Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > Oktober 2010 > Priorisierung bestimmter Internetangebote unter Experten umstritten
Berlin: (hib/HAU/THY) Ob bestimmte Inhalte im Internet schneller als andere transportiert werden d�rfen oder ob dies gegen die Netzneutralit�t versto�e, ist unter Experten umstritten. Das wurde w�hrend einer �ffentlichen Anh�rung der Enquete-Kommission ”Internet und digitale Gesellschaft“ am Montagnachmittag deutlich. Hintergrund der Diskussion ist die st�ndig steigende Datenmenge im Netz, die m�glicherweise zu �bertragungsengp�ssen f�hren k�nnte.
Die Transportkapazit�t sei keine unbegrenzte Ressource, sagte Thomas Aidan Curran von der Deutschen Telekom AG. Mit Netzmanagement, das der europ�ische Rechtsrahmen erlaube, glaube man das Problem vern�nftig l�sen zu k�nnen, sagte Curran. ”Nur durch diese intelligente Verkehrssteuerung kann die Funktionsf�higkeit des Netzes abgesichert werden.“ Diskutiert werden d�rfe daher nicht ob es ein Netzmanagement geben d�rfe, sondern wie dieses aussehen solle.
Die Frage, ob ein solches Netzmanagement einen Versto� gegen die Netzneutralit�t darstelle, k�nne nur beantwortet werden, wenn daf�r eine klare Definition vorliege, sagte Sebastian von Bomhard vom Internetprovider Spacenet AG. Bis vor Kurzem h�tten die Provider unter Netzneutralit�t noch die Selbstverpflichtung verstanden, den Datenschutz zu wahren und nicht in die transportierten Datenpakete hineinzuschauen. Versuche der Politik, bestimmte Inhalte zu sperren, h�tte man als Versto� gegen die Netzneutralit�t empfunden. Heute gehe es dagegen vielmehr um die Frage der ”Priorisierung von Angeboten“.
”In dem Moment, in dem in Inhalte von Datenpaketen geschaut wird oder nach Absender und Empf�nger die Entscheidung �ber die Zustellung eines Datenpakets getroffen wird, ist die Netzneutralit�t verletzt“, sagte Andreas Bogk vom Chaos Computer Club. Zwar k�nne es ”technische Gr�nde“ f�r eine andere Behandlung geben, doch m�sse die ”demokratische Vielfalt im Wettbewerb“ erhalten bleiben. Schlie�lich sei Netzneutralit�t nicht nur ein wirtschaftliches sondern auch ein ”demokratisches Thema“.
Er k�nne sich nicht vorstellen, wie eine Priorisierung eines bestimmten Dienstes ohne die gleichzeitige Diskriminierung eines anderen Angebotes erfolgen solle, sagte Falk L�ke von der Verbraucherzentrale Bundesverband. Im Interesse der Verbraucher sei es nicht w�nschenswert, dass �ber die Ma�gabe der Priorisierung eine ”Verknappung der Bandbreite“ angestrebt werde, durch die Anbieter h�here Preise erzielen k�nnten, indem bestimmte Dienste nicht mehr im Grundangebot enthalten seien, sagte er. Aus Verbrauchersicht sei zudem das so genannte Best-Effort-Modell, also die pauschale Qualit�tszusicherung der Netzbetreiber, sehr erfolgreich und sollte Bestand haben.
Der Wirtschaftsrechtler Simon Schlauri von der Universit�t Z�rich vertrat die Ansicht, dass eine Priorisierung n�tig sei, um bestimmte Dienste �berhaupt anbieten zu k�nnen. Dazu geh�re etwa das Internet-Fernsehen, sagte Schlauri. Gleichwohl bestehe bei der Zulassung der Priorisierung ohne Rahmenbedingungen das Risiko, ”das Provider anfangen, priorisierte Leitungen zu verkaufen oder Exklusivertr�ge mit Anwendungsanbietern zu schlie�en“. Dadurch k�nne der ”Best-Effort-Weg zum Feldweg verkommen“. Dem k�nne man entgegenwirken, indem Anbieter, die priorisierte Leitungen gegen Geld anb�ten, dazu verpflichtet werden, in Zeiten, in denen es keine Engp�sse gibt, auch einen Best-Effort-Kanal zu einem angemessenen Preis freizuhalten.
Tim Mois von der Sipgate GmbH, einem Internet-Telefonie-Anbieter, lehnt eine grunds�tzliche Priorisierung ab. Es ergebe sich dann eine Situation, in der jemand anderes als der Sender und Empf�nger �ber Inhalte und Dienste des Internets entscheiden k�nnte, sagte Mois.
Dies w�rde die Frage nach der grunds�tzlichen Bedeutung des Internets f�r die Gesellschaft aufwerfen. Seiner Auffassung nach k�nne die technische Fragestellung, ob sich mit Priorisierung wirtschaftlichere Netze bauen lie�en, keine Veranlassung sein, an der stabilen und funktionierenden Situation des heutigen Internets �nderungen vorzunehmen.
Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
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