60. Sitzung
Berlin, Freitag, den 17. September 2010
Beginn: 9.01 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle herzlich, jedenfalls diejenigen, die zu dieser frühen Uhrzeit schon eingetroffen sind.
Wir setzen unsere Haushaltsberatungen - Tagesordnungspunkt 1 - fort:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2011 (Haushaltsgesetz 2011)
- Drucksache 17/2500 -
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2010 bis 2014
- Drucksache 17/2501 -
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
Vereinbarungsgemäß soll die heutige Aussprache eine Redezeit von insgesamt dreieinhalb Stunden umfassen. Dazu gibt es offenkundig keine neuen Anträge.
Wir beginnen die heutigen Haushaltsberatungen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Einzelplan 12.
Das Wort erhält zunächst der Bundesminister Dr. Peter Ramsauer.
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf den Rängen und vor den Fernsehgeräten! In 16 Tagen begehen wir den 20. Jahrestag der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes, und die meisten von uns wissen noch und haben noch vor Augen, wie das DDR-Erbe aussah. Die Verkehrsinfrastruktur war vollkommen vernachlässigt, und Teile der wertvollen Bausubstanz waren dem Verfall preisgegeben. Das war die bittere Wahrheit.
Wenn wir uns heute im geeinten Deutschland und insbesondere in den neuen Bundesländern umsehen, so dürfen wir mit Fug und Recht sagen: In der Stadtentwicklung, im Bereich der Verkehrsinfrastruktur und im Bereich der gesamten Bausubstanz und Baukultur ist Beeindruckendes geschaffen worden.
Gerade auch die Verkehrs-, Bau- und Stadtentwicklungspolitik des Bundes hat dazu Erhebliches beigetragen.
- So ist das, Herr Kahrs, genau. Danke.
- Wir sind bestens dabei.
Von der Vielzahl an Verkehrs- und Bauprojekten sowie Maßnahmen der Städtebauförderung profitieren dabei nicht nur die Bürgerinnen und Bürger in den neuen Ländern, sondern Gewinner dieser Entwicklung sind wir alle, ist unser ganzes Land in West und Ost.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, damals wie heute ist sich die unionsgeführte Bundesregierung des überragenden Stellenwerts einer gut ausgestatteten Verkehrsinfrastruktur für den Wohlstand und die Chancen unseres Landes bewusst. Ich darf zunächst einmal den Verkehrsbereich ansprechen. Wir müssen mit Blick auf unsere Verkehrswege zwei ganz zentrale Aufgaben schultern. Wir müssen erstens die gute Qualität unseres Bestandsnetzes erhalten, und wir dürfen es nicht auf Verschleiß fahren. Wir müssen uns zweitens bereits heute rüsten für die sich ständig weiterentwickelnden Mobilitätserfordernisse der Menschen und der Wirtschaft von morgen. Hier ist natürlich die herausragende Herausforderung die Verkehrszunahme, die wir prognostizieren müssen. Wir brauchen also weiterhin einen bedarfsgerechten Aus- und Neubau neben dem Erhalt, und zwar für alle Verkehrsträger.
Unsere Verkehrswege sind die entscheidenden Lebensadern unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft. Deshalb müssen wir auch bereit sein, die dazu erforderlichen finanziellen Mittel in ausreichender und verantwortbarer Weise zur Verfügung zu stellen.
- Das machen wir schön, Herr Kahrs, wenn es in den anstehenden Haushaltsberatungen darum geht, dies sicherzustellen.
- Ich nehme Sie beim Wort. Mit Ihnen ist manchmal noch ganz gut reden. Aber dann hört es schon bald auf, wenn man in die Weiten Ihrer Fraktion hineingeht.
Ich glaube, es ist uns gelungen, im Bundeshaushalt eine durchaus ansehnliche Verkehrsinvestitionslinie zu verankern. Für die Jahre 2011 bis 2014 wird sie ausweislich des vorliegenden Finanzplans mit konstant 9,7 Milliarden Euro auf einem höheren Niveau festgeschrieben, als dies in den Jahren 2001 bis 2008 mit durchschnittlich 9,4 Milliarden Euro der Fall war. Das kann sich durchaus sehen lassen. Aber eine klare Prioritätensetzung ist dennoch erforderlich. Priorität müssen solche Projekte haben, die den größten gesellschaftlichen, aber vor allen Dingen auch den größten ökonomischen Nutzen aufweisen. Beim Neubau wird es also vorrangig um die Beseitigung von Engpässen und den Ausbau überlasteter Hauptverkehrsachsen gehen.
Ich möchte beispielhaft ein Zukunftsprojekt herausgreifen. Für unser Land als führende Exportnation ist eine Verbesserung der Hinterlandanbindung der Häfen auch und vor allen Dingen auf der Schiene von herausragender Bedeutung.
- Herr Beckmeyer, Sie auch. Es wird schon besser. - Die Realisierung der sogenannten Y-Trasse - das ist die Verbindung von Hannover, die sich y-mäßig Richtung Bremen und Hamburg verzweigt - ist ein Projekt, das kein isoliertes Prestigeprojekt darstellt, sondern ist pure Notwendigkeit, damit wir für die Zielorte und für die Absatzwege fertiger Produkte in Gesamtdeutschland eine stimmige und zukunftsfähige Verkehrsinfrastruktur bereitstellen können.
- Das ist ja fast wie früher zu Zeiten der Großen Koalition.
- Stimmt, und weit darüber hinaus.
Wir alle, glaube ich - jetzt komme ich zu einem wichtigen Punkt -, sind gut beraten, immer den gesamtwirtschaftlichen Nutzen derartiger Projekte deutlich stärker in das öffentliche Bewusstsein zu rücken.
Jeder von uns weiß um das Konfliktpotenzial von Großprojekten. Das war immer so, und leider Gottes fängt es jetzt wieder an. Wir wissen um die langen Planungszeiträume, und wir wissen um die langen, oft jahrzehntelangen Entscheidungsprozesse. Wenn dann aber endlich der Startschuss für die Realisierung eines Projekts fällt, dann sollten die Entscheidungen, die diesen Projekten vorangegangen sind, auch respektiert und mitgetragen werden.
Ich möchte hier ganz offen das Projekt ?Stuttgart 21? ansprechen. Die Bundeskanzlerin hat vorgestern an dieser Stelle schon das Notwendige gesagt. Stuttgart 21, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein Projekt, das über 15 bis 20 Jahre hinweg nach allen Regeln rechtsstaatlicher Kunst als Projekt und als Baurecht zustande gekommen ist.
Es kann deshalb nicht hingenommen werden, dass nach einer solchen Rechtsfindung nach allen Regeln des Rechtsstaats entgegenstehende Kräfte für sich ein vermeintlich höherrangiges Recht reklamieren, das dem Recht nach rechtsstaatlichen Regeln entgegensteht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Staat - -
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schlecht?
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Ich bin mitten in diesem Gedanken. Das ist ein sehr zentraler Gedanke; er ist nicht nur verkehrspolitisch, sondern gesamtgesellschaftspolitisch wichtig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Staat, der dies hinnehmen würde, würde sich als Rechtsstaat dem Zweifel preisgeben. Die Politik muss natürlich zu den Resultaten klarer rechtsstaatlicher Prozeduren stehen. Die Politik muss zu dem stehen, was der Rechtsstaat hervorgebracht hat.
Zu diesen Prozeduren gehören ganz ausdrücklich auch Bürgerbeteiligungen. Dazu gehören Parlamentsbeschlüsse, Gemeinderatsbeschlüsse, Gerichtsverfahren, Gerichtsurteile und vieles mehr. Tut die Politik dies nicht, dann wirkt sie selbst daran mit, dass Respektlosigkeit ihr selbst gegenüber und gegenüber dem Rechtsstaat um sich greift.
An die Adresse der SPD als größte Oppositionsfraktion sage ich: Stehen Sie zu diesem Projekt! Nehmen Sie sich ein Beispiel an Ihren Kolleginnen und Kollegen von der Südwest-SPD im Landtag von Baden-Württemberg! Ihr Spitzenkandidat Nils Schmid hat noch am vergangenen Samstag klipp und klar festgestellt:
Aber wir wackeln nicht ... Die SPD steht in der Sache weiter zu Stuttgart 21 und dem Bau der Neustrecke Wendlingen-Ulm.
Und vorgestern, am Mittwoch:
Die verkehrlichen, ökologischen und städtebaulichen Vorteile überwiegen deutlich. Ein Ausstieg aus dem Projekt würde sich auf die Verkehrsinfrastruktur in Baden-Württemberg fatal auswirken.
Besser noch:
Ich persönlich bin auch bereit, Seite an Seite mit den Kollegen von den anderen Befürworter-Parteien gegen den Ausstieg zu streiten.
Donnerwetter, kann ich nur sagen. Klatschen!
- Guter Mann, Herr Kahrs.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich weiß zwar nicht, wer von der SPD sprechen wird, aber Herr Beckmeyer würde zum Beispiel gleich sagen: Zu dem haben Sie nichts gesagt, dazu haben Sie nichts gesagt, dazu haben Sie nichts gesagt. Sie wissen ganz genau, dass ich zu allem gern stundenlang sprechen würde. In den verbleibenden anderthalb Minuten möchte ich noch einige Punkte anreißen.
Zukunft der Städtebauförderung: Das ist ein Thema, das uns allen intensiv am Herzen liegt. Die Einschnitte, die jetzt im Entwurf stehen, sind für uns alle schmerzlich. Ich möchte mir aber den Hinweis erlauben: Wir alle miteinander können stolz darauf sein, in den schwierigen Jahren der Wirtschafts- und Finanzkrise gerade den Kommunen mit zweistelligen Milliardensummen aus dem Konjunkturpaket II - 10 Milliarden Euro, die durch Komplementärmittel und Länder- und Gemeindemittel aufgestockt wurden - geholfen zu haben. Diese Mittel sind vom Zweckcharakter her in Bereiche der Städtebauförderung und der energetischen Gebäudesanierung hineingeflossen. Das waren großartige Erfolge, und daran war natürlich auch die SPD beteiligt.
Beim Thema energetische Gebäudesanierung gehört auch zur Wahrheit, dass, weil das Programm ein Renner war, wir noch im Jahr 2009 damit begonnen haben, Haushaltsmittel aus den Jahren 2010 und 2011 vorzuziehen, um sie in diesen Bereich hineinzupumpen. Vorziehen heißt, dass sie später haushaltsmäßig nicht mehr zur Verfügung stehen. Das wissen auch Sie von der SPD, weil Sie selbst daran mitgewirkt haben. Jetzt müssen wir sehen, wie wir damit in den schwierigen Verhandlungen, die in den Haushaltsberatungen vor uns stehen, zurechtkommen.
Eine Reihe von weiteren Themen wäre zu nennen, beispielsweise die Verkehrssicherheit. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir sie im Haushalt noch besser dotieren können. Ich nenne die Elektromobilität, die Stärkung des Logistikstandorts Deutschland und die Vernetzung von Verkehrsträgern. Wir haben in den kommenden Wochen reichlich Gelegenheit, all diese Themen zu erörtern. Ich als verantwortlicher Ressortminister freue mich auf diese Gespräche und lade die Opposition ein, konstruktiv mitzuarbeiten.
Besten Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Für eine Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Schlecht das Wort.
Michael Schlecht (DIE LINKE):
Herr Minister Ramsauer, seit Jahren wird in Stuttgart gegen Stuttgart 21 protestiert. Seit Ende Juli hat dieser Protest gewaltige Ausmaße angenommen. Es wird dort mehrmals in der Woche protestiert. Große Teile der Stuttgarter Bevölkerung beteiligen sich an diesen Demonstrationen. Wir hatten in der letzten Woche eine Demonstration mit 70 000 Teilnehmern. Man kann schätzen, dass in Stuttgart mittlerweile bei den vielen Demonstrationen ein Personenkreis von 100 000 bis 200 000 Menschen aktiv an den Protesten gegen Stuttgart 21 beteiligt war. Das heißt, fast die Hälfte der Bevölkerung in Stuttgart hat sich durch aktives Handeln gegen dieses Projekt ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund finde ich es schon sehr merkwürdig, wenn Sie diesen Protest als ?entgegenstehende Kräfte? bezeichnen. Das empfinden die Menschen in Stuttgart sicherlich als eine Verhöhnung ihres Einsatzes für ihre Interessen und für ihre demokratischen Rechte.
Danke schön.
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Sehr geehrter Herr Kollege, ich bedanke mich für diese Frage. Wenn Sie sagen, es habe seit Jahren Proteste größerer und kleinerer Art gegeben, dann möchte ich daran erinnern, dass dieses Projekt seit Jahren von einem großen Lager ständig gefordert worden ist.
Ich betone, dass heute, wie ich zitiert habe, auch die Landtagsfraktion der SPD im Landtag von Baden-Württemberg ganz offensichtlich nach wie vor zu diesem Projekt steht, und zwar unmissverständlich. Seit? an Seit?, hat der Spitzenkandidat gesagt, stehe er dazu. Ich erinnere auch daran, dass im Rahmen aller rechtsstaatlichen Genehmigungs-, Verwaltungs- und Verfahrensprozeduren und Gerichtsverfahren alle erdenklichen zur Debatte stehenden Aspekte abgewogen worden sind und dass alle an diesem Prozess Beteiligten mit allen rechtsstaatlichen Mitteln das Ihre haben beitragen können. Das ist das, was ein Rechtsstaat bieten muss, und das, was er bieten kann. Ich als verantwortlicher Politiker muss aber dann auch fordern, dass die Ergebnisse solcher rechtsstaatlichen Prozeduren gesamtgesellschaftlich akzeptiert werden.
Ich erinnere an ein weiteres Moment: die Legitimation. Ich habe von 15 bis 20 Jahren gesprochen. Gerade in den letzten Jahren haben Wahlen aller Art stattgefunden. Zwei Beispiele: Zu dem Zeitpunkt, als das letzte Mal der Stuttgarter Oberbürgermeister Schuster gewählt worden ist, war es nicht so, dass von diesem Projekt noch nie die Rede gewesen wäre. Dieses Projekt war damals zur Kommunal- und Oberbürgermeisterwahl klar auf der Tagesordnung. Dieser Oberbürgermeister ist mit einem guten Ergebnis wiedergewählt worden, und die Menschen wussten, wofür er steht.
