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Die Diskussion über die geplante Kürzung von Wehr- und Zivildienst hat am Freitag, 11. Juni, zu einer generellen Abrechnung mit der Wehrpflicht geführt. Während die Koalition das Gesetz zur Änderung wehr- und zivildienstrechtlicher Vorschriften 2010 (17/1953) verteidigte und eine strukturelle Änderung der Wehrpflicht für Herbst ankündigte, lehnte die Opposition den Gesetzentwurf ab.
Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke forderten stattdessen die Abschaffung der Wehrpflicht, die SPD sprach sich für einen freiwilligen Wehrdienst aus. Im Anschluss an die Debatte wurde der Gesetzentwurf zur Beratung an den Verteidigungsausschuss überwiesen.
Es sei notwendig, den Gesetzentwurf so schnell wie möglich umzusetzen, sagte Verteidigungsminister Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (CSU). Denn: "Die jungen Männer brauchen Planungssicherheit. Das sind wir ihnen schuldig." Wie lange die aktuellen Änderungen gültig sein werden, könne jedoch keiner wissen, fügte er an.
Zu Guttenberg betonte, dass im Verteidigungsetat voraussichtlich kein Weg an Personaleinsparungen vorbeiführen werde. Das könne durchaus heißen, dass "der Grundwehrdienst in dieser Form" nicht mehr haltbar sei. "Wir werden uns für die Prüfung Zeit nehmen", sagte zu Guttenberg. Bis September muss die Koalition einen Entwurf für die Strukturreform der Bundeswehr erarbeiten.
"Die Verkürzung ist der Einstieg in den Ausstieg", urteilte Dr. Hans-Peter Bartels, Verteidigungsexperte der SPD. Der Gesetzentwurf stelle eine "Übergangslösung" dar, bevor die Wehrpflicht im Herbst generell abgeschafft werden solle.
Die Wehrpflicht sei jedoch eine "gute, bedeutende und traditionsreiche Errungenschaft der Demokratie", sie bringe eine intelligentere Armee hervor und werde von zwei Dritteln der Bevölkerung unterstützt. "Dennoch brauchen wir Veränderungen in der gegenwärtigen Praxis", sagte Bartels. Als Lösung schlug er den freiwilligen Wehrdienst vor. So würden Wehrgerechtigkeit und Nutzbarkeit für die Armee gewährleistet werden.
Familienministerin Dr. Kristina Schröder (CDU) forderte die Abgeordneten auf, unabhängig von ihrer Haltung zur Wehrpflicht für die Hochwertigkeit des Zivildienstes einzutreten. "Und mit der freiwilligen Verlängerung ist es uns gelungen, Qualität und Struktur des Zivildienstes zu sichern", sagte sie.
Niemand dürfe wegen seiner Ablehnung der Wehrpflicht auf den Zivildienst einprügeln, sagte die Ministerin. Der Dienst werde von den Zivildienstleistenden meist mit einem positiven Fazit beendet, durch strikte Kontrollen werde die Arbeitsmarktneutralität gewährleistet und mit der freiwilligen Verlängerung könnten biografische Lücken gefüllt werden.
"Es ist kein Geheimnis, dass wir uns mehr gewünscht hätten", sagte Florian Bernschneider, jugendpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Den Gesetzentwurf wertete er jedoch als sinnvollen Kompromiss. Die Freiwilligkeit bei der Verlängerung des Zivildienstes sei ein wichtiger Schritt, da er die individuelle Freiheit erhöhe.
Die sicherheitspolitische Sprecherin der FDP, Elke Hoff, machte die Haltung ihrer Fraktion zur Wehrpflicht deutlich. "Bislang konnte mir niemand erklären, dass der Grundwehrdienst so wichtig ist, dass ohne ihn die Einsatzstärke eingeschränkt sei", sagte sie. Ein Paradigmenwechsel falle zwar schwer, dennoch müsse man sich entscheiden, ob sich die Bundeswehr nach den Sicherheitsszenarien der Zukunft oder der Vergangenheit richten wolle.
Agnes Malczak, Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen für Abrüstungspolitik, sprach von eine "Hü-Hott-Politik" der Koalition. Die FDP halte an der Aussetzung der Wehrpflicht fest, zu Guttenberg habe einen Ausstieg zunächst abgelehnt, seine Meinung dann aber revidiert. "Es ist unklug, eine Reform zu verabschieden und sich erst danach zu überlegen, ob sie sinnvoll ist", sagte Malczak.
Es sei dringend notwendig, die Bundeswehr gemäß den Herausforderungen der Einsätze weiterzuentwickeln. Im Klartext: "Die Wehrpflicht muss abgeschafft werden, die Lösung ist eine Freiwilligenarmee."
Die Wehrpflicht sei "sicherheitspolitisch überflüssig", sagte Paul Schäfer, verteidigungspolitischer Sprecher der Linken. Das Wehrdienständerungsgesetz werde "als letzter Versuch zur Rettung der Wehrpflicht in die Geschichte eingehen".
In Deutschland herrsche "schreiende Wehrungerechtigkeit", nur ein kleiner Teil eines Jahrgangs werde überhaupt eingezogen. Die Wehrpflichtigen würden ebenso wie die Zivildienstleistenden als "billige Arbeitstiere" gebraucht, durch die freiwillige Verlängerung werde zudem Druck auf die Zivildienstleistenden ausgewirkt. "Wir fordern die Aufhebung der Wehrpflicht als Schritt zur nötigen Abrüstung in Deutschland", schloss Schäfer.
Energisch verteidigte Dorothee Bär (CDU/CSU) die geplanten Änderungen als "ganz großartigen Entwurf, für den sich die "Zivis" und die Träger bedanken werden." Die Verlängerung des Zivildienstes könne Lücken zum Ausbildungsbeginn schließen, die Koalition habe zudem alles getan, um die Freiwilligkeit zu gewährleisten. So könnten die Zivildienstleistenden den Zusatzdienst jederzeit abbrechen. Der Opposition warf die CSU-Politikerin "Affengebrüll" vor.