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Das Verfahren wurde von dem belgischen Professor der Rechtswissenschaft Victor d´Hondt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelt.
Es wurde beim Deutschen Bundestag für die Besetzung der Ausschüsse eingesetzt, bis es am 4. November 1970 (in der 6. Wahlperiode) durch das Verfahren nach Hare/Niemeyer abgelöst wurde.
Für die Besetzung einiger besonderer Gremien, z.B. für die Mitglieder kraft Wahl des Richterwahlausschusses, nach dem Richterwahlgesetz, ist das Verfahren nach d´Hondt bis heute (13. Wahlperiode des Deutschen Bundestages) im Einsatz.
Dieses überhaupt bisher am häufigsten eingesetzte Verfahren wird auch an anderen Stellen, insbesondere auf der Landesebene, verwendet.
(Dem Leser, der weniger an einer theoretischen Betrachtung interessiert ist, wird empfohlen, diesen Abschnitt zu überspringen und beim Abschnitt "Algorithmus" fortzufahren.)
Das Verfahren lässt sich auf folgenden Grundgedanken zurückführen:
Durch eine strenge Proportionalitätsrechnung wird festgestellt, wie groß ein abzuleitendes Gremium sein müsste, damit sich für die Partei A genau ein Anteil der Größe 1 ergäbe. Durch Multiplikation der sich so ergebenden Größe mit 2, 3, .... erhält man die Größen fiktiver Gremien, für welche die Partei nach der Proportionalitätsrechnung das Anrecht auf 2, 3, .... Sitze erhielte. Dasselbe wird anschließend für die anderen Parteien B, C ... durchgeführt.
Dabei ergeben sich in aller Regel für die Größen dieser fiktiven Gremien nicht-ganzzahlige Werte, und auch die anderen, gerade nicht betrachteten Parteien hätten bei einer solchen Größe des abzuleitenden Gremiums nicht-ganzzahlige Anteile. Das stört jedoch nicht, weil diese Werte nur als Zwischengrößen fungieren und der Herstellung einer Reihenfolge für die Zugriffe der einzelnen Parteien dienen. Diesem Zweck entsprechend werden diese Größen der fiktiven Gremien "Rangmaßzahlen" genannt.
In der Reihenfolge der Rangmaßzahlen werden anschließend die Einzel-Anteile (Sitze) den verschiedenen Parteien zugeteilt, bis die gewünschte Summe des abzuleitenden Gremiums erreicht ist.
Für die Beschreibung des Verfahrens mittels einer Formel werden folgende Bezeichnungen eingeführt:
Aag | fiktiver Anteil einer Partei an einem fiktiven abgeleiteten Gremium (ag) wird ansteigend i = 1, 2, 3... gesetzt |
||
Sag | Stärke des zugehörigen fiktiven abgeleiteten Gremiums | ||
Aam | Anteil der Partei an der Ausgangsmenge (am) | ||
Sam | Stärke der Ausgangsmenge |
Mit i = 1, 2, 3, ... statt Aag ergeben sich die Rangmaßzahlen:
i durchläuft die Werte 1, 2, 3, .....
Berechnungen gemäß dieser Formel werden für jede Partei j mit ihrem je spezifischen Wert Aam durchgeführt.
In der Praxis müssen die Berechnungen für die verschiedenen Parteien bis zu solchen Werten des Laufindex i durchgeführt werden, bis insgesamt die gewünschte Stärke des abgeleiteten Gremiums erreicht ist. D. h., i muss für jede Partei wenigstens den Wert erreichen, der ihrem letztendlichen Anteil im abgeleiteten Gremium entspricht.
Hierzu wird auf das folgende Beispiel verwiesen.
Beispiel 4: (mit den Ausgangswerten von Beispiel 1)
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Diese Tabelle ist beispielsweise folgendermaßen zu lesen:
Ein fiktiver Anteil von (ganzzahlig!) zwei Sitzen käme der Partei A in einem fiktiven abgeleiteten Gremium mit der Stärke 3,50... zu, der Partei B dageben erst in einem Gremium der Stärke 5,98... . Der Partei A käme allerdings in einem kleineren Gremium, nämlich mit der Stärke 5,26..., schon ein dritter Sitz zu, und erst in einem Gremium der Stärke 10,47... stände der Partei C ihr erster Sitz zu. Entsprechend "rangieren" die fiktiven Gremien.
Die somit festgestellte Reihenfolge, die "Ränge", werden in dem folgenden Schritt zu einer Verteilung der Anteile ausgewertet.
noch Beispiel 4: Auswertung der Rangmaßzahlen
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Statt mit den in diesem Beispiel vorgeführten Rangmaßzahlen wird in der Praxis beim Verfahren nach d´Hondt häufiger mit den sogenannten "Höchstzahlen" gearbeitet, die zu den Rangmaßzahlen in einem einfachen Umkehr-Verhältnis stehen. Kehrt man die obige Formel für Sag um, so erhält man die folgende Formel:
Der (konstante!) Faktor spielt für die zu ermittelnde Reihenfolge keine Rolle und wird nach links genommen, so dass sich die Höchstzahlen ergeben:
Auch in dieser Version müssen die Rechnungen für jede Partei j mit ihrem je spezifischen Wert Aam gemacht werden.
Aus obigen Formeln ergeben sich die Beziehungen:
Während die Rangsmaßzahlen aufsteigend geordnet werden müssen, um die Reihenfolge der Zugriffe der verschiedenen Parteien vorzugeben, müssen entsprechend der Umkehrung des Bruches die Höchstzahlen absteigend geordnet werden.
Nach diesem letzteren Aspekt der Verfahrensidee hat sich der Name d´Hondt'sches Höchstzahlverfahren eingebürgert.
Im folgenden wird beschrieben, wie die Höchstzahlen nach d´Hondt auf einfache Weise berechnet werden können.
(dargestellt nur für die Höchstzahlen)
Die Anteile der einzelnen Parteien an der Ausgangsmenge werden der Reihe nach durch 1, 2, 3, ... geteilt. Die so entstehenden Werte entsprechen den Höchstzahlen nach dem d´Hondt'schen Verfahren (s.o.).
Diese Höchstzahlen werden absteigend geordnet und bestimmen, da sie ja jeweils einer bestimmten Partei zugeordnet sind, die Reihenfolge, in der die Parteien ihren Anteil am abgeleiteten Gremium jeweils um 1 erhöhen dürfen, in der sie also "zugreifen" dürfen.
Diese Zugriffe der einzelnen Parteien entsprechend ihren Höchstzahlen werden solange fortgeführt, bis die vorgegebene Soll-Stärke des abzuleitenden Gremiums erreicht ist.
Beispiel 5: (mit den Ausgangswerten von Beispiel 1)
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noch Beispiel 5: Auswertung der Höchstzahlen
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Ein Vorteil des Verfahrens besteht darin, dass seine Anwendung einem einfachen Algorithmus folgt. Ein weiterer Vorteil ist, dass es (mit Einschränkungen, s. u.) zur Bestimmung einer Reihenfolge geeignet ist.
Nachteilig ist, dass das Verfahren bei bestimmten Konstellationen zu Mehrdeutigkeiten führen kann. Das heißt, wenn sich Verhältnisse der Ausgangsstärken der Parteien auf Quotienten mit kleinen Zählern und Nennern reduzieren lassen, so gibt es beim Aufbau der Stärke des abzuleitenden Gremiums Stellen, bei denen die Zugriffsberechtigung zwischen mehreren (2, 3, ...) Parteien nicht geregelt ist (siehe Beispiel 6).
Beispiel 6: (Fortführung des Beispiels 5, Ausgangswerte von Beispiel 1)
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In der Version der Höchstzahlen kommt die Mehrdeutigkeit in ihrer Entstehung noch klarer zum Vorschein; es handelt sich um die Stelle bei den Zugriffen, wo die
Höchstzahlen der Partei B mit | 119 : 7 = 17 | |
und der Partei C mit | 34 : 2 = 17 |
zusammenfallen.
Solche Mehrdeutigkeiten treten im gewählten Beispiel im weiteren bei den Zugriffen 40, 49, 61, 82 usw. auf.
Ein derartiges Vorkommnis ist nicht von Bedeutung, wenn es nicht gerade dort eintritt, wo die angestrebte Stärke des abzuleitenden Gremiums erreicht wird und damit die Zuteilung des letzten Sitzes unentschieden bleibt (in diesem Fall bei einem Gremium der Soll-Stärke 19, aber schon nicht mehr bei 20).
Die Eignung, eine Reihenfolge festzulegen, wird jedoch durch ein solches Vorkommnis beeinträchtigt. An solchen Stellen, wo das d´Hondtsche Verfahren keine Festlegung trifft, bleibt nur die Möglichkeit, ein verfahrensfremdes Mittel für die Bestimmung des Zugriffs zu wählen, zum Beispiel den Losentscheid (siehe aber Abschnitt 6).
Ein weiterer Nachteil:
Es lässt sich zeigen und ist in der Praxis zu beobachten, dass das Verfahren bei starken Größenunterschieden der Anteile der Parteien zu größeren Abweichungen von der Proportionalität führt, und zwar in dem Sinne, dass die kleineren Parteien benachteiligt, die größeren begünstigt werden.
Dieses Verhalten wird bei dem folgenden Verfahren nach Sainte Laguë/Schepers vermieden.