Vor vier Jahren wurde der baden-württembergische Landtag mit einem Ergebnis gewählt, das mich nur freuen kann. Auch damals hat Stuttgart 21 klar im Raum gestanden.
Diejenigen, die heute für dieses Projekt stehen, sind nicht nur irgendwann in letzter Zeit gewählt worden, sondern sie sind mit hervorragenden Ergebnissen wiedergewählt worden vor dem Hintergrund, dass sie für dieses Projekt stehen. Ich lasse deshalb keinerlei Zweifel an der rechtsstaatlichen sowie gesellschaftlichen und gesamtpolitischen Legitimation dieses Projekts.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Uwe Beckmeyer für die SPD-Fraktion.
Uwe Beckmeyer (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, zu dem zuletzt angesprochenen Thema ein Satz. Nach meiner Kenntnis wird in 2011 in Baden-Württemberg gewählt. Die Kanzlerin hat vorgestern deutlich gemacht: Das wird ein wichtiges Thema in diesem Wahlkampf sein. Die Bürger in Baden-Württemberg werden die Gelegenheit haben, bei dieser Abstimmung zu zeigen, wofür sie sind. - So weit zur Beteiligung der Bürger. Wir wünschen uns eigentlich noch mehr Beteiligung; vielleicht gibt es das.
Herr Minister, ich habe mich über Ihre Rede zum Teil gefreut. An manchen Stellen habe ich mich aber auch gefragt: Warum sagt er nicht noch mehr zu seinem Haushalt? - Das ist doch Ihr Haushalt, Herr Minister, den Sie uns hier als Entwurf vorlegen. Dazu hätten wir eigentlich gern noch etwas mehr gehört
- das ist wunderbar -, weil das, was in diesem Haushaltsentwurf zu finden ist, schmerzlich, in einigen Bereichen aber auch unverständlich ist.
Als oppositioneller Sozialdemokrat muss ich das in dieser Rede natürlich sagen; ich werde daran nicht vorbeikommen.
Zum Fachpolitischen. Es gibt Schwerpunktsetzungen - es geht immerhin um viel Geld -, die mit meinem fachpolitischen Verständnis von Verkehrs- und Baupolitik überhaupt nicht in Einklang zu bringen sind. Man kann nicht sagen: ?Wir machen etwas mit Elektromobilität?, dann aber im Haushalt die Ansätze dafür vergessen. Das geht nicht. Man kann doch nicht am Ende die Finanzausstattung für all die Elektromobilitätsprojekte in den Regionen in Deutschland vergessen. Man kann doch nicht die Ansätze für Maßnahmen zur CO2-Reduzierung - wir alle wissen, dass das Handwerk und die Bundesrepublik Deutschland insgesamt sehr davon profitiert haben - im Grunde halbieren. Wir haben in Deutschland zurzeit eine Debatte über Integration. Und was passiert in Ihrem Haushalt? Die Mittel für die Städtebauförderung und für das Programm ?Soziale Stadt? werden halbiert. Das sind doch gerade die Programme, mit denen wir in den Städten und Kommunen wirken können.
Das ist doch das, was Politik ausmacht. Es geht nicht immer nur um Milliarden, sondern auch darum, kleine Projekte zu pflegen, zu unterstützen, am Leben zu halten, zu helfen, dass die Gesellschaft zusammenwächst. Dafür haben Sie in Ihrem Haushalt ein ganz wesentliches Werkzeug. Und was passiert? Wir stellen fest: Sie halbieren die Ansätze. Vor der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit muss offengelegt werden, weshalb Sie das tun. Warum kürzen Sie dort? Ist das Ihr Politikverständnis? Ist das Ihre Schwerpunktsetzung, von der Sie gesprochen haben?
Das geht so weiter. Wir haben im Norden schon über Jahre ein maritimes Bündnis. Mit Kanzler Schröder hat das angefangen, Kanzlerin Merkel hat es fortgesetzt. Damit wollen wir etwas für Kapitäne und die Ausbildung an der Küste machen. Und was passiert? Es wird massiv gekürzt. Das maritime Bündnis wird von der öffentlichen Seite aufgekündigt. Da kann mich der Hinweis: ?Wir bekommen die Y-Trasse?, für die Sie momentan die Planungsmittel bereitstellen, aber auch keinen Cent mehr, gar nicht beruhigen. Das ist nur die Wurst, die uns vor die Nase gehängt wird, aber am Ende des Tages ist keine Substanz vorhanden. Ihre Staatssekretäre gehen von einer Veranstaltung in der Bundesrepublik zur nächsten, verkünden alles, versprechen alles,
aber es ist keine Substanz da.
Wir hören das überall, in Bremen, in Hamburg, bei den Vertretungen. Es wird alles versprochen. Schaut man in den Haushalt, stellt man fest: Das ist irgendwie nur virtuell. Es steht nicht im Haushalt. Man kann es nicht finden. Es ist nicht finanziert. Dennoch wird es versprochen. Ich frage mich: Woher nehmen Sie eigentlich die Chuzpe, so zu verfahren? Ist das eine andere Wirklichkeit?
Sie selbst haben in Ihrem Koalitionsvertrag, um ein anderes Thema anzusprechen, gesagt: Wir wollen dem deutschen Verkehrsgewerbe helfen. Wir setzen die Mauterhöhung aus. - Das klingt erst einmal toll, aber wenn man sich das genauer anschaut, stellt man fest: Sie helfen der Verkehrswirtschaft überhaupt nicht. Es werden erst einmal Einnahmen in Höhe von 80 Millionen Euro weggekürzt, die Sie ansonsten im nächsten Jahr bekommen würden und die dann vielleicht auch in die Straße fließen könnten. Doch Sie setzen die Mauterhöhung aus und verzichten auf die Einnahmen. Was heißt das dann für die Verkehrswirtschaft? Alle Unternehmen, die so klug waren - das war ja auch unsere Absicht -, in die Erneuerung ihres Fuhrparks zu investieren, und eine Erhöhung der laufenden Betriebskosten in Kauf genommen haben, indem sie Euro-4- und Euro-5-Fahrzeuge angeschafft haben, werden nun bestraft.
Und das betrifft nun überwiegend deutsche Unternehmen. Alle diese können keine Vorteile aus ihren Investitionen ziehen, während mehr als ein Drittel der nicht nachgerüsteten Euro-3-Fahrzeuge, für die nun keine höhere Maut fällig wird, aus dem Ausland kommt.
Was machen Sie also? Sie bestrafen im Grunde diejenigen Unternehmen in Deutschland, die ihren Fuhrpark erneuert haben, und unterstützen die ausländischen Unternehmen, die noch Euro-3-Fahrzeuge haben. Das ist völliger Unsinn. Das ist eine völlig falsche Schwerpunktsetzung in der Mautpolitik.
Ich bin der Meinung, dass wir uns auch den Baubereich noch einmal genau anschauen sollten. Es war ziemlich heftig, was vonseiten der CSU, Ihrem eigenen Landesverband, Herr Minister, und vonseiten der Bauministerkonferenz zu lesen und zu hören war. Die Bauminister aller Länder in Deutschland haben gesagt: Herr Ramsauer, so geht das nicht, machen Sie bitte bei der Städtebauförderung ordentlich weiter! - Ich war in der Sommerpause beim Oberbürgermeister von Stralsund, einem CDU-Mann, gut mit Frau Merkel bekannt. Stralsund ist wie auch Wismar eine der Städte in Deutschland, die zum Weltkulturerbe gehört. Er hat gesagt: Wenn das eintritt, was geplant ist, kann ich hier meinen Laden dichtmachen. Ich kann nichts Neues beginnen. - Die Konsequenz Ihrer Pläne ist, dass eine so wunderschöne und kulturhistorisch bedeutsame Stadt ihre Ausbaumaßnahmen nicht fortsetzen und bestimmte Projekte nicht mehr unterstützen kann. Wollen wir das?
Nein. Darum ist es doch nur sinnvoll, zu überlegen, ob es nicht vielleicht klüger ist, diese Förderung fortzusetzen und vielleicht sogar besser auszustatten.
In solchen Momenten mache ich mir bewusst: Bei der Politik geht es nicht nur darum, Milliarden hin und her zu schieben, sondern auch um Gestaltung. Ich glaube, das ist ein wichtiger Aspekt, den zu berücksichtigen man auch von Ihrem Ministerium erwarten kann. Darum ist die Frage, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wo ist Ihre rote Linie? Wo ist Ihre Gestaltungskraft? Wo ist Ihr tragendes Konzept?
Wir können zunächst einmal in keinster Weise einen Umbau des Haushaltes feststellen. Vielmehr halten Sie krampfhaft an einer Investitionslinie fest. Sie selbst haben gesagt, Sie müssten 10 Milliarden Euro halten. Doch selbst das schaffen Sie nicht. Es sind nur 9,75 Milliarden Euro für Investitionen vorgesehen. Das hat zur Konsequenz, dass bei Straße, Schiene und Wasserstraße im nächsten Jahr im Grunde kein neues Projekt angefangen werden kann, weil das Geld dafür nicht da ist. Sie können neue Projekte im Augenblick in keiner Form darstellen. Darum sind alle vollmundigen Ankündigungen, die im Land getätigt werden, stark von der Realität entfernt, um es nicht drastischer auszudrücken.
Ihr Spitzenpersonal erklärt etwas anderes. Ich sage an dieser Stelle noch einmal: Das ist nicht seriös. Die Schiene ist unterfinanziert, die Straße ist unterfinanziert. Viele Warnrufe aus der Fachbeamtenschaft Ihres Hauses werden leider ignoriert. Man hat so den Eindruck: Entweder sind Sie nicht informiert, oder Ihre Entourage filtert alle entsprechenden Informationen weg und sie kommen nicht an Sie heran, oder aber die Spitze des Hauses ist derart von sich selbst überzeugt, dass sie meint, fachlich alles besser zu wissen.
Das Ergebnis ist nicht in Ordnung. Es ist gefährlich für die deutsche Verkehrswirtschaft und für die deutsche Bauwirtschaft, eine solche Politik fortzusetzen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Der legendäre Franz Josef Strauß hat einmal gesagt: Es kann nicht ein Neuer, noch bevor er sein Amt übernimmt, Vollkommenheit erwerben, um das Amt übernehmen zu dürfen. - Herr Minister, Ihr Amtsantritt ist jetzt ein Jahr vorbei. Nun geht es langsam ans Eingemachte. Wir erwarten von Ihnen, dass mehr dabei herauskommt. Kommen Sie heraus aus der Wagenburg Ihres Leitungszirkels! Machen Sie mit uns Politik!
Wir haben uns vorhin sehr darüber gefreut, dass Sie ganz bestimmte Projekte angekündigt haben. Aber Sie müssen jetzt auch etwas dafür tun, dass die Opposition mit Ihnen zusammenarbeitet. Ich habe schon einmal in einer Haushaltsdebatte gesagt: Machen Sie Vorschläge, und wir werden darüber nachdenken. Machen Sie beispielsweise Vorschläge zu einer Nutzerfinanzierung von Verkehrsprojekten.
Aber was Sie momentan machen, ist abenteuerlich. Sie wollen demnächst - auch das haben Sie angekündigt - die Mittel aus der Maut der Straße zuführen. Aber das reicht für die Straße nicht. Sie werden also weiterhin Finanzierungsbeiträge aus dem Haushalt für die Straße brauchen. Auch für die Schiene werden Sie mehr Finanzierungsmittel aus dem Haushalt einsetzen müssen. Wenn Sie sich die Zahlen anschauen, dann werden Sie feststellen, dass auch das nicht zu einer Art Geldvermehrung in diesen Bereichen führt. Es führt möglicherweise nur dazu, dass Sie damit eine Diskussion zur Einführung einer Pkw-Maut anstoßen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Beckmeyer!
Uwe Beckmeyer (SPD):
Jawohl, Herr Präsident, ich komme zum Schluss.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Wie schön.
Uwe Beckmeyer (SPD):
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie merken, in diesem Haushaltsentwurf ist der Wurm drin. Ich habe versucht, dies an einigen Beispielen darzustellen. Ich hoffe, dass die Koalitionsfraktionen aus sich heraus ein wenig mehr Kraft entfalten, um das eine oder andere noch zu korrigieren. Wir würden uns jedenfalls darüber freuen. Wir Sozialdemokraten werden einige Anträge für die Haushaltsberatung am 6. Oktober einbringen, um Ihnen ein bisschen zu helfen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Dr. Claudia Winterstein ist die nächste Rednerin für die FDP-Fraktion.
Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die letzten Regierungen sind immer den einfachen Weg gegangen, nämlich über Schulden und Steuererhöhungen ihre Ausgabenpolitik zu finanzieren. Das haben Sie, Herr Beckmeyer, eben sehr deutlich gemacht. Sie haben gesagt, wofür wir das Geld ausgeben sollen. Aber Sie haben nicht gesagt, woher wir das Geld bekommen sollen, um es dann auszugeben.
Der Haushalt für das Jahr 2011 wird eine deutliche Trendwende einleiten. Hier stellt sich die christlich-liberale Koalition ihrer Verantwortung, die enorme Verschuldung, die Sie mit zu vertreten haben, endlich in den Griff zu bekommen, um dann wieder Gestaltungsmöglichkeiten zu haben.
Das sind wir auch unserer jungen Generation schuldig. Für sie müssen wir die Grundlagen für ein stabiles Wachstum unserer Volkswirtschaft erhalten und ausbauen. Eine gut ausgebaute und intelligent vernetzte Verkehrsinfrastruktur ist eine der wichtigsten Grundlagen.
Deswegen betrachtet die Koalition neben der Konsolidierung der Staatsfinanzen den Ausbau der Infrastruktur als ein sehr wichtiges Ziel ihrer Politik.
