Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2009 > 9. November 2009: Statement Lammert
„Ein Sommernachtstraum war es nicht, auch kein Naturereignis“, sagte Prof. Dr. Norbert Lammert über den Mauerfall am 9. November 1989. Bei einem festlichen Konzert im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages in Berlin gedachte der Bundestagspräsident am Sonntagabend, 8. November 2009, der deutsch-deutschen Teilungsgeschichte, ihrer Helden und ihrer Opfer.
Der Präsident des Europäischen Parlaments, Jerzy Buzek, sprach von einem Sieg „großer Herzen gegen die Panzer“. Das Sinfonieorchester des Mitteldeutschen Rundfunks führte zwei Werke auf - darunter "Ein Sommernachtstraum" von Felix Mendelssohn-Bartholdy.
Keine Feen und Elfen
Nicht das Werk von „Feen und Elfen“ sei der Mauerfall gewesen, sagte Lammert. Er sei Menschen zu verdanken, die eine Verweigerung individueller Freiheit und nationaler Selbstbestimmung sowie die gewaltsame Niederschlagung der Aufstände nicht hinnahmen. Die Wiedervereinigung war „die Folge eines Freiheitskampfes in Mittel- und Osteuropa, der fast so alt war, wie die Teilung in Deutschland und Europa“.
„Natürlich war der 9. November 1989 ein Traum“, hob der Bundestagspräsident weiter hervor. Manch einer habe sich an diesem Abend immer wieder gezwickt angesichts dieses „großen Triumphes von Freiheit und Demokratie“.
Mit dem Fall der Mauer sei nicht nur ein beispielloses, städtebauliches Monstrum, sondern ein Unrechtsstaat überwunden worden, „was gelegentlich vergessen oder verdrängt wird“. Lammert gedachte der Maueropfer. Der Mutter des letzten Mauertoten Chris Gueffroy, die an diesem Abend in den Bundestag gekommen war, sprach er seinen tiefen Respekt aus.
Besonders hob der Präsident die Rolle Polens hervor: „Als die Mauer fiel, war der deutsche Regierungschef in Polen, das damals dem Warschauer Pakt angehörte. Heute steht an der Spitze des Europäischen Parlaments ein Pole. Möglich wurde dies, weil mit der Überwindung der Teilung Deutschlands der geteilte Kontinent wieder zusammenwachsen konnte zu einer europäischen Gemeinschaft freier und demokratisch regierter Völker."
Gründungsmythos eines neuen Europas
Auch der Präsident des Europäischen Parlamentes, Jerzy Buzek, erinnerte an die Menschen, die ihr Leben verloren haben, „weil sie nicht darauf warten wollten oder konnten, dass das Imperium des Bösen zu Fall kommt“. 1989 habe ein wichtiger Prozess begonnen, der Bau einer neuen europäischen Identität, die Ost und West verbindet. „Damals entstand der Gründungsmythos eines neuen Europa.“ Der bereits von allen Staaten ratifizierte Lissabon-Vertrag sei der Folgeschritt.
Die „Mauer der Schande“, sagte Buzek, sei ein Symbol der Teilung Europas „in einen freien und einen unterdrückten Teil“. Der Freiheitstraum der Menschen jedoch sei stärker als jede Betonmauer. „Die Menschen östlich des Eisernen Vorhangs hatten gegen die Panzer nur ihre großen Herzen, aber sie siegten.“
Künstlerische Auseinandersetzung
Zu den Gästen beim Konzert zählte auch Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU). Anlässlich des Festaktes erhielt der Bundestag das Kunstwerk "Jonction III" von Karl Otto Götz. „Jonction III“, ein Höhepunkt aus dem Spätwerk des Künstlers, buchstäblich am Tag der Wiedervereinigung entstanden, setzt sich mit der Geschichte auseinander. Es zeige „Konfrontationen, Emotionen und Eruptionen“, so Norbert Lammert.
Anschließend spielte das Orchester unter der Leitung von Chefdirigent Jun Märkl neben der Ouvertüre zu „Ein Sommernachtstraum“ opus 21 auch die dritte Sinfonie Es-Dur opus 55 „Eroica“ von Ludwig van Beethoven. Dies war Norbert Lammerts persönlicher Wunsch gewesen -er widmete das Konzert den Bürgerrechtlern Europas.