Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2010 > Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert
Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert hat zu Beginn der Plenarsitzung am Freitag, 7. Mai 2010, an das Ende des Zweiten Weltkrieges am 8. Mai vor 65 Jahren erinnert. Damals, am 8. Mai 1945, hätten nur jene das Gefühl einer lang ersehnten Befreiung von der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft gehabt, die unter der NS-Dikatur "so entsetzlich gelitten" hatten - in den überfallenen Ländern, in den Konzentrationslagern, als Zwangsarbeiter, als politisch und rassisch Verfolgte. Für sie sei dieser Tag eine wirkliche und erlebte Befreiung durch sowjetische, amerikanische und britische Truppen gewesen, sagte Lammert. Für viele andere habe es noch lange gedauert, "bis sich die heutige Gewissheit" durchsetzte: "Es war ein Tag der Befreiung für alle."
Der Krieg habe eine Spur des Todes und der Verwüstung durch Europa gezogen. Und mit dem erklärten Ende des Krieges sei das Leid keineswegs zu Ende gewesen. Für nicht wenige habe eine neue Leidenszeit begonnen: "Weil sie in Gefangenschaft gerieten, weil sie aus ihrer Heimat vertrieben wurden oder weil sie sich erneut in einer Diktatur wiederfanden und es weitere 40 Jahre dauern sollte, bis sie ihre Freiheit mutig zurückerkämpfen konnten."
In den Städten Europas - und nicht nur dort - habe der Krieg deutlich sichtbare Narben hinterlassen. Narben gebe es aber auch in der Seele der Menschen.
Lammert unterstrich: "Wir gedenken heute der Millionen Opfer dieses Krieges. Wir gedenken aller, die ihr Leben, ihre Gesundheit, ihre Angehörigen, ihre Heimat verloren haben. Wir Nachgeborenen können heute besser als damals Ursache und Folgen des Krieges unterscheiden. Dieser Krieg ist von Deutschland angezettelt worden, er hatte entsetzliche Folgen, auch im eigenen Land."
Am 8. Mai 1945 habe auch der Wiederaufbau eines am Boden liegenden Landes begonnen. Die Menschen - zwischen Hoffen und Verzweiflung - hätten überleben wollen und das Land aus Ruinen wieder aufgebaut - im Osten wie im Westen. Der Westen habe dabei die weitaus besseren Startvoraussetzungen gehabt, weil hier in Freiheit und mit der Unterstützung der westlichen Siegermächte ein demokratischer Neubeginn möglich gewesen sei.
"Die Menschen waren fest entschlossen, sich die ihnen gegebene Freiheit nicht ein zweites Mal aus der Hand nehmen zu lassen. Den Frauen und Männern, die 1945 die Chance des demokratischen Neubeginns mutig genutzt haben, sind wir zu großem Dank verpflichtet", sagte der Präsident.
In Mittel- und Ostdeutschland hätten die Menschen einen ungleich mühsameren Weg gehen und sich die Freiheit von der kommunistischen Diktatur schwer erkämpfen müssen. Die Art und Weise, wie sie sich 1989 "entschlossen, aber ohne Gewalt befreit haben, fügt unserer Demokratiegeschichte ein glanzvolles Kapitel hinzu, auf das wir alle in Deutschland stolz sein dürfen", so Lammert weiter.
Nach 65 Jahren hätten sich die Feinde vond damals längst die Hand zur Versöhnung gereicht. Deutschland sei im vereinten Europa ein verlässlicher und geachteter Partner und Nachbar. Auch Russland sei nach dem Zerfall der Sowjetunion immer mehr zu einem politischen und wirtschaftlichen Partner geworden - auch im gemeinsamen Bemühen um eine neue und dauerhafte Friedensordnung in Europa.
"Die Freiheit, die uns von außen gebracht wurde, haben wir in 65 Jahren bewahrt und verteidigt. Unsere Demokratie hat sich auch in schwierigen Zeiten als stabil und handlungsfähig erwiesen. Und unser Land hilft mit - gerade im Bewusstsein der bitteren Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges - den Frieden in der Welt zu schützen", betonte Lammert.
"An einem Tag wie diesem spüren und bekennen wir ganz besonders deutlich die Verantwortung, die sich für uns aus der Geschichte ergibt, und bekennen uns dazu."