Ohne solide Staatsfinanzen nehmen wir uns den Handlungsspielraum, um auch in Zukunft Verkehrspolitik zu gestalten. Jeder Euro, den wir für Kredite ausgeben müssen, fehlt uns nicht zuletzt bei den Straßen und Schienen.
Der hier vorliegende Entwurf zum Einzelplan 12 berücksichtigt beide Ziele in gleicher Weise. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen durch die Schuldenbremse und das Sparpaket bleiben die Investitionen im Verkehrsbereich auf einem akzeptablen Niveau. Denn Sie müssen bedenken: Fast 10 Milliarden Euro werden im nächsten Jahr in Straße, Schiene und Wasserstraße investiert. Im Haushalt 2008, also vor den Konjunkturhilfen, lagen die Investitionen im Verkehrsbereich bei knapp über 9 Milliarden Euro. Es fließt im Jahre 2011 also mehr Geld in die Sanierung und den Ausbau unserer Verkehrswege als vor der Wirtschaftskrise.
Auch Sie, Herr Beckmeyer, hätten in den letzten vier oder acht Jahren die Möglichkeit gehabt - ich frage mich: wo waren Sie eigentlich in diesen Jahren? -,
diese Ansätze noch höher zu setzen, da Sie sich ja keine Gedanken darüber machen, woher Sie das Geld bekommen, sondern sich nur Gedanken darüber machen, wie Sie es ausgeben.
Ob das nun eines verantwortungsbewussten Politikers würdig ist, darüber kann man streiten.
Jedenfalls muss der Einzelplan 12 auch seinen Beitrag erbringen. Einer von vielen Einsparvorschlägen der Regierung betrifft die Kürzung von Programmmitteln im Bereich der Stadtentwicklung; Sie haben das schon gesagt. Dieser Bereich wurde in den beiden letzten Jahren um zusätzliche Mittel aus dem Konjunkturprogramm I aufgestockt. Diese Sonderausgaben fallen jetzt weg.
Darüber hinaus leistet der Bereich Städtebau seinen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung. Das ist eben leider so. Wenn Sie jetzt sagen: ?Wir brauchen das nicht, wir wollen weiterhin die Gelder ausgeben?, dann sagen Sie uns bitte, woher sie kommen sollen. Durch die Fördersumme von 305 Millionen Euro, die der Bund den Ländern und Kommunen für städtebauliche Projekte zur Verfügung stellt, bleibt die Möglichkeit erhalten, auch weiterhin Impulse für die Stadtentwicklung zu setzen.
Die Städtebauförderung ist durch ihre Vielzahl von Programmen kompliziert und zum Teil unüberschaubar geworden. Ich denke, dass eine Verknappung der Mittel vielleicht auch dazu führt und Anreize bietet, Programme zu bündeln und effizienter zu gestalten.
- Ja. - Ein weiterer Sparbetrag soll nach bisheriger Planung das CO2-Gebäudesanierungsprogramm erbringen.
Seit dem Start im Jahre 2006 wurde die energetische Haussanierung mit 7,2 Milliarden Euro durch den Bund unterstützt. Jetzt soll das Programm zurückgefahren werden, mit Mitteln von 440 Millionen Euro in 2011 aber noch aktiv bleiben.
Nun erinnere ich mich sehr gut daran, dass Herr Tiefensee dafür in der letzten Regierung verantwortlich war, Herr Beckmeyer. Ich frage mich: Warum hat er denn die 1,5 Milliarden Euro, die er pro Jahr zur Verfügung gestellt hat, nicht noch weiter erhöht? Warum hat er den Einsatz von 400 Millionen Euro vorgezogen?
- Sie müssen auch einmal die Vergangenheit sehen. Sie haben doch gesagt: Die Mittel haben nie gereicht. So gesehen hätte Herr Tiefensee den Bereich der CO2-Gebäudesanierung in den letzten Jahren noch wesentlich besser ausstatten können. Er hat es aber nicht getan. Aus welchem Grund? Weil eben schlichtweg die Gelder nicht vorhanden waren.
Insofern möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass wir jetzt über das Energiekonzept der Bundesregierung zu diskutieren haben, insbesondere natürlich auch im Hinblick auf das ehrgeizige Ziel, bis 2050 alle Gebäude emissionsfrei umzubauen. Hier gibt es, denke ich, noch viele offene Fragen wirtschaftlicher und auch juristischer Art.
Es ist zum Beispiel fraglich, ob ein Zwang zur Sanierung nicht einen unzulässigen Eingriff in das Eigentum darstellt.
Wir dürfen Hauseigentümer und Mieter nicht überfordern. Nicht jeder ist in der Lage, entsprechende Summen zur Sanierung aufzubringen.
Wir wollen die nächsten Wochen nutzen, um darüber zu diskutieren, wie wir das CO2-Gebäudesanierungsprogramm in Zukunft ausgestalten können.
Eines muss man aber ehrlicherweise sagen: Derzeit befinden sich die Bauzinsen auf einem sehr niedrigen Niveau. Dadurch besteht auch ohne staatliche Förderung ein hoher Anreiz für Sanierungsmaßnahmen. Außerdem sind bei solchen Förderprogrammen auch Mitnahmeeffekte zu beachten, wenn zum Beispiel ein Bauherr den Neubau sowieso nach den neuesten Standards geplant hatte. Die Förderung muss also vor allen Dingen dort ankommen, wo sie gebraucht wird.
Wir denken über den aktuellen Haushaltsentwurf hinaus darüber nach, wie in Zeiten knapper öffentlicher Kassen eine ausreichende Finanzierung der Verkehrswege erreicht werden kann. Das schaffen wir einerseits durch die effektive Verteilung der vorhandenen Gelder, indem wir klare Schwerpunkte in der Verkehrspolitik setzen, wie etwa Erhalt vor Ausbau und die Beseitigung von Engpässen an wichtigen Knotenpunkten und Hauptstrecken.
Andererseits wollen wir mehr privates Kapital für die Infrastruktur mobilisieren. Es werden zu den bereits erfolgreich laufenden Projekten in öffentlich-privater Partnerschaft neue hinzukommen. Darüber hinaus wollen wir durch die Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastrukturgesellschaft einen geschlossenen Finanzierungskreislauf bei der Straße schaffen. Die Einnahmen aus der Lkw-Maut sollen vollständig in die Straße zurückfließen. Das entspricht übrigens einer langjährigen Forderung der FDP. Es erhöht die Akzeptanz der Maut. Zusätzlich soll die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft kreditfähig werden, um bei der Finanzierung von Autobahnprojekten mehr Spielraum zu erhalten.
Meine Damen und Herren, wir wollen ganz klar eine Trendwende in der Haushaltspolitik einleiten: solide Staatsfinanzen statt ungezügelter Ausgabenpolitik. Das ist das Versprechen gegenüber unserer jungen Generation; denn auf Schuldenbergen können unsere Kinder nicht spielen.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Roland Claus für die Fraktion Die Linke.
Roland Claus (DIE LINKE):
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Linke steht für eine Verkehrs-, Bau- und Stadtentwicklungspolitik, die stets von sozialer Verantwortung und demokratischer Teilhabe aller an den Gütern der öffentlichen Daseinsvorsorge ausgeht: Was alle brauchen, muss öffentlich zugänglich sein; Mobilität und urbanes Leben müssen bezahlbar sein.
Wir reden hier über den Infrastrukturhaushalt. Um es einmal plastisch zu machen: Es gibt nicht einen einzigen Wahlkreis eines Bundestagsabgeordneten, der von diesem Etat nicht berührt wäre; er hat enorme Auswirkungen. Wenn Sie von der Bundesregierung etwas mutiger wären, dann hätten Sie einen wirklichen Infrastrukturetat geschaffen, indem Sie das Wirtschafts- und Landwirtschaftministerium hier integriert hätten.
Sie sehen: Die Opposition geht den Haushalt lustvoll und kreativ an. Das Zahlenwerk von Bundeminister Ramsauer ist allerdings ein Anschlag auf Mut und Kreativität.
Dafür will ich ein paar Beispiele nennen.
Sie wollen mit diesem Haushalt die Etats zweier besonders erfolgreicher Förderprogramme - die Städtebauförderung und die energetische Gebäudesanierung - im Vergleich zu diesem Jahr halbieren. Wer sich so seiner eigenen Stärken beraubt, nimmt sich doch den Spielraum zum Gestalten. Ich finde, das, was Sie hier vorführen, ist nun wirklich absurd.
Deshalb bekommen Sie wie wir Briefe von Architekten, Wohnungsgesellschaften, Kirchen und Mietervereinigungen, die sich darüber beschweren. Es muss Ihnen doch zu denken geben, wenn sich Ortsvereine von CSU, Grünen, SPD und Linken gleichermaßen über diesen Unsinn beschweren. Dass Sie nicht in der Lage sind, daraus Schlüsse zu ziehen, ist ebenfalls absurd.
- Das schreckt inzwischen niemanden mehr.
Das Neue an diesem Widerstand ist: Diejenigen, die uns diese Beschwerdebriefe schicken, argumentieren in erster Linie nicht betriebswirtschaftlich. Sie sagen nicht: Meinem Unternehmen geht der Gewinn flöten. Sie sagen auch, aber nicht nur: Es geht um Arbeitsplätze. Sie argumentieren mit gesellschaftlicher Verantwortung und sagen Ihnen die Wahrheit. Die Wahrheit ist: Sie machen mit dieser Politik das Gemeinwesen und die Demokratie kaputt; wir erleben hier einen Anschlag auf unser demokratisches Gemeinwesen.
Das ist das Neue am Widerstand gegen Ihre vermeintliche Sparpolitik, die nicht wirklich Sparpolitik ist: Während wir hier eine Woche lang darüber debattieren, wie man 10 Milliarden Euro im Bundesetat einsparen kann, werden Garantien in Höhe von 40 Milliarden Euro - erneut für die Hypo Real Estate - am Parlament vorbei ausgereicht.
Ich will Ihnen von einem Erlebnis erzählen. Ich stand vor kurzem auf einer halb fertiggestellten ICE-Brücke in meinem Wahlkreis, die über die Unstrut führt. Sie gehört zur ICE-Strecke Nürnberg-Leipzig. Ingenieurtechnisch ist das außerordentlich beeindruckend; die Fahrstrecke wird dann irgendwann eine halbe Stunde kürzer sein. Die Wahrheit der neuen Trasse heißt aber auch, dass dann Kulturstädte wie Weimar, Naumburg und andere regelrecht vom Fernverkehr abgehängt werden. Ich glaube, diese Logik der Metropolendominanz ist keine Logik von heute, sondern von gestern. Das Interessante dabei ist: Ihre Ideen von vorgestern werden heute in Beton gegossen; aber es sind eben Ideen von vorgestern.
Es gibt auch ganz andere Logiken. In Sachsen-Anhalt fand die Internationale Bauausstellung statt, eine sehr beeindruckende Veranstaltung, deren Motto ?Weniger ist Zukunft? lautete. Es ging um die Hinwendung zu einer anderen Entwicklungslogik. Aber dafür braucht es eine zukunftsfähige Infrastrukturpolitik. Dafür muss man Mut haben und dann auch Geld anfassen.
Herr Bundesminister, in Ihrem Etat sind alle Baulichkeiten des Bundes in Berlin und Bonn versammelt. Sie tragen künftig eine spezielle Verantwortung dafür, den Umzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin zu vollziehen. Die Linke hat Ihnen dazu bereits im Jahr 2006 einen entsprechenden Antrag vorgelegt. Nun hat auch der Bundesverteidigungsminister - er ist ein reformfreudiger Typ - erkannt, dass es besser wäre, sein Ministerium in Berlin anzusiedeln.
Herr Ramsauer, wir fordern Sie auf: Packen Sie es an! Treten Sie für die Wiedervereinigung der Bundesregierung in Berlin ein! Wir versprechen Ihnen dabei: Keinem Bonner wird es schlechter gehen.
Herr Minister, wir Ossis haben gut gelernt, zwischen den Zeilen zu lesen, auch bei Ihrer Rede. Demnach wollen Sie, dass Ihr Etat nicht so bleibt, wie er ist. Hierin stimmen wir überein. Bessern Sie Ihren Etat; denn so, wie er ist, ist er Mist.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Claus, es wird in Bonn sicher nachhaltige Beruhigung auslösen, wenn ein Vertreter Ihrer Fraktion die Bundesregierung zur Wiedervereinigung auffordert.
Nächster Redner ist der Kollege Winfried Hermann für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Wir debattieren heute über die Grundzüge des Haushalts des Ministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Eines der Grundprobleme dieses Haushalts - vor allem im Verkehrsbereich - ist, dass wir eine große Lücke haben zwischen den Ansprüchen, die gestellt werden, und den Mitteln, die tatsächlich zur Verfügung stehen.
Die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit - man müsste eigentlich sagen: zwischen Wahn und Wirklichkeit - ist gewaltig.
Schauen wir uns an, welche Kosten im Bundesverkehrswegeplan für den vordringlichen Bedarf vorgesehen sind: im Bereich Schiene noch 35 Milliarden Euro und im Bereich Straße noch 28 Milliarden Euro. Im Schienenbereich stehen uns in den kommenden 5 Jahren aber nur maximal 5 bis 6 Milliarden Euro und im Straßenbereich maximal 10 Milliarden Euro für Neubauinvestitionen zur Verfügung. In dieser Situation hätte ich vom Minister erwartet, dass er sagt: Es ist Zeit zur Einkehr, zum Nachdenken, zum Nachrechnen und auch zur Umkehr. Wir müssen uns von unbezahlbar teuren, nicht durchsetzbaren Projekten verabschieden.
Das tun Sie nicht. Dazu haben Sie nicht den Mut.
