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Koalition und Opposition haben am Freitag, 2. Juli 2010, in der Beurteilung der Ergebnisse des G8- und G20-Gipfels in Kanada eine unterschiedliche Bilanz gezogen: SPD, Die Linke und auch Bündnis 90/Die Grünen warfen der Bundesregierung vor, bei dem Treffen von Vertretern der sieben wichtigsten Wirtschaftsnationen und Russlands sowie der wichtigsten Schwellenländer versagt zu haben. Besonders bemängelten sie, Bundeskanzlerin Merkel habe sich nicht genügend für einen Beschluss einer internationalen Finanztransaktionssteuer eingesetzt.
CDU/CSU und FDP wiesen diese Kritik als unberechtigt zurück und betonten stattdessen die Verhandlungserfolge der Kanzlerin. So sei etwa gelungen, Unterstützung für den deutschen Spar- und Haushaltkonsolidierungskurs zu bekommen, den vor allem US-Präsident Obama öffentlich kritisiert habe.
Anlass für die rund 60-minütige Debatte im Plenum war eine Große Anfrage der SPD zur "Umsetzung der Ergebnisse im Bereich der Wirtschafts- und Finanzpolitik der G8- und G20-Gipfel durch die Bundesregierung" (17/1796, 17/2295). Auch Die Linke hatte zu dem Gipfel in Toronto einen Antrag (17/2232) vorgelegt, der im Anschluss an die Aussprache zur weiteren Beratung in die zuständigen Ausschüsse überwiesen wurde.
Garrelt Duin, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD, brachte zu Beginn seiner Rede seinen Ärger zum Ausdruck, dass die Bundeskanzlerin nicht selbst ins Plenum gekommen sei, um zu den Ergebnissen des Gipfels eine Erklärung abzugeben. Das wäre den hohen Erwartungen, die die Öffentlichkeit mit diesem Treffen in Kanada verknüpft habe, angemessen gewesen, so der Abgeordnete.
Insbesondere auch, weil kaum eine der Verabredungen, die die Staatschefs auf früheren Gipfeln wie etwa in Pittsburgh getroffen hätten, in Kanada in die Realität umgesetzt worden seien. "Das ist schlimm", betonte Duin, "gerade weil es die Menschen an der Handlungsfähigkeit der Politik zweifeln lässt."
Die Bundesregierung sei gescheitert - und das nicht zum ersten Mal, sagte der SPD-Politiker mit Blick auf den letzten Klimagipfel in Kopenhagen. Er forderte eine klarere, verbindlichere Politik, sonst würden sich immer mehr Bürger von der Politik abwenden. Schon jetzt sei im Internet eine "Radikalisierung" erkennbar, warnte Duin.
Für die Bundesregierung nahm Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble zu diesen Vorwürfen Stellung. Duins Kritik wehrte der Bundesfinanzminister so auch als "unangemessenen Diskussionsbeitrag" ab. Die Prozesse in der G20-Gruppe seien "schwierig", gab er zu. Natürlich habe man sich Beschlüsse, etwa zu einer internationalen Finanztransaktionsteuer, gewünscht, doch müsse man zur Kenntnis nehmen, dass diese von vielen Ländern, darunter China, Kanada oder Indien, nicht gewünscht würden. Daran könne auch die Bundeskanzlerin nichts ändern.
Stattdessen sei es der Regierungschefin aber gelungen, sich mit ihrer Forderung nach einer "maßvollen Rückführung" der staatlichen Schuldenpolitik durchzusetzen. "Unsere Exitstrategie, in der wir auf intelligentes Sparen setzen ohne die Konjunktur zu beschädigen, war erfolgreich", unterstrich Schäuble.
Der Finanzminister kündigte an, die Bundesregierung werde sich nun, da eine internationale Lösung für eine Finanztransaktionsteuer nicht umsetzbar gewesen sei, für eine europäische Steuer einsetzen. "Das wird nicht leicht, aber wir machen das zusammen mit Frankreich."
Ulla Lötzer, Sprecherin der Linksfraktion für internationale Wirtschaftspolitik und Globalisierung, wollte sich von diesem Optimismus des Finanzministers nicht anstecken lassen. Aus Sicht ihrer Fraktion haben die G20 angesichts der Krise versagt. Die Bundesregierung bezeichnete Lötzer dafür als Hauptverursacher. Weder gebe es bislang eine Bankenabgabe noch Lösungen zur Eindämmung von Spekulationen auf Nahrungsmittel, Rohstoffe oder Währungen.
