Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2010 > Zusatzbeiträge
Die Ankündigung mehrerer gesetzlicher Krankenkassen aufgrund einer Finanzlücke im Gesundheitsfonds Zusatzbeiträge für ihre Versicherten zu erheben, ist bei SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf Kritik gestoßen. Die Sonderzahlungen seien "unsozial" und müssten wieder abgeschafft werden, so ihre Forderung. Die Fraktionen haben dazu zwei Anträge eingebracht, die der Bundestag am Donnerstag, 4. März 2010, ab 10.25 Uhr 75 Minuten lang in erster Lesung berät.
Die SPD protestiert in ihrem Antrag (17/879) gegen die erhobenen Zusatzbeiträge: Die gesetzlichen Krankenkassen litten zwar an den krisenbedingten höheren Ausgaben und Einnahmeausfällen, doch pauschale Zusatzbeiträge zu erheben, um die Finanzlücke zu schließen, hält die Fraktion für den falschen Weg.
Pauschale Zusatzbeiträge hätten einen Umverteilungseffekt, in dem sie die Bezieher höherer Einkommen entlasteten und die Bezieher niedrigerer Einkommen prozentual stärker belasteten, schreibt die SPD in ihrer Vorlage. Die Einführung dieser einkommensunabhängigen Pauschale wertet sie als "faktischen Einstieg in das System der Kopfpauschale" und fordert, die Zusatzbeiträge abzuschaffen.
Wenn in Zukunft der faktische Finanzbedarf ausschließlich über zusätzliche Beiträge gedeckt werde, entspreche dies zudem einer Festschreibung des Arbeitgeberanteils und einer gänzlichen Aufhebung der paritätischen Finanzierung, moniert die Fraktion.
Um die für 2010 prognostizierte Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben der Kassen in Höhe von 7,9 Milliarden Euro zu schließen, reiche der angekündigte einmalige Zuschuss der Bundes von 3,9 Milliarden bei weitem nicht aus, kritisiert die SPD weiter. Sie verlangt stattdessen in ihrem Antrag, durch gesetzliche Regelungen müssten alle "Effizienz- und Wirtschaftlichkeitsreserven" in der Grundversorgung erschlossen werden.
Außerdem solle ein Finanzausgleich zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung eingeführt werden, der Unterschiede bei der Morbidität und Finanzkraft der Kasse berücksichtigt, heißt es weiter im Antrag der Sozialdemokraten. Darüber hinaus fordert die Fraktion, zu paritätisch finanzierten Beitragssätzen zurückzukehren. Bis Ende 2010 solle die Bundesregierung außerdem ein Konzept zur Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung vorlegen.
Auch Bündnis 90/Die Grünen kritisieren in ihrem vorliegenden Antrag (17/674) die Auswirkungen der Zusatzbeiträge als "höchst unsozial". Arbeitnehmer, Arbeitslose und Rentner würden einseitig belastet, da Arbeitgeber und Sozialversicherungsträger an der Finanzierung nicht beteiligt seien.
Um diese Ungerechtigkeiten zu beheben, sollten die Zusatzbeiträge bei der nächsten Gesundheitsreform wieder aufgehoben werden, fordert die Fraktion. Die für den Krankenversicherungsschutz notwendigen Ausgaben müssten vollständig über einkommensunabhängige Beiträge finanziert werden. Diese mittelfristige Perspektive sei jedoch nicht ausreichend, so heißt es im Antrag.
Bündnis 90/Die Grünen fordern den Bund auf, die Zusatzbeiträge zur Krankenversicherung von Langzeitarbeitslosen zu übernehmen. Die Bezieher von Arbeitslosengeld II müssten bei einem Zusatzbeitrag von acht Euro mehr als ein Prozent ihres Einkommens dafür aufwenden. "Sie müssen den Zusatzbeitrag aus ihrem Regelsatz begleichen, ohne dass diese zusätzliche Belastung bei der Berechnung der Regelsätze berücksichtigt worden wäre", bemängelt die Fraktion.
Angesichts des strukturellen Defizits beim Gesundheitsfonds würden schon bald die meisten Kassen einen Zusatzbeitrag verlangen, heißt es in der Vorlage weiter. Deshalb seien die "Fluchtmöglichkeiten" von Arbeitslosengeld-II-Beziehern begrenzt. Die Langzeitarbeitslosen würden "faktisch von Kasse zu Kasse getrieben". Damit sei für die betroffene Personengruppe das soziokulturelle Existenzminimum "akut infrage gestellt" und "schnelles Handeln erforderlich".