Das ist übrigens der Grund, warum in Stuttgart so viele Menschen Tag für Tag auf die Straße gehen. Sie protestieren nicht, wie die Kanzlerin meint, gegen einen neuen Bahnhof. Nein, diese Menschen fragen sich: Warum wird in Stuttgart ein gut funktionierender Kopfbahnhof nicht einfach bezahlbar und schnell modernisiert? Warum wird er zerstört? Warum wird ein Park für einen unterirdischen Durchgangsbahnhof zerstört,
der geringere Kapazitäten hat, der schlechter für die Kunden ist, bei dem der Taktverkehr nicht mehr funktioniert, aber richtig teuer ist und nur der Immobilienwirtschaft und den Tunnelbauern nutzt?
Sie fragen sich: Wie kann es sein, dass sich Politiker in Gremien über Jahre hinweg schöne Zahlen vorlegen lassen und nie kritisch nachfragen? Wie kann es sein, dass ein Gremium wie der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages - Herr Kollege Barthle, Sie waren dabei - das Projekt Stuttgart 21 und die Neubaustrecke vor anderthalb Jahren verabschiedet hat, was mit 2,8 Milliarden Euro veranschlagt wurde und inzwischen 4,1 Milliarden Euro kosten soll?
Die Neubaustrecke wurde damals mit 2 Milliarden Euro veranschlagt, inzwischen wurde zugegeben, dass es 3 Milliarden Euro sind.
In einem von uns vorgelegten Gutachten haben wir Ihnen dargelegt, dass es wohl eher 4 oder 5 Milliarden Euro sein werden.
Alles in allem schlucken beide Projekte 10 bis 11 Milliarden Euro. Das ist die Summe, die Sie zum Ausbau des gesamten deutschen Schienengüterverkehrs dringend brauchten.
Diese Art von Geldverschwendung geht den Leuten so was von auf den Keks, in Schwaben ganz besonders.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Hermann, darf Ihnen der Kollege Kalb eine Zwischenfrage stellen?
Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Gerne, das verlängert meine Redezeit, und ich kann dann meine Gedanken noch besser ausführen. Vielen Dank.
Bartholomäus Kalb (CDU/CSU):
Herr Kollege Hermann, würden Sie erstens zugeben, dass es eine klare Finanzierungsvereinbarung zwischen dem Bund und den übrigen Beteiligten gibt und dass die finanzielle Beteiligung des Bundes seinerzeit auf Vorschlag des damaligen Bundesverkehrsministers Tiefensee
exakt begrenzt wurde und hier keine nachteiligen Auswirkungen zu erwarten sind?
Würden Sie zweitens zugeben, dass Sie die Öffentlichkeit in die Irre führen, weil bei allen Planungen und Kostenangaben der Kostenstand des Jahres 2004 zugrunde gelegt wird und es natürlich eine Eskalation bei der Preisentwicklung gibt?
Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank. - Tatsächlich wird bei diesen Großprojekten immer mit veralteten Zahlen gerechnet, damit nicht auffällt, wie teuer sie sind.
Wir wissen heute zum Beispiel - nach Angaben der Bahn -, dass die Neubaustrecke 3 Milliarden Euro kostet. Das ist exakt das Doppelte von dem, was der Haushaltsausschuss vor anderthalb Jahren als Verpflichtungsermächtigung beschlossen hat. Bei Neubaustrecken - das wissen Sie so gut wie ich - ist der Bund alleiniger und ausschließlicher Finanzier. Dass Baden-Württemberg dem Bund in diesem Zusammenhang ungefähr 1 Milliarde Euro schenkt, ist eher ein Glück, man könnte auch sagen: Dummheit. Auf jeden Fall muss das nicht geschehen.
Beim Bahnhof ist es das Gleiche. Der Bund wird nicht alleine bezahlen. Alle Beteiligten werden mehr bezahlen. Aber auch hier hat man jahrelang mit falschen Zahlen gerechnet.
Jetzt komme ich zum Thema Demokratie. Herr Minister, Sie haben gefragt: Was haben diese Leute für ein Demokratieverständnis? Bei den Protesten in Stuttgart höre ich von den Leuten immer wieder, dass sie nicht verstehen können, dass sich gewählte Parlamentarierinnen und Parlamentarier so wenig mit der Frage beschäftigen, was solche Großprojekte wirklich kosten, wie hoch die Baurisiken und die Kostenrisiken sind. Die Leute fragen: Wie kann es sein, dass solche Gremien auf der Basis völlig falscher Zahlen Beschlüsse fassen und diese anschließend noch nicht einmal korrigieren?
Nach der Haushaltsordnung des Deutschen Bundestages und den darin festgelegten Prinzipien der Sparsamkeit und der Wirtschaftlichkeit wäre es Ihre Pflicht, diese Beschlüsse von vor anderthalb Jahren komplett infrage zu stellen.
Noch etwas ärgert die Leute. Hier wird so getan, als wären diese Beschlüsse unumkehrbar, als sei von allen zuständigen Gremien längst alles beschlossen. Die Bevölkerung ist nie gefragt worden. Eine Bürgerbeteiligung ist immer abgelehnt worden. Ein Bürgerentscheid ist immer abgelehnt worden. Am Anfang hat man gesagt, dafür sei es zu früh. Später hat man gesagt, es sei zu spät dafür. Abgelehnt worden ist die Beteiligung immer. Was aber wirklich ärgerlich ist, ist, dass man, obwohl das Projekt Stuttgart 21 in wesentlichen Teilen noch nicht rechtskräftig planfestgestellt ist und die Neubaustrecke in fast allen Teilen noch nicht rechtskräftig planfestgestellt ist,
den Bahnhof abreißt und damit Tatsachen schafft. Man will das Projekt durchprügeln, und das stinkt den Leuten. Es stinkt ihnen, dass Sie so tun, als sei über alles geschwätzt worden, als sei alles geregelt, als könne man nichts mehr umkehren.
Das ist die Wahrheit, aber die verstehen Sie nicht.
Sie haben gesagt, dass es genügend Möglichkeiten gab, Einfluss zu nehmen.
Sie täuschen sich. Ich begleite dieses Projekt seit Anfang der 90er-Jahre. Die Bevölkerung ist nie gefragt worden, ob sie einen neuen Bahnhof haben möchte, ob sie einen Nutzen in diesem Projekt sieht. Sie ist nie gefragt worden. In den allgemeinen Wahlen hat die Bevölkerung der CDU die Mehrheit gegeben. Die Krux an einer allgemeinen Wahl ist nun einmal, dass man nicht über einzelne Punkte abstimmen kann. Viele CDU-Wähler haben Sie zweifellos gewählt, obwohl sie gegen ?Stuttgart 21? waren. Das wird sich ändern. Das werden Sie sehen. Das erkennt man an den aktuellen Umfragen. Ich kann nur sagen: Es ist noch Zeit zum Umdenken. Wir sagen klipp und klar: Es ist höchste Zeit zum Nachdenken und zum Einlenken. Schluss mit den Abrissarbeiten! Moratorium! Die Zahlen müssen auf den Tisch. Wir müssen wissen, was das kostet und welchen Nutzen das wirklich bringt. Es muss auch auf den Tisch, was der Ausstieg kosten würde. Wir brauchen seriöse und ehrliche Berechnungen und keine Mondzahlen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Hermann.
Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wenn diese Zahlen auf dem Tisch liegen, dann kann die Bevölkerung abstimmen. Entweder Sie machen bei der Volksbefragung und dem Volksentscheid mit oder Sie bekommen bei der Wahl, bei der Sie sowieso dabei sind, die Quittung.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Arnold Vaatz ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion.
Arnold Vaatz (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abweichend von dem, was ich eigentlich vorhatte, muss ich erst einmal etwas zu der Rede von Herrn Hermann sagen.
Wenn ich über Stuttgart 21 rede, ist das nicht authentisch, weil ich nicht von dort komme
und in meinem Wahlkreis andere Probleme habe. Ich möchte Ihnen etwas Prinzipielles zu dem Gesamtproblem sagen. Ihre Politik, die Politik der Grünen,
besteht seit vielen Jahren darin, Planungsprozesse so lange wie möglich zu verzögern, immer neue Einspruchsmöglichkeiten zu schaffen
und nach erfolgreicher Verzögerung mit der veränderten Sachlage zu argumentieren und zu sagen, das Ganze sei jetzt nicht mehr zeitgemäß.
Wenn Sie diese Strategie in diesem Land weiter bis zum Exzess treiben, kommen wir an einen Punkt, an dem wir in diesem Land nicht mehr investieren können. Das müssen Sie wissen. Sie tragen dafür die volle Verantwortung.
Im Übrigen sollten Sie nicht so laut nach Volksentscheiden rufen. Ich habe in Dresden erlebt, wie Sie mit dem Resultat von Volksentscheiden umgehen.
Sie holen dann eine Reihe von Demonstranten auf die Straße. Diese Demonstranten waren in Dresden immer die Minderheit. Sie waren allerdings, wenn sie gesammelt auftraten, ganz eindrucksvolle Kulissen.
Sie wollen mit einer Minderheit der Mehrheit Ihren Willen aufzwingen. Das ist undemokratisch. Das ist das Gegenteil von dem, was ich unter Demokratie verstehe.
Wir reden heute über den Einzelplan 12. Wenn Sie gestatten, möchte ich Sie bitten, vor allen Dingen diejenigen, die schon länger im Parlament sind, ehrlich zurückzublicken, was in aller Regel geschehen ist, wenn von Haushaltskonsolidierung die Rede war. In aller Regel ist der konsumtive Teil des Haushaltes nahezu unangetastet geblieben, und der investive Teil war sozusagen der Steinbruch, wo man sich bedient hat. Das mag ein bequemer Weg sein, aber diesen bequemen Weg ist die Koalition, insbesondere Wolfgang Schäuble, in diesem Fall nicht gegangen. Vielmehr haben wir zum ersten Mal Konsolidierung und Schonung des investiven Haushaltsteils zusammengebracht. Das halte ich für eine ganz große Leistung dieser Koalition.
Wir haben also auch im Verkehrshaushalt die Investitionslinie auf hohem Niveau gehalten. Kern unserer Verkehrspolitik bleibt - das bildet der Haushalt ganz eindeutig ab - die Sicherstellung unserer Infrastrukturfinanzierung. Allerdings brauchen wir, da auch in Zukunft das Geld knapp sein wird, neue umfassende Konzepte, um das, was wir uns vorgenommen haben, durchzusetzen. Wir müssen in erster Linie beachten - hier verändern sich die Dinge in Deutschland ein klein wenig -, dass die Erhaltung unserer Verkehrswege in Zukunft mehr Aufmerksamkeit fordern wird als früher.
Peter Ramsauer ist am Anfang seiner Rede auf das Thema 20 Jahre deutsche Wiedervereinigung eingegangen. Wenn Sie sich fragen, weshalb ein so ungeheuer großer Finanz- und Investitionsbedarf in Ostdeutschland bestanden hat, dann müssen Sie sich vergegenwärtigen, dass Instandhaltung über viele Jahre in Ostdeutschland ein Fremdwort war. Wir bekamen ab und zu schöne neue Straßen - das ist richtig -, aber an denen wurde dann über ein, zwei oder drei Jahrzehnte nichts getan. Das führte zu dem Zustand, den wir 1990 hatten. Dies dürfen wir in der Bundesrepublik Deutschland auf keinen Fall jemals wieder zulassen. Demzufolge ist Instandhaltung wichtig.
Für den Schienenbereich haben wir die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung für das Bestandsnetz. Das ist eine gute Tat, die unter der Ägide unserer sozialdemokratischen Freunde vernünftig unter Dach und Fach gebracht worden ist. Dergleichen brauchen wir in Zukunft für die Straße aber auch. Ich hoffe, dass uns das gelingen wird.
Wir sagen aber auch ganz deutlich, und unser Haushalt bringt das zum Ausdruck: Mobilität muss bezahlbar bleiben. Das ist ein ganz wichtiger Zielpunkt, den wir anstreben. Das heißt insbesondere, dass man nicht dauernd mit kostentreibenden Vokabeln in der Öffentlichkeit jonglieren sollte. Über Finanzierungsfragen sollten wir erst reden, wenn sich diese aus einem Konzept heraus ergeben. Es darf nicht zuerst eine Vokabel in die Welt geworfen und dann die konzeptionelle Frage nachgereicht werden. Das ist keine richtige Politik. Demzufolge sagen wir auch, dass die Einführung einer Pkw-Maut nicht auf der Tagesordnung steht.
Das Bundesverkehrsministerium hat jetzt die große Möglichkeit, möglicherweise ideologisch bedingte Denkverbote von früher abzustreifen und die vorhandenen Spielräume besser auszunutzen. Grundlage seriösen Handelns ist es meines Erachtens, dass man nicht zuerst nach mehr ruft, sondern mit dem, was man hat, so effizient wie möglich umgeht.
Wir konnten die Infrastrukturinvestitionsmittel auf hohem Niveau verstetigen. Wir müssen uns aber überlegen, ob wir uns in bestimmten Bereichen des Bundeshaushalts in Zukunft von diesen nicht unabhängiger machen können und machen müssen; denn Unabhängigkeit ist eine wichtige Grundlage für Planungssicherheit.
Wir brauchen verkehrsträgerbezogene Finanzierungskreisläufe. Das gilt sowohl für die Einnahmen aus der Lkw-Maut, die wieder vollständig für die Straße einzusetzen sind, wie auch für die Trassenerlöse der Schiene, die komplett in die Schieneninfrastruktur zurückfließen müssen. Das halte ich für ein wichtiges Gebot der Transparenz. Wenn wir das unterlassen, dann werden wir das nötige Vertrauen in eine vernünftige Verkehrspolitik in der Öffentlichkeit nicht einwerben können. Demzufolge müssen wir dies mit aller Konsequenz angehen.
In einem ersten Schritt müssen wir noch für den Haushalt 2011 die haushaltstechnischen Änderungen bezogen auf die Straße schaffen. Die Einnahmen aus der Lkw-Maut müssen wieder ausschließlich für Investitionen in die Straße eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang sehe ich auch den mit der Lkw-Maut verbundenen Anspruch, im Bundeshaushalt prinzipiell mehr Transparenz herzustellen.
