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Ob der Markt der Online-Diensteanbieter allein in der Lage ist, für Netzneutralität zu sorgen, oder ob staatliche Regelungen dazu benötigt werden, war eine der Fragen, die während der öffentlichen Sitzung der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft“ am Montag, 14. Juni 2010, kontrovers diskutiert wurden. Einig hingegen war sich die aus Abgeordneten und externen Sachverständigen bestehende Kommission darin, dass es wichtig sei, eine Definition für den Begriff Netzneutralität zu finden, der für die weiteren Beratungen zu dem Thema genutzt werden kann.
Unter Netzneutralität versteht man den Grundsatz, dass Netzbetreiber keinen Unterschied bei den Inhalten oder Anwendungen in ihren Netzen machen oder diese aufgrund eigener Interessen beschränken dürfen.
Aus seiner Sicht sei das Thema Netzneutralität "deutlich mehr als nur das Sperren von Voice-over-IP-Diensten“, sagte der Unionsabgeordnete Peter Tauber. Wie im Koalitionsvertrag festgehalten, vertraue seine Fraktion jedoch darauf, dass der bestehende Wettbewerb die neutrale Datenübermittlung im Internet sicherstellt. Gleichzeitig werde die Entwicklung aber sorgfältig beobachtet, um notfalls zur Wahrung der Netzneutralität gegensteuern zu können.
Fehlende Netzneutralität, so die Verbraucherschützerin Cornelia Tausch, zeige sich für den Verbraucher in dem Moment, in dem er bestimmte Inhalte in Netz gar nicht mehr, oder nur noch gegen Bezahlung, erhalten kann. "Der Verbraucher hat dann gar keine Auswahl“, beklagte Tausch. Der Wettbewerb unter den Internetservice-Providern "findet nicht wirklich statt“. Das liege nicht zuletzt an den noch immer üblichen 24-Monats-Verträgen, die es verhinderten, den Wettbewerber zu wechseln.
Widerspruch dazu kam vom FDP-Abgeordneten Sebastian Blumenthal. Es gebe inzwischen durchaus Anbieter, die kürzere Vertragslaufzeiten anböten. "Das hat der Markt geregelt“, sagte Blumenthal. Auch würden Eingriffe der Unternehmen in die Netzneutralität zu Imageschäden führen, die die Marktchancen verschlechterten.
Dem Markt zu vertrauen, riet auch der Medienrechtler Hubertus Gersdorf. Wenn große Anbieter einige Dienste nicht verbreiten würden, könnten kleinere Unternehmen einen diskriminierungsfreien Zugang in die Netze zu ihrem Geschäftsmodell machen. Staatliche Regulierung ist seiner Ansicht nach erst nötig, wenn es zu einem Marktversagen kommt.
Das Marktversagen sei schon eingetreten, entgegnete Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs. "Dass es einen gut funktionierenden freien Markt gibt, ist eine Chimäre.“ Es gebe "monopolistische und oligopolistische Bereiche“. Erweitertes staatliches Handeln sei nötig, sagte Kurz. Das zeige nicht zuletzt auch die fehlende Reaktion der Bundesnetzagentur auf erfolgte Sperrungen von Voice-over-IP-Diensten.
Die Problematik der Definition von Netzneutralität, thematisierte der Software-Entwickler Alvar Freude. Seiner Ansicht nach geht es vorrangig um einen "diskriminierungsfreien und transparenten Zugang zum Netz“. Diskriminierungsfrei bedeute, dass jeder Nutzer gleich behandelt werden müsse. Transparent wiederum, dass "Änderungen bei der Gleichbehandlung“ nachvollziehbar dargestellt sein müssten. "Wenn jemand seine Spam-Mails selber filtern möchte, sollte er die Möglichkeit dazu haben.“
Die Abgeordnete der Linksfraktion Halina Wawzyniak schloss sich dieser Sichtweise an. Sie erhob die Forderung, dass "jeder Nutzer Zugang zu allen legalen Inhalten des Internets haben sollte“. Die Unterscheidung von legal und illegal würde er nicht machen, sagte der Blogger und Gründer von netzpolitik.org, Markus Beckedahl. Das sei "sehr gefährlich“, da nicht klar sei, wer nun definieren dürfe, was gerade legal oder illegal ist. Manches Neue sei schließlich nur illegal, weil es dafür noch keinen rechtlichen Rahmen gebe.
Man müsse auch darauf hinweisen dürfen, dass nicht unbedingt jeder Nutzer als oberstes Ziel bei seinen Internetaktivitäten die Netzneutralität sieht, verlangte Wolf Osthaus von der 1&1 Internet AG. Online-Spieler etwa seien möglicherweise froh darüber, wenn ihre "Gambling-Angebote priorisiert sind“, obwohl dies im Grunde einen Eingriff in die Netzneutralität darstelle.
Der Aktionskünstler padeluun wandte sich dagegen, die Internetnutzer nur als "Konsumenten“ zu betrachten. Es gehe offensichtlich immer mehr dahin, aus dem Internet eine Art Fernsehen zu machen, mit dem zukünftig die "Deppenbespaßung“ durchgeführt werden solle. Eigentlich müsten seiner Ansicht nach jedoch die Leute unterstützt werden, die mit dem Internet etwas tun wollten, "bei dem der eigene Geist angeregt wird“.