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Die anstehende Reform der Bundeswehr stand am Mittwoch, 15. September 2010, im Mittelpunkt der Debatte um den Etat des Verteidigungsministeriums für das Jahr 2011. Die in diesem Zusammenhang von Verteidigungsminister Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) angekündigte Reduzierung der Streitkräfte, mit der auch eine Aussetzung der Wehrpflicht einhergehen soll, fand unter den Rednern aller Fraktionen grundsätzliche Zustimmung. Der FDP-Haushaltsexperte Jürgen Koppelin etwa erinnerte daran, dass seine Partei schon lange eine Freiwilligenarmee gefordert habe. Der Unionsabgeordnete Ernst Reinhard Beck wiederum räumte ein, dass er durchaus "Wehmut“ angesichts einer Abschaffung der Wehrpflicht habe. Diese habe schließlich "viele Jahrzehnte lang die Sicherheit Deutschlands garantiert“.
Kritik seitens der Opposition gab es an der Vorgehensweise des Verteidigungsministers. Für mehr "Sorgfalt statt Eile“ sprach sich der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold aus. Der Minister hingegen "prescht stets mit neuen Überschriften vor“.
Aus Sicht von Alexander Bonde (Bündnis 90/Die Grünen) wiederum geht die Politik zu Guttenbergs "über Ankündigungen nicht hinaus“. Paul Schäfer (Linksfraktion) warnte davor, die Bundeswehr zu einem flexibel einsetzbaren "Expeditionskorps“ zu machen.
Grundlage der bevorstehenden Reform der Bundeswehr, so erläuterte Verteidigungsminister zu Guttenberg, sei eine "sicherheitspolitische Analyse“ gewesen. Danach gehe sein Ministerium von einem "absoluten Mindestumfang“ von 163.500 Soldaten aus. Derzeit sind es 250.000. "Der Umfang darf nicht tiefer, kann aber durchaus höher ausfallen“, sagte der Minister.
Auch angesichts dieser geplanten Reduzierung stelle sich die Frage der Wehrform, die in "untrennbarem Zusammenhang zu Umfang, Auftrag und Strukturen steht“. Die Auseinandersetzung damit sei schwierig, "auch für mich“, sagte zu Guttenberg. Gleichwohl sei für einen sechsmonatigen Wehrdienst keine sicherheitspolitische Begründung zu finden. "Wir wollen keine Mängelverwaltung, sondern gestalten“, machte er deutlich. Dabei hoffe er auf "parteiübergreifende Entscheidungen“, auch um der Truppe künftig eine Perspektive zu bieten, die "von einer breiten Mehrheit getragen wird“.
Es sei wichtig, dass die Soldaten Vertrauen in die Politik haben, befand auch Rainer Arnold (SPD). Der Verteidigungsminister habe jedoch durch sein Vorgehen in den vergangenen Monaten für ein "schwindendes Vertrauen“ gesorgt. "Sie verunsichern die Truppe“, sagte Arnold an zu Guttenberg gewandt.
Er habe den Eindruck, dass einige sicherheitspolitische Entscheidungen des Ministers "tagespolitischer Opportunität geschuldet sind“. Strukturentscheidungen bei der Bundeswehr würden jedoch die internationale Handlungsfähigkeit - auch der folgenden Bundesregierungen - berühren.
Minister zu Guttenberg habe im Frühjahr 2010 durch die Festsetzung der Wehrpflicht auf sechs Monate diese faktisch abgeschafft, da auch jene, die die Wehrpflicht für richtig halten keine derart kurze Dauer unterstützen könnten. Dass er nun für eine Aussetzung plädiere, sei dem Spardruck geschuldet, sagte Arnold, der zu Guttenberg aufforderte, seine "Popularität für die Truppe zu nutzen“. Stattdessen sei der Verteidigungsminister bei Finanzminister Schäuble "der Klassenprimus im Einsparen“.
Jürgen Koppelin (FDP) zollte dem Verteidigungsminister seinen Respekt dafür, dass er es geschafft habe, die Skeptiker in der eigenen Fraktion zu überzeugen. Seine Partei habe "seit vielen, vielen Jahren gefordert, dass aus der Bundeswehr eine Freiwilligenarmee wird“.
Der SPD wiederum warf er vor, als Regierungspartei zu einer Reform nicht bereit gewesen zu sein. Auf die Forderung von Bündnis 90/Die Grünen, die Beschaffungsmaßnahmen der Bundeswehr auf den Prüfstand zu stellen, entgegnete er, derzeit werde abgearbeitet, was die rot-grüne Regierung beschlossen habe und "Milliarden“ kosten würde. Auch die Probleme mit dem Liegenschaftsmanagement stammten aus jener Zeit.
"Sie haben Milliarden in den Sand gesetzt“, sagte Koppelin. Dennoch sei für ihn klar, dass die großen Beschaffungsmaßnahmen überprüft werden müssen.
Ein Ende von Bundeswehreinsätze im Ausland forderte der Verteidigungspolitiker der Linksfraktion, Paul Schäfer. Eine Mehrheit der Bevölkerung wolle den Abzug aus Afghanistan ebenso wie eine Senkung der Rüstungsausgaben. "Die Soldaten der Bundeswehr sollen in Afghanistan nicht länger in einen Krieg gezogen werden, der nicht zu gewinnen ist“, verlangte Schäfer, der sich für eine "neue Grundrichtung“ in der Sicherheitspolitik aussprach: "Wir wollen keine Beteiligung an Kriegen in der Welt, sondern ernst machen mit Konzepten ziviler Krisenvorbeugung.“
Außerdem müsse es einen"„hundertprozentigen Ausgabestopp für Großprogramme" geben. Dass auch die "Hauptlobbyparteien“ der Koalition dort "auf die Bremse treten“ und die Rüstungslobby in die Schranken weisen wollten, erscheine ihm wie "Fantasy pur“, sagte Schäfer.
Alexander Bonde (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, seine Fraktion habe schon bei den Haushaltsberatungen im Frühjahr 2010 darauf aufmerksam gemacht, dass der Erhalt des Grundwehrdienstes zu einem finanziellen Mehrbedarf führe, der nicht durch sicherheitspolitische Gründe zu rechtfertigen sei. "Jetzt hören wir diese Sätze von Ihnen“, sagte Bonde an den Verteidigungsminister gewandt.
Er sei froh, dass zu Guttenberg "endlich aus der Verweigerungshaltung“ herauskomme. Noch jedoch gehe er dabei "nicht über Ankündigungen hinaus“. Die Aussage des Ministers, wonach es auch mehr als 163.500 Soldaten sein dürften, lasse Schlimmes befürchten, sagte Bonde und urteilte: "Bisher ist die Reform ein Papiertiger.“
Für den Unionsabgeordneten Ernst Reinhard Beck ist die angekündigte Reduzierung der Truppe auf 163.500 Soldaten "der absolut unterste Bereich dessen, was vertretbar ist“. Deutschland habe schließlich Verpflichtungen gegenüber den Bündnispartnern. Unter diesem Gesichtspunkt müssten die Zahlen noch einmal überprüft werden, verlangte Beck.
Das Ende der Wehrpflicht, welchen ihn mit "Wehmut“ erfülle bezeichnete er dennoch als richtig, da für sie keine sicherheitspolitische Begründung mehr vorhanden sei. Nun müsse es darum gehen, unter dem Motto "Leiste etwas für dein Land“ für Freiwilligendienste eine entsprechende Form zu finden. (hau)