In einem zweiten Schritt gilt es dann, ein Geschäftsmodell für die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft zu entwickeln. Dieses muss die direkte Zuweisung der Lkw-Maut an die Gesellschaft unter Wegfall der Jährlichkeit ermöglichen. Dabei muss ihr auch eine beschränkte Kreditfähigkeit eingeräumt werden.
Wir haben über die Kreditfähigkeit der VIFG schon viel diskutiert. Es ist richtig, wenn das Finanzministerium sagt: Die VIFG kann Kredite nicht zu besseren Konditionen als der Bundeshaushalt aufnehmen und unterliegt zudem auch der Schuldenbremse. Sie kann sich also nicht zusätzlich verschulden. Das ist alles in Ordnung. Sie kann sich aber auf diese Weise etwas mehr aus der Klammer der Kameralistik befreien. Sie kann stetiger finanzieren. Das führt zu mehr Effizienz. Demzufolge müssen wir uns darum bemühen, dass das stattfindet, meine Damen und Herren.
Ich möchte eine weitere Aussage machen. Auch ein guter Haushalt verdient es, gelegentlich nachjustiert zu werden. Neben den Verkehrsinvestitionen sind auch die Investitionen im Städtebaubereich von elementarer Bedeutung. Ich halte es für richtig, dass wir stärker dem Gedanken nachgehen, dass sich die Städtebaumittel wegen ihrer enormen Hebelwirkung, wegen der daraus resultierenden zusätzlichen Investitionen selbst refinanzieren.
- Wissen Sie, wir sind der Deutsche Bundestag. Wir haben die Haushaltssouveränität, und wir können in unseren Verhandlungen über den Bundeshaushalt genau über diese Fragen ausführlich reden. Dazu leiste ich hier einen Beitrag.
- Sie brauchen nicht zu klatschen.
Einen Satz muss ich Ihnen noch sagen. - Herr Präsident, einen Augenblick Geduld.
Ich sage auch: Wir müssen aufpassen, dass wir aus unseren Fachhaushalten nicht ein Sammelbecken für alles machen.
Dazu gehört zum Beispiel, dass wir einmal überprüfen, ob es passend ist, das Programm ?Soziale Stadt? tatsächlich aus diesem Investitionshaushalt zu finanzieren.
Das ist es nicht. Stadtfeste zu organisieren, ist nicht Aufgabe des Bundesbau- und Verkehrsministers.
Aus dem Grunde sage ich: Das mag Sinn haben, aber es gehört in den richtigen Haushalt, nämlich in den Haushalt für Arbeit und Soziales. Ich hoffe, dass uns hier ein bisschen mehr Ordnung gelingt.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nun hat der Kollege Kahrs für die SPD-Fraktion das Wort.
Johannes Kahrs (SPD):
Guten Morgen, Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn man die Reden heute hier hört, dann fragt man sich, wer hier gerade in welche Rolle geschlüpft ist. Herr Minister, ich habe Ihre Rede gehört und zu großen Teilen klatschen können. Sie war fantastisch. Ich frage mich aber, wer hier jetzt die Regierung stellt und wie das am Ende funktionieren soll.
Ich habe gerade eben auch den Kollegen Vaatz gehört, der nun ob seiner Rede von allen beglückwünscht wird. Ich habe ernsthaft nicht verstanden, wie das, was Sie sagen, mit dem, was Sie uns schriftlich vorgelegt haben, in irgendeiner Form übereinstimmt.
Herr Minister, Sie und Ihre Staatssekretäre - Ihre fünf Jungs hinter Ihnen - sind wirklich eine feine Truppe. Es macht viel Spaß, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, und ich muss sagen: Es ist auf der privaten Ebene immer eine helle Freude.
Bei aller persönlichen Sympathie muss ich aber auch ganz ehrlich sagen: Ich weiß angesichts dessen, was Sie tun, nicht, ob Sie auf der Sachebene Ihrer Aufgabe wirklich ernsthaft gewachsen sind.
Wenn man sich einmal die unterschiedlichen Aussagen zu Ihrem Haushalt anhört, dann wundert man sich. Zum einen haben Sie einen Kollegen - das sind manchmal die Gefährlichsten -, nämlich den Kollegen Röttgen. Der erklärte zu den Streichungen beim CO2-Gebäudesanierungsprogramm - man soll es ja gar nicht für möglich halten -:
Diese Kürzungen werden die Sanierungsrate massiv senken und drastische Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt haben.
Wenn Deutschland seine ambitionierten Klimaschutzziele verwirklichen wolle, müssten dauerhaft wieder 2 Milliarden Euro pro Jahr für das Gebäudesanierungsprogramm zur Verfügung stehen. - Das sagte Minister Röttgen.
Als Sozialdemokrat habe ich jetzt ein kleines Problem damit. Ich habe in meiner Fraktion tapfer dafür gekämpft, dass wir von den mieseligen 400 Millionen Euro, die Sie für dieses CO2-Gebäudesanierungsprogramm übergelassen haben, auf 1,5 Milliarden Euro hoch wollen. Jetzt hat mich der Röttgen um 500 Millionen Euro geschlagen. Abgesehen davon, dass das mit Ihrem Haushalt überhaupt nichts zu tun hat: Wie soll ich das jetzt in meiner Fraktion erklären?
Was der Herr Schäuble dazu sagt, das können wir ja einmal in einer stillen Stunde diskutieren.
Weit besser als der Kollege Röttgen ist allerdings Ihr eigener Staatssekretär. Man liest ja nun wirklich selten die Bild-Zeitung, aber manchmal lernt man etwas dabei. Ich hoffe, ich finde das jetzt in meinen Unterlagen. Diese Zettelwirtschaft liegt daran, dass die Presse in letzter Zeit so fantastisch geworden ist. - Wenn man die Bild-Zeitung liest, dann erfährt man, dass der Kollege Mücke von der FDP - Frau Winterstein, Sie müssen einmal miteinander reden -
eine Kehrtwende der Regierung bei der Förderung der Energiesanierung von Wohnungen angedeutet hat. Er sagte der Bild-Zeitung:
Das CO2-Sanierungsprogramm sollte auf bis zu 3 Milliarden Euro im Jahr aufgestockt werden.
Also: Lesen bildet, Denken hilft!
Jetzt haben wir hier also einen Haushaltsentwurf zum CO2-Gebäudesanierungsprogamm, in dem 400 Millionen Euro stehen. Der Bundesumweltminister sagt: Es müssen mindestens 2 Milliarden Euro sein, sonst sind die Ziele der Bundesregierung überhaupt nicht zu halten. - Was ich davon zu halten habe, weiß ich ja. Schließlich kommt noch der Herr Staatssekretär Mücke von der FDP, damit alle Parteien im gleichen Boot sitzen: die CSU mit ihrem Entwurf über 400 Millionen Euro, die CDU, der Minister, mit dem Entwurf über 2 Milliarden Euro und die FDP, Ihr Staatssekretär, mit gleich 3 Milliarden Euro.
Die Kollegin Winterstein hat die ganze Zeit etwas davon erzählt, dass man keine Schulden machen dürfe und sparen müsse; hier ganz besonders.
Dazu kann ich nur sagen, dass das eine lustige Mischung ist. Was das allerdings mit einer soliden Haushalts- und Regierungspolitik zu tun hat - Haushaltsklarheit und -wahrheit, das sagen Sie ja immer gerne -, weiß nicht einmal der Kollege Barthel Kalb. Er schüttelt nämlich die ganze Zeit den Kopf. Er ist ein feiner Kerl, aber auch er ist ratlos.
- Ich weiß, dass du nicht nervös bist. Du bist schon so lange dabei; dich wird niemand aus der Ruhe bringen. - Ich bemühe mich in dieser Frage nicht. Ich finde, dass eher der Minister unruhig werden sollte.
Wenn man sich die Presse weiter anschaut, liest man so schöne Überschriften wie: ?Soziale Kälte statt Heizkostenzuschuss?. Über den Heizkostenzuschuss können wir noch an anderer Stelle reden.
Ein Thema, das auch ganz amüsant ist, ist das Thema Städtebauförderung; das hatten wir eben.
Sie haben uns gerade gesagt, die Mittel hierfür würden halbiert. Über den Sinn, Unsinn und Zweck der Städtebauförderung ist bereits viel gesagt worden. Dass sie richtig, wichtig und gut ist, hat die CDU/CSU-FDP-Koalition in ihrer Koalitionsvereinbarung geschrieben. In der Koalitionsvereinbarung, die Sie geschrieben haben - das ist die Grundlage Ihrer Arbeit; das, was Sie für vier Jahre vereinbart haben -, kann man nachlesen
- sie ist nicht für jeden Sozialdemokraten die Grundlage einer vernünftigen Politik; aber lichte Momente sollte man durchaus zitieren -:
Die Städtebauförderung leistet einen unverzichtbaren Beitrag zur lebenswerten Gestaltung von Städten und Gemeinden.
- Herr Vaatz, das haben Sie eben als Stadtteilfeste so abgekanzelt.
Wir werden die Städtebauförderung als gemeinschaftliche Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen auf bisherigem Niveau, aber flexibler fortführen.
Gegen Flexibilität hat niemand etwas. Aber das Niveau war die Ansage.
In einer Presseerklärung des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen - ein sehr solider, sehr ehrenwerter Verband, meistens von Hanseaten geführt - steht - manchmal hilft es, zu lesen -: Dennoch sieht der Haushaltsentwurf der Bundesregierung vor, im Haushalt des BMVBS die Mittel für die Städtebauförderung zu halbieren, von ursprünglich geplanten 610 Millionen Euro auf 305 Millionen Euro. - Jetzt nehmen wir den Koalitionsvertrag dieser Regierung, dann nehmen wir den Haushaltsentwurf, und dann wundern wir uns; denn eigentlich sollte man glauben, dass hier die gleichen Herrschaften tätig gewesen sind.
Nachdem wir jetzt die Presselage studiert, die unterschiedlichen Ministermeinungen und die Unterschiede zwischen CSU, CDU und FDP zur Kenntnis genommen haben, kann ich noch kurz auf den Haushalt zu sprechen kommen. Herr Minister, ich habe wirklich sehr geschätzt, was Sie zu den wichtigen Themen gesagt haben, nämlich zu den Häfen, dass sie die Lebensader unserer Republik seien, und zu den Hinterlandverkehren. Es ist eine Supersache, dass Sie als Bayer das verstanden haben. Ich nehme an, der Kollege Ferlemann hat etwas damit zu tun. Er - der übrigens von mir sehr geschätzte Kollege ist aus Otterndorf; bei der Elbsanierung ist das für ihn nicht immer so einfach - hat auf einer Veranstaltung des Hamburger Hafens alle diejenigen Dinge erwähnt, die für uns Norddeutsche für die Hinderlandverkehre richtig, wichtig und gut sind: Elbe rauf und runter ausbauen, Nord-Ostsee-Kanal - das sind wunderbare Geschichten - und Y-Trasse. Er hat gesagt: All das soll, wird und muss kommen.
Als Hamburger mit dem Wahlkreis Hamburg-Mitte kann ich dem nur zustimmen. Super!
Aber das klitzekleine Problem bei der Sache ist, dass die anderen Jungs, die da sitzen, das Gleiche tun. Sie alle gehen durch ihre Wahlkreise und Bundesländer - egal ob in Bayern oder Baden-Württemberg - und erzählen den Leuten das, was sie hören wollen. Auch ich als Sozialdemokrat tue das immer gerne. Aber wenn man schon durch die Länder und Kommunen geht und Ortsumgehungen, Elbvertiefungen, die Y-Trasse und all das, was richtig, wichtig und gut ist, verspricht, dann müsste man das auch im Haushalt wiederfinden - Stichwort: ?Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit?.
Allerdings ist das, was wir sehen, mehr Wunsch und Wahn, weil finanziell nicht unterlegt. Wir haben doch das Problem, dass all die schönen Dinge nicht unterlegt sind. Bei der Y-Trasse, so erklärte uns Herr Grube vor kurzem, habe er leider nur die Planungskosten, von Bau und Investitionen nichts, gar nichts.
- Das ist richtig. Aber wir haben doch eine mittelfristige und eine langfristige Finanzplanung, und Sie wissen: Es gibt bestimmte Vorläufe, und es muss Geld da sein. Das Problem ist: Es ist kein Geld da.
Herr Grube sagte, dass die Y-Trasse unverzichtbar und notwendig, zurzeit aber nicht finanzierbar ist. Vor diesem Hintergrund erscheint die Arbeit dieser Regierung, dieser Koalition in einem anderen Licht. Frau Dr. Winterstein sagt zwar zu Recht: Man muss das, was man tut, auch finanzieren können. Aber da erinnere ich immer an Theo Waigel;
er ist ja ein respektabler Mann.
- Ja, ja. - Er hat gesagt: Haushaltssanierung gelingt nur in einem Dreischritt: erstens Einnahmeverbesserungen, zweitens Wachstumsförderung, drittens Einsparungen.
Die Einnahmeverbesserungen haben Sie versemmelt.
Ich will jetzt nicht wieder mit Ihrer Nummer mit den Hotels anfangen. Sonst bekomme ich gleich Ärger von meinem Lieblingsstaatssekretär;
das muss ich nicht haben. Auch über die anderen Punkte haben wir schon diskutiert; auch da haben Sie geloost.
Wachstumsförderung ist das, was wir in der Großen Koalition so wunderbar getan haben. Wir haben Konjunkturpakete geschnürt. Sie canceln jetzt leider all diese Konjunkturpakete. Dabei kommt aber nichts heraus. Wachstumsförderung findet bei Ihnen also nicht statt. Sie fördern nicht Wachstum, sondern Sie streichen.
- ?Unglaublich?, Herr Döring, ist in der Tat das einzige Wort, mit dem man beschreiben kann, was Sie leisten, wenn man das überhaupt ?leisten? nennen kann.
