Navigationspfad: Startseite > Dokumente & Recherche > Datenhandbuch > 5. Fraktionen und Gruppen > 5.1 Bildung von Fraktionen und Gruppen > Gruppenbildung
Stand: 31.3.2010
Abgeordnete, deren Zusammenschluss die Fraktionsmindeststärke nicht erreicht, können sich gemäß § 10 Abs. 4 GOBT zu einer Gruppe zusammenschließen, wenn der Bundestag diesem zustimmt. Ob die erforderliche Gruppenstärke vorhanden ist, entscheidet der Bundestag mittels der Anerkennung oder Ablehnung als Gruppe. Die Geschäftsordnung räumt Gruppen keinerlei den Fraktionen zuerkannte Rechte ein. 1960 wurde entschieden, dass fünf Abgeordnete eine Gruppe bilden können. Die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages räumt Gruppen jedoch weiterhin nicht die Rechte ein, wie sie den Fraktionen zugestanden werden.
Gruppenbildung hatte in den ersten Wahlperioden des Deutschen Bundestages eine besondere Bedeutung gehabt. Die Frage der Gruppenbildung und der Rechte von Gruppen innerhalb des Bundestages bekam dann erst im Zusammenhang mit der Vereinigung Deutschlands erneute Bedeutung. Zum Ende der 11. Wahlperiode, in der 12. sowie in der 13. Wahlperiode waren Parteien und politische Gruppen in den Bundestag gewählt worden, deren Mandatsanteil unter fünf Prozent lag.
Drei Monate vor Ende der 11. Wahlperiode des Bundestages zogen 144 Abgeordnete aus den neuen Bundesländern in das gesamtdeutsche Parlament ein, nachdem die Volkskammer sie aus ihren 400 Mitgliedern mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 in den Bundestag gewählt hatte. Während die ehemaligen Volkskammer-Abgeordneten der CDU/DA, SPD, Liberalen und von Bündnis 90/Die Grünen in den bestehenden Bundestagsfraktionen als Mitglieder oder Gäste Aufnahme fanden, ergab sich für die 24 Abgeordneten der PDS keine derartige Möglichkeit.
Bei der Wahl des 12. Bundestages wirkte sich die getrennte Anwendung der Fünfprozentklausel im westlichen und östlichen Wahlgebiet so aus, dass aus den neuen Bundesländern die PDS/Linke Liste mit 17 Abgeordneten und Bündnis 90/Die Grünen mit acht Abgeordneten in den Bundestag einzogen.
Bei der Wahl zum 13. Bundestag profitierte die PDS von einer Wahlrechtsbestimmung aus dem Jahr 1956, wonach Parteien bei der Mandatsverteilung berücksichtigt werden, wenn sie in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz errungen haben. Die PDS erreichte – auf das Bundesgebiet umgerechnet – zwar nur einen Zweitstimmenanteil von 4,4 %, dafür aber vier Direktmandate, und sie zog so mit 30 Abgeordneten in den Bundestag ein.
Sowohl im Oktober 1990 als auch im Dezember 1990/Januar 1991 und im November 1994 hatten die Abgeordneten der PDS bzw. von Bündnis 90/Die Grünen gefordert und beantragt, als Fraktion anerkannt zu werden. In allen Fällen hat die Mehrheit des Bundestages auf Empfehlung des Ältestenrates die Anerkennung als Fraktion abgelehnt. Statt dessen wurden die Antragsteller als Gruppe anerkannt, und der Bundestag konkretisierte für den jeweiligen Einzelfall die einer Gruppe einzuräumenden Rechte.
Für die 12. Wahlperiode beschloss der Bundestag am 21. Februar 1991 entsprechend Drucksache 12/149:
- Der Zusammenschluss von Abgeordneten von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird gemäß § 10
Abs.4GOBTals Gruppe anerkannt.- Angesichts der besonderen Umstände und Bedingungen für politische Parteien und Listenvereinigungen bei den Wahlen zum ersten gesamtdeutschen Bundestag und in Erwägung der Einmaligkeit dieser Lage bei der Einigung Deutschlands erhält die nach Nummer 1 anerkannte Gruppe für die 12. Wahlperiode folgende Rechte:
- Die Gruppe ist berechtigt, für jeden Fachausschuss jeweils ein ordentliches und ein stellvertretendes Mitglied zu benennen. Insoweit erhöht sich die in der Sitzung des Deutschen Bundestages am 30. Januar 1991 beschlossene Mitgliederzahl (Drucksache 12/54) dieser Ausschüsse entsprechend. Das von der Gruppe benannte Mitglied hat Antrags-, Rede- und Stimmrecht.
