Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > Januar 2011 > Landesminister erläutert Regierungsentscheidung für Gorleben
Berlin: (hib/JR/BOB) Niedersachsens langjähriger Sozialminister Hermann Schnipkoweit (CDU) hat vor dem Ersten Untersuchungsausschuss die Entscheidung der damaligen Landesregierung für Gorleben als Kandidat einer atomaren Endlagerstätte verteidigt. ”Ich habe bis heute noch niemanden kennengelernt, der einen anderen Standort vorschlägt“, sagte er. ”Wir haben für Gorleben entschieden, weil wir den Standpunkt hatten, dort sei der beste Salzstock“. Und Wissensstand sei gewesen, dass Salz sich am besten als Wirtsgestein für radioaktiven Müll eigne.
Das niedersächsische Kabinett unter Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) hatte Ende der Siebziger Jahre für Gorleben als möglichen Standort plädiert. Der Gorleben-Untersuchungsausschuss des Bundestags untersucht, ob die Bundesregierung bei ihrer späteren Entscheidung im Jahr 1983 für Gorleben als einziger zu untersuchender möglicher Standort für radioaktiven Müll politischen Einfluss auf Wissenschaftler genommen hat – ob es zu Manipulationen gekommen ist.
Schnipkoweit, in dessen Ministerressort die Atomaufsicht Ende der Siebziger Jahre fiel, sagte vor dem Ausschuss, für ihn als ehemaligen Bergmann sei es immer wichtig gewesen, einen ”unverritzten“ Salzstock vorzuziehen; so heißt untertägiges Gelände, in dem noch kein Bergbau betrieben worden ist. ”Eine interessante Geschichte war auch, dass mit einer möglichen Anlage viele Jobs geschaffen worden wären“, sagte er. Gorleben lag in einem an Infrastruktur armen Zonenrandgebiet. ”Das ist auch eine kleine Überlegung dabei gewesen“, sagte Schnipkoweit. Ursprünglich war nicht nur ein Endlager geplant gewesen, sondern ein größerer nuklearer Komplex samt Wiederaufarbeitungsanlage.
Während der Ausschusssitzung hielten die Oppositionsfraktionen der SPD, Grünen und Linken Schnipkoweit ministerielle Vermerke vor, die Zweifel an der Eignung Gorlebens beschrieben. Zu einem Vermerk aus seinem Ministerium aus dem Jahr 1980, der Bedenken wegen bei Probebohrungen vorgefundener Anhydritschichten äußerte, sagte Schnipkoweit: ”Das habe ich bestimmt nicht geschrieben.“ Auch an einen Vermerk vom 3. Juli 1981 könne er sich nicht erinnern, sagte er. Dort wurden Zweifel an der Sicherheit des Gorlebener Salzstocks geäußert, weil die Wissenschaftler auf Gas gestoßen waren. ”Selbst wenn es so ist, heißt das nicht, dass der Salzstock ungeeignet ist“, sagte Schnipkoweit. Der Vermerk aus dem Landeswirtschaftsministerium, abgestimmt mit Schnipkoweits Sozialressort, schrieb weiterhin von einer Diskussion in der Bundesregierung über mögliche andere Standorte als Gorleben – wegen dieser Bedenken. ”Daran habe ich keine Erinnerung“, sagte der 82-Jährige.
Schnipkoweit bestätigte allerdings, einen Vermerk seines Hauses an den damaligen Ministerpräsidenten Erst Albrecht abgezeichnet und weitergeleitet zu haben; aus diesem Schriftstück vom 3.Juli 1981 gingen eindeutig Zweifel an der Eignung des Salzstockes hervor. Es heißt in ihm: ”Sowohl die hydrogeologischen Gegebenheiten im Deckgebirge als auch der innere Aufbau des Salzstockes bestätigen früher geäußerten Zweifel an der Eignung des Salzstockes, zumindest für die Einlagerung wärmeentwickelnder (hochaktiver) Abfälle.“
Vor dem Ausschuss verteidigte der Minister von 1976 bis 1990 auch die Entscheidung, den Gorlebener Salzstock nach Bergrecht zu erkunden – und nicht nach Atomrecht; letzteres hätte die Öffentlichkeit mehr einbezogen. ”Mit den Bergämtern wurden Behörden einbezogen, die etwas davon verstehen“, sagte er. ”Die Bergbehörden achten immer besonders stark auf Sicherheit.“ Zur atomrechtlichen Alternative sagte er: ”Ob Öffentlichkeit immer notwendig ist, kann man auch anders sehen.“
Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Verantwortlich: Jörg Biallas
Redaktion: Dr. Bernard Bode, Claudia Heine, Alexander Heinrich, Michael Klein, Hans-Jürgen Leersch, Jörg Müller-Brandes, Monika Pilath, Dr. Verena Renneberg, Helmut Stoltenberg, Alexander Weinlein