Zum Schluss möchte ich ganz kurz sagen: Die Elbvertiefung wollen wir natürlich alle. Bei Otterndorf müssen wir aufpassen; das wissen wir. Der Nord-Ostsee-Kanal ist super, die Y-Trasse auch.
Ein allerletztes Wort zu Stuttgart 21. Da wir hier und heute gehört haben, dass die CSU Lobeshymnen auf die SPD in Baden-Württemberg gesungen hat, sage ich Ihnen: Erstens ist die SPD in Baden-Württemberg gut, zweitens in den Umfragen deutlich unterbewertet,
und drittens glauben wir, dass das, was in Baden-Württemberg geschieht, kluge, kühle und solide denkende Köpfe erfordert. Ich kann den Kollegen Hermann verstehen. Ein kleiner Wutanfall ist gut für Wahlaussagen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Lieber Kollege Kahrs.
Johannes Kahrs (SPD):
Ich komme zum Ende.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich könnte Ihnen zwar noch stundenlang zuhören.
Bedauerlicherweise hat Ihnen Ihre Fraktion aber eine miserabel kurze Redezeit zugestanden.
Ich warte die ganze Zeit auf Vorschläge aus den Reihen der Koalition, dass sie einen Teil ihrer Redezeit für weitere Belobigungen von Regierungsmitgliedern, insbesondere von Mitgliedern früherer Bundesregierungen, zur Verfügung stellen will.
Eine solche Meldung habe ich aber nicht erhalten. Deswegen nähern wir uns dem grausamen Ende Ihrer Redezeit.
Johannes Kahrs (SPD):
Herr Präsident, ich komme zum Schluss, allerdings nicht, ohne noch darauf hinzuweisen: Stuttgart 21 ist richtig; die SPD hat dazu eine klare Ansage gemacht. Es ist aber auch richtig, die Bevölkerung zu fragen, zu überzeugen und in der Sache mitzunehmen.
Dadurch vermeidet man solche Demonstrationen.
Herr Minister, Sie haben gute Argumente. Nutzen Sie sie, statt auf die Demonstranten, die das Gefühl haben, dass sie von Ihnen alleine gelassen werden, immer nur ?einzudreschen?.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun der Kollege Patrick Döring für die FDP-Fraktion.
Patrick Döring (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein Stück weit tragisch, dass die Opposition immer virtuelles Geld ohne Ende hat,
dass diejenigen, die regieren, aber mit der Realität operieren müssen. Ebenso ist es intellektuell unredlich, dass Sie über diesen Einzelplan völlig losgelöst von der Haushaltswirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland, unseres Staatswesens, diskutieren.
Das, was wir gehört haben, war ein Wunschkonzert,
insbesondere vonseiten der Sozialdemokraten. Sie betonten zwar, all Ihre Vorschläge seien wohlfeil durchdacht und leicht umsetzbar. Aber die Kollegin Winterstein und andere haben schon deutlich gemacht: Wir investieren mehr in die Verkehrswege, als es die Regierungen, an denen Sie beteiligt waren, jemals getan haben.
Mit Ausnahme der zwei Jahre, in denen sich Deutschland in einer Konjunkturkrise befunden hat und wir Konjunkturpakete aufgelegt haben, investieren wir mehr.
Das ist die Wahrheit.
Mit diesem Phantomschmerz kommen Sie nicht klar, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Man kann über Unterfinanzierung, Planungen oder Versprechungen diskutieren, aber eines ist auch klar: Die Projekte, über die wir aktuell sprechen und die so stark im Fokus sind, sind alle unter einer anderen Regierung entstanden. Auch die Finanzierungsvereinbarung zu dem umstrittenen Projekt im Südwesten trägt die Unterschrift eines Sozialdemokraten, nämlich von Wolfgang Tiefensee.
Jetzt werfen Sie das uns vor die Füße und beklagen sich, dass wir nicht genug Mittel auskehren können. Auch das ist intellektuell unredlich.
- Geschätzter Kollege Hermann, ich komme noch darauf, keine Bange.
Man kann auch das Thema CO2-Gebäudesanierungsprogramm isoliert betrachten und den Blick nur in den Einzelplan werfen. Aber falls es Ihnen entgangen ist: Diese Bundesregierung und diese Koalition arbeiten gerade an einem umfangreichen Energiekonzept, durch das es zu zusätzlichen Haushaltseinnahmen kommt. Selbstverständlich werden wir darüber reden, wie wir die Mittel aus diesem Sondervermögen einsetzen werden. Wenn wir uns in der Koalition darüber einig sind, dass die Gebäudesanierung einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung unserer Klimaziele leistet, dann werden wir sie auch finanzieren. So einfach ist das.
Insofern muss man sein Horizontproblem - keiner weiß, wie klein sein Horizont ist - auch dadurch lösen, dass man andere Politikbereiche mit einbezieht.
Ich persönlich finde es auch bemerkenswert, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, dass alle bisherigen Redner der Opposition es geschafft haben, kein einziges Wort über die gesamtstaatliche Situation zu verlieren. Ganz im Gegenteil, Herr Kahrs hat eben gesagt, wir würden angeblich kein Wachstum bewirken. Dabei ist die deutsche Wirtschaft in diesem Quartal so stark gewachsen, wie es in den meisten Quartalen der Regierungszeit der Sozialdemokraten nicht der Fall war.
Wir brauchen keine Konjunkturprogramme, weil wir gute Politik machen. Das ist die Wirklichkeit.
Wir haben so wenig Arbeitslose in unserem Land wie nie zuvor in der Regierungszeit der Sozialdemokraten.
Auch das ist offensichtlich ein Phantomschmerz. Denn das ist die Wahrheit in diesem Land, auch wenn Sie noch so viele nette Reden halten: Die Wirtschaft funktioniert sehr gut, weil diese Regierung gute Politik macht.
Ich will nicht auf die gespielte Empörung des Kollegen Hermann zu dem Infrastrukturprojekt in Stuttgart eingehen, weil ich glaube, dass die Art der Diskussion, die Sie dort anzetteln, weit über die Grenzen Stuttgarts hinaus und auch für dieses Haus eine große Bedeutung hat.
Es ist demokratietheoretisch und politisch brandgefährlich, einen Unterschied zwischen Legalität und Legitimität zu machen.
Das tun Sie permanent.
Es gibt ein Planfeststellungsverfahren. Das ist übrigens spannend, weil die Kollegin Künast, die die Debatte leider nicht mehr verfolgen kann, immer von Bürgerrechten redet: Wir haben in Stuttgart ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt, in dem über 10 000 Einwendungen von Bürgerinnen und Bürgern von den Behörden einzeln und individuell abgearbeitet worden sind.
Deshalb hat es über 15 Jahre gedauert. Jetzt der Bundesrepublik Deutschland - unabhängig davon, wer regiert - vorzuwerfen, dass das ganze Projekt nicht mehr legitim und legal ist, weil es 15 Jahre gedauert hat und zu Kostensteigerungen gekommen ist, ist schlicht unredlich. Das wird das Land nicht weiterbringen.
Es gibt klare Prozesse und Verfahren. Bürgerbeteiligung ist ein hohes Gut. Es gibt kein Land in der Europäischen Union, das seine Bürgerinnen und Bürger in Planfeststellungsverfahren so stark und intensiv beteiligt wie die Bundesrepublik Deutschland.
Aber worüber soll eigentlich abgestimmt werden, Frau Kollegin? Soll über die Oberverwaltungsgerichtsurteile oder über die 1 200 Seiten der Planfeststellung abgestimmt werden? Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir anfangen, Legitimität und Legalität gegeneinander auszuspielen, dann werden wir in diesem Land - das hat der Kollege Vaatz richtigerweise gesagt - keine Möglichkeit haben, Infrastrukturprojekte durchzusetzen, wenn wir gleichzeitig unsere Verfahren zumindest halbwegs am Leben erhalten wollen, und ich bin sehr dafür, dass man das tut.
Ich komme zum Schluss. Der Deutsche Bundestag hat sich kurz vor der Wahl 2005 einstimmig für das Projekt Wendlingen-Ulm und für Stuttgart 21 positioniert. Es gab einen Antrag der damaligen rot-grünen Koalition. Der verkehrspolitische Sprecher der SPD hat damals in einer Pressemeldung gejubelt: Schön, dass auch Union und FDP bei diesem tollen Projekt mit im Boot sind!
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Zurückweisung muss jetzt ganz knapp erfolgen.
Patrick Döring (FDP):
Nun, wo es ein bisschen brenzlig wird, gehen einige von der Fahne. Der Kollege Kahrs hat sich positioniert; das habe ich sehr wohlwollend zur Kenntnis genommen.
Ich sage Ihnen: Es war klug, dass der Deutsche Bundestag neben vielen anderen Institutionen im Jahre 2005 den Weg bereitet hat. Ihr Minister hat dann eine Finanzierungsvereinbarung geschlossen. Diese Regierung wird sich ganz getreulich der Umsetzung dieses einstimmigen Beschlusses des Deutschen Bundestages - einstimmig, also mit Ihren Stimmen, Kollege Hermann - zuwenden.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Sabine Leidig ist die nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke.
Sabine Leidig (DIE LINKE):
Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte tatsächlich noch einmal dafür werben, den Beschluss zu Stuttgart 21 zu überdenken und zu verhindern, dass dort viele Milliarden unsinnig vergraben werden. Wir glauben nicht, dass virtuelles Geld in Massen zur Verfügung steht. Wir wissen, dass das Geld knapp ist. Genau deshalb muss man diesen Beschluss überdenken. Es ist doch völlig unsinnig, dass Großprojekte auf jeden Fall durchgezogen werden, nur weil irgendwann einmal vertragliche Grundlagen geschaffen worden sind, die jedoch auf völlig falschen Fakten beruhen.
Wir haben die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf nicht gebaut. Der Schnelle Brüter in Kalkar ist nicht in Betrieb gegangen, weil sich die Grundlagen verändert hatten. Es gehört doch zum politischen Vermögen, zu erkennen, dass sich Verhältnisse verändern. Es hat von Anfang an begründete Skepsis gegenüber dem Projekt Stuttgart 21 gegeben. Schon vor 14 Jahren ist ein Büchlein erschienen, in dem ganz vieles wunderbar zusammengefasst ist. Es hat allerdings auch eine Menge Versprechungen und Vorstellungen gegeben, was es Tolles gibt.
In den letzten Monaten ist aber eine ganze Reihe von Fakten auf den Tisch gekommen, die bisher unter Verschluss gehalten waren.
- Die bisher unter Verschluss waren.
Ich spreche noch darüber. - Es ist deshalb nicht ehrenrührig, wenn man seine Meinung ändert; das ist eigentlich das Vernünftige. Der vernünftige und erst recht der politische Verstand gebietet es, dann die Meinung zu ändern.
Ich will noch etwas zum Rechtsstaat sagen. Er kennt das Prinzip von Treu und Glauben. Dieses Prinzip ist verletzt worden. Wer vor diesem Hintergrund nach dem Motto verfährt: ?Augen zu und durch?, und wie die Kanzlerin sagt, das sei standfest, der irrt. Das ist nicht standfest, sondern starrsinnig oder sogar suspekt.
Schon im Oktober 2008 hat der Bundesrechnungshof Fundamentalkritik geübt und gesagt: Stuttgart 21 muss als Projekt des Bundes anerkannt und unter parlamentarische Kontrolle gestellt werden. - Das haben Sie ignoriert. Die Deutsche Bahn AG hat beschlossen, dass der Bau jetzt losgeht.
Seit dieser Bau losgegangen ist, gibt es jede Woche eine Demonstration, und zwar jeden Montag. Das Wort ?Montagsdemonstrationen? haben Sie, glaube ich, schon einmal gehört.
- Es ist nicht die Linke, die dort demonstriert, sondern die Bevölkerung von Stuttgart. Gehen Sie doch einfach einmal dorthin, und schauen Sie sich an, mit welchen Leuten Sie es dort zu tun haben!
Am Anfang waren es nur zwei Leute, die dort demonstriert haben. Als ich im Februar dort war, waren es schon 2 000. Als ich vor 14 Tagen dort war, waren es 20 000 Leute. Damals hat der evangelische Prälat von Stuttgart gesprochen. Er hat dieses Projekt mit dem Turmbau zu Babel verglichen. Sie sollten darüber nachdenken, was das bedeutet.
Am 8. Juli hat der stern über ein Gutachten berichtet, das die Landesregierung vor zwei Jahren in Auftrag gegeben, aber auch zwei Jahre unter Verschluss gehalten hatte. Darin ist die Rede vom ?hohen Stabilitätsrisiko? und von ?einer geringen Gestaltungsmöglichkeit des Fahrplanes?. Es wird konkret nachgewiesen, dass sich der Schienennahverkehr durch das Projekt verschlechtern wird.
Am Ende dieses Berichts heißt es wörtlich:
Aufgrund der Brisanz der vorliegenden Resultate ist absolutes Stillschweigen erforderlich.
Ich bitte Sie, das ist doch unverantwortlich. Da können Sie nicht von Demokratie reden.
Am 11. August hat das Umweltbundesamt seine Studie zur Entwicklung der Schieneninfrastruktur vorgelegt, und die Verfasser meinen, dass Stuttgart 21 umgehend gestoppt werden müsste, weil es kein Nadelöhr beseitigt, sondern ein neues schafft.
Zwei Tage später lässt Grube das erste Loch in den Nordflügel des Bahnhofs reißen.
Die Folge davon sind Menschenketten und spontane Straßenblockaden. Sie müssen sich einmal Ursache und Wirkung vor Augen führen.
Am 26. August bringt der Stern ein Interview mit dem berühmten Architekten Frei Otto, der diesen unterirdischen Bahnhof übrigens einmal entworfen hat. Dieser Architekt befürchtet ein schlimmes Baudesaster, nachdem er die geologischen Untersuchungen gesehen hat, die auch nicht veröffentlicht worden sind.
Er sagt, man müsse jetzt die Notbremse ziehen. Über die Kostensteigerungen muss ich gar nicht mehr sprechen; denn dazu hat der Kollege Winfried Hermann geredet.