- Die Gruppe kann durch jeweils ein Mitglied an der Arbeit der Enquete-Kommissionen und Untersuchungsausschüsse mitwirken.
- Die Gruppe kann ein Mitglied in den Ältestenrat entsenden.
- Die Gruppe erhält das Recht, Gesetzentwürfe, Anträge, Entschließungsanträge sowie Große und Kleine Anfragen einzubringen.
Die Gruppe kann Geschäftsordnungsanträge sowie geschäftsordnungsrechtliche Verlangen und Widerspruchsrechte, deren Geltendmachung den Fraktionen oder fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages vorbehalten ist, dann einbringen, wenn der Antrag, das Verlangen oder der Widerspruch von mindestens 34 Mitgliedern des Bundestages unterstützt wird.Der Gruppe wird das Recht zugestanden, pro Jahr eine noch festzulegende Zahl von Aktuellen Stunden zu verlangen.Sie kann die Erstattung von Zwischenberichten zu eigenen Vorlagen gemäß § 62Abs.2GOBTverlangen.- Die Gruppe erhält Redezeit entsprechend ihrer Stärke im Verhältnis zu den Fraktionen des Deutschen Bundestages und nach näherer Vereinbarung im Ältestenrat.
- Dem Vorsitzenden der Gruppe werden die Rechte zuerkannt, die ein Vorsitzender einer Fraktion des Deutschen Bundestages entsprechend der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages besitzt.
- Die Gruppe erhält die für ihre parlamentarische Arbeit erforderliche finanzielle, technische und personelle Unterstützung. Hierfür werden ihr der hälftige Grundbetrag sowie der Zuschlag entsprechend ihrer Stärke einschließlich der besonderen Zuschläge für die Opposition gewährt; sie erhält einen ihrer Stärke entsprechenden Sondergrundbetrag und wird an den Zuschüssen an die Fraktionen für die Unterstützung der parlamentarischen Arbeit der Fraktionen in den Volksvertretungen der neuen Bundesländer sowie für internationale Zusammenarbeit beteiligt.
Gleichzeitig stimmte der Bundestag der Beschlussempfehlung auf Drucksache 12/150 zu:
- Der Beschluß des Deutschen Bundestages zur Rechtsstellung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Drucksache 12/149 findet entsprechende Anwendung auf die PDS.
In zwei Punkten wurden die Gruppenrechte in der 12. Wahlperiode noch erweitert aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Juli 1991 (BvE 1/91), ausgelöst durch eine Organklage der Gruppe PDS/Linke Liste betreffend auf Zuerkennung des Fraktionsstatus. Die Entscheidungsformel des Bundesverfassungsgerichts lautete:
Der Deutsche Bundestag verletzt die Rechte der Antragstellerin aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes dadurch, dass er ihr nicht das Recht auf Mitgliedschaft in den Unterausschüssen nach § 55 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags eingeräumt und ihr die Rechte einer ,Fraktion im Ausschuss’ vorenthalten hat, soweit sie aufgrund der Zahl ihrer Mitglieder zu einer Vertretung im Ausschuss berechtigt ist.Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.
Darüber hinaus beantragten die Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 12/1177) sowie die Gruppe PDS/Linke Liste (Drucksache 12/1322) (1) eine sachverständige Person für die Mitwirkung in Enquete-Kommissionen benennen zu können, (2) diesem Sachverständigen die vollen Mitwirkungsrechte wie den von den Fraktionen benannten externen Mitgliedern zuzubilligen und (3) dem aus der Gruppe benannten Mitglied in der Enquete-Kommission zusätzlich zu dem Mitwirkungsrecht volles Stimmrecht zu gewähren. In einer Beschlussvorlage des Ältestenrates vom 20. Dezember 1991 (Drucksache 12/1898) wurde empfohlen, die Anträge abzulehnen. Bis zum Ende der 12.Wahlperiode stand der Beschluss des Bundestages aus.
