeitsmarktpolitik und somit Kürzungen im Bildungsbereich. Damit, Frau von der Leyen, sind Sie Bildungskürzungsministerin Nummer eins in Deutschland.
Bildungskürzungen für zukünftige Generationen lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Mein Vorredner sprach von Generationengerechtigkeit. Das, was Sie machen, ist das Gegenteil von Generationengerechtigkeit. Bildungskürzungen und Chancenabbau im Haushalt lassen wir Ihnen auch deshalb nicht durchgehen, weil wir hier über diejenigen diskutieren, die die stärkste Hilfe und Unterstützung von uns brauchen. Wir reden über alleinerziehende Mütter, über Migrantinnen und Migranten, die langzeitarbeitslos sind, über Jugendliche, die Chancen brauchen, um in Ausbildung zu kommen, und über Menschen mit Behinderungen in Deutschland. Genau denen nehmen Sie die Chancen auf Beteiligung weg.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. In meinem Wahlkreis in Pforzheim besuche ich oft die Förderschule, die Bohrainschule. Antonio und Katharina werden dieses Jahr diese Schule verlassen, vermutlich nicht mit einem Hauptschulabschluss. Sie werden ihn auch in einem Jahr wahrscheinlich nicht haben, obwohl sie sich anstrengen. Wir haben in der Großen Koalition eingeführt, dass sie ein Leben lang ein Recht darauf haben, den Hauptschulabschluss nachzuholen, damit sie Perspektiven und Chancen in dieser Gesellschaft haben.
Sie wollen Pflicht- in Ermessensleistungen umwandeln, nehmen die entsprechende Haushaltsgrundlage weg, 16 Milliarden Euro in vier Jahren, und sagen Antonio und Katharina, dass sie keine zweite Chance mehr in dieser Gesellschaft haben werden.
Sie betreiben Schuldenabbau zulasten der kommenden Generationen und nicht für die kommende Generation, und Sie begehen Wortbruch, weil Sie Ausgaben für Bildung kürzen und nicht erhöhen, wie Angela Merkel das in dem erwähnten Interview gesagt hat. Deshalb werden wir von den Oppositionsparteien Ihnen eine Kampfansage zu diesem Haushalt machen, Frau von der Leyen, nicht nur wegen der Regelsätze, nicht nur wegen der Kürzungen bei der Rente, nicht nur wegen der Kürzungen beim Elterngeld, sondern auch, weil Sie Bildungschancen wegnehmen.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Der Kollege Axel Fischer hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Mast, weil Sie Stuttgart 21 angesprochen haben, einen Satz von mir dazu: Wenn die Menschen vor Ort erkennen, dass der Verzicht auf Stuttgart 21 das Gleiche kostet wie die Umsetzung, werden sie, glaube ich, für Stuttgart 21 sein.
Heute reden wir aber über den Haushalt für Arbeit und Soziales. Der vorgelegte Haushalt für den Einzelplan 11 trägt erstmals die Handschrift der christlich-liberalen Koalition.
Er hat zwei wesentliche Ziele. Das erste Ziel ist, Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Das ist eine unserer Zielsetzungen; sie ist vernünftig und richtig.
Das zweite Ziel - auch dies ist klar; Frau Hagedorn, Sie sprechen gerade von Mittelkürzungen -
ist die Konsolidierung des Haushaltes. Der Etat im Einzelplan liegt - die Frau Ministerin hat darauf hingewiesen - 10 Prozent unter dem, was im Finanzplan von Minister Peer Steinbrück für 2011 vorgesehen war. Er liegt nicht bei 146,4 Milliarden Euro, sondern bei 131,8 Milliarden Euro. Das sind 11,4 Milliarden Euro weniger als im Etat 2010, und zwar ohne Einschnitte bei der Rente, ohne Einschnitte beim ALG II und ohne Einschnitte bei den Mitteln für Behinderte.
Möglich wurde dies, weil wir relativ gut aus der größten Wirtschafts- und Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg gekommen sind. Es ist völlig klar, dass wir den Haushalt an die positiv veränderten Rahmenbedingungen anpassen. Weniger Arbeitslose, eine bessere Wirtschaftsentwicklung und mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigte - das wirkt sich positiv auf den Bundeshaushalt aus. Die Entscheidungen, die wir in der Großen Koalition getroffen haben, um die Krise zu bewältigen, waren richtig. Sie waren ja dabei, Frau Hagedorn. Sie sehen, dass wir diesen Kurs in der christlich-liberalen Koalition richtungsweisend fortsetzen.
Wenn die Wirtschaft brummt, geht es den Menschen in Deutschland besser. Das halten wir fest.
Wir haben ganz klar gesagt, dass es wichtig ist, dafür zu sorgen, dass die Mittel aus den Eingliederungstiteln besser bei den Menschen ankommen. Im Jahr 2010 soll die Bundesagentur für Arbeit mit 12,8 Milliarden bezuschusst werden.
Dies ist der Wirtschafts- und Finanzkrise geschuldet. Im nächsten Jahr geben wir ein Darlehen von etwa 6,6 Milliarden Euro. 2012 gehen wir aufgrund weiterer positiver Entwicklungen am Arbeitsmarkt von 2,2 Milliarden Euro aus. Ab 2013 kann die BA diese Darlehen zurückzahlen.