Die Bürgerinnen und Bürger im Schwabenland sind über diese Expertisen und Argumente bestens informiert. Das, womit wir es hier zu tun haben, ist kein Kommunikationsproblem.
Die Bürgerinnen und Bürger fragen sich mit Recht, warum dieses Projekt auf Biegen und Brechen durchgezogen werden soll und warum die Alternativen, die vorliegen, systematisch ignoriert werden, obwohl sie kostengünstiger sind.
- Sie müssen sie sich einmal angucken. Lassen Sie uns im Parlament darüber reden.
Man fragt sich, warum sich Bahnchef Grube wie ein Rambo gebärdet und einen intakten Bahnhof zerstört,
der übrigens zusammen mit Leipzig einen Wettbewerb gewonnen hat, welcher Bahnhof der pünktlichste ist.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin!
Sabine Leidig (DIE LINKE):
Man fragt sich natürlich auch, warum Ministerpräsident Mappus eigentlich sein Amt als Regierungschef aufs Spiel setzen will.
Herr Präsident, wollen Sie mir sagen, dass meine Redezeit zu Ende ist? - Okay.
Man fragt sich natürlich auch, ob ein Grund ist, dass Vertreter von Bilfinger Berger in diesem Beirat sitzen. Man fragt sich, ob ein Grund ist, dass die Bahnvorstände aus der Automobilindustrie kommen. Jedenfalls befürchtet man, dass die Verantwortlichen für dieses Projekt so verstrickt und so bestochen sind, dass sie nicht mehr zurückkönnen. Die Leute begreifen nicht, was hier abläuft. Die Mehrheit der Menschen in Baden-Württemberg hat dafür kein Verständnis.
Das Schild, das ich jetzt hochhalte, hängt in Stuttgart inzwischen überall: in den Wohnblocks, in denen die einfachen Leute wohnen, aber auch in der Halbhöhenlage, in der die Architekten, die Künstler, die Lehrerinnen und Lehrer wohnen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin, Sie sind nun wirklich weit über Ihre Redezeit.
Sabine Leidig (DIE LINKE):
Diese Leute, viele ehemalige CDU-Wählerinnen und -Wähler, sind nicht einfach gegen irgendetwas. Sie kämpfen für ihre Stadt.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich entziehe Ihnen jetzt das Wort.
Sabine Leidig (DIE LINKE):
Es ist höchste Zeit, dass der Bundesrat sie dabei unterstützt.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Im Übrigen schließe ich die Kolleginnen und Kollegen der Linken, die glauben, den Plenarsaal mit T-Shirts bereichern zu müssen, vom weiteren Verlauf der Sitzung aus. Sie verlassen bitte unverzüglich den Plenarsaal.
Nächster Redner ist der Kollege Stephan Kühn für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Ramsauer, das Engagement, das Sie hier für Stuttgart 21 an den Tag legen, hätte ich mir bei der Aufstellung des Etats für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm und für die Städtebauförderung gewünscht.
Man muss den Eindruck haben, dass die Bundesregierung nicht nur nach der Pfeife der vier großen Energiekonzerne tanzt, sondern offensichtlich auch nach den Lobbyinteressen der großen Baukonzerne. Wie wäre es anders zu erklären, dass weiterhin überdimensionierte sowie verkehrlich und volkswirtschaftlich unsinnige Verkehrsprojekte umgesetzt werden? Kleine und mittelständische Unternehmen, regionale Baufirmen und Handwerker, die noch vor Ort ihre Steuern zahlen - das ist im Bauhauptgewerbe die überwiegende Mehrheit - und die eine Vielzahl an Arbeitsplätzen anbieten und sichern, haben das Nachsehen, weil Sie die Mittel für die Städtebauförderung halbieren und die verbliebenen Mittel für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm - es sind nur noch Restmittel - ebenfalls halbieren. In diesem Jahr stehen 1,35 Milliarden Euro für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm zur Verfügung, und dieses Geld wird nicht bis zum Ende des Jahres ausreichen. Ich frage mich, wie man im nächsten Jahr mit 450 Millionen Euro auskommen will. 300 000 Arbeitsplätze hängen davon ab. Jetzt, da das Konjunkturprogramm ausläuft, streichen Sie dieses Programm zusammen.
Wenn man sich den Etat ganz genau anschaut, wird man feststellen, dass dieser Kahlschlag nur im Baubereich stattfindet. 10 Prozent der Kürzungen beziehen sich auf den Bauetat. Der Verkehrsetat ist mehr oder weniger ausgenommen; die Kürzungen dort betragen gerade einmal 2,5 Prozent.
Nachgewiesen ist bekanntlich, dass sich die Städtebauförderung und das CO2-Gebäudesanierungsprogramm rechnen. Diese Programme bringen mehr ein, als sie kosten. Im vergangenen Jahr wurden durch das CO2-Gebäudesanierungsprogramm private Investitionen in Höhe von 18 Milliarden Euro ausgelöst. Bei der Städtebauförderung haben wir nachweislich eine Hebelwirkung von 1 : 8 in Bezug auf private Investitionen. Um zu sehen, dass sich diese Programme rechnen, braucht man sich nur die Umsatzsteuermehreinnahmen anzuschauen. Wenn Sie, Herr Minister, also sparen wollen, dann fangen Sie endlich an, bei den umweltschädlichen Subventionen zu sparen. Davon ist in Ihrem Etatentwurf nichts zu sehen.
Stattdessen werden Sie, wenn der Etatentwurf nicht geändert wird, die Investitionstätigkeit im Bereich der energetischen Gebäudesanierung und der Stadtentwicklung komplett zum Erliegen bringen. Sie beschneiden wieder einmal massiv die Handlungsfähigkeit der Kommunen und lassen sie mit den Problemen des demografischen Wandels und des ökologischen Umbruchs alleine.
Der Haushalt ist das in Zahlen gegossene politische Programm. Leider hat dieser Haushaltsentwurf mit Ihrem politischen Programm überhaupt nichts zu tun. Wenn man sich Ihr Energiekonzept anschaut, dann stellt man fest, dass es dem Haushaltsentwurf widerspricht. Im Energiekonzept kommt man zu der richtigen Erkenntnis, dass in Bezug auf den Klimaschutz der größte Handlungsspielraum bei Maßnahmen liegt, die Gebäude und Verkehr betreffen, und man deshalb die größte Reduzierung des Energieverbrauchs in diesen Bereichen erreichen kann. Deshalb heißt es in Ihrem Konzept zu Recht: Die Gebäudesanierung muss deutlich besser ausgestattet werden.
Außerdem heißt es dort: Der Schlüssel zur Energieeffizienz ist der Gebäudebereich.
Doch Sie haben Ihre Hausaufgaben bei der Etataufstellung einfach nicht gemacht.
Ich habe manchmal den Eindruck, wir seien die Regierung und Sie die Opposition. Herr Ramsauer spricht sich öffentlich gegen diese Kürzungen aus, obwohl er für den Etat zuständig ist. Staatssekretär Mücke fordert sogar 3 Milliarden Euro für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm. Richtig! Sie haben mich das letzte Mal noch schief angeschaut, als ich - bescheiden, wie ich war - 2 Milliarden Euro für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm gefordert habe. Herr Staatssekretär Mücke geht richtigerweise noch darüber hinaus.
Lassen Sie mich abschließend auf die Bedeutung der Städtebauförderung eingehen. Es ist nicht so - das ist angesprochen worden -, dass die Bauminister sich immer einig sind und ihre Beschlüsse im Verhältnis 16 : 0 treffen. Aus gutem Grund ist das so; denn sie wissen genau, dass, wenn die Städtebauförderung in dem Ausmaß gekürzt wird, wie Sie das im Etat vorgesehen haben, ein Investitionsstopp droht und in den Kommunen keine neuen Projekte mehr begonnen werden können. Es wird ein ganz wichtiger Aspekt angesprochen, den Sie, Herr Kollege Vaatz, diffamiert haben. Ich meine den sozialen Zusammenhalt. Dabei geht es nicht um irgendwelche Stadtteilfeste. Ich bringe ein Zitat aus der Bauministerkonferenz:
Die Städtebauförderung stärkt wie kein anderes Politikinstrument die Integration unterschiedlicher sozialer Schichten und von Zuwanderern vor Ort.
Das ist der Kern des Programms ?Soziale Stadt?, nicht die Finanzierung von irgendwelchen Stadtteilfesten.
Sie, Herr Vaatz, wissen genauso gut wie ich, dass die Städtebauförderung ein unverzichtbarer Beitrag zum Aufbau Ost ist. Wenn wir demografische Prozesse, die im Osten wesentlich eher und massiver als in den alten Bundesländern auftreten, bremsen wollen, dann ist es entscheidend, ob es uns gelingt, die Innenstädte und die Wohnquartiere aufzuwerten, oder ob nichts passiert und wir sie der Abwanderung preisgeben.
Wir werden unsere Vorschläge in die Etatverhandlungen einbringen. Wir haben gehört, dass die Regierung mit dem von ihr vorgelegten Entwurf nicht zufrieden ist. Ich bin gespannt auf die Haushaltsberatungen und hoffe, dass wir gerade in den Bereichen CO2-Gebäudesanierungsprogramm und Städtebauförderung am Ende des Tages ein anderes Ergebnis haben als das, das uns mit dem heutigen Entwurf vorgelegt wurde.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Reinhold Sendker für die CDU/CSU-Fraktion.
Reinhold Sendker (CDU/CSU):
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es lohnt, nicht nur über Stuttgart 21 zu sprechen, sondern auch über herausragende Essentials des Einzelplans 12, des Verkehrshaushalts. In den zurückliegenden 20 Jahren, also seit der Einheit Deutschlands, wurden allein im Rahmen der Verkehrsprojekte ?Deutsche Einheit? fast 40 Milliarden Euro in Straße, Schiene und Wasserwege investiert. Die Bahnfahrt von Berlin nach Hamburg - das werden unser hochverehrter Kollege Dirk Fischer und andere mir bestätigen - dauert nicht mehr vier Stunden, sondern, bei Pünktlichkeit, 99 Minuten. Dank der milliardenschweren Investitionen geht heute vieles besser und komfortabler. Damit sind wir auf einem guten Kurs.
Gerade weil gute Verkehrsinfrastruktur Wettbewerbsvorteile bringt, neigt ein Großteil der Investoren in unserem Land dazu, eine moderne Infrastruktur deutlich höher zu gewichten als niedrige Arbeitskosten. In diesem Licht sind es drei Punkte, die beim vorliegenden Etatentwurf 2011 als hocherfreulich zu nennen sind:
Erstens. Wir können heute miteinander feststellen, dass die Investitionen im Bereich von Verkehr, Bau und Stadtentwicklung inklusive der Konjunkturpakete, die in den beiden zurückliegenden Jahren auf Rekordniveau gelegen haben, ihre Wirkung voll erreicht haben. Das war erfolgreiche Politik zur Bekämpfung der Krise.
Zweitens. Auch vom Bundeshalt 2011 geht ein klares Bekenntnis zur Stärkung von Wachstum und zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen aus. Deshalb ist es erfreulich, wenn unser Minister hier feststellen kann, dass es trotz Auslaufens der Konjunkturprogramme und auch bei Berücksichtigung der Haushaltskonsolidierungsbeiträge keine nennenswerten Abstriche bei der Verstetigung der Investitionslinie auf knapp 10 Milliarden Euro jährlich geben wird. Auch das ist ein großer Erfolg - das sollte man hier nicht bestreiten - und findet in der Öffentlichkeit sowie bei den Verbänden breite Anerkennung. Fakt ist auch, dass diese Investitionslinie deutlich höher liegt als in den Jahren vor der Finanz- und Wirtschaftskrise.
Drittens. Im kommenden Jahr, 2011, summieren sich die Investitionen sowie die Mittel nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und für den Verwaltungsbereich auf insgesamt 11,6 Milliarden Euro. 40 Prozent sind Investitionen. Damit ist dieser Einzelhaushalt nach wie vor der größte Investitionshaushalt des Bundes, verehrte Anwesende. Darin steckt nicht der Wurm; das ist weiterhin eine gute Basis für die Ertüchtigung unserer Verkehrsinfrastruktur als einem der Grundpfeiler einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik.
Sie, meine Damen und Herren der Opposition, haben in den vergangenen Tagen und auch heute Morgen wieder unsere Haushaltskonsolidierungsbeiträge kritisiert. Da muss ich Sie nach Ihren Alternativen fragen. Auch bei mir hat sich der Eindruck verfestigt: Die Opposition hat Geld im Überfluss wie in einem Märchenland. Meine Damen und Herren, kommen Sie in die Realität zurück! Kritisieren Sie nicht nur, sondern nennen Sie bitte auch Ihre Alternativen! Das ist Haushaltspolitik. Darum bitten wir Sie.
Vielleicht wollen Sie aber auch gar nicht sparen, sondern weiter Schulden machen, wie das aktuell in Nordrhein-Westfalen der Fall ist. Was dort geschieht, ist in meinen Augen verantwortungslos; denn weiter Schulden auf dem Rücken unserer Kinder zu machen, ist doch in Wahrheit die unsozialste Politik, die es gibt.
Natürlich hätten wir angesichts steigender Verkehrsleistungen in unserem Land gern mehr oder zumindest so viele Finanzmittel wie in den beiden Vorjahren zur Verfügung; das räume ich ein. Da dem nicht so ist, müssen wir Prioritäten setzen, auch - das will ich hier in die Diskussion einbringen - mithilfe privater Investoren, vor allem was die Effizienz der Verkehrsprojekte angeht, die man mit Planungssicherheit deutlich verbessern kann, insbesondere beim mehrstufigen Ausbau unserer Bundesautobahnen.