Bei der Wahl zum 13. Bundestag profitierte die PDS von einer Wahlrechtsbestimmung aus dem Jahr 1956, wonach Parteien bei der Mandatsverteilung berücksichtigt werden, wenn sie in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz errungen haben. Die PDS erreichte – auf das Bundesgebiet umgerechnet – zwar nur einen Zweitstimmenanteil von 4,4 %, dafür aber vier Direktmandate, und sie zog so mit 30 Abgeordneten in den Bundestag ein. Die Mehrheit des Bundestages lehnte auf Empfehlung des Ältestenrates die Anerkennung der PDS als Fraktion ab. Stattdessen wurden die Antragsteller als Gruppe anerkannt. Der Bundestag konkretisierte für die Gruppe der PDS am 9. März 1995 die in der 13. Wahlperiode einzuräumenden Rechte (Drucksache 13/684):
- Die Gruppe erhält für die 13. Wahlperiode folgende Rechte:
Die Gruppe ist berechtigt, entsprechend § 12 Satz 1GOBTordentliche und stellvertretende Mitglieder in die Fachausschüsse zu entsenden. Die von der Gruppe entsandten Mitglieder haben die gleichen Rechte wie die von den Fraktionen entsandten Mitglieder. Ihnen stehen die einer ,Fraktion im Ausschuss’ in den Bestimmungen des VII. Abschnitts der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages eingeräumten Rechte zu. Soweit die Gruppe in Fachausschüssen vertreten ist, muss sie auf Verlangen entsprechend § 55Abs.3GOBTin Unterausschüssen vertreten sein. Für die Berechtigung der Gruppe, Mitglieder in Untersuchungsausschüsse zu entsenden, gilt § 12 Satz 1GOBTentsprechend; das gleiche gilt für die Berechtigung, Mitglieder in Enquete-Kommissionen zu entsenden. Soweit die Gruppe mit einem Mitglied in Enquete-Kommissionen vertreten ist, findet § 56Abs.2GOBTentsprechende Anwendung. Die Gruppe kann ein Mitglied in den Ältestenrat entsenden. Das von der Gruppe entsandte Mitglied tritt zu den in § 6Abs.1GOBTvorgesehenen Mitgliedern des Ältestenrates hinzu. Es hat Stimmrecht, soweit der Ältestenrat über die inneren Angelegenheiten des Deutschen Bundestages beschließt. Soweit der Ältestenrat kein Beschlussorgan ist, kann Einvernehmen durch Konsens der Fraktionen hergestellt werden. Die Gruppe erhält das Recht, Gesetzentwürfe, Anträge, Entschließungsanträge sowie Große und Kleine Anfragen einzubringen. Für das Verlangen auf Beratung ihrer Gesetzentwürfe stehen der Gruppe die den Fraktionen zustehenden geschäftsordnungsrechtlichen Befugnisse zu. Die Gruppe kann die Aufsetzung ihrer Vorlagen auf die Tagesordnung gemäß § 20 Abs. 4GOBTund die Erstattung von Zwischenberichten zu eigenen Vorlagen entsprechend § 62Abs.2GOBTverlangen. Sie kann der Ausschussüberweisung ihrer Entschließungsanträge gemäß § 88 Abs. 2 Satz 1GOBTwidersprechen. Für eigene Große Anfragen hat sie die Rechte gemäß § 101 Satz 3 und § 102 Satz 2GOBT.- Der Gruppe wird das Recht zugestanden, pro Jahr eine noch festzulegende Zahl von Aktuellen Stunden zu verlangen. Im übrigen kann die Gruppe Geschäftsordnungsanträge sowie geschäftsordnungsrechtliche Verlangen und Widerspruchsrechte, deren Geltendmachung den Fraktionen oder fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages vorbehalten ist, dann einbringen, wenn der Antrag, das Verlangen oder der Widerspruch von mindestens 34 Mitgliedern des Bundestages unterstützt wird.
- Die Gruppe erhält Redezeit entsprechend ihrer Stärke im Verhältnis zu den Fraktionen des Deutschen Bundestages und nach näherer Vereinbarung im Ältestenrat.
- Dem Vorsitzenden der Gruppe werden die Rechte zuerkannt, die ein Vorsitzender einer Fraktion des Deutschen Bundestages entsprechend der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages besitzt.
- Die Gruppe erhält die für ihre parlamentarische Arbeit erforderliche finanzielle, technische und personelle Unterstützung. Hierfür werden ihr der hälftige Grundbetrag sowie der Zuschlag entsprechend ihrer Stärke einschließlich der besonderen Zuschläge für die Opposition gewährt; sie erhält für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 1994 einen ihrer Stärke entsprechenden Sondergrundbetrag und einen Anteil an den Zuschüssen für internationale Zusammenarbeit.
Angaben für den Zeitraum bis 1990 s. Datenhandbuch 1949 – 1999, Kapitel 5.1.