Auch das ist positiv für den Bundeshaushalt.
Im Frühjahr dieses Jahres haben wir verabredet, genauer die Frage zu untersuchen, wie Arbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt gebracht werden können und welche Instrumente hierfür erforderlich sind. Wir haben beschlossen, eine Evaluation durchzuführen und zu schauen, welche Instrumente wirkungsvoll und welche weniger wirkungsvoll sind.
Mein Dank gilt Bundesministerin Dr. von der Leyen und dem Ministerium dafür, dass sie dieses Thema vorantreiben und eine Instrumentenreform vornehmen wollen. Mein Dank gilt genauso Herrn Weise sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundesagentur für ihre Arbeit, weil sie sich intensiv um dieses Thema kümmern.
So können wir ohne große Probleme feststellen: Im Jahr 2006 - bei 4,5 Millionen Arbeitslosen - belief sich der Eingliederungstitel auf 8 Milliarden Euro. Für 2014 - bei dann etwa 3 Millionen Arbeitslosen - planen wir ebenfalls 8 Milliarden Euro ein. Das ist meines Erachtens ein gutes Verhältnis, ein gutes Ziel. Wir werden in diesem Bereich vorankommen. Dass die Konjunktur, unsere wirtschaftliche Entwicklung besser ist als erwartet, ist doch positiv. Genauso positiv ist es, wenn weniger Mittel gebraucht werden, weil es weniger Bedürftige gibt.
Sparen heißt in erster Linie: weniger Geld ausgeben. Wenn der Anteil der Sozialausgaben im Bundeshaushalt über 50 Prozent beträgt und wir zu Einsparungen in diesem Bereich von gut 30 Prozent kommen, dann ist das nun einmal sozial ausgewogen. In Zeiten knapper Kassen muss man sich auf die Kernaufgaben konzentrieren, und das tun wir in diesem Bereich.
Meine Damen und Herren, vorhin kam die Diskussion über das Elterngeld auf: Wer bekommt Elterngeld? Wie wird das ausgestaltet?
Elterngeld bekommt jeder. Es ist aber völlig klar und logisch, dass wir bei einer Familie, die Arbeitslosengeld II bezieht und mit der Geburt eines Kindes eine Erhöhung dieses Satzes bekommt,
weil auch das Kind einen Anspruch hat, dann das Elterngeld anrechnen. Das liegt in der Natur der Sache.
Unsere Sozialsysteme sind geschaffen, um Bedürftigen zu helfen, aber nicht, um Luxus zu finanzieren.
Wer arbeitet, muss in Deutschland mehr haben als der, der nicht arbeitet. Das muss unsere Prämisse sein.
Nun zur Diskussion über den Heizkostenzuschuss. Bei gesunkenen Energiekosten wird der den Wohngeldempfängern bei höheren Preisen gewährte Heizkostenzuschuss wieder gestrichen. Das ist ein völlig normaler Vorgang und in der Sache völlig richtig. Ich kann Ihre Kritik daran nicht nachvollziehen.
Sie weisen immer wieder darauf hin, dass in Deutschland starke Schultern mehr tragen sollen als schwache Schultern. Dabei haben Sie uns auf Ihrer Seite. Auch wir sind der Auffassung, dass starke Schultern mehr tragen sollen als schwache Schultern. Schauen wir uns dazu einmal die Realität an: Weniger als ein Zehntel der Menschen trägt über die Hälfte der Steuerlast. Starke Schultern tragen also mehr. Die Hälfte der Menschen trägt etwa 6 Prozent der Steuerlast. Schwache Schultern tragen also weniger. Deshalb ist es wichtig, dass man diese Diskussion offen und fair führt.
Meine Damen und Herren, mit dem Regierungsentwurf haben wir eine gute Vorlage, die wir heute in erster Lesung und dann in den Ausschüssen beraten. An einigen Punkten gibt es für uns noch Diskussions- und Veränderungsbedarf. Wir werden darüber nachdenken, wie wir bei ALG-II-Aufstockern mit der Anrechnung des Elterngeldes umgehen. Wir werden das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umsetzen. Das heißt, wir werden eine Neuberechnung des Arbeitslosengeldes II vornehmen müssen. Wir müssen in diesem Hause dann auch über Folgendes diskutieren: Gehören zum Arbeitslosengeld II auch Genussmittel wie Alkohol oder Tabak? Gehört das mobile Internet dazu? Muss Hundefutter usw. bezahlt werden? Diese Diskussion werden wir offen führen und dann einen bestimmten Satz festlegen.
Außerdem werden wir dafür sorgen, dass die Bildungsleistungen treffsicher bei den Kindern ankommen. Wir stehen dazu, dass wir die Bildungsleistungen als Sachleistungen gewähren wollen. Ich bin mir sicher, dass die Bundesarbeitsministerin und das Bundesarbeitsministerium Vorschläge machen werden, wie wir dies zielführend hinbekommen können.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Damit ist die Aussprache zu diesem Einzelplan beendet.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 59. Sitzung - wird morgen,
Freitag, den 17. September 2010,
auf der Website des Bundestages unter ?Dokumente & Recherche?, ?Protokolle?, ?Endgültige Plenarprotokolle? veröffentlicht.]