ÖPP - lassen Sie mich das noch hinzufügen - sind nicht nur eine wirtschaftliche Alternative zum konventionellen Straßenbau, sondern erreichen mit der Bündelung der baubedingten Staus auf einen bestimmten Zeitraum auch einen gesamtwirtschaftlichen Nutzen. Deswegen unterstütze ich das, was meine Vorredner aus der Koalition gesagt haben: Zielführend ist die Herstellung eines Nutzerfinanzierungskreislaufs Straße, wie ihn der Koalitionsvertrag ausdrücklich vorsieht - vor dem Hintergrund der Forderung nach mehr Transparenz, nach mehr Planungs- und Finanzierungssicherheit.
Vor allem, weil Deutschland über eines der am besten ausgebauten Verkehrsnetze Europas verfügt, ist es von hoher Bedeutung, die Qualität der Bestandsnetze bei Schiene, Straße und Wasserwegen zu sichern und, wenn nötig, durch Aus- und Neubau Engpässe zu beseitigen, insbesondere mit Blick auf die leistungsfähige Hinterlandanbindung deutscher Seehäfen.
Auch die Verkehrsbeanspruchung unserer Straßen wird in den nächsten Jahren weiter ansteigen. Daher sind Substanzerhaltung und funktionssichernde Maßnahmen unabdingbar. Hierfür sieht der Etat 2,2 Milliarden Euro vor. Der Bewältigung wachsender Verkehre dienen natürlich auch integrierte Systeme - wir wollen sie weiter nach vorne bringen - sowie die Forschung im Bereich des Verkehrsmanagements. Deshalb fördert die Bundesregierung auch die Telematik.
Die Bundesregierung fördert ferner die Elektromobilität. Die Anfang Mai gegründete Nationale Plattform Elektromobilität arbeitet nun an dem sich selbst gesteckten ambitionierten Ziel, bis 2020 1 Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen fahren lassen zu können. Das bleibt unser Kurs, meine Damen und Herren, und dieser Kurs ist richtig.
Zudem ist und bleibt es erklärtes Ziel der Koalition, dem Lkw-Stellplatzdefizit wirksam zu begegnen. Bis 2012, also innerhalb von zwei Jahren, sollen 8 000 neue Lkw-Parkstände entstehen. Mit Blick auf die internationalen Wettbewerbsverzerrungen im Gütertransportgewerbe begrüßen wir an dieser Stelle auch ausdrücklich die Entscheidung der Bundesregierung, die Erhöhung der Lkw-Maut nicht durchzuführen. Das Moratorium ist völlig richtig.
Im Bereich Schiene stehen die laufenden Bedarfsplanvorhaben im Mittelpunkt: der Substanzerhalt, die notwendige Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen und das Bahnhofssanierungsprogramm. Damit investieren wir direkt in die Sicherheit unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger.
In diesem Zusammenhang ist auch die Verlagerung der Schwerlastverkehre, unter anderem auf die Wasserwege, Anliegen der Koalition. Es werden allein 672 Millionen Euro für Um-, Aus- und Neubaumaßnahmen bereitgestellt. Hiermit steigern wir die Leistungsfähigkeit des Wasserwegenetzes.
Meine Damen und Herren, erfolgreiche und zukunftsfähige Verkehrspolitik muss auf alle wesentlichen Ansprüche des Menschen ausgerichtet sein, somit auch auf seine Sicherheitsbedürfnisse. Seit 1970 hat sich die damals sehr hohe Zahl von fast 20 000 Verkehrstoten pro Jahr auf nunmehr circa 4 000 verringert. Dem Bemühen um mehr Verkehrssicherheit dient auch unsere Initiative zur Einführung des begleiteten Fahrens mit 17 zum 1. Januar 2011 als Dauerrecht. Der Modellversuch erbrachte in den letzten fünf Jahren im Ergebnis 20 Prozent weniger Unfälle bei den Fahranfängern. Auch hier ist ein deutlich positives Ergebnis zu verkünden.
- Herr Kollege Beckmeyer, wir sind der Auffassung, dass wir auch die jungen Menschen früh an die Risikobereitschaft im Verkehrsgeschehen heranführen sollten. Es ist ganz besonders im ländlichen Raum zielführend, die Menschen da heranzuführen.
Überaus erfolgreich im Bereich von Bau- und Stadtentwicklung entwickelte sich das CO2-Gebäudesanierungsprogramm, konjunkturpolitisch, wohnungspolitisch und klimapolitisch. Daher ist die Kürzung der Ansätze für dieses Programm im Rahmen der Haushaltskonsolidierung schmerzlich: Ich freue mich aber nun darüber, dass durch das Energiekonzept der Bundesregierung neue Perspektiven eröffnet werden.
Die Städtebauförderung leistet ein Vielfaches dessen, was sie kostet. Das heißt, auch sie stellt eine Erfolgsgeschichte dar. Die Kritik an den Kürzungen ist also sachlich begründet, wir nehmen sie ernst.
Verehrte Frau Kollegin Dr. Winterstein, die Debatte über die Mittelkürzungen sollten wir darüber hinaus als Möglichkeit betrachten, die Effizienz der Programme durch Bündelung insgesamt zu verbessern, -
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege!
Reinhold Sendker (CDU/CSU):
- um den immer wieder kritisierten Überschneidungen zu begegnen.
Meine Damen und Herren, wir freuen uns darüber, dass unser Minister hier Nachprüfungen angekündigt hat. Wir freuen uns auch darüber - damit komme ich zum Schluss, Herr Präsident -, dass er ein Herz für ländliche Räume hat. Wir begrüßen ebenso den Einzelplan 12 insgesamt, nicht nur vor dem Hintergrund der notwendigen Haushaltssanierungsmaßnahmen, sondern auch deshalb, weil er das Fundament für die Fortsetzung einer erfolgreichen und zukunftsfähigen Politik im Bereich von Verkehr, Bau und Stadtentwicklung für unser Land darstellt.
Herzlichen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Letzter Redner zu diesem Geschäftsbereich ist der Kollege Dr. Max Lehmer, ebenfalls für die CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Max Lehmer (CDU/CSU):
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorgelegte Haushalt zeigt, wie man Verkehrspolitik unter den gegebenen Bedingungen verantwortbar gestalten kann. Das sage ich ganz ausdrücklich. Im Rahmen des allgemeinen Sparzwangs beim Gesamthaushalt ist es leider unvermeidlich, dass auch der Haushalt des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Einschränkungen hinnehmen muss. Ich sage das als jemand, der, was die Realisierung von Großprojekten angeht, betroffen ist. Ich erwähne zum Beispiel die Projekte im Großraum München und die TEN-Strecke Paris-München-Bratislava-Budapest.
Umso mehr begrüße ich es, dass es mit dem vorliegenden Entwurf gelingt, Deutschland auch in verkehrspolitischer Hinsicht zukunftsfähig zu machen. Die knappen Mittel werden gezielt und, so meine ich, richtig eingesetzt. Dies sichert den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Gerade eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist für eine wettbewerbsfähige Volkswirtschaft wie die unsere eine Grundvoraussetzung, wie wir alle wissen. Angesichts dessen ist es ein großer Erfolg, dass bei den Wachstum generierenden Verkehrsinvestitionen nicht gekürzt wird. Die Verkehrsinvestitionslinie von knapp 10 Milliarden Euro kann über den gesamten Finanzplanungszeitraum aufrechterhalten werden. Damit steht mehr Geld zur Verfügung als in den Jahren vor der Finanz- und Konjunkturkrise. Zusätzlich darf auch noch einmal erwähnt werden, dass wir mit den Konjunkturprogrammen zusätzlich über 2 Milliarden Euro für Verkehrsinvestitionen verwenden konnten.
Dies findet auch Anerkennung. Unmittelbar nach dem Kabinettsbeschluss zum Haushalt 2011 stellte zum Beispiel die Allianz pro Schiene fest, dass es dem Bundesverkehrsminister gelungen sei, die um die Konjunkturpakete bereinigten Haushaltsmittel für Schienenprojekte sogar noch leicht zu erhöhen.
Natürlich erreicht die vorgesehene Summe für Verkehrsinvestitionen noch lange nicht die Höhe, von der jeder Verkehrspolitiker träumt. Aber in dieser Angelegenheit sind auch Realismus und Pragmatismus gefragt. Wir müssen unser Geld ganz gezielt in notwendige Projekte investieren und in diesem Zusammenhang insbesondere auch einen Schwerpunkt auf den Lärmschutz legen. Der Schutz der Menschen vor Lärm ist ein zentrales Anliegen, das wir trotz aller Sparzwänge verwirklichen wollen.
Noch ein Wort zur Lkw-Maut. Politik muss realitätsnah und verlässlich sein. Deshalb wird die Lkw-Maut 2011 nicht erhöht. Deutschland wird damit als Logistikstandort gestärkt. Ich denke, auch das ist verantwortliche Politik.
Verkehrs- und Baupolitik wird zumeist am dafür eingesetzten Geld gemessen. Das greift aber zu kurz; denn eine gute und im Sinne der Bürgerinnen und Bürger vorteilhafte Politik ist auch bei knappen Kassen möglich. Ich nenne hier zum Beispiel die Stichworte ?begleitetes Fahren mit 17? und ?Wechselkennzeichen?. Die damit verbundenen Maßnahmen hat unser Verkehrsminister sehr pragmatisch und schnell umgesetzt. Das ist es, was wir beispielhaft unter freiheitlicher Verkehrspolitik im Sinne der Bürger verstehen.
Aus dem Baubereich hierzu noch ein Beispiel. Die Geräusche spielender Kinder dürfen nicht wie Maschinenlärm und damit als Lärmbelästigung behandelt werden. Durch eine Gesetzesänderung im Bau- und Immissionsschutzrecht werden wir Kindertagesstätten auch in reinen Wohngebieten ermöglichen. Ich glaube, da gehören sie auch hin.
Die Städtebauförderung schreibt seit 40 Jahren Erfolgsgeschichte, wie uns allen bekannt ist. Aber auch hier müssen wir verantwortungsvoll handeln. Nicht nur das Bundesverkehrsministerium muss sparen, sondern auch die Länder haben enorme Haushaltszwänge und stehen unter Druck. Das hat sich, wie der Herr Minister richtig ausgeführt hat, auf der Konferenz der Landesbauminister deutlich gezeigt. Wir sind also gemeinsam mit den Beteiligten gefordert, hier eine tragfähige Lösung zu finden, damit die Städtebauförderung auf hohem Niveau fortgeführt werden kann, und zwar auch im Westen.
Es ist dringend nötig, im Dialog mit allen Beteiligten die vielfältigen Programme, die es im Bereich Städtebau gibt, zu bündeln, effizienter zu machen - das ist eine große Herausforderung - und dafür zu sorgen, dass in den nächsten Jahren mit weniger Geld eine intelligentere Stadtentwicklung betrieben werden kann. Ich denke, das ist ein gutes Ziel.
Ähnlich verhält es sich mit dem CO2-Gebäudesanierungsprogramm. Niemand bestreitet den Nutzen dieses Programms für den Klimaschutz und auch für die Volkswirtschaft. Die durch das Programm ausgelösten Investitionen sind so hoch und haben einen solchen Nutzen, dass sich das Programm - das wurde schon ausgeführt - eigentlich selbst trägt. Denn zusätzliche Steuereinnahmen und Sozialbeiträge in Verbindung mit vermiedenen Kosten der Arbeitslosigkeit führen zu Einnahmen, die höher sind als die damit verbundenen Ausgaben. Auch das ist nachgewiesen.
Außerdem müssen wir bedenken, dass die vorgesehene Halbierung der Programmmittel - das hat der Bundesverkehrsminister richtig dargelegt - vor dem Hintergrund des Energiekonzepts der Bundesregierung eine Neubewertung erfahren muss und erfahren wird. Das ist sehr wichtig. Sie von der Opposition dürfen den aktuellen Haushaltsansatz in diesem Bereich nicht mit den Zielvorgaben, die wir im Energiekonzept haben, verwechseln. Die Steigerung der Energieproduktivität um durchschnittlich 2,1 Prozent jährlich und die Verdoppelung der Sanierungsrate bei der Sanierung des Gebäudebestands sind ohne Frage richtige und notwendige Maßnahmen, wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege!
Dr. Max Lehmer (CDU/CSU):
Ich komme gleich zum Ende, Herr Präsident. - Es ist aber nicht zielführend, diese Sanierungsrate mit Zwang erreichen zu wollen. Hier setzen wir ganz klar auf Anreize,
die es dem Bürger ermöglichen, seinen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Ausdrücklich wollen wir dazu keine eigentumsähnlichen Eingriffe und Malusregelungen.
Vielen herzlichen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor.
Bevor wir nun zur Schlussrunde kommen, will ich nach einer Demonstration, die nach gemeinsamer Überzeugung ausnahmslos aller Fraktionen dieses Hauses mit unserer Geschäftsordnung nicht vereinbar ist, auf den Ausschluss einiger Mitglieder aus den Reihen der Fraktion Die Linke zurückkommen.
Nach § 38 unserer Geschäftsordnung kann der Präsident ein Mitglied des Bundestages, auch ohne dass ein Ordnungsruf ergangen ist, für die Dauer der Sitzung aus dem Saal verweisen. Bis zum Schluss der Sitzung muss der Präsident bekannt geben, für wie viele Sitzungstage der Betroffene ausgeschlossen wird. Ein Mitglied des Bundestages kann bis zu 30 Sitzungstage ausgeschlossen werden.
Ich schließe die Kolleginnen und Kollegen Heidrun Dittrich, Heike Hänsel, Inge Höger, Annette Groth und Michael Schlecht für die beiden nächsten Sitzungstage am 29. und 30. September 2010 von den Sitzungen des Deutschen Bundestages aus. Damit will ich sicherstellen, dass die wiederholte, nicht mehr sonderlich originelle, spektakuläre, öffentlichkeitswirksame, im Übrigen aber folgenlose Demonstration an Freitagvormittagen nicht zu einer bequemen Verabschiedung in ein vorzeitiges Wochenende wird.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 60. Sitzung - wird am
Montag, den 20. September 2010,
auf der Website des Bundestages unter ?Dokumente & Recherche?, ?Protokolle?, ?Endgültige Plenarprotokolle? veröffentlicht.]