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Die seit Dezember nachgewiesenen Fälle von Dioxin in Lebensmitteln in Deutschland werden Auswirkungen auf die Novellierung des Verbraucherinformationsgesetzes durch die Bundesregierung haben. In der am Dienstag, 11. Januar 2011, einberufenen Sondersitzung zum Thema "Aktuelle Funde von Dioxin in Futter- und Lebensmitteln" des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz standen Vertreter der Bundesregierung, der Länder und Sachverständige den Abgeordneten des Deutschen Bundestages Rede und Antwort. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatten die Sondersitzung beantragt. Es sei Zeit gewesen, dass sich das Parlament damit befasst, sagte der Ausschussvorsitzende Hans-Michael Goldmann (FDP).
"Das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) wird sich ändern“, erklärte Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) mit Blick auf den sich ausweitenden Lebensmittelskandal um mit Dioxin belastetes Industriefett, das in die Futtermittelproduktion für Tiere Eingang fand und somit in die Nahrungsmittelkette gelangte.
Noch befinde sich die VIG-Novelle in der Ressortabstimmung. Es würden aber Konsequenzen aus dem Vorfall gezogen. Ein Thema sei dabei die Neuregelung zur Veröffentlichung von Informationen und der Dauer, bis diese bereitgestellt werden müssen.
Aus Sicht des Landes Nordrhein-Westfalen hat sich das VIG nicht bewährt. "Die rechtliche Grundlage reicht nicht aus“, sagte Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Bündnis 90/Die Grünen). Er kritisierte, dass es dem Gesetz an nötiger Klarheit darüber fehle, wann der Verbraucher informiert werden dürfe. "Ohne eine Anhörung Betroffener ist es nicht möglich, sofort Informationen an die Verbraucher herauszugeben“, kritisierte er.
Nach dem Gesetz hätte der Name der Firma Harles und Jentzsch nicht veröffentlicht werden dürfen, von der der Skandal seinen Ausgang nahm. Vor einer Warnung der Verbraucher hätte nach dem VIG eine mindestens vierwöchige Anhörungsfrist verstreichen müssen. "Das erzeugt weitere Unsicherheit in der Öffentlichkeit und ist nicht zu vermitteln.“
Die Fraktion CDU/CSU lobte das Krisenmanagement der Regierung und der Länder: "Es ist bisher richtig vorgegangen worden, um die Verbraucher vor der Kontamination zu schützen.“ Grundsätzlich könne vor krimineller Energie nicht geschützt werden. Es müsse jedoch die Wahrscheinlichkeit gesenkt werden, dass Lebensmittel verunreinigt werden können. Dazu müssten schon zu Beginn der Nahrungsmittelkette "Restriktionen“ einsetzen.
Gut sei die Selbstverpflichtung der Futtermittelhersteller, Produktchargen zu prüfen, deren Kontrollergebnisse in ein gesamtes Sicherheitsnetz eingebunden werden sollen. Es sei zutiefst ärgerlich, dass der hohe Standard in der Nahrungsmittelproduktion in Deutschland durch den Vorfall die gesamte Nahrungsmittelwirtschaft infrage stelle.
Die SPD-Fraktion forderte die Regierung auf, mit der Novellierung des VIG auch den Informantenschutz festzuschreiben. Mitarbeiter von Unternehmen sollten ermutigt werden sich zu melden, wenn sie sehen, dass Unrechtes getan wird.
Dem Vorwurf der CDU/CSU-Fraktion, damit das "Denunziantentum“ zu fördern, wiesen die Sozialdemokraten als diffamierend zurück. Weiter forderte die SPD, dass auch private Labore in Zukunft staatlichen Stellen melden sollen, wenn sie belastete Proben messen.
Die FDP war der Ansicht, dass Kriminelle durch mehr Kontrollen nicht gestoppt werden könnten. So bescheinigte ein Vertreter des Landes Schleswig-Holstein, dass eine in ein privates Labor eingeschickte Probe nicht den Schluss zugelassen habe, aus einer Futtermittelcharge zu sein und somit in den Nahrungsmittelkreislauf zu gelangen. Weiter sei ein Unternehmen, dass das belastete Fett eingebracht habe, nicht registriert gewesen, was Kontrollen durch Behörden unmöglich mache.
Daher forderten die Liberalen wie die übrigen Fraktionen und die anwesenden Vertreter von Bund und Ländern die Trennung der "Produktströme“, sodass keine Vermischung mehr möglich sein könne. Positiv sei, dass der Skandal durch eine Laboranalyse eines Unternehmens, das die Verunreinigung angezeigt hatte, herausgekommen sei. Das zeige, dass das Problem mit der Industrie zusammen gelöst werden könne, erklärte die FDP.
Auf Eigenkontrollen durch die Wirtschaft zu setzen, kritisierte die Fraktion Die Linke: "Die Menschen sind entsetzt, dass ein Hersteller ein dreiviertel Jahr belastetes Futtermittel zumischt.“ Es sei bedenklich, dass sich das Fehlverhalten nur eines Produzenten auf Tausende Betriebe von Landwirten auswirken könne und der Staat Kontrollstrukturen abbaue.
"Wir brauchen ein staatlich kontrolliertes Zertifizierungssystem vom Acker bis zum Teller“, forderte die Linksfraktion und fragte: "Wo sind die schon seit März 2010 durch Dioxin belasteten Lebensmittel hingekommen?“
Ein Vertreter des niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit entwarnte jedoch: "Menschen, die belastete Eier verzehren, sind keinem höherem Risiko ausgesetzt.“ Zwar sei die Überschreitung der Grenzwerte nicht zu verharmlosen, doch seien die zu erwartenden Belastungen der Verbraucher gering.
Im Vergleich zu der in der Umwelt befindlichen Dioxinbelastung vor zwanzig Jahren, der die Menschen ausgesetzt waren, bleibe der Wert heute sehr gering. Die heutigen Grenzwerte seien als "Vorsorgewerte“ zu verstehen, die nicht toxikologische Werte darstellten.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen warf der Regierungskoalition vor, durch verfehlte Politik mitverantwortlich zu sein. Mit der "Agrarwende vor zehn Jahren“ sei Transparenz und Verbraucherschutz in Landwirtschaftspolitik und Nahrungsmittelwirtschaft eingekehrt. Doch jetzt bekämen die Verbraucher nicht einmal ihre Fragen von der Regierung beantwortet, lautete die Kritik.
Gegen Kriminelle müsse die Regierung tätig werden und nicht die Futtermittelindustrie durch Eigenkontrollen ihrer Produkte. Der Preiskampf sei daran schuld, dass minderwertiges Fett den Futtermitteln beigemischt worden war. Denn dieses Fett sei nur halb so teuer wie Fett aus einer zertifizierten Ölmühle, erklärten die Grünen. (eis)