Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Textarchiv > 2010 > Kommunalfinanzen
Das Bestreben der Linksfraktion, die Gewerbesteuer durch eine Gemeindewirtschaftssteuer zu ersetzen, hat im Bundestag keine Mehrheit gefunden. Am Freitag, 21. Mai 2010, stimmte die Koalitionsmehrheit von CDU/CSU und FDP gegen einen entsprechenden Antrag (17/783, 17/1783), dessen Ziel es laut Linksfraktion war, "das Finanzaufkommen der Kommunen zu verstetigen“. Zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen wurde ein weiterer Antrag der Linksfraktion (17/1744), der die Rücknahme von Unternehmenssteuersenkungen fordert, sowie ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/1764), nach dem auch Freiberufler künftig Gewerbesteuer zahlen sollen.
In der Debatte herrschte Einigkeit in der Feststellung, dass die finanzielle Situation der Kommunen besorgniserregend sei. Sowohl bei der Frage, wie es dazu kommen konnte als auch bei der Diskussion über Lösungsansätze offenbarten die Fraktion jedoch unterschiedliche Auffassungen.
Katrin Kunert (Linksfraktion) warb für die von ihrer Fraktion eingebrachten Anträge. Jede selbstständige, nachhaltige Betätigung mit Gewinnerzielungsabsicht solle danach in die Gemeindewirtschaftsteuer einbezogen werden. Zur Bemessungsgrundlage sollten auch Schuldzinsen gehören, um Gewinn- und Steuerverlagerungen zu verhindern.
Zur Rettung von Banken würden "Milliarden ganz schnell und ohne ausreichende Maßnahmen zur Regulierung der Finanzmärkte beschlossen“, kritisierte Kunert. Den Bürgern vor Ort sei in diesem Zusammenhang nicht zu vermitteln, wieso öffentliche Dienstleistungen nicht mehr finanzierbar seien.
Es habe sich gezeigt, dass die Ankündigung der Koalition, dass die Kommunen um 2,5 Milliarden Euro entlastet würden, falsch war. "Zu diesen Entlastungen ist es nie gekommen“, sagte die Abgeordnete der Linken, die an die Koalitionsfraktionen gerichtet forderte, auch für die Kommunen so "emotional und verantwortungsbewusst“ wie für Europa zu agieren.
Die ernste Lage der Kommunen sei unbestreitbar, machte der Unionsabgeordnete Dr. Mathias Middelberg deutlich. Die in den Anträgen vorgeschlagenen "Schnellschüsse“ seien jedoch "kein Beitrag zur Lösung in dieser kritischen Lage“. Sie seien im Grunde nichts anderes als ein schlichtes Steuererhöhungspaket, befand Middelberg.
Dies gehe zu Lasten der Arbeitsplätze und sei mit der Union nicht zu machen. Fünfzig Prozent des Wegfalls der Einnahmen sei durch den konjunkturbedingten Einbruch der Gewerbesteuer bedingt, sagte der CDU-Politiker. Deshalb sei es wichtig, nicht nur "kosmetische Lösungen“ anzubieten, sondern zu strukturellen Veränderungen“ zu kommen.
Der Vorschlag, die Gewerbesteuer durch einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer und einen kommunalen Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer zu ersetzen, müsse daher "ernsthaft geprüft werden“, was die Regierungskommission zur Neuordnung der Gemeindefinanzierung unter der Leitung von Bundesfinanzminister Schäuble auch tue.
Bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen seien die "schwarz-gelben Steuersenker" vom Platz geschickt worden, sagte Bernd Scheelen (SPD). Das sei auch gut so. "Die Menschen vor Ort haben gemerkt, was Ihre Steuersenkungsphantasien anrichten.“
Das Problem der Kommunen sei neben den sinkenden Einnahmen auch steigende Kosten im sozialen Bereich. Diese "Schere“ gehe immer weiter auseinander, sagte Scheelen. "Ihre Antwort darauf ist die Einsetzung einer Kommission.“ Wenn diese den Ersatz der Gewerbesteuer prüfen solle, wie es im Koalitionsvertrag heißt, "haben wir große Bedenken, dass am Ende etwas Sinnvolles und Richtiges dabei herauskommt“.
Es gebe kein überzeugendes Modell, welches die Gewerbesteuer ersetzen könnte. Das sei schon mehrfach überprüft worden. "Wenn Sie die Belastung von der Wirtschaft auf die Bürger übertragen wollen, ist das mit uns nicht zu machen“, sagte Scheelen.
Die Aussage, die Bürger würden sehen, was die "christlich-liberale Steuerpolitik“ angerichtet habe, sei völlig abwegig, befand der FDP-Abgeordnete Dr. Volker Wissing. Tatsächlich sei es so, dass unter einem SPD-Finanzminister die Einnahmen über die Gewerbesteuer von 41 Milliarden Euro 2008 auf 35 Milliarden Euro Ende 2009 gesunken seien.
Es wäre daher anständig gewesen, so Wissing, wenn die SPD einräumen würde, dass man es nicht geschafft habe, über die Gewerbesteuer die Einnahmen der Kommunen zu stabilisieren. Stattdessen laste man der neuen Regierung dies an. "Es gibt überhaupt keinen Zusammenhang zwischen der Finanzpolitik dieser Bundesregierung und der Situation der Kommunen“, befand Wissing.
Die Gewerbesteuer sei eine "Jo-jo-Steuer“, die nun einmal keine sichere Einnahmequelle darstelle, insbesondere nicht in konjunkturschwachen Zeiten. Daher erarbeite die Regierungskommission "sehr konstruktiv“ neue Ideen. Keineswegs gehe es dabei um die Verlagerung der Belastung von den Unternehmen auf die Bürger, stellte Wissing klar.
Es seien drei Faktoren, die zu den finanziellen Problemen der Kommunen geführt hätten, sagte Britta Haßelmann (Bündnis 90/Die Grünen). Neben den angesichts der Finanzkrise gesunkenen Gewerbesteuereinnahmen seien dies die strukturelle Unterfinazierung der Kommunen und die Folgen der "Steuerentlastungsgesetzgebung“. Trotz der Probleme mit der Gewerbesteuer sei es falsch, deren Abschaffung zu fordern. "Das ist doch ein völliger Trugschluss“, sagte sie.
Die Unterfinanzierung sei hingegen den "steigenden und nicht gegenfinanzierten Sozialausgaben“ geschuldet. Hier müsse "der Verteilungsschlüssel angepasst werden“. Was die Steuerentlastungen angehe, so grenze es schon an Hohn, davon zu reden, das Wachstumsbeschleunigungsgesetz habe zur Geldvermehrung bei den Kommunen geführt.
"Wir sind heilfroh, dass Bundeskanzlerin Merkel und auch der Finanzminister inzwischen keine weiteren Steuersenkungen wollen“, sagte Haßelmann. Auf den eigenen Antrag eingehend sagte sie, es sei "nicht vermittelbar“, warum Freiberufler keine Gewerbesteuer zahlen sollten.