Auch fehle noch immer eine Überwachung der Ratingagenturen. Einer europäischen Agentur, die sinnvoll wäre, stelle sich die Bundesregierung aber entgegen, klagte Lötzer. Dass Schäuble nun eine europäische Finanztransaktionsteuer anstrebe, begrüßte die Politikerin zwar, forderte aber dazu einen Vorratsbeschluss des Bundestages - "so wie es auch andere Parlamente getan haben".
Dr. Volker Wissing (FDP), Vorsitzender des Finanzausschusses, bezeichnete den G20-Gipfel hingegen als "großen Erfolg". Die Kritik am Konsolidierungskurs der Bundesregierung sei verstummt. Das sei die Botschaft von Toronto: "Der Gegenwind ist zum Rückenwind geworden." Zudem fand der Liberale lobende Worte für die schwarz-gelben Koalition. Deren wachstumsorientierte Sparpolitik zahle sich bereits aus - Millionen Arbeitsplätze würden so gesichert.
Der Opposition, insbesondere SPD und Linksfraktion, hielt Wissing vor, mit ihrer politischen Agenda des Schuldenmachens gescheitert zu sein: "Sie brauchen ein neues Konzept!" Weltweit finde inzwischen politische Neuausrichtung "weg vom Schuldenmachen" statt.
Das Sparpaket der Bundesregierung sei darauf nur ein Vorgriff. Dennoch beruhe der eingeschlagene Sparkurs nicht allein auf der Euro-Krise, betonte der Politiker, sondern sei auch der demografischen Entwicklung in Deutschland geschuldet. Steuererhöhungen, die die Opposition fordere, seien von den Menschen nicht mehr bezahlbar.
Christine Scheel, Mitglied der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Wirtschaftsausschuss, versuchte, in ihrer Rede zunächst auch die positiven Ergebnisse des G20-Gipfels zu nennen. Die Exitstrategie sei beispielsweise sehr zu begrüßen, so Scheel. Dennoch fehlen aus Sicht der Bündnisgrünen die notwendigen Kriterien für die Konsolidierung. "Kein Kompass, keine nachhaltigen Wachstumsideen", hielt Scheel der Bundesregierung vor.
Bedauerlich nannte sie es auch, dass Kanzlerin Merkel es versäumt habe, in Toronto Regelungen zu Klimaschutz und erneuerbaren Energien anzustoßen. Solche wichtigen Themen hätten sich nur unter "Sonstiges" auf der Tagesordnung des Gipfels befunden, monierte Scheel.
Positiv beurteilte sie hingegen Schäubles Ankündigung, sich nun für eine europäische Finanztransaktionsteuer einsetzen zu wollen. Scheel zeigte sich zwar neugierig, wie die Union diese Idee der FDP schmackhaft machen werde, die eine europäische Steuer ablehne, signalisierte aber die Zustimmung der Grünen zu diesem Projekt.
Dr. Mathias Middelberg, Mitglied der Union im Finanzausschuss, betonte hingegen die Fortschritte, die die deutsche Regierung in Toronto für sich verbuchen konnte: "Die Haltung der USA in der Frage der Konsolidierung ‚umzudrehen" ist ein Kernerfolg", lobte der CDU-Politiker. Natürlich sei eine Lösung in der Frage der Finanztransaktionsteuer "erfreulich" gewesen, "aber man ist nicht allein auf der Welt".
Auch Middelberg unterstützte die Initiative zu einer europäischen Lösung, warnte aber davor, den Menschen "Sand in die Augen zu streuen". Die Steuer sei zwar ein wichtiger Beitrag, die Kosten der Krise abzufedern. Künftige Krisen verhindern könne sie aber nicht. Wichtig seien daher andere Maßnahmen, die die Bundesregierung bereits beschlossen habe.
Middelberg nannte in diesem Zusammenhang unter anderem die Änderung der Vergütungsregeln für Manager. "Wir haben festgeschrieben, dass nur noch höchstens 50 Prozent als flexible Vergütung ausgezahlt werden dürfen - und wir haben dafür gesorgt, dass es künftig nicht nur den Bonus, sondern auch den Malus gibt." Das seien "vorbeugende Regelungen", um die "menschliche Gier" einzuschränken, erklärte Middelberg.