Navigationspfad: Startseite > Dokumente & Recherche > Datenhandbuch > 10. Gesetzgebung > 10.7 Materielles Prüfungsrecht des Bundespräsidenten
Stand: 31.3.2010
Nach Artikel 82 des Grundgesetzes werden die nach den Vorschriften des Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze vom Bundespräsidenten ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet. Bei dieser Ausfertigung ist der Bundespräsident (nach überwiegender Auffassung) nicht etwa nur „Staatsnotar“, vielmehr hat er im Rahmen dieses Verfahrens die formelle und materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zu prüfen, das heißt zu untersuchen, ob das Gesetz nach den Regeln des Grundgesetzes zustande gekommen ist und ob es in seinem Inhalt mit dem Grundgesetz offensichtlich in Einklang steht.
Vor 1990 wurde in fünf Fällen ein Gesetz vom Bundespräsident nicht ausgefertigt. Danach gab es folgende weitere Fälle:
lfd. Nr. |
Wahl- periode1 |
Bundes- präsident |
nicht ausgefertigtes Gesetz |
Bemerkungen |
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6 | 11. | Richard von Weizsäcker | 10. Gesetz zur Änderung des
Luftverkehrsgesetzes (BT-Drs. 11/6261, 11/7143) |
Der Bundespräsident ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die in dem Gesetz angestrebte privatrechtliche Organisation der Bundesanstalt für Flugsicherung mit Art. 33 Abs. 4 und Art. 87 d Abs. 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar ist. Eine Privatisierung der Flugsicherung kann nicht ohne Änderung des Grundgesetzes erfolgen (BT-Drs. 12/67 vom 5. Februar 1991; mit Schreiben des Präsidenten vom 22. Januar 1991). |
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7 | 16. | Horst Köhler | Gesetz zur Neuregelung der
Flugsicherung (BT-Drs. 16/240, 16/1161) |
Der Bundespräsident ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die durch das Gesetz vorgesehene Kapitalprivatisierung der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) mit Artikel 87d Abs. 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar ist. Die Entscheidung richtet sich nicht gegen die Privatisierung einer staatlichen Aufgabe (BT-Drs. 16/3262 vom 23. Oktober 2006). |
8 | 16. | Horst Köhler | Gesetz zur Neuregelung des
Rechts der Verbraucherinformation (BT-Drs. 16/1408, 16/2011) |
Der Bundespräsident ist zu dem Ergebnis gelangt, dass das Gesetz gegen das seit dem 1. September 2006 geltende Verbot des Artikels 84 Abs. 1 Satz 7 des Grundgesetzes verstößt, durch Bundesgesetz den Gemeinden und Gemeindeverbänden Aufgaben zu übertragen. Dieses Aufgabenübertragungsverbot ist ein Ergebnis der Föderalismusreform. Die neue grundgesetzliche Vorschrift stellt klar, dass Gemeinden und Gemeindeverbände als Teil der Länder allein durch landesgesetzliche Zuweisung mit dem Vollzug von Bundesgesetzen betraut werden können (BT-Drs. 16/3866 vom 8. Dezember 2006). |
1 Die Rubrik Wahlperiode meint hier die Wahlperiode, in der das betreffende Gesetz im Bundestag verabschiedet wurde.
Angaben für den Zeitraum bis 1990 s. Datenhandbuch 1949 – 1999, Kapitel 11.10.