Er ist der oberste Wächter über die Bundestagswahl, aber seine Arbeit findet nur selten im Licht der Öffentlichkeit statt: der Bundeswahlleiter. Aufmerksamkeit erregt er vor allem, wenn er alle vier Jahre in der Wahlnacht vor die Fernsehkameras tritt und das vorläufige amtliche Endergebnis bekannt gibt. Doch seine Aufgaben sind wesentlich umfassender: Der Bundeswahlleiter ist nicht nur für den reibungslosen Ablauf der Bundestagswahl verantwortlich, er klärt auch alle rechtlichen und organisatorischen Fragen im Vorfeld der Wahl.
Wenn der Deutsche Bundestag gewählt wird, dann passiert das nach einem ganz klar festgelegten Verfahren: Die Abläufe sind, von der Wahlvorbereitung zum Wahlakt, über die Feststellung des Ergebnisses bis hin zur Mandatsannahme durch die Gewählten im Bundeswahlgesetz und in der Bundeswahlordnung geregelt. Die Leitung und die Aufsicht über die Abläufe haben die unabhängigen Wahlorgane.
Ein solches Wahlorgan ist der Bundeswahlleiter. Er ist gemeinsam mit dem Bundeswahlausschuss für die Organisation der Bundestags- und Europawahlen zuständig, hinzu kommen die Landeswahlleiter und Landeswahlausschüsse sowie die Kreiswahlleiter mit ihren Wahlausschüssen, die im Übrigen auch für Landtags- und für Kommunalwahlen die Verantwortung tragen.
Der Bundeswahlleiter ist aber nicht nur ein Wahlorgan, sondern auch eine Person: Er heißt Roderich Egeler und ist seit dem 1. August 2008 im Amt. Wie schon seine Vorgänger wurde der 58-jährige Volkswirt vom Bundesinnenminister auf unbestimmte Zeit ernannt. Und wie alle neun Bundeswahlleiter (acht Männer und eine Frau) vor ihm, ist auch Egeler Präsident des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden.
Seit der Gründung der Bundesrepublik 1949 werden diese beiden Ämter stets miteinander gekoppelt. Eine Tradition, die aber noch älter ist: Schon bei den Reichstagswahlen in der Weimarer Republik war der Präsident des Statistischen Reichsamtes auch Reichswahlleiter. Die Ähnlichkeit der Aufgaben und vor allem die technischen Möglichkeiten, über die der oberste Statistiker verfügte, hatten sich schon damals als vorteilhaft erwiesen.
Seine Aufgabe sei im Grunde „ein Service“ für die Wähler, so umriss Johann Hahlen – der Bundeswahlleiter von 1995 bis 2007 – einmal seine Arbeit. In der Tat ist der Bundeswahlleiter nicht Teil einer staatlichen Behörde, sondern eine Einrichtung der gesellschaftlichen Selbstorganisation. Er überwacht somit im Namen der Allgemeinheit den ordnungsgemäßen Ablauf der Wahl.
So ist er auch derjenige, der Beschwerden gegen Entscheidungen von Landeswahlausschüssen annimmt und die Entscheidung des Bundeswahlausschusses vorbereitet. Gemeinsam mit seinem Team und in Absprache mit den Landes- und Kreiswahlleitern, organisiert der Bundeswahlleiter die Bundestagswahl. So bildet er zunächst den Bundeswahlausschuss, der neben ihm als Vorsitzenden aus acht Wahlberechtigten als Beisitzern besteht. Den Löwenanteil der Vorbereitungen übernehmen jedoch die Landeswahlleiter und die Gemeinden: Sie erstellen die Wählerverzeichnisse, versenden Wahlbenachrichtigungen und richten Wahllokale ein.
Dem Bundeswahlleiter kommt hier eine wichtige Koordinierungs- und Kontrollfunktion zu: Er klärt organisatorische Fragen oder löst rechtliche Probleme, die nahezu vor jeder Wahl auftreten. So beschäftigte den Bundeswahlleiter bei der Bundestagswahl 2009 unter anderem die Frage, ob die Freie Union mit der ehemaligen Fürther Landrätin Gabriele Pauli als Vorsitzender trotz eines Fristversäumnisses zur Wahl zugelassen werden kann. Der Bundeswahlausschuss unter Vorsitz des Bundeswahlleiters Egeler schloss sich im August dem bayerischen Landeswahlausschuss an und lehnte dies ab.
Doch der Bundeswahlleiter ist nicht nur Ansprechpartner für die Landes- und Kreiswahlleiter, sondern auch für die Bürger, die selbst politisch aktiv werden wollen. Wer plant, eine Partei zu gründen und bei der Wahl teilzunehmen, wird mit dem Bundeswahlleitern Kontakt aufnehmen. Er ist nämlich derjenige, der die offizielle Anzeige über die Beteiligung zur Wahl prüft und entscheidet, ob eine Partei zugelassen wird.
Dafür gibt es vor allem zwei Voraussetzungen: Die Partei hat sich zum einen wirklich an der Willensbildung in einem Parlament beteiligen zu wollen, zum anderen muss sie Mitglieder nachweisen können und in der Öffentlichkeit präsent sein. Mehr als 50 Parteien bewarben sich bei der diesjährigen Bundestagswahl um eine Teilnahme, darunter auch Exoten wie die „Bibeltreuen Christen“ oder die Global Future Party“. Eine inhaltliche Kontrolle über die innere Ordnung der Parteien übt der Bundeswahlleiter jedoch nicht aus. Er prüft nur die Mindestanforderungen, die das Parteiengesetz stellt, denn schließlich ist die Gründung von Parteien nach Artikel 21 Absatz 1 des Grundgesetzes frei.
Nach dem Schließen der Wahllokale kommt die große Stunde des Bundeswahlleiters: Meist in den frühen Morgenstunden gibt er öffentlich das vorläufige amtliche Endergebnis bekannt. Doch beendet ist seine Aufgabe damit noch nicht: Während sich Politik und Öffentlichkeit schon mit den Konsequenzen der Wahl beschäftigen, geht hinter den Kulissen die Arbeit weiter: So müssen vor allem die Ergebnisse der Landeslistenwahl ermittelt werden, damit klar ist, wer über die sie in den Bundestag einziehen kann. Etwa zwei Wochen später steht schließlich das amtliche Endergebnis fest und kann veröffentlicht werden.
Dann ist auch für den Bundeswahlleiter die Wahl vorbei und er kann sich seinem eigentlichen Tätigkeit widmen: Der Leitung des Statistischen Bundesamts. Bis zur nächsten Wahl.