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Welche politische Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung zu ziehen ist, in dem die Karlsruher Richter Anfang März die derzeitige gesetzliche Regelung für die Speicherung von Telefon- und Internetverbindungen als grundgesetzwidrig bezeichnet hatten, ist nicht nur zwischen Koalition und Opposition umstritten: Auch FDP und Union waren sich in dieser Frage uneins. Das zeigte sich deutlich in der 90-minütigen Debatte, die der Bundestag am Freitag, 26. März 2010, über einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen (17/1168) führte.
Damit wendet sich die Fraktion gegen jegliche Vorratdatenspeicherung - sowohl in Deutschland als auch in Europa. Die Bundesregierung solle sich dafür einsetzen, dass die geltende europäische Richtlinie aufgehoben und auch zukünftige Vorhaben zur Datenspeicherung wieder fallengelassen werden, das forderte Dr. Konstantin Notz von Bündnis 90/Die Grünen zu Beginn der Debatte im Plenum, nach deren Ende die Vorlage zur weiteren Beratung in die zuständigen Ausschüsse überwiesen wurde.
"Vorratsdatenspeicherung ist verfassungswidrig und nutzlos"
Das Bundesverfassungsgericht habe mit seinem Urteil die Vorratsdatenspeicherung für nichtig erklärt, so Notz, der in seiner Fraktion zuständig ist für Datenschutz und Bürgerrechtsfragen. Aus dem Urteil müsse die Bundesregierung nun Konsequenzen ziehen. Der Abgeordnete warf der Koalition zudem vor, beim Thema Datenschutz „unglaubwürdig und schizophren“ zu argumentieren: "Da geißelt die Verbraucherschutzministerin Google Streetview, gleichzeitig befürworten Sie die massenhafte Speicherung von Internetdate
Auch den Nutzen dieser Maßnahme zog Notz in Zweifel: Studien belegten, dass nur bei 0,01 Prozent der Straftaten gespeicherte Daten zur Aufklärung beigetragen hätten. "In 99,9 Prozent der Fälle ist die Vorratsdatenspeicherung also absolut nutzlos - und dafür wollen Sie die verfassungsrechtliche Identität Deutschlands aufbohren?“
"Schutz vor Terrorismus und organisierter Kriminalität"
Michael Grosse-Brömer, rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, widersprach Notz ausdrücklich: Die Karlsruher Richter hätten die Vorratsdatenspeicherung keineswegs für nichtig erklärt. Die Vorratsdatenspeicherung sei von ihnen sogar als "per se geeignet und notwendig zur Aufklärung schwerer Verbrechen“ wie Terrorismus und organisierter Kriminalität beurteilt worden. Nur die Datensicherheit und die Verarbeitung der gespeicherten Verbindung nach der bisherigen Regel sei moniert worden.
"Der Schutz der Menschen ist aber auch ein Wert“, betonte Grosse-Brömer. "Die Bürger haben einen Anspruch auf eine effektive Strafverfolgung durch den Staat!“ Sie würden auch erwarten, dass die zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt werden, argumentierte der CDU-Politiker. Er kündigte an, die Koalition werde das Karlsruher Urteil genau analysieren und dann das "Datenschutzkorsett des Gerichts gesetzgeberisch ausfüllen“.
"Hürden für die Verwendung und Sicherung der Daten"
Christine Lambrecht (SPD) gab ihrem Vorredner zwar in der Interpretation des Gerichtsurteils Recht, die Vorratsdatenspeicherung sei nicht per se verfassungswidrig. Dennoch pochte die Rechtspolitikerin darauf, dass gesetzlich hohe Hürden eingebaut werden müssten in Bezug auf die Verwendung und die Sicherheit der gespeicherten Daten sowie der Transparenz gegenüber den Betroffenen. „Die Bürger müssen darüber informiert sein“, verlangte Lambrecht.
Gleichzeitig warf sie der Union vor, mit den Ängsten der Menschen zu spielen. "Ich rate dringend davon ab zu behaupten, ohne die Vorratsdatenspeicherung bestünde eine Sicherheitslücke und es fehlten die geeigneten Mittel zur Strafverfolgung.“ Die Sozialdemokratin zeigte sich zudem gespannt, welche Haltung die Koalition zur Vorratsdatenspeicherung einnehmen werde: "Der Innenminister fordert schnell ein neues Gesetz, die Justizministerin will abwarten - ich bin gespannt, wer sich durchsetzt!“ Zugleich signalisierte Lambrecht Unterstützung für die Position der FDP.
"Erst europäische Richtlinie prüfen"
Deren rechtspolitischer Sprecher Christian Ahrendt wies diese jedoch mit feiner Ironie zurück: "Seien Sie versichert, wir werden die Fahne der Freiheit schon hochhalten. Sie haben ja nicht einmal eine im Schrank“, sagte der Liberale und erinnerte daran, dass Lambrecht, so wie die SPD insgesamt, zu Zeiten der Großen Koalition die Vorratsdatenspeicherung noch befürwortet habe. In der Einschätzung der Folgen des Urteils für die Arbeit der Polizei widersprach Ahrendt dann aber indirekt auch seinem Vorredner von der Union: "Es gibt keine Sicherheitslücke.“
Durch die einstweilige Verfügung des Verfassungsgerichts sei die Vorratsdatenspeicherung doch schon vorher suspendiert worden. Der Abgeordnete kündigte an, seine Fraktion werde das Urteil nun genau prüfen und das weitere Handeln überdenken. Eile sei aber nicht geboten, da auch die europäische Richtlinie derzeit auf dem Prüfstand stehe. "Daher hätte es auch nicht eines populistischen Antrags von Ihnen bedurft“, sagte Ahrendt in Richtung der Grünen gewandt.
„Auf Datenspeicherungen verzichten“
Jan Korte, Innenpolitiker der Linksfraktion, signalisierte hingegen Zustimmung für den Antrag: Dass mit der Vorratsdatenspeicherung „ohne Anlass Kommunikationsverbindungen von 80 Millionen Deutschen registriert und dokumentiert“ würden, sei gefährlich für die Demokratie. Wer sich beobachtet fühle, der ändere sein Verhalten. „Er kann nicht mehr frei und unangepasst kommunizieren“, gab Korte zu bedenken. Dies sei aber sei eine Grundvoraussetzung für die Demokratie. Der Linkspolitiker forderte deshalb die Bundesregierung auf, künftig auf die Vorratsdatenspeicherung zu verzichten. Dass das Bundesverfassungsgericht diese nicht grundsätzlich für verfassungswidrig erklärt habe, sei kein Grund, sie fortzusetzen. „Das ist eine politische Auseinandersetzung, die wir führen müssen“, betonte Korte.