Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2010 > Haiti
Als im Januar in Haiti die Erde bebte, verloren über 200.000 Menschen ihr Leben, etwa 300.000 wurden verletzt, die Schäden belaufen sich auf mehrere Milliarden Euro. Auch über zwei Monate nach dem verheerenden Erdbeben befindet sich der Karibikstaat im Ausnahmezustand: Rund 1,3 Millionen Haitianer sind obdachlos oder leben in Notunterkünften, internationale Hilfsorganisationen haben noch immer alle Hände voll zu tun. Die haitianische Regierung schätzt die Kosten für den Wiederaufbau des Landes auf 8,4 Milliarden Euro. Nachdem die EU für die nächsten drei Jahre bereits Wiederaufbauhilfen über rund eine Milliarde Euro in Aussicht gestellt hat, berät nun auch der Bundestag über die Unterstützung Haitis. Am Donnerstag, 25. März 2010, beraten die Abgeordneten ab 16.20 Uhr über einen entsprechenden Antrag der Koalitionsfraktionen (17/1157). Außerdem entscheiden sie über drei Anträge der Opposition zu dem Thema.
Die SPD verlangt in ihrer Vorlage (17/885) ein "langfristig angelegtes Gesamtkonzept, das die unterschiedlichen Wiederaufbaumaßnahmen koordiniert, bündelt und die benötigten Mittel verwaltet". Unter anderem soll der EU-Lateinamerika-Gipfel dazu genutzt werden, ein regionales Wiederaufbaukonzept zu erarbeiten, heißt es in dem Antrag.
Nach Willen der Sozialdemokraten soll sich Deutschland außerdem auf einer für Ende März geplanten Wiederaufbaukonferenz in New York für einen langfristigen Aufbauplan einsetzen und sich selbst "mit ausreichenden Mitteln" an einem nachhaltigen Wiederaufbau Haitis beteiligen.
Die Bundesregierung solle die ländliche Entwicklung in dem Land sowie den Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen in Haiti fördern, schreiben die Abgeordneten. Darüber hinaus fordern sie, die Bundesrepublik müsse die Zivilgesellschaft und Demokratisierungsprozesse stärken sowie den Aufbau von Bildungs-, Gesundheits- und sozialen Sicherungssystemen vorantreiben.
Auch Bündnis 90/Die Grünen und die Linksfraktion fordern eine "nachhaltige Hilfe für Haiti". Der Antrag der Grünen (17/791) sieht dabei unter anderem einen Sondertitel für Wiederaufbauhilfe im Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vor. In den kommenden fünf Jahren wollen die Grünen so 600 Millionen Euro in den "nachhaltigen Wiederaufbau Haitis" investieren.
An die Bundesregierung appellieren sie, sich in den Gremien der wichtigen multilateralen Gläubiger, für "eine komplette Entschuldung Haitis" stark zu machen.
Auch die Linksfraktion fordert in ihrem Antrag (17/774) eine "sofortige, vollständige und bedingungslose Entschuldung“ des Landes. Ähnlich wie Bündnis 90/Die Grünen will Die Linke einen Sondertitel für die Haiti-Hilfe: Über die kommenden vier Jahre hinweg, sollen so jährlich "mindestens 100 Millionen Euro“ bereitgestellt werden.
Darüber hinaus sind den Abgeordneten der Linksfraktion die militärischen Einsätze in Haiti ein Dorn im Auge. Sie wollen die "militärische Präsenz der USA in Haiti“ beendet und die "Entsendung einer EU-Militärmission“ gestoppt sehen. Die UN-Mission Minustah soll durch eine zivile Aufbaumission ersetzt werden.
Inzwischen hat sich der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit den drei Anträgen der Opposition auseinandergesetzt. Während der Ausschuss die Anträge der Linksfraktion und der Grünen bereits Anfang März in einer Beschlussempfehlung (17/1099) ablehnte, konnte am 24. März auch die SPD-Vorlage keine Mehrheit im Ausschuss finden (17/1214).
Unterdessen erkennen auch Union und FDP die Notwendigkeit einer stärkeren Koordination der internationalen Hilfen. In einem entsprechenden Antrag gibt die Koalition eine gemeinsame Linie bei der internationalen Unterstützung des Wiederaufbaus als Ziel aus; so soll deren Effizienz gesteigert werden. Das Thema soll bei der New Yorker Konferenz angesprochen werden.
Des Weiteren fordern die Fraktionen, dass sich Deutschland für eine langfristige Strategie der EU-Kommission einsetzt, "welche humanitäre Soforthilfe, Nothilfe, Wiederaufbau und langfristige Entwicklung verbindet".
Der Forderung der Linksfraktion, die Minustah-Mission zu beenden, erteilen die Abgeordneten von CDU/CSU und FDP eine Absage. Minustah solle vielmehr weiterhin an einer "Etablierung funktionierender staatlicher Sicherheitsstrukturen" arbeiten, schreiben sie.
Dagegen greifen Union und FDP den Vorschlag eines "umfassenden" Schuldenerlasses für Haiti bei multilateralen Gläubigern wieder auf. Außerdem wollen die Regierungsfraktionen den Kampf gegen illegale Adoptionen und Kinderhandel in dem Land im Rahmen der EU und der Vereinten Nationen unterstützen.