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Eine Grundsatzdebatte über das milliardenschwere Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 (S 21) und die damit verbundene neue Hochgeschwindig- keitsstrecke nach Ulm ist bei der öffentlichen Anhörung zu erwarten, die der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des Bundestages am Mittwoch, 10. November 2010, veranstaltet. Die Sitzung unter Vorsitz von Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen) beginnt um 10 Uhr im Sitzungssaal 3.101 des Berliner Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses und soll bis gegen 13.30 Uhr dauern. Zu Beginn soll jeder sieben Sachverständigen ein fünfminütiges Statement abgeben. Daran schließt sich eine Fragerunde mit jeweils einem Berichterstatter aus jeder Fraktion an, die kurze Statements zur Position der jeweiligen Fraktion einschließt. Vorgesehen sind je eine oder mehrere Fragerunden zu dem Nutzen des Projekts, den Kosten des Projekts und zur Transparenz und Umsetzung von Großprojekten.
Die Sitzung wird ab 10 Uhr live im Parlamentsfernsehen und im Web-TV auf www.bundestag.de übertragen und endet mit Beginn der Plenarsitzung um 13 Uhr. Im Anschluss an das Plenum wird die Sitzung in voller Länge ab etwa 17.30 Uhr als Aufzeichnung gesendet.
Dem Ausschuss liegen drei von den Oppositionsfraktionen eingebrachte Anträge mit unterschiedlicher Stoßrichtung zugrunde. Die SPD fordert einen Baustopp bis zu einer Volksabstimmung über S 21, unterstützt jedoch dieses Projekt. Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen verlangen ebenfalls ein Ende der Bauarbeiten, zielen mit ihrer Kritik indes gegen die bisherigen Planungen an sich.
Seit dem Aufflammen der Massenproteste gegen S 21, die vor der Landtagswahl Ende März die politischen Kräfteverhältnisse in Baden-Württemberg durcheinanderwirbeln und republikweit Wellen schlagen, befasst sich jetzt zum zweiten Mal ein Bundestagsausschuss mit diesem aufgeheizten Konflikt.
Nach dem 30. September, als bei einem harten Polizeieinsatz über 100 Demonstranten verletzt worden waren, hatte der Innenausschuss dieses umstrittene Vorgehen intern erörtert.
Der Bund ist finanziell bei den gigantischen Maßnahmen im Südwesten engagiert. Aus dessen Kasse fließt für den unterirdischen Neubau einer Durchgangsstation, die den bisherigen Stuttgarter Kopfbahnhof ersetzen soll, ein bei 560 Millionen Euro gedeckelter Zuschuss.
Nach den bisherigen offiziellen Zahlen wird S 21 insgesamt 4,1 Milliarden Euro kosten. Die neue Linie Richtung Ulm soll mit 2,9 Milliarden Euro zu Buche schlagen, wobei das Land mit einer Subvention von 950 Millionen Euro den für die Finanzierung solcher Schienentrassen zuständigen Bund entlastet. Die Gesamtkosten belaufen sich mithin bislang auf sieben Milliarden Euro.
In ihrem Antrag ( 17/2933) stellt sich die SPD-Fraktion hinter die beiden umkämpften Projekte, die "viele positive Elemente" beinhalteten - etwa für die städtebauliche Entwicklung in Stuttgart, den Ausbau des Regionalverkehrs und die Anbindung der Landeshauptstadt an das europäische Eisenbahnnetz.
Angesichts der Massenproteste gegen S 21 sei jedoch festzustellen, "dass die bisherige Legitimationsgrundlage nicht ausreicht". Über Jahre hinweg sei versäumt worden, die Bürgerschaft mitzunehmen. Deshalb fordert die SPD einen landesweiten Volksentscheid, bei der die Baden-Württemberger über S 21 und die Neubaustrecke abstimmen können.
Der Antrag verlangt von der Bundesregierung, bis zu einem solchen Referendum einen sofortigen Baustopp im Südwesten herbeizuführen.
Auch Die Linke macht sich für eine umgehende Einstellung aller Baumaßnahmen stark. Der Antrag der Fraktion ( 17/2914) plädiert dafür, anstelle von S 21 und der Trasse Richtung Ulm in Baden-Württemberg die Schiene zu einer "Bürger- und Flächenbahn" mit "Vorbildfunktion für andere Regionen" auszubauen.
Die alternativen Vorschläge für den Stuttgarter Bahnhof und die Strecke nach Ulm sollen für Neuplanungen verwendet werden. Im Blick auf die bisherigen Konzepte spricht Die Linke von einer "Vergeudung von Milliarden-Euro-Beträgen für ein Bahnprojekt, das ein Stadtzentrum zerstört und die Schienenverkehr schädigt".
Aus Sicht der Fraktion ist die bisherige Kalkulation mit Gesamtkosten von sieben Milliarden Euro "unrealistisch". Der Antrag kritisiert, dass die Bevölkerung bislang keine Möglichkeit hatte, über S 21 abzustimmen.
Ihre Forderung nach einem "sofortigen Baustopp" bei S 21 und der Neubaustrecke begründen die Grünen in ihrem Antrag ( 17/2893) vor allem mit Zweifeln an der Seriosität der bisherigen finanziellen Kalkulationen. Die Bundesregierung solle eine "aktualisierte Kostenrechnung" vornehmen und nachvollziehbar die Finanzierungsanteile der Projektbeteiligten und insbesondere des Bundes darlegen sowie die öffentlichen Mittel im Rahmen von Landes- und Bundesprogrammen ausweisen.
Zudem verlangt der Antrag die Vorlage aller "relevanten Gutachten", um die Auswirkungen der beiden Projekte auf Verkehr und Ökologie sowie die baulichen Risiken beurteilen zu können. Anstelle von S 21 und der Trasse nach Ulm gehe es darum, so die Grünen, "eine tragfähige, politisch durchsetzbare und finanzierbare Lösung für die Entwicklung des Bahnknotens Stuttgart und des Korridors Stuttgart-Ulm zu finden". (kos)
Zeit: Mittwoch, 10. November 2010, 10 Uhr bis
13.30 Uhr
Ort: Berlin,
Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Adele-Schreiber-Krieger-Str. 1,
Anhörungssaal 3.101
Interessierte Besucher können sich beim Sekretariat des Ausschusses (E-Mail: verkehrsausschuss@bundestag.de, Fax: 030/227-30017, Telefon: 030/227-34810) bis zum 8. November 2010, 16 Uhr, unter Angabe des Namens und Geburtsdatums anmelden. Zur Sitzung muss der Personalausweis mitgebracht werden.
Wegen Bauarbeiten kann das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus aus Richtung S-Bahnhof Friedrichstraße nur über den Schiffbauerdamm entlang des Spreeufers erreicht werden.
Bild- und Tonberichterstatter können sich beim Pressereferat (Telefon: 030/227-32929 oder 